«Mit wie vielen Eigenschaften ausgestattet, ehrwürdiger Nagasena, verwirklicht der Mönch die Heiligkeit?»
«Der Mönch, o König, der die Heiligkeit verwirklichen will, muß
«Eine Eigenschaft des Esels, sagst du, ehrwürdiger Nagasena, habe man anzunehmen: welches ist diese?»
«Wo auch immer, o König, der Esel sich hinlegt - sei es ein Kehrichthaufen, der Markt, ein Kreuzungsplatz, das Dorftor oder ein Strohhaufen - nirgends schläft er lange.
Ebenso auch, o König, soll der Yogi, der Yogabeflissene, wo immer er sein Lederstück ausgebreitet hat und schlafen muß - sei es auf einem Stroh- oder Blätterlager, einem hölzernen Bett oder der Erde - nicht dem langen Schlafe hingegeben sein. Dies, o König, ist die eine Eigenschaft, die er anzunehmen hat. Auch der Erhabene, o König, der Gott der Götter, hat gesagt:
<Mit einem Holzblock als Kopfstütze, o Mönch, weilen jetzt meine Jünger, unermüdlich und eifrig im Kampfe.> (Opamma-Samyutta, Nr. 8) Und auch der Ordensältere Sāriputta, o König, der Feldherr des Gesetzes, hat gesagt:
«Fünf Eigenschaften des Hahnes, sagst du, ehrwürdiger Nāgasena, habe man anzunehmen: welches sind diese?»
«Gleichwie, o König, der Hahn früh und beizeiten sich in seine Unterkunft zurückzieht: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, früh und beizeiten, nachdem er den Platz um den Schrein gekehrt, Trinkwasser hingestellt, seinem Körper Aufmerksamkeit geschenkt und sich gewaschen hat, vor dem Schreine seine Verehrung darbringen, danach die älteren Mönche aufsuchen und sich dann beizeiten an eine einsame Stätte begeben. Dies, o König, ist die erste Eigenschaft des Hahnes, die er anzunehmen hat.
Wie ferner, o König, der Hahn sich stets früh und beizeiten erhebt: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, sich früh und beizeiten erheben. Hat er den Platz um den Schrein gekehrt, Trinkwasser hingestellt, dem Körper Aufmerksamkeit geschenkt, sich gewaschen und dem Schreine seine Verehrung dargebracht, so soll er sich wieder an einen einsamen Ort begeben. Das, o König, ist die zweite Eigenschaft des Hahnes, die er anzunehmen hat.
Wie ferner, o König, der Hahn, bevor er sein Futter aufpickt, erst jedesmal die Erde aufscharrt: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, beim Einnehmen der Nahrung erst jedesmal bei sich erwägen, daß dies nicht geschehe etwa zur Kurzweil oder zum Genusse, nicht um schön und üppig zu werden, sondern bloß zur Erhaltung und Fristung dieses Körpers, um Schaden zu verhüten und das Heilige Leben zu ermöglichen, in dem Gedanken: <Auf diese Weise werde ich das frühere Gefühl (wie Hunger, Schwäche usw.) stillen und kein neues Gefühl aufkommen lassen; und ich werde mein Auskommen haben, und Untadeligkeit und Wohlsein wird mir beschieden sein.> Das, o König, ist die dritte Eigenschaft des Hahnes, die er anzunehmen hat. Auch der Erhabene, o König, der Gott der Götter, hat gesagt:
(*) Vgl. Samyutta-Nikāya 12.63. Der Vers findet sich in Visuddhi-Magga I.11.
