DAS HAB' ICH GHÖRT. Zu einer Zeit wanderte der Erhabene in Bengalen von Ort zu Ort und kam, von vielen Mönchen begleitet, mit einer Schar von fünfhundert Mönchen, in die Nähe von Campā.
Bei Campā weilte nun der Erhabene, am Gestade des Gaggarā-Sees.
Um diese Zeit aber lebte Sonadando der Priester zu Campā, das, gar heiter anzuschauen, mit Weide-, Wald- und Wasserplätzen, mit Kornkammern, mit königlichem Reichtum begabt, vom Māgadher König Seniyo Bimbisāro als Königsgabe den Priestern zu eigen gegeben war.
Da hörten denn die priesterlichen Hausväter in Campā reden <Der Asket, wahrlich, Herr Gotamo, der Sakyersohn, der dem Erbe der Sakyer entsagt hat, wandert in unserem Lande von Ort zu Ort und ist, von vielen Mönchen begleitet, mit einer Schar von fünfhundert Mönchen bei Campā angekommen, weilt in der Nähe der Stadt, am Gestade des Gaggarā-Sees. Diesen Herrn Gotamo aber begrüßt man allenthalben mit dem frohen Ruhmesrufe, so zwar: 'Das ist der Erhabene, der Heilige, vollkommen Erwachte, der Wissens- und Wandelsbewährte, der Willkommene, der Welt Kenner, der unvergleichliche Leiter der Männerherde, der Meister der Götter und Menschen, der Erwachte, der Erhabene. Er zeigt diese Welt mit ihren Göttern, ihren bösen und heiligen Geistern, mit ihrer Schar von Büßern und Priestern, Göttern und Menschen, nachdem er sie selbst verstanden und durchdrungen hat. Er verkündet die Lehre, deren Anfang begütigt, deren Mitte begütigt, deren Ende begütigt, die sinn- und wortgetreue, er legt das vollkommen geläuterte, geklärte Asketentum dar. Glücklich aber wer solche Heilige sehn kann!'>
Es zogen nun priesterliche Hausväter von Campā aus der Stadt hinaus, zahlreich, in Scharen zusammengekommen, nach dem Gestade des Gaggarā-Sees, da zogen sie hin. Nun hatte gerade damals Sonadando der Priester oben auf der Zinne seines Hauses Tagesrast genommen. Da sah denn Sonadando der Priester die priesterlichen Hausleute von Campā aus der Stadt hinaus ziehn, zahlreich, in Scharen zusammengekommen, nach dem Gestade des Gaggarā-Sees dahinschreiten, und als er sie gesehn wandte er sich an seinen Torwart:
«Was gehn nur, lieber Torwart, die priesterlichen Hausleute von Campā aus der Stadt hinaus, zahlreich, in Scharen zusammengekommen, nach dem Gestade des Gaggarā-Sees hinab?»
«Es ist, Herr, der Asket Gotamo, der Sakyersohn, der dem Erbe der Sakyer entsagt hat, der in Bengalen von Ort zu Ort wandert, von vielen Mönchen gefolgt, mit einer Schar von fünfhundert Mönchen bei Campā angekommen, weilt in der Nähe der Stadt, am Gestade des Gaggarā-Sees. Diesen Herrn Gotamo aber begrüßt man allenthalben mit dem frohen Ruhmesrufe, so zwar: <Das ist der Erhabene, der Heilige, vollkommen Erwachte, der Wissens- und Wandelsbewährte, der Willkommene, der Welt Kenner, der unvergleichliche Leiter der Männerherde, der Meister der Götter und Menschen, der Erwachte, der Erhabene.> Diesen Herrn Gotamo gehen sie besuchen.»
«So geh' nur, lieber Torwart, zu jenen priesterlichen Hausleuten hin und sprich also zu ihnen: <Sonadando, ihr Herren, der Priester, läßt sagen, es möchten die Herren etwas warten: auch Sonadando der Priester will den Asketen Gotamo besuchen.»
«Schön, Herr!» entgegnete da gehorsam der Torwart Sonadando dem Priester. Dann begab er sich zu den priesterlichen Hausvätern hin und sprach also zu ihnen:
«Sonadando, ihr Herren, der Priester, läßt sagen, es möchten die Herren etwas warten: auch Sonadando der Priester will den Asketen Gotamo besuchen.»
