Majjhima Nikāya, Mittlere Sammlung

ZWEITER TEIL: DIE MITTLEREN FÜNFZIG - Majjhimapannāsam

VII. BUCH: BHIKKHUS - Bhikkhuvaggo

67. Bei Cātumā - Cātumā Sutta

 

So habe ich es gehört:

Einst weilte der Erhabene im Amalakiwalde bei Cātuma. Damals waren Sāriputta und Moggallāna mit fünfhundert Bhikkhus in Cātuma eingetroffen, um den Erhabenen zu sehen. Während die ankommenden mit den dort wohnenden Bhikkhus Begrüßungen austauschten, ihre Lagerstätten herrichteten und ihre Gewänder instand setzten, machten sie großen Lärm. Da fragte der Erhabene den ehrwürdigen Ānanda, was das für ein Lärm sei; es höre sich an, als ob Fischer auf einem Fischzug wären. Ānanda sagte ihm, um was es sich handelte, und der Erhabene beauftragte ihn, die Bhikkhus herbeizurufen. Als sie gekommen waren und sich zu ihm gesetzt hatten, sagte der Erhabene: «Was ist das für ein großer Lärm? Es hört sich an, als ob Fischer auf einem Fischzug wären.» Sie erwiderten, die neu angekommenen Bhikkhus hätten mit den anwesenden Begrüßungen ausgetauscht, die Lagerstätten hergerichtet und ihre Gewänder instand gesetzt, und dabei sei dieser Lärm entstanden. Darauf sagte der Erhabene: «Geht, Bhikkhus, ich entlasse euch, ihr dürft nicht bei mir bleiben.» Die Bhikkhus gehorchten, standen auf, schritten um den Erhabenen rechts herum und gingen fort.

Um dieselbe Zeit waren die Sakyer, die Ratsherren von Cātuma, im Rathause zu einer Beratung versammelt. Als sie die Bhikkhus kommen sahen, gingen sie zu ihnen und fragten sie, warum sie fortgingen. Sie sagten, der Erhabene habe sie entlassen. Da sagten die Sakyer, sie sollten sich ein Weilchen setzen, vielleicht würde es ihnen gelingen, den Erhabenen zu versöhnen, und sie gingen zum Erhabenen und baten ihn, die Bhikkhugemeinde durch freundliche Worte zu erfreuen; es seien neue, erst kürzlich in den Orden aufgenommene Bhikkhus; wenn sie den Erhabenen nicht sehen dürften, würden sie verkümmern, wie zarte Keime verkümmern, wenn sie kein Wasser bekommen, oder wie ein junges Kälbchen verkümmert, wenn es nicht zu seiner Mutter kommen darf. Auch Brahma Sahāmpati, der die Gedanken des Erhabenen erkannte, kam schnell aus dem Brahmahimmel zum Erhabenen und bat ihn, wie die Sakyer, sich der Bhikkhugemeinde freundlich anzunehmen[1]. So gelang es den Sakyern und dem Brahma Sahāmpati, den Erhabenen zu versöhnen. Da sprach Moggallāna zu den Bhikkhus: «Erhebt euch, Brüder, nehmt Obergewand und Schale, der Erhabene ist durch die Sakyer und durch Brahma wieder versöhnt worden.» Nun gingen die Bhikkhus wieder zum Erhabenen, und der Erhabene sagte zu Sāriputta: «Was dachtest du, als ich die Bhikkhugemeinde entließ?» - «Ich dachte», erwiderte Sāriputta, «der Erhabene will seine Ruhe haben, und ich will auch meine Ruhe haben.»

«Ach, komm, Sāriputta», sagte der Erhabene, «laß nicht wieder einen solchen Gedanken aufkommen!» Dann wandte er sich an Moggallāna und fragte ihn, was er gedacht habe. «Ich dachte», erwiderte Moggallāna, «der Erhabene will seine Ruhe haben, nun werde ich mich zusammen mit Sāriputta der Bhikkhugemeinde annehmen!» - «Gut, Moggallāna», sagte darauf der Erhabene, «entweder werde ich mich der Bhikkhugemeinde annehmen oder ihr möget es tun.» Darauf sprach der Erhabene zu den Bhikkhus:

Vier Gefahren drohen denen, die ins Wasser springen: Wellengefahr, Krokodilgefahr, Strudelgefahr und Alligatorgefahr. Ebenso drohen vier Gefahren manchem, der in den Orden eintritt: Wellengefahr, Krokodilgefahr, Strudelgefahr und Alligatorgefahr.