Wie ferner, o König, der Hahn trotz seiner Augen des Nachts blind ist: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, trotz seiner Augen, dennoch wie ein Blinder sein; und im Wald, wie auch beim Almosengang im nahen Dorf soll er bei den zur Begierde reizenden Gestalten, Tönen, Düften, Geschmacksempfindungen, körperlichen Berührungen und Vorstellungen gleichsam blind, taub und stumm sein, nicht am Gesamtbild festhalten, nicht an den Einzelheiten haften. Das, o König, ist die vierte Eigenschaft des Hahnes, die er anzunehmen hat. Auch der Ordensältere Kaccāyana, o König, hat gesagt:
Wie ferner, o König, der Hahn, selbst wenn er mit Steinen, Stöcken, Keulen, Ruten und Knütteln umhergejagt wird, dennoch sein Haus nicht im Stiche läßt: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, selbst wenn er mit dem Anfertigen seiner Gewänder oder Reparaturarbeit beschäftigt ist, oder verschiedene Obliegenheiten zu erfüllen oder Rezitationen abzuhalten hat, die weise Erwägung nicht im Stiche lassen. Denn die weise Erwägung, o König, ist für den Yogi, den Yogabeflissenen, wie sein eigenes Heim. Das, o König, ist die fünfte Eigenschaft des Hahnes, die er anzunehmen hat. Auch der Erhabene, o König, der Gott der Götter, hat erklärt: <Was ist, o Mönch, des Mönches Bereich und eigener väterlicher Boden? Es sind die vier Grundlagen der Achtsamkeit (satipatthānā) Und auch der Ordensältere Sāriputta, der Feldherr des Gesetzes, hat gesagt:
«Eine Eigenschaft des Eichhörnchens, sagst du, ehrwürdiger Nāgasena, habe man anzunehmen: welches ist diese?»
«Gleichwie, o König, wenn das Eichhörnchen von einem Feinde überfallen wird, es mit dem Schwanze schlägt, ihn dick macht und damit den Feind zurücktreibt so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, wenn er von seinen Feinden, den Leidenschaften, überfallen wird, mit seinem Schweife, den Grundlagen der Achtsamkeit, zuschlagen, diese stark werden lassen und damit die Leidenschaften zurücktreiben. Das, o König, ist die eine Eigenschaft des Eichhörnchens, die er anzunehmen hat. Auch der Ordensältere Cullapanthaka, o König, hat gesagt:
«Eine Eigenschaft der Leopardin, sagst du, ehrwürdiger Nāgasena, habe man anzunehmen: welches ist diese?»
«Gleichwie, o König, die Leopardin nur einmal schwanger wird und dann niemals mehr das Männchen aufsucht: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, die künftige Wiedergeburt bedenken, die Entstehung, die Leibesfrucht, das Abscheiden, den Zerfall, das Versiegen, den Untergang, den Schrecken der Daseinsrunde, die Leidensstätten, die Mühseligkeiten und Bedrängnisse, und er soll den weisen Entschluß fassen: <Nie will ich mehr in einer anderen Welt ins Dasein treten!> Das, o König, ist die eine Eigenschaft der Leopardin die er anzunehmen hat. Auch der Erhabene, o König, der Gott der Götter, sagt im Sutta-Nipāta, im Sutta vom Herdenbesitzer Dhaniya:
«Zwei Eigenschaften des Leoparden, sagst du, ehrwürdiger Nāgasena, habe man anzunehmen: welche sind diese?»
«Gleichwie, o König, der Leopard, im dichten Grase oder Waldesdickicht oder Bergverstecke lauernd, das Wild ergreift, so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, die Einsamkeit aufsuchen, den Wald, den Fuß eines Baumes, das Gebirge, eine Kluft, eine Berghöhle, ein Leichenfeld, eine bewaldete Anhöhe, eine Lichtung, einen Strohhaufen, einen Ort frei von Lärm und Geräusch, von Winden umweht, den Menschen versteckt, zur Abgeschiedenheit geeignet. Denn in der Einsamkeit weilend, o König, erlangt der Yogi, der Yogabeflissene, nach gar nicht langer Zeit die Meisterschaft in den sechs Höheren Geisteskräften (abhiññā). Das, o König, ist die erste Eigenschaft des Leoparden, die er anzunehmen hat. Auch die Ordensälteren, o König, von denen die Lehren gesammelt wurden, haben gesagt:
