„Der Schwan sprach zum Palasa-Baum“
§A. Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf die Bezwingung der Befleckung.
§D. Die Begebenheit wird im Panna-Jātaka [Jātaka 459] erzählt werden. —
Damals aber sprach der Meister zu den Mönchen: „Ihr Mönche, die Befleckung ist ängstlich zu vermeiden. Unablässig wirkend bringt sie Verderben wie der Nigrodha-Strauch. Auch die Weisen der Vorzeit nahmen sich in Acht vor dem, wovor sie sich hüten mussten.“ Nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.
§B. Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, nahm der Bodhisattva seine Wiedergeburt als ein Goldschwan. Nachdem er herangewachsen war, wohnte er auf dem Cittakuta-Berge [3] in der Goldhöhle. Zu einem Teiche im Himalaya-Gebiete kam er immer und verzehrte dort wilden Reis.
Auf dem Wege, auf dem er kam und ging, stand ein großer Palasa-Baum. Wenn er nun ging, ruhte er sich dort aus, und wenn er kam, ruhte er sich auch dort aus. So entstand eine Freundschaft zwischen ihm und der im Baume wohnenden Gottheit.
In der Folgezeit kam einmal ein Vogelweibchen dorthin, das auf einem Nigrodha-Baume eine Frucht verzehrt hatte. Es setzte sich auf den Palasa-Baum und ließ in sein Geäst seinen Kot fallen. Daraus entstand ein Nigrodha-Strauch. Als er erst vier Zoll hoch war, glänzte er durch die roten Sprossen seines Laubes. Als ihn der Schwanenkönig sah, sprach er zu der Baumgottheit: „Lieber Palasa, auf welchem Baume ein Nigrodha-Baum entsteht, den vernichtet er, wenn er heranwächst. Lasse ihn nicht heranwachsen; er wird deine Behausung zerstören. Hebe ihn sogleich heraus und wirf ihn hinab; man muss sich nämlich in Acht nehmen vor dem, was Vorsicht verdient.“ Und indem er die Palasa-Gottheit anredete, sprach er folgende erste Strophe:
(Diese erste Strophe wurde erst vom völlig Erleuchteten gesprochen.)
Als dies die Palasa-Gottheit hörte, nahm sie seine Worte nicht an, sondern sie sprach folgende zweite Strophe:
Darauf sprach der Schwan folgende dritte Strophe:
Nach diesen Worten breitete der Schwanenkönig seine Flügel aus und begab sich nach dem Cittakuta-Berg. Von da an kam er nicht wieder.
In der Folgezeit wuchs der Nigrodha-Baum. Dort nahm eine Baumgottheit ihre Wiedergeburt. Als er aber groß geworden war, zerbrach er den Palasa-Baum und mit den Zweigen fiel auch die Behausung der Gottheit. Jetzt verstand diese die Worte des Schwanenkönigs, und indem sie einsah, dass sie aus Furcht vor der Zukunft gesprochen waren, dachte sie: „Der Schwanenkönig hat es gesagt, ich aber tat nicht nach seinen Worten.“ Und klagend sprach sie folgende vierte Strophe:
Der Nigrodha-Baum aber zerbrach bei seinem Wachsen den ganzen Palasa-Baum und machte ihn zu einem Baumstumpf; die ganze Behausung der Gottheit aber ging zugrunde.
Diese fünfte Strophe sprach auch der völlig Erleuchtete.
§C. Nachdem aber der Meister diese Unterweisung beschlossen und die Wahrheiten verkündigt hatte, verband er das Jātaka mit folgenden Worten (am Ende der Verkündigung der Wahrheiten aber gelangten die fünfhundert Mönche zur Heiligkeit): „Damals war ich der Goldschwan.“
Ende der Erzählung von dem Palasa-Baum
[1] Der Baum Butea frondosa.
[3] Vgl. Jātaka 187 und Jātaka 215.