Damals nun waren gegen fünfhundert Priester aus verschiedenen Landen in Campā zusammengekommen, irgendeine Angelegenheit zu verhandeln. Als diese Priester da hörten, daß Sonadando der Priester den Asketen Gotamo besuchen gehn wolle, begaben sie sich alsbald zu Sonadando dem Priester und sprachen also zu ihm:
«Ist es wahr, wie man sagt, daß Herr Sonadando den Asketen Gotamo besuchen gehn will?»
«Gewiß, ihr Herren, auch ich denke den Asketen Gotamo zu besuchen.»
«Nicht Herr Sonadando darf den Asketen Gotamo besuchen gehn; nicht geziemt es Herrn Sonadando den Asketen Gotamo zu besuchen. Wenn da Herr Sonadando den Asketen Gotamo besuchen ginge, würde der Ruhm des Herrn Sonadando abnehmen, der Ruhm des Asketen Gotamo zunehmen. Weil aber der Ruhm des Herrn Sonadando abnehmen und der Ruhm des Asketen Gotamo zunehmen würde, so geziemt es eben insofern nicht Herrn Sonadando den Asketen Gotamo zu besuchen dem Asketen Gotamo vielmehr geziemt es Herrn Sonadando zu besuchen. Denn Herr Sonadando ist beiderseit wohlgeboren, vom Vater und von der Mutter aus, lauter empfangen, bis zum siebenten Ahnherrn hinauf unbefleckt, untadelhaft von Geburt. Denn Herr Sonadando ist reich, mit Geld und Gut mächtig begabt. Denn Herr Sonadando ist ein Gelehrter, ein Spruchkenner, ein Meister der drei Veden, samt ihrer Auslegung und Deutung, samt ihrer Laut- und Formenlehre, und ihren Sagen zufünft, der Gesänge kundig und ein Erklärer, der die Merkmale eines großen Weltweisen aufweist. Denn Herr Sonadando ist schön, hold, liebenswürdig, mit höchster Anmut begabt, mit heiligem Glanze, heiligem Lichte, es ist keine geringe Gunst ihn anzublicken. Denn Herr Sonadando ist tugendrein, tugendreif, in Tugend reif geworden. Denn Herr Sonadando spricht angemessen, redet angemessen, seine Rede ist höflich, deutlich, nicht stammelnd, tauglich den Sinn darzulegen. Denn Herr Sonadando ist vieler Meister und Altmeister und läßt eine Schar von dreihundert Schülern die Sprüche bei sich erlernen, und gar zahlreich kommen sie noch herbei aus mancherlei Gegenden, mancherlei Reichen, die Jünglinge, um bei Herrn Sonadando spruchbegierig die Sprüche sich eifrig anzueignen. Denn Herr Sonadando ist alt und greis, hochbetagt, dem Ende nahe, am Ziel angelangt: der Asket Gotamo aber ist noch jung, ist erst vor kurzem hinausgezogen. Denn Herr Sonadando wird vom Māgadher König Seniyo Bimbisāro wertgehalten, hochgeschätzt, geachtet, geehrt und ausgezeichnet. Denn Herr Sonadando wird von Pokkharasāti dem Priester wertgehalten, hochgeschätzt, geachtet, geehrt und ausgezeichnet. Denn Herr Sonadando lebt zu Campā, das, gar heiter anzuschauen, mit Weide-, Wald- und Wasserplätzen, mit Kornkammern, mit königlichem Reichtum begabt, vom Māgadher König Seniyo Bimbisāro als Königsgabe den Priestern zu eigen gegeben ist. Weil aber Herr Sonadando zu Campā lebt, das, gar heiter anzuschauen, mit Weide-, Wald- und Wasserplätzen, mit Kornkammern, mit königlichem Reichtum begabt, vom Māgadher König Seniyo Bimbisāro als Königsgabe den Priestern zu eigen gegeben ist, so geziemt es eben insofern nicht Herrn Sonadando den Asketen Gotamo zu besuchen: dem Asketen Gotamo vielmehr geziemt es Herrn Sonadando zu besuchen.»