Stürzt da fernerhin, o König, irgend ein Tier, das der Leopard getötet hat, auf die linke Seite, so frißt dieses der Leopard nicht. Ebenso auch, o König, darf der Yogi, der Yogabeflissene, - gerade wie der Leopard das auf die linke Seite niedergestürzte Tier nicht frißt - keinerlei Speisen genießen, die er sich durch eine vom Erhabenen verworfene, verkehrte Lebensweise verschafft hat, etwa durch Abgabe von Bambusrohren, Blättern, Blumen oder Früchten, von Bädern, wohlriechenden Erden und Pulvern, von Zahnstäbchen und Mundwasser, oder dadurch, daß er anderen Schmeicheleien sagt und ihnen Schönes vorspiegelt, Kinder hütet oder Gänge besorgt, oder durch ärztliche Betätigung, durch Botenoder Überbringerdienste, durch Speisenaustausch oder Gegengeschenke oder durch Wahrsagungen über die Beschaffenheit des Bodens oder bestimmter Tage oder körperlicher Merkmale, oder durch irgend eine andere vom Erleuchteten verworfene, verkehrte Lebensweise (Siehe Visuddhi-Magga I.8). Das, o König, ist die zweite Eigenschaft des Leoparden, die er anzunehmen hat. Auch der Ordensältere Sāriputta, o König, der Feldherr des Gesetzes, hat gesagt:
(Zitiert in Visuddhi-Magga I.11)
«Fünf Eigenschaften der Schildkröte, sagst du, ehrwürdiger Nāgasena, habe man anzunehmen: welches sind diese?»
«Gleichwie, o König, die Schildkröte sich im Wasser bewegt, sich im Wasser aufhält: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, in Wohlwollen und Mitleid mit allen lebenden Wesen und Geschöpfen verweilen, indem er die ganze Welt mit liebevoller Gesinnung durchstrahlt, mit weiter, großer, unermeßlicher, von Haß und Härte befreiter. Das, o König, ist die erste Eigenschaft der Schildkröte, die er anzunehmen hat.
Wenn da ferner, o König, die Schildkröte, während sie beim Schwimmen im Wasser ihren Kopf aufrichtet, irgend jemanden bemerkt, so taucht sie auf der Stelle wieder unter, taucht in die Tiefe, damit jener sie nicht mehr zu sehen bekommt. Ebenso auch, o König, soll der Yogi, der Yogabeflissene, sobald die Leidenschaften auf ihn eindringen, sich in das Meer der Vertiefung (Wörtlich: «in das Meer des (Meditations-)Objektes») versenken, in die Tiefe tauchen, damit ihn die Leidenschaften nicht mehr zu sehen bekommen. Das, o König, ist die zweite Eigenschaft der Schildkröte, die er anzunehmen hat.
Wie ferner, o König, die Schildkröte, wenn sie aus dem Wasser herausgekrochen ist, ihren Körper erwärmt: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, ob beim Sitzen, Stehen, Liegen und Auf- und Abwandern seinen Geist (von weltlichen Gedanken) zurückziehen und ihn in rechtem Kampfe erwärmen. Das, o König, ist die dritte Eigenschaft der Schildkröte, die er anzunehmen hat.
Wie ferner, o König, die Schildkröte die Erde aufwühlt und dort abgeschieden ihre Behausung sucht: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, Gewinn, Ehre und Ruhm aufgeben und sich in einen einsamen, abgeschiedenen Wald begeben, eine waldige Anhöhe, auf einen Berg, in eine Grotte, eine Felsenhöhle, an einen lautlosen, stillen, abgeschiedenen Ort; und dort in der Abgeschiedenheit soll er seinen Aufenthalt nehmen. Das, o König, ist die vierte Eigenschaft der Schildkröte, die er anzunehmen hat. Auch der Ordensältere Upasena, der Sohn des Vanganto, hat gesagt:
Wenn da ferner, o König, die Schildkröte beim Hin- und Herkriechen jemanden bemerkt oder ein Geräusch vernimmt, so verbirgt sie ihre vier Füße und als fünftes den Kopf unter ihrer Schale und verharrt untätig und still, indem sie dabei über ihren Körper wacht. Ebenso auch, o König, soll der Yogi, der Yogabeflissene, wenn von allen Seiten Formen, Töne, Düfte, Säfte, Berührungen und Bilder auf ihn eindringen, die sechs Toreingänge (der Sinne) verschließen, den Geist sammeln und zügeln und achtsam und klarbewußt verweilen, indem er über sein Asketentum wacht. Das, o König, ist die fünfte Eigenschaft der Schildkröte, die er anzunehmen hat. Auch der Erhabene, o König, der Gott der Götter, sagt in der erhabenen <Gruppierten Sammlung> (Samyutta-Nikāya), in der Sutta vom Schildkrötengleichnis:
«Eine Eigenschaft des Bambus, sagst du, ehrwürdiger Nāgasena, habe man anzunehmen: welches ist diese?»