Dies ist die Wellengefahr: Mancher ehrbare Mann, der vertrauensvoll aus dem Hause in die Heimatlosigkeit gezogen ist, denkt: Versunken bin ich in Geburt, Altern und Sterben, in Kummer, Jammer, Schmerz, Gram und Verzweiflung, versunken im Übel, vom Übel überwältigt. Wenn es mir doch gelänge, dieser ganzen Masse des Übels ein Ende zu machen! Ihn belehren und unterweisen dann seine Mitbrüder: So mußt du hin und her gehen, so mußt du hinschauen und wegschauen, so mußt du die Glieder bewegen, so mußt du Schale und Gewand tragen. Er denkt dann: Früher, als ich noch in der Häuslichkeit lebte, habe ich andere belehrt und unterwiesen, jetzt jedoch glauben diese jungen Leute, die meine Kinder und Enkel sein konnten, mich belehren und unterweisen zu müssen. Mit solchen Gedanken gibt er das Streben auf und kehrt zum niederen Leben zurück. Dieser hat, sagt man, das Streben aufgegeben, weil er der Wellengefahr erlegen ist, denn Wellengefahr ist der bildliche Ausdruck für Verärgerung.

Dies ist die Krokodilgefahr: Mancher ehrbare Mann, der vertrauensvoll aus dem Hause in die Heimatlosigkeit gezogen ist, denkt: Versunken bin ich im Übel[2], wenn es mir doch gelänge, dem Übel ein Ende zu machen! Ihn belehren und unterweisen dann seine Mitbrüder: Dieses darfst du essen, jenes darfst du nicht essen, dieses darfst du trinken, jenes darfst du nicht trinken, nur Erlaubtes darfst du essen und trinken, Unerlaubtes darfst du nicht essen und trinken, nur zur rechten Zeit darfst du essen und trinken, nicht zu unrechter Zeit. Er denkt dann: Früher, als ich noch in der Häuslichkeit lebte, aß und trank ich, was ich wollte, ich aß und trank zur rechten und zur unrechten Zeit. Wenn mir gläubige Laien zu unrechter Zeit eine vorzügliche Mahlzeit darreichen, legen mir diese da gewissermaßen einen Maulkorb an. Mit solchen Gedanken gibt er das Streben auf und kehrt zum niederen Leben zurück. Dieser hat, sagt man, das Streben aufgegeben, weil er der Krokodilgefahr erlegen ist, denn Krokodilgefahr ist der bildliche Ausdruck für Gefräßigkeit.

Dies ist die Strudelgefahr: Mancher ehrbare Mann, der vertrauensvoll aus dem Hause in die Heimatlosigkeit gezogen ist, denkt: Versunken bin ich im Übel, wenn es mir doch gelänge, dem Übel ein Ende zu machen! Er geht frühmorgens mit Schale und Obergewand in ein Dorf oder ein Städtchen, um Speise zu sammeln, ohne über seine Haltung und sein Reden zu wachen, ohne Achtsamkeit zu üben und ohne seine Sinne im Zaum zu halten. Dann sieht er einen Hausherrn oder dessen Sohn, wie sie genießen, was die fünf Sinne bieten, und Dienerinnen besitzen, und denkt: Früher, als ich noch in der Häuslichkeit lebte, konnte auch ich genießen, was die fünf Sinne bieten, und besaß eine Dienerin. Meine Familie ist reich, ich könnte den Reichtum genießen und damit Gutes tun. Mit solchen Gedanken gibt er das Streben auf und kehrt zum niederen Leben zurück. Dieser hat, sagt man, das Streben aufgegeben, weil er der Strudelgefahr erlegen ist, denn Strudelgefahr ist der bildliche Ausdruck für die Freuden der fünf Sinne.

Dies ist die Alligatorgefahr: Manch ehrbare Mann, der vertrauensvoll aus dem Hause in die Heimatlosigkeit gezogen ist, denkt: Versunken bin ich im Übel, wenn es mir doch gelänge, dem Übel ein Ende zu machen! Er geht frühmorgens mit Schale und Obergewand in ein Dorf oder ein Städtchen, um Speise zu sammeln, ohne über seine Haltung und sein Reden zu wachen, ohne Achtsamkeit zu üben und ohne seine Sinne im Zaum zu halten. Dort sieht er ein nachlässig bekleidetes Weib. Infolgedessen verwirrt Leidenschaft sein Denken, und so gibt er das Streben auf und kehrt zum niederen Leben zurück. Dieser hat, sagt man, das Streben aufgegeben, weil er der Alligatorgefahr erlegen ist, denn Alligatorgefahr ist der bildliche Ausdruck für das Weibliche.

Diese vier Gefahren drohen manchem, der in den Orden eintritt.

So sprach der Erhabene. Mit Freude und Dank nahmen die Bhikkhus seine Erklärung an.



[1] Hier werden zuerst dieselben Worte wie im 26 Sutta, dann dieselben, welche vorher die Sakyer gesprochen hatten, wiederholt. Die Einführung Brahma Sahāmpatis ist wahrscheinlich hier wie im 26. Sutta ein bildlicher Ausdruck dafür, daß Buddha schon aus eigener Erwägung versöhnt war.

[2] Im Text ausführlich wie im ersten Gleichnis.


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