Auf diese Worte wandte sich Sonadando der Priester also an jene Priester:
«Wohlan denn, ihr Herren, so hört auch von mir, aus welchem und welchem Grunde es vielmehr uns geziemt den Herrn Gotamo zu besuchen, und es nicht dem Herrn Gotamo geziemt uns zu besuchen.
Der Asket Gotamo, ihr Herren, ist ja bei Campā angekommen, weilt in der Nähe der Stadt, am Gestade des Gaggarā-Sees. Wer aber auch immer von Asketen und Priestern in unser Landgebiet kommt ist unser Gast. Und einen Gast müssen wir werthalten, hochschätzen, achten, ehren und auszeichnen. Weil nun, ihr Herren, der Asket Gotamo bei Campā angekommen ist, in der Nähe der Stadt weilt, am Gestade des Gaggarā-Sees, so ist der Asket Gotamo unser Gast: und der Gast ist von uns wertzuhalten, hochzuschätzen, zu achten, zu ehren und auszuzeichnen. Auch insofern geziemt es nicht dem Herrn Gotamo uns zu besuchen, sondern uns eben geziemt es den Herrn Gotamo zu besuchen. Soviel weiß ich, ihr Herren, vom Preis des Herrn Gotamo; doch ist der Preis des Herrn Gotamo nicht soviel: unermeßlich ist ja der Preis des Herrn Gotamo.»
Auf diese Worte wandten sich die Priester dort also an Sonadando den Priester:
«Wie da Herr Sonadando das Lob des Asketen Gotamo preist, mag wohl, wenn er, der Herr Gotamo, auch dreihundert Meilen von hier entfernt wäre, schon aus Zutrauen ein Mann von Stande gern hinziehn um ihn zu sehn, und wär' es auch nur von rückwärts.»
«So wollen wir uns denn alle, ihr Herren, zum Asketen Gotamo hinbegeben.»
Alsbald nun machte sich Sonadando der Priester, begleitet von der zahlreichen Priesterschar, auf den Weg, nach dem Gaggarā-See zog er hin. Während aber Sonadando der Priester durch das Waldgehölz weiterschritt, stiegen ihm allmählich im Geiste Bedenken auf: <Wenn ich etwa nun an den Asketen Gotamo eine Frage richte, und der Asket Gotamo dann zu mir vielleicht also spricht: 'Diese Frage, Priester, kann man so nicht aufstellen', so würde mich diese Schar darum verurteilen: 'Töricht ist Sonadando der Priester, ungeschickt, war nicht imstande eine Frage an den Asketen Gotamo gründlich zu stellen'; wen aber diese Schar erst verurteilen mag, dessen Ansehen auch mag von ihm weichen: wessen Ansehen aber erst gewichen ist, von dem wird auch der Wohlstand bald weichen: durch Ansehen erlangt haben wir ja unseren Wohlstand. -
Wenn nun etwa der Asket Gotamo an mich eine Frage richtet, ich aber ihn durch meine Antwort auf die Frage nicht befriedige, und der Asket Gotamo dann zu mir vielleicht also spricht: 'Diese Frage, Priester, kann man so nicht beantworten: so nur, Priester, kann man diese Frage beantworten, so würde mich diese Schar darum verurteilen: 'Töricht ist Sonadando der Priester, ungeschickt, war nicht imstande durch die Antwort auf die Frage den Asketen Gotamo zu befriedigen.' - Wenn ich aber etwa, schon so nahe gekommen, jetzt umkehrte ohne eben den Asketen Gotamo gesehen zu haben, so würde mich diese Schar darum verurteilen: 'Töricht ist Sonadando der Priester, ungeschickt, im Geiste trotzig und furchtsam, er vermochte nicht den Asketen Gotamo aufzusuchen: wie nur hätte er sonst, schon so nahe gekommen, wieder umkehren mögen ohne den Asketen Gotamo gesehen zu haben?' Wen aber diese Schar erst verurteilen mag, dessen Ansehen auch mag von ihm weichen: wessen Ansehen aber erst gewichen ist, von dem wird auch der Wohlstand bald weichen: durch Ansehen erlangt haben wir ja unseren Wohlstand.>
So kam denn Sonadando der Priester dorthin wo der Erhabene weilte. Dort angelangt begrüßte er den Erhabenen höflich, wechselte freundliche, denkwürdige Worte und nahm dann Platz an der Seite. Von den priesterlichen Hausleuten aus Campā aber verneigten sich einige vor dem Erhabenen ehrerbietig und setzten sich zur Seite nieder, andere tauschten höflichen Gruß und freundliche, denkwürdige Worte mit dem Erhabenen und setzten sich zur Seite nieder, einige wieder falteten die Hände gegen den Erhabenen und setzten sich zur Seite nieder, andere wieder gaben beim Erhabenen Namen und Stand zu erkennen und setzten sich zur Seite nieder, und andere setzten sich still zur Seite nieder. Auch dann aber blieb noch Sonadando der Priester, in ebendiese mancherlei Bedenken versunken, auf seinem Platze dort sitzen und gedachte bei sich: <O daß mir doch der Asket Gotamo auf meinem Wissensgebiete über die drei Veden eine Frage stellen möchte, und ich ihn dann durch die Beantwortung der Frage befriedigen könnte!>
Da nahm denn der Erhabene im Geiste den Geist und Gedanken Sonadando des Priesters wahr und sagte sich: <Hin- und hergezerrt wird dieser Priester Sonadando von seinem Gemüte; wie, wenn ich nun Sonadando dem Priester auf seinem Wissensgebiete über die drei Veden eine Frage stellte?> So wandte sich nun der Erhabene an Sonadando den Priester mit diesen Worten:
«Wieviel doch, Priester, der Eigenschaften, sagen die Priester, muß ein Priester erworben haben, auf daß er mit Recht <Ich bin ein Priester> von sich aussagen kann und nicht etwa lügenhaft gesprochen habe?»
Jetzt gedachte nun Sonadando der Priester bei sich: <Was wir so innig erwünscht hatten, erhofft hatten, ersehnt hatten, erfleht hatten - o daß mir doch der Asket Gotamo auf meinem Wissensgebiete über die drei Veden eine Frage stellen möchte, und ich ihn dann durch die Beantwortung der Frage befriedigen könnte - da stellt mir nun der Asket Gotamo auf meinem Wissensgebiete über die drei Veden eine Frage, und ich kann ihn nun wirklich durch meine Antwort auf die Frage befriedigen!> Und Sonadando der Priester richtete sich empor, blickte über die Versammlung hin und sprach nun also zum Erhabenen:
«Fünf sind es, o Gotamo, der Eigenschaften, sagen die Priester, die ein Priester erworben haben muß, auf daß er mit Recht <Ich bin ein Priester> von sich aussagen kann und nicht etwa lügenhaft gesprochen habe: welche fünf?
Das sind, o Gotamo, die fünf Eigenschaften, sagen die Priester, die ein Priester erworben haben muß, auf daß er mit Recht <Ich bin ein Priester> von sich aussagen kann und nicht etwa lügenhaft gesprochen habe.»
«Darf man aber wohl, Priester, von diesen fünf Eigenschaften eine ausnehmen und den mit vier Eigenschaften Begabten noch Priester heißen, auf daß er mit Recht <Ich bin ein Priester> von sich aussagen kann und nicht etwa lügenhaft gesprochen habe?»
«Man darf es, o Gotamo. Wir wollen eben, o Gotamo, von diesen fünf Eigenschaften die Schönheit ausnehmen: was wird es auch auf Schönheit ankommen?
das sind, o Gotamo, die vier Eigenschaften, sagen die Priester, die ein Priester erworben haben muß, auf daß er mit Recht <Ich bin ein Priester> von sich aussagen kann und nicht etwa lügenhaft gesprochen habe.»
«Darf man aber wohl, Priester, von diesen vier Eigenschaften eine ausnehmen und den mit drei Eigenschaften Begabten noch Priester heißen, auf daß er mit Recht <Ich bin ein Priester> von sich aussagen kann und nicht etwa lügenhaft gesprochen habe?»
«Man darf es, o Gotamo. Wir wollen eben, o Gotamo, von diesen vier Eigenschaften die Sprüche ausnehmen: was wird es auch auf Sprüche ankommen?
das sind, o Gotamo, die drei Eigenschaften, sagen die Priester, die ein Priester erworben haben muß, auf daß er mit Recht <Ich bin ein Priester> von sich aussagen kann und nicht etwa lügenhaft gesprochen habe.»
« Darf man aber wohl, Priester, von diesen drei Eigenschaften eine ausnehmen und den mit zwei Eigenschaften Begabten noch Priester heißen, auf daß er mit Recht <Ich bin ein Priester> von sich aussagen kann und nicht etwa lügenhaft gesprochen habe?»
«Man darf es, o Gotamo. Wir wollen eben, o Gotamo, von diesen drei Eigenschaften die Geburt ausnehmen: was wird es auch auf Geburt ankommen?
das sind, o Gotamo, die zwei Eigenschaften, sagen die Priester, die ein Priester erworben haben muß, auf daß er mit Recht <Ich bin ein Priester> von sich aussagen kann und nicht etwa lügenhaft gesprochen habe.»
Auf diese Worte hin wandten sich die Priester dort also an Sonadando den Priester:
«Nicht sollte Herr Sonadando so etwas gesagt haben, nicht sollte Herr Sonadando so etwas gesagt haben: es gibt ja Herr Sonadando
ganz und gar hat ja Herr Sonadando sich dem Worte des Asketen Gotamo angeschlossen!»
Da wandte sich nun der Erhabene an jene Priester und sagte:
«Ist euch Priestern etwa im Sinne gelegen: <Unerfahren ist ja Sonadando der Priester, unangemessen redet Sonadando der Priester, unverständig ist Sonadando der Priester und nicht fähig über diesen Gegenstand mit dem Asketen Gotamo Rede zu führen>: zurücktreten soll dann Sonadando der Priester und ihr sollt über diesen Gegenstand mit mir Rede führen. Ist euch Priestern aber etwa im Sinne gelegen: <Vielerfahren ist ja Sonadando der Priester, angemessen redet Sonadando der Priester, verständig ist Sonadando der Priester, ist fähig über diesen Gegenstand mit dem Asketen Gotamo Rede zu führen>: zurücktreten sollt ihr dann und Sonadando der Priester soll über diesen Gegenstand mit mir Rede führen.»
Nach dieser Mahnung wandte sich Sonadando der Priester an den Erhabenen mit den Worten:
«Verzeihen soll Herr Gotamo, nichts soll Herr Gotamo sagen: ich selbst will mit diesen da nach Rechtens Gegenrede führen.»
Und Sonadando der Priester wandte sich nun also an die Priester dort:
«Nicht sollten die Herren so etwas gesagt haben, nicht sollten die Herren so etwas gesagt haben: <Es gibt ja Herr Sonadando die Schönheit preis, gibt die Sprüche preis, gibt die Geburt preis - ganz und gar hat ja Herr Sonadando sich dem Worte des Asketen Gotamo angeschlossen>: ich gebe, ihr Herren, weder die Schönheit, noch die Sprüche, noch die Geburt preis.»
Nun war gerade damals der Sohn einer Schwester von Sonadando dem Priester, der junge Angako, wie er hieß, in der Versammlung dort anwesend. Da wandte sich denn Sonadando der Priester an jene Priester und sagte:
«Kennen wohl die Herren den jungen Angako hier, unseren Neffen?»
«Gewiß, Herr!»
«Angako nun, ihr Herren, der junge Priester, ist schön, hold, liebenswürdig, mit höchster Anmut begabt, mit heiligem Glanze, heiligem Lichte, es ist keine geringe Gunst ihn anzublicken, es gibt in dieser Versammlung nicht seinesgleichen an Schönheit, den Asketen Gotamo ausgenommen. Angako nun, ihr Herren, der junge Priester, ist ein Gelehrter, ein Spruchkenner, ein Meister der drei Veden, samt ihrer Auslegung und Deutung, samt ihrer Laut- und Formenlehre, und ihren Sagen zufünft, der Gesänge kundig und ein Erklärer, der die Merkmale eines großen Weltweisen aufweist; ich hab' ihn die Sprüche gelehrt. Angako nun, ihr Herren, der junge Priester, ist beiderseit wohlgeboren, vom Vater und von der Mutter aus, lauter empfangen, bis zum siebenten Ahnherrn hinauf unbefleckt, untadelhaft von Geburt; ich kenne seine Eltern. Angako nun, ihr Herren, der junge Priester, könnte aber Lebendiges umbringen, könnte aber Nichtgegebenes nehmen, könnte aber der Frau eines anderen beiwohnen, könnte aber Lüge reden, könnte aber Berauschendes trinken: was möchte da wohl, ihr Herren, die Schönheit frommen, was die Sprüche, was die Geburt? Sofern nur, ihr Herren, ein Priester tugendrein ist, tugendreif, in Tugend reif geworden; und er weise, bedächtig ist, der vorderste oder der nächstfolgende der die Schar zu lenken Berufenen: das sind, ihr Herren, die zwei Eigenschaften, sagen die Priester, die ein Priester erworben haben muß, auf daß er mit Recht <Ich bin ein Priester> von sich aussagen kann und nicht etwa lügenhaft gesprochen habe.»
«Darf man aber wohl, Priester, von diesen zwei Eigenschaften eine ausnehmen und den mit einer Eigenschaft Begabten noch Priester heißen, auf daß er mit Recht <Ich bin ein Priester> von sich aussagen kann und nicht etwa lügenhaft gesprochen habe?»
«Das wohl nicht, o Gotamo: von Tugend umflossen ist ja, o Gotamo, die Weisheit, von Weisheit umflossen die Tugend; wo Tugend ist, da ist Weisheit: wo Weisheit ist, da ist Tugend. Dem Tüchtigen kommt Weisheit zu, dem Weisen kommt Tugend zu; Tugend und Weisheit wird ja doch in der Welt als das Höchste bezeichnet. Gleichwie etwa, o Gotamo, eine Hand die andere wäscht, oder ein Fuß den anderen wäscht: ebenso ist auch, o Gotamo, die Weisheit von Tugend umflossen, die Tugend von Weisheit umflossen; wo Tugend ist, da ist Weisheit: wo Weisheit ist, da ist Tugend. Dem Tüchtigen kommt Weisheit zu, dem Weisen kommt Tugend zu; Tugend und Weisheit wird ja doch in der Welt als das Höchste bezeichnet.»
«So ist es, Priester, so ist es, Priester: von Tugend umflossen ist freilich, Priester, die Weisheit, von Weisheit umflossen die Tugend; wo Tugend ist, da ist Weisheit: wo Weisheit ist, da ist Tugend. Dem Tüchtigen kommt Weisheit zu, dem Weisen kommt Tugend zu; Tugend und Weisheit wird ja doch in der Welt als das Höchste bezeichnet. Was ist das aber, Priester, für eine Tugend, und was für eine Weisheit ist das?»
«Insofern sind wir zu Ende nun, o Gotamo, mit unserer Angabe: gut aber wär' es, wenn eben Herr Gotamo den Sinn dieser Worte aufhellen wollte.»
«Wohlan denn, Priester, so höre und achte wohl auf meine Rede.»
«Gewiß, Herr!» sagte da Sonadando der Priester zum Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:
«Da erscheint, Priester, der Vollendete in der Welt, der Heilige, vollkommen Erwachte, der Wissens- und Wandelsbewährte, der Willkommene, der Welt Kenner, der unvergleichliche Leiter der Männerherde, der Meister der Götter und Menschen, der Erwachte, der Erhabene.
Er zeigt diese Welt mit ihren Göttern, ihren bösen und heiligen Geistern, mit ihrer Schar von Priestern und Büßern, Göttern und Menschen, nachdem er sie selbst verstanden und durchdrungen hat. Er verkündet die Lehre, deren Anfang begütigt, deren Mitte begütigt, deren Ende begütigt, die sinn- und wortgetreue, er legt das vollkommen geläuterte, geklärte Asketentum dar. -
Diese Lehre hört ein Hausvater, oder der Sohn eines Hausvaters, oder einer, der in anderem Stande neugeboren ward. Nachdem er diese Lehre gehört hat, faßt er Vertrauen zum Vollendeten. Von diesem Vertrauen erfüllt denkt und überlegt er also: <Ein Gefängnis ist die Häuslichkeit, ein Schmutzwinkel; der freie Himmelsraum die Pilgerschaft. Nicht wohl geht es, wenn man im Hause bleibt, das völlig geläuterte, völlig geklärte Asketentum Punkt für Punkt zu erfüllen. Wie, wenn ich nun, mit geschorenem Haar und Barte, mit fahlem Gewande bekleidet, aus dem Hause in die Hauslosigkeit hinauszöge?> So gibt er denn später einen kleinen Besitz oder einen großen Besitz auf, hat einen kleinen Verwandtenkreis oder einen großen Verwandtenkreis verlassen und ist mit geschorenem Haar und Barte, im fahlen Gewande von Hause fort in die Hauslosigkeit gezogen. -
Also Pilger geworden bleibt er in reiner Zucht richtig gezügelt, lauter im Handel und Wandel: vor geringstem Fehl auf der Hut kämpft er beharrlich weiter, Schritt um Schritt; in Taten und Worten heilsam beflissen lebt er rein, ist tüchtig in Tugend, hütet die Tore der Sinne, gewappnet mit klarem Bewußtsein, zufrieden. Das aber ist da nun, Priester, Tugend. -
Treu der heiligen Tugendsatzung, treu der heiligen Sinnenzügelung, treu der heiligen klaren Einsicht, treu der heiligen Zufriedenheit sucht er einen abgelegenen Ruheplatz auf, einen Hain, den Fuß eines Baumes, eine Felsengrotte, eine Bergesgruft, einen Friedhof, die Waldesmitte, ein Streulager in der offenen Ebene. Nach dem Mahle, wenn er vom Almosengange zurückgekehrt ist, setzt er sich mit verschränkten Beinen nieder, den Körper gerade aufgerichtet, und pflegt der Einsicht.
Während er so diese fünf Hemmungen (nivarana) in sich aufgehoben erkennt, wird er freudig bewegt. Freudig bewegt wird er heiter. Heiteren Herzens wird der Körper beschwichtigt. Körperbeschwichtigt fühlt er sich wohl. Sich wohl fühlend wird sein Geist einig. So gewinnt er, gar fern von Begierden, fern von unheilsamen Dingen, in sinnend gedenkender ruhegeborener seliger Verzückung, die Weihe der ersten Schauung. Das aber ist da nun, Priester, Tugend. -
Nach Vollendung des Sinnens und Gedenkens erreicht er die innere Meeresstille, die Einheit des Gemütes, die von sinnen, von gedenken freie, in der Einigung geborene selige Verzückung, die Weihe der zweiten Schauung. Das aber ist da nun, Priester, Tugend. -
In heiterer Ruhe verweilt er gleichmütig, einsichtig, klar bewußt, ein Glück empfindet er im Körper, von dem die Heiligen sagen: <Der gleichmütig Einsichtige lebt beglückt>; so erwirkt er die Weihe der dritten Schauung. Das aber ist da nun, Priester, Tugend. -
Nach Verwerfung der Freuden und Leiden, nach Vernichtung des einstigen Frohsinns und Trübsinns erwirkt er die leidlose, freudlose, gleichmütig einsichtige vollkommene Reine, die Weihe der vierten Schauung. Das aber ist da nun, Priester, Tugend. Das also ist eben, Priester, Tugend.
Wenn dann weiter, Priester, der heilige Jünger sich mancher verschiedenen früheren Daseinsform erinnert, mit je den eigentümlichen Merkmalen, mit je den eigenartigen Beziehungen, so gilt ihm das eben als Weisheit. Wenn dann weiter, Priester, der heilige Jünger die Wesen dahinschwinden und wiedererscheinen sieht, gemeine und edle, schöne und unschöne, glückliche und unglückliche, erkennen kann wie die Wesen je nach Taten wiederkehren, so gilt ihm das eben als Weisheit.
Wenn dann weiter, Priester, der heilige Jünger mit der Wahnversiegung die wahnlose Gemüterlösung, Weisheiterlösung noch bei Lebzeiten sich offenbar machen, verwirklichen und erringen kann, <Im Erlösten ist die Erlösung>, diese Erkenntnis ihm aufgeht, <Versiegt ist die Geburt, vollendet das Asketentum, gewirkt das Werk, nicht mehr ist diese Welt>, er verstanden hat, so gilt ihm das eben als Weisheit. Das also ist eben, Priester, Weisheit.»
Nach dieser Rede wandte sich Sonadando der Priester also an den Erhabenen:
«Vortrefflich, o Gotamo, vortrefflich, o Gotamo! Gleichwie etwa, o Gotamo, als ob einer Umgestürztes aufstellte, oder Verdecktes enthüllte, oder Verirrten den Weg wiese, oder Licht in die Finsternis brächte: <Wer Augen hat wird die Dinge sehn>: ebenso auch hat Herr Gotamo die Lehre gar mannigfach dargelegt. Und so nehm' ich bei Herrn Gotamo Zuflucht, bei der Lehre und bei der Jüngerschaft als Anhänger soll mich Herr Gotamo betrachten, von heute an zeitlebens getreu. Und möge mir Herr Gotamo die Bitte gewähren, morgen mit den Mönchen bei mir zu speisen!»
Schweigend gewährte der Erhabene die Bitte.
Als nun Sonadando der Priester der Zustimmung des Erhabenen gewiß war, stand er von seinem Sitze auf, bot dem Erhabenen ehrerbietigen Gruß dar, ging rechts herum und zog von dannen.
Am nächsten Morgen dann ließ Sonadando der Priester in seiner Behausung ausgewählte feste und flüssige Speise auftragen und sandte alsbald einen Boten an den Erhabenen mit der Meldung: <Es ist Zeit, o Gotamo, das Mahl ist bereit.> So begann denn der Erhabene sich beizeiten zu rüsten, nahm Mantel und Almosenschale und ging mit einer Schar Mönche zur Behausung hin, wo Sonadando der Priester wohnte. Dort angelangt nahm der Erhabene auf dem dargebotenen Sitze Platz. Sonadando aber der Priester bediente und versorgte eigenhändig den Erwachten und seine Jünger mit ausgewählter fester und flüssiger Speise.
Nachdem nun der Erhabene gespeist und das Mahl beendet hatte, nahm Sonadando der Priester einen von den niederen Stühlen zur Hand und setzte sich zur Seite hin. Zur Seite sitzend wandte sich da Sonadando der Priester an den Erhabenen und sagte:
«Bin ich da wieder einmal, o Gotamo, in einer Versammlung anwesend, und ich würde mich von meinem Sitze erheben um Herrn Gotamo zu begrüßen, so würde mich deswegen meine Umgebung verurteilen. Wen aber diese Leute erst verurteilen, dessen Ansehen auch mag von ihm weichen: wessen Ansehen aber erst gewichen ist, von dem wird auch der Wohlstand bald weichen: durch Ansehen erlangt haben wir ja unseren Wohlstand. Bin ich da wieder einmal, o Gotamo, in einer Versammlung anwesend, und ich werde mich verbeugen, so möge Herr Gotamo dies für ein Erheben vom Sitze hinnehmen. Bin ich da wieder einmal, o Gotamo, in einer Versammlung anwesend, und ich werde die Kopfbedeckung lüpfen, so möge Herr Gotamo dies für ein Zufüßenlegen meines Hauptes hinnehmen. Trifft es sich aber, o Gotamo, daß ich im Wagen dahinfahre, und ich würde vom Wagen herabsteigen um Herrn Gotamo zu begrüßen, so würde mich deswegen meine Umgebung verurteilen. Wen aber diese Leute erst verurteilen, dessen Ansehen auch mag von ihm weichen: wessen Ansehen aber erst gewichen ist, von dem wird auch der Wohlstand bald weichen: durch Ansehen erlangt haben wir ja unseren Wohlstand. Trifft es sich also, o Gotamo, daß ich im Wagen dahinfahre, und ich werde den Gertenstab emporheben, so möge Herr Gotamo dies für ein Herabsteigen vom Wagen hinnehmen. Und trifft es sich wieder, o Gotamo, daß ich im Wagen dahinfahre, und ich werde den Schirm herabsenken, so möge Herr Gotamo dies für ein Zufüßenlegen meines Hauptes hinnehmen.»
Wie dann nun der Erhabene Sonadando den Priester in lehrreichem Gespräche
ermuntert, ermutigt, erregt und erheitert hatte, stand er von seinem Sitze auf
und ging von dannen.
(*1) sīlavā hoti no ca sīlamayo, »man soll Tugend üben, nicht besitzen«
(*2) Anspielung auf das bekannte Dogma der Jainas vom ehedem getanen Bösen, das nur in bitterer Kasteiung abgebüßt werden kann.