«Gleichwie, o König, der Bambus sich nur dahin biegt, wohin der Wind bläst, und sich nicht anderswo hinneigt: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, zu der vom Erhabenen gewiesenen neunteiligen Lehre des Meisters sich hinneigen und, im Rechten und Untadeligen verharrend, bloß dem Asketentum folgen. Das, o König, ist die eine Eigenschaft des Bambus, die er anzunehmen hat. Auch der Ordensältere Rāhula, o König, hat gesagt:
«Eine Eigenschaft des Bogens, sagst du, ehrwürdiger Nāgasena, habe man anzunehmen: welches ist diese?»
«Gleichwie, o König, ein wohlgeschnitzter, geprüfter Bogen sich vom einen Ende zum anderen gleichmäßig biegen läßt, nicht spröde ist: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, gegen ältere, jüngere, mittelalte und gleichaltrige Mönche nachgiebig sein und sich nicht hartnäckig zeigen. Das, o König, ist die eine Eigenschaft des Bogens, die er anzunehmen hat. Auch der Erhabene, o König, der Gott der Götter, hat im Vidhura-Pannaka-Jātaka (Jat.545) gesagt:
«Zwei Eigenschaften der Krähe, sagst du, ehrwürdiger Nāgasena, habe man anzunehmen: welche sind diese?»
«Gleichwie, o König, die Krähe voll Besorgnis und Argwohn, behutsam und bedächtig umher hüpft: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, voll Besorgnis und Argwohn, behutsam und bedächtig leben, der Achtsamkeit gewärtig, sinnenbewacht. Das, o König, ist die eine Eigenschaft der Krähe, die er anzunehmen hat.
Wie ferner, o König, die Krähe jede entdeckte Speise, bevor sie davon frisst, mit ihren Angehörigen teilt: so auch soll von den rechtmäßigen, rechtmäßig erlangten Gaben, selbst von dem Inhalt der Almosenschale der Kämpfer, der Kampfbeflissene, nichts verzehren, bevor er nicht mit den sittenreinen Ordensbrüdern geteilt hat. Das, o König, ist die zweite Eigenschaft der Krähe, die er anzunehmen hat. Auch der Ordensältere Sāriputta, der Feldherr des Gesetzes, hat gesagt:
«Zwei Eigenschaften des Affen, sagst du, ehrwürdiger Nāgasena, habe man anzunehmen: welches sind diese?»
«Gleichwie der Affe, o König, wenn er sich eine Unterkunft sucht, sich einen solchen Ort wählt, wie etwa einen einsamen, über und über mit Ästen bedeckten, ihn vor Gefahren schützenden ganz hohen Baum: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, bei einem edlen Freunde und Lehrer wohnen, der Schamgefühl besitzt, edel ist, sittenrein, dem Guten ergeben, wissensreich und ein Kenner des Gesetzes, ein freundlicher, ernster, würdiger Lehrer, nachgiebig und befähigt, zu ermahnen, zu erklären, zu unterweisen, anzuspornen, zu ermutigen und anzufeuern. Das, o König, ist die erste Eigenschaft des Affen, die er anzunehmen hat.
Wie ferner, o König, der Affe stets auf dem Baume läuft, steht, sitzt und schläft und dort während der Nacht verweilt: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, sich dem Walde zuwenden, sich bloß im Walde aufhalten, dort gehen, sitzen, liegen und schlafen, und Erfahrung gewinnen in den Grundlagen der Achtsamkeit. Das, o König, ist die zweite Eigenschaft des Affen, die er anzunehmen hat. Auch der Ordensältere Sāriputta, der Feldherr des Gesetzes, hat gesagt: