„Woher kommst du mit deinen schmutz'gen Kleidern“
§A. Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf den Erbkönig [1] Udena. — Zu dieser Zeit nämlich flog der ehrwürdige Pindola-Bharadvaja [2] vom Jetavana durch die Luft fort und begab sich immer nur nach Kosambi in den Park des Königs Udena, um sich dort unter freiem Himmel aufzuhalten. Der Thera war nämlich in einer frühern Existenz König gewesen und hatte lange Zeit in diesem Parke von einem großen Gefolge umgeben das Glück genossen. Wegen dieser früheren Gewohnheit ließ er sich nur noch dort unter freiem Himmel nieder und dachte über das Glück der Erreichung der Ekstase [3] nach.
Als er nun eines Tages dorthin ging und am Fuße eines schön blühenden Sala-Baumes saß, dachte gerade König Udena, nachdem er sieben Tage lang stark getrunken hatte: „Ich will mich im Parke ergehen.“ Mit großem Gefolge zog er nach dem Parke, legte sich auf dem königlichen Steinsitze in den Schoß eines seiner Weiber und fiel, weil er vom Branntwein berauscht war, in Schlaf. Da warfen die Frauen, die dabei saßen und sangen, ihre Instrumente weg und gingen in den Park hinein. Während sie hier nach Blumen, Früchten u. dgl. suchten, bemerkten sie den Thera. Sie gingen auf ihn zu, bezeigten ihm ihre Ehrfurcht und setzten sich neben ihn. Der Thera aber setzte sich nieder und hielt ihnen eine Predigt.
Die Andere nun bewegte ihren Schoß und weckte dadurch den König auf. Er fragte: „Wohin sind die elenden Weiber gegangen?“, und erhielt zur Antwort: „Sie sitzen um einen Bettelmönch herum.“ Da ging er zornig dorthin, fuhr den Thera an, schalt ihn und rief: „Holla, diesen Bettelmönch werde ich von roten Ameisen auffressen lassen.“ Und in seinem Zorne befahl er, an dem Leibe des Thera ein Gefäß mit roten Ameisen festzubinden. Der Thera aber erhob sich in die Luft und gab ihm eine Ermahnung.
Im Jetavana stieg er an der Tür der duftenden Zelle des Meisters herab; und als dieser ihn fragte, woher er komme, erzählte er ihm die Begebenheit. Darauf sprach der Meister: „Nicht nur jetzt, Bharadvaja, beschädigt König Udena die Weltflüchtlinge, sondern auch schon früher beschädigte er sie.“ Nach diesen Worten erzählte er auf die Bitte von jenem folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.
§B. Als ehedem zu Benares Brahmādatta regierte, nahm der Bodhisattva außerhalb der Stadt in einer Candāla-Familie [4] seine Wiedergeburt; man gab ihm den Namen Mātanga [5]. Als er in der Folgezeit zu Verstand gekommen war, war er unter dem Namen „der weise Mātanga“ bekannt. Damals pflegte die Tochter des Großkaufmanns von Benares, Ditthamangalikā [6] mit Namen, alle ein oder zwei Monate mit großem Gefolge in den Park zu gehen, um sich dort zu erlustigen.
Als sich nun eines Tages Mātanga zu irgend einem Geschäfte in die Stadt begab, sah er unter dem Tore Ditthamangalikā. Er ging etwas zur Seite und blieb wie angeheftet stehen. Da aber Ditthamangalikā zwischen den Vorhängen ihrer Sänfte herausschaute, sah sie ihn und fragte, wer dies sei. Als sie zur Antwort erhielt: „Ein Candāla, Edle“, erwiderte sie: „Fürwahr, wir sahen etwas, was für uns bisher unpassend war zu sehen“; mit duftendem Wasser wusch sie sich die Augen [7] und kehrte wieder um. Die Leute aber, die mit ihr zusammen hinausgezogen waren, riefen: „Holla, du schurkiger Candāla, heute ist uns durch dich der kostenlose Genuss von Branntwein und Reisbrei verloren gegangen!“ Von Zorn erfüllt schlugen sie den weisen Mātanga mit Händen und Füßen, dass er die Besinnung verlor, und entfernten sich dann wieder.
Nachdem kurze Zeit verstrichen war, kam er wieder zu Bewusstsein und dachte bei sich: „Das Gefolge der Ditthamangalikā hat mich Schuldlosen ohne Grund geschlagen. Ich werde erst aufstehen, wenn ich Ditthamangalikā erhalten habe; wenn nicht, so werde ich nicht aufstehen.“ Nachdem er diesen festen Entschluss gefasst, ging er hin und legte sich vor die Haustüre ihres Vaters. Als man ihn fragte: „Aus welchem Grunde hast du dich hier hingelegt?“, sagte er: „Einen andern Grund habe ich nicht; mich verlangt nach Ditthamangalikā.“ — Ein Tag verstrich, dann der zweite, der dritte, der vierte, der fünfte, der sechste. Ein fester Entschluss der Bodhisattvas nämlich geht in Erfüllung; darum brachte man ihm am siebenten Tage Ditthamangalikā heraus und gab sie ihm. Da sprach sie zu ihm: „Stehe auf, Gebieter, wir wollen in Euer Haus geben.“ Er erwiderte: „Liebe, von deinem Gefolge wurde ich fest geschlagen; ich bin schwach. Hebe mich auf, lasse mich auf deinen Rücken steigen und gehe mit mir fort.“ Sie tat so; während die Stadtbewohner zuschauten, ging sie mit ihm aus der Stadt hinaus und begab sich in das Candāla-Dorf.
Nachdem sie der Bodhisattva, ohne eine Übertretung der Kastenunterschiede zu begehen, dort einige Tage in seinem Hause hatte wohnen lassen, dachte er: „Wenn ich sie zu höchster Ehre und höchstem Ruhme gelangen lassen will, werde ich dies nur können, wenn ich die Welt verlasse, auf andere Weise nicht.“ Darum sprach er zu ihr: „Liebe, wenn ich nichts aus dem Walde herbeihole, können wir nicht weiter bestehen. Werde nicht unzufrieden, bis ich zurückkomme; ich werde in den Wald gehen.“ Auch die andern Dorfbewohner ermahnte er: „Seid nicht nachlässig gegen sie“, und zog hierauf in den Wald. Hier betätigte er die Asketenweltflucht ohne Unterlass und erlangte am siebenten Tage die acht Vollendungen und die fünf Erkenntnisse. Da dachte er: „Jetzt werde ich für Ditthamangalikā eine Hilfe sein können.“ Durch seine Wunderkraft flog er dorthin, stieg am Eingang des Candāla-Dorf es aus der Luft herab und trat an Ditthamangalikās Haustür.
Als sie von seiner Ankunft hörte, kam sie heraus und klagte: „Gebieter, warum hast du die Weltflucht betätigt und mich hilflos zurückgelassen?“ Er aber erwiderte: „Liebe, sei unbekümmert; ich werde dir größeren Ruhm verschaffen, als du früher besaßest. Wirst du aber auch inmitten der Versammlung das große Wort sagen können: ‘Nicht Mātanga ist mein Gatte, sondern der große Gott Brahmā ist mein Gatte?’“ Sie antwortete: „Gewiss, Gebieter, das werde ich können.“ Jener fuhr fort: „Wenn man dich deshalb fragt: ‘Wo ist jetzt dein Gatte?’, so antworte: ‘Er ist in die Brahmāwelt gegangen’; und wenn man weiter fragt: ‘Wann wird er zurückkehren?’, so sage: ‘Am siebenten Tage von heute an, am Vollmondstage wird er die Mondscheibe durchbrechen und herbeikommen.’“ Nach diesen Worten kehrte er in den Himalaya zurück.
Ditthamangalikā erzählte dies zu Benares inmitten einer großen Volksmenge allenthalben. Die Volksmenge aber glaubte dies und dachte: „Ach, weil er der große Gott Brahmā ist, kommt er nicht zu Ditthamangalikā; so wird es sein.“
Der Bodhisattva aber nahm am Vollmondstage, als der Mond in der Mitte seiner Bahn stand, die Brahmāgestalt an, machte das ganze Reich Kasi und die zwölf Yojanas messende Stadt Benares zusammen erstrahlen, durchbrach die Mondscheibe und stieg auf die Erde herab. Nachdem er dreimal immer über Benares umhergewandelt, während er von einer großen Volksmenge mit wohlriechenden Substanzen, Kränzen u. dgl. verehrt wurde, wandte er sich dem Candāla-Dorfe zu.
Da versammelten sich die Brahmā-Verehrer und gingen in das Candāla-Dorf. Das Haus der Ditthamangalikā bedeckten sie mit reinen Gewändern, besprengten den Boden mit vielerlei wohlriechenden Substanzen, streuten Blumen aus und entzündeten Weihrauch. Aus Decken stellten sie einen Baldachin her, richteten einen erhabenen Sitz her und zündeten eine mit duftendem Öl gefüllte Lampe an. An der Tür streuten sie Sand hin, der die Farbe einer silbernen Platte besaß, streuten Blumen aus und befestigten Fahnen.
Als so das Haus geschmückt war, stieg der Bodhisattva aus der Luft hernieder, ging in das Haus hinein und setzte sich ein wenig auf das Lager. Damals hatte Ditthamangalikā gerade ihre Menstruationszeit. Da berührte er mit seinem Daumen ihren Nabel [8] und es entstand in ihrem Schoße eine Leibesfrucht.
Darauf sprach das große Wesen zu ihr: „Liebe, eine Leibesfrucht ist in dir entstanden; du wirst einen Sohn gebären. Du sowohl wie dein Sohn werden die höchste Ehre und den höchsten Ruhm erlangen. Das Wasser, in dem du deine Füße wäschst, wird für die Könige in ganz Indien das Wasser bei der Königsweihe werden, dein Badewasser aber wird ein Heilmittel sein gegen den Tod. Wer es auf sein Haupt ausgießen wird, die werden allenthalben von Krankheiten befreit werden und das Unglück von sich fernhalten. Wer auf deine Fußbank sein Haupt legen und dir so seine Verehrung bezeigen darf, die werden dir tausend Geldstücke dafür geben. Wer in deinem Hörbereich steht und dir seine Verehrung bezeigt, die werden dir hundert geben, und wer im Bereiche deiner Augen steht und dir seine Verehrung bezeigt, die werden dies nur tun, nachdem sie dir ein Kahapana gegeben haben. Sei unverdrossen!“ Nachdem er sie so ermahnt, verließ er wieder das Haus, flog unter den Augen einer großen Volksmenge in die Luft empor und ging in die Mondscheibe ein.
Die Brahmā-Anhänger aber blieben zusammen die Nacht dort; am Morgen ließen sie dann Ditthamangalikā eine goldene Sänfte besteigen, hoben sie am Kopfende empor und zogen so in die Stadt hinein. „Es ist die Gattin des großen Gottes Brahmā“, mit diesem Rufe kam eine große Volksmenge herbei und huldigte ihr mit wohlriechenden Substanzen, Kränzen u. dgl. Wer auf ihre Fußbank sein Haupt legen und ihr so seine Verehrung bezeigen durfte, der gab eine Börse mit tausend Geldstücken; wer in ihrem Hörbereiche stand und ihr so seine Verehrung bezeigte, der gab hundert Geldstücke, und wer sie im Bereiche ihres Auges verehren durfte, der gab ein Kahapana. Während sie so die ganze zwölf Yojanas umfassende Stadt Benares zusammenfassend durchwandelten, erhielten sie zusammen einen Schatz von hundertachtzig Millionen.
Nachdem sie sie aber um die ganze Stadt herumgetragen hatten, machten sie in der Mitte der Stadt einen großen Pavillon, umkleideten ihn mit Zeltdecken und ließen sie mit großer Pracht und Herrlichkeit dort wohnen. In der Nähe des Pavillons begannen sie, einen Palast mit sieben Torerkern und sieben Stockwerken zu erbauen; groß waren die daraus gewonnenen neuen Verdienste [9].
Ditthamangalikā aber gebar noch in dem Pavillon ihren Sohn. Am Tage seiner Namengebung versammelten sich die Brahmanen und gaben ihm, weil er in einem Pavillon (Mandapa) geboren war, den Namen Prinz Mandavya. Der Palast jedoch wurde in zehn Monaten vollendet; von da an wohnte jene mit großem Glanze in demselben.
Der Prinz Mandavya aber wuchs unter großer Ehrung heran. Als er sieben oder acht Jahre alt war, kamen die besten Lehrer in ganz Indien zusammen und lehrten ihn die drei Veden. Nachdem er sechzehn Jahre alt geworden war, gewährte er seitdem den Brahmanen die Mahlzeit; beständig speisten bei ihm sechzehntausend Brahmanen. Auf dem vierten Torerker aber wurde den Brahmanen das Almosen gereicht.
An einem hohen Festtage richtete man einmal in seinem Hause viel Reisbrei her. Sechzehntausend Brahmanen setzten sich auf dem vierten Torerker nieder und verzehrten den mit goldfarbener frischer zerlassener Butter und mit gekochten Honigklumpen und Zucker bestreuten Reisbrei. Der Prinz aber stieg, mit allem Schmuck geziert, in seine goldenen Schuhe, nahm ein goldenes Stäbchen in die Hand und ging umher, indem er befahl: „Hierher gebt zerlassene Butter, hierher Honig!“
In diesem Augenblicke dachte gerade der weise Mātanga, während er im Himalaya in seiner Einsiedelei saß, darüber nach, wie es wohl jetzt dem Sohne der Ditthamangalikā gehe. Als er sah, dass dieser auf den Wegen des Unglaubens sei, dachte er bei sich: „Heute werde ich zu dem Jüngling hingehen, ihn bändigen und ihn so seine Almosen zu geben veranlassen, dass sie reiche Frucht bringen; dann werde ich zurückkehren.“ Durch die Luft flog er nach dem Anotatta-See, wusch dort sein Antlitz u. dgl., stellte sich dann in die Manosila-Ebene [10], zog ein doppeltes rotes Gewand an, legte einen Gürtel um seinen Körper, zog ein aus gesammelten Lumpen gefertigtes Obergewand [11] darüber und nahm eine irdene Almosenschale mit. Er flog durch die Luft dahin, stieg am vierten Torerker gerade an der Almosenhalle herunter und stellte sich zur Seite.
Während nun Mandavya überall hinschaute, erblickte er jenen. Er redete ihn an: „Du Weltflüchtling da, der du so hässlich bist und einem Schmutzdämon gleichst, warum bist du an diesen Ort gekommen?“ Und er sprach folgende erste Strophe:
Als dies das große Wesen hörte, sprach es, mit Sanftmut jenen anredend, folgende zweite Strophe:
Darauf sprach Mandavya folgende Strophe:
Hierauf sprach das große Wesen folgende Strophe:
Darauf sprach Mandavya folgende Strophe:
Darauf sprach das große Wesen folgende zwei Strophen:
Während aber so das große Wesen immer wieder sprach, wurde der Jüngling zornig. Er rief: „Dieser schwatzt schon allzu viel! Wohin sind denn meine Türhüter gegangen? Wollen sie nicht diesen Candāla hinauswerfen?“ Und er sprach folgende Strophe:
Als jene diese seine Worte hörten, kamen sie schnell herbei, bezeigten ihm ihre Verehrung und sagten: „Was sollen wir tun, o Fürst?“ Er erwiderte: „Habt ihr diesen gemeinen Candāla gesehen?“ „Wir sahen ihn nicht, o Fürst; wir wissen nicht, woher er kam“, antworteten sie. Jener fuhr fort: „Was soll denn dies für ein Zauberkundiger oder Wissenskundiger sein? Was steht ihr jetzt da?“ „Was sollen wir tun, o Fürst?“, fragten sie. Er antwortete: „Schlagt ihm ins Gesicht, bindet ihn und bestreicht ihm den Rücken mit Stöcken und Bambusstäben; wenn ihr ihn so gezüchtigt habt, so packt ihn am Halse und werft diesen Niedrigen hinaus. Treibt ihn fort von hier!“
Als sie aber noch nicht zu ihm hingekommen waren, flog das große Wesen in die Luft empor und sprach in der Luft stehend folgende Strophe:
Nachdem aber das große Wesen diese Strophe gesprochen, flog es vor den Augen des Jünglings und der Brahmanen in die Luft empor.
Um dies zu verkündigen, sprach der Meister folgende Strophe:
Er flog nach Osten hin, stieg an einer Straße aus der Luft herunter, und indem er den Vorsatz fasste: „Meine Fußspuren sollen sichtbar bleiben“, machte er in der Nähe des Osttores seinen Almosengang. Nachdem er ein Gemisch von Speise zusammenbekommen hatte, setzte er sich in einer Halle nieder und verzehrte das Speisegemisch.
Die Stadtgottheiten aber dachten: „Jener redet, indem er damit unsern Edlen verletzt“, und kamen herbei, da sie es nicht aushalten konnten. Der älteste der Dämonen packte seinen Hals und drehte ihn herum, die übrigen Dämonen fassten die Hälse der andern Brahmanen und drehten sie herum. Wegen der Sanftmut des Bodhisattva aber dachten sie: „Es ist sein Sohn“; darum töteten sie ihn nicht, sondern peinigten ihn nur. Das Haupt des Mandavya wurde herumgedreht und war nun nach der Hinterseite gerichtet, seine Hände und Füße waren steif und starr, seine Augen aber waren verdreht wie die eines Toten. So lag er mit starrem Körper da. Die übrigen Brahmanen aber spieen Speichel aus ihrem Munde und drehten sich beständig herum. Man meldete aber der Ditthamangalikā: „Edle, deinem Sohne ist etwas geschehen.“ Rasch kam sie herbei; als sie ihren Sohn sah, sagte sie: „Was ist dies?“, und sprach folgende Strophe:
Um es ihr mitzuteilen, sprach das an dieser Stelle stehende Volk folgende Strophe:
Als sie dies hörte, dachte sie bei sich: „Kein anderer hat diese Gestalt; ohne Zweifel wird es der weise Mātanga sein. Doch er, der Kluge, der so mit Liebe erfüllt ist, wird doch nicht fortgegangen sein, nachdem er über so viel Leute Leiden gebracht? Nach welcher Richtung wird er gegangen sein?“ Und um danach zu fragen, sprach sie folgende Strophe:
Darauf sagten ihr die dort befindlichen jungen Brahmanen:
Als sie deren Worte vernahm, sagte sie: „Ich werde meinen Gatten suchen.“ Sie ließ goldene Wasserkrüge und goldene Becher mitnehmen und gelangte so, von der Schar ihrer Dienerinnen umgeben, an die Stelle, wo seine Fußspuren sichtbar wurden. Diesen ging sie nach und traf ihn, wie er auf der Bank saß und seine Mahlzeit verzehrte. Sie ging zu ihm, bezeigte ihm ihre Verehrung und blieb vor ihm stehen. Als er sie sah, ließ er ein wenig Reisbrei in der Almosenschale liegen. Darauf gab ihm Ditthamangalikā Wasser aus dem goldenen Wasserkruge. Er wusch sich damit die Hand und spülte sich den Mund aus. Darauf fragte sie: „Wer hat meinen Sohn so verändert?“, und sprach folgende Strophe:
Als so das große Wesen von ihr um Verzeihung gebeten wurde, sagte es: „Darum werde ich, damit die Dämonen entfliehen, ihm ein Heilmittel gegen den Tod geben.“ Und es sprach folgende Strophe:
Als Ditthamangalikā diese Worte des großen Wesens vernahm, sagte sie: „Gebt mir, Gebieter, das Heilmittel gegen den Tod“, und sie bot ihm den goldenen Becher dar. Das große Wesen goss den von ihm übrig gelassenen sauren Reisschleim hinein und sagte dazu: „Zuerst gieße deinem Sohne die Hälfte davon in den Mund; den Rest der Schüssel mische mit Wasser und gieße ihn in den Mund der übrigen Brahmanen; so werden alle wieder gesund werden.“ Nach diesen Worten flog es empor und begab sich zurück in den Himalaya.
Jene nahm das Gefäß auf ihrem Kopfe mit und, indem sie sprach: „Ich habe ein Heilmittel gegen den Tod erhalten“, ging sie in ihre Behausung und goss den sauren Schleim zuerst ihrem Sohne in den Mund. Der Dämon entfloh; der andere wischte den Schmutz ab, erhob sich und fragte: „Mutter, was ist dies?“ Sie antwortete: „Was du getan hast, wirst nur du wissen; komm, mein Sohn, und sieh, wie sich die verändert haben, die du der Gaben für würdig hieltest!“ Als er sie sah, wurde er von Reue erfüllt.
Darauf sprach seine Mutter zu ihm: „Mein Sohn Mandavya, du bist ein Tor; du weißt nicht, wodurch eine Gabe reiche Frucht bringt. Der Spenden würdig sind nämlich nicht derartige Leute, sondern solche, die dem weisen Mātanga ähnlich sind. Von jetzt an gib nicht mehr an solche Lasterhafte, sondern gib nur den Tugendhaften.“ Und sie sprach:
Sie fügte hinzu: „Darum, mein Sohn, gib von nun an solchen Lasterhaften nicht mehr, sondern spende deine Almosen an diejenigen, die die acht Vollendungen erreicht haben, an die tugendhaften Asketen und Brahmanen, die die fünf Erkenntnisse besitzen, an die Paccekabuddhas! Gehe jetzt, mein Sohn, ich werde die zu deiner Familie Gehörigen das Mittel gegen den Tod trinken lassen und sie dadurch gesund machen.“
Darauf ließ sie den übrig gelassenen sauren Reisschleim nehmen, ihn in einen Wasserkrug hineinschütten und dies den sechzehntausend Brahmanen in den Mund gießen. Jeder wischte sich den Staub ab und erhob sich. Jetzt sagten die andern Brahmanen: „Sie haben das von dem Candāla Übriggelassene getrunken“, und nahmen ihnen ihre Brahmaneneigenschaft. Voll Scham verließen jene Benares, zogen nach dem Reiche Mejjha und nahmen ihren Aufenthalt bei dem Mejjha-Könige. Mandavya aber blieb dortselbst wohnen. —
Damals hatte ein Brahmāne, der in der Nähe der Stadt Vettavati am Ufer des Flusses Vettavati die Weltflucht betätigte, Jātimanta mit Namen, um seiner edlen Abkunft willen großen Hochmut. Das große Wesen dachte: „Ich werde ihm seinen Hochmut zerstören.“ Deshalb begab es sich an jenen Ort und nahm flussaufwärts von ihm seinen Aufenthalt. — Als er eines Tages ein Stück Holz als Zahnstocher [16] benutzt hatte, fasste er den Entschluss: „Er soll in den Flechten des Jātimanta hängen bleiben“, und warf den Zahnstocher in den Fluss. Während nun der andere gerade sich in dessen Wasser wusch, blieb das Holz ihm in den Flechten hängen. Als er es sah, rief er: „Geh zugrunde, du niedriges Ding“, und dachte: „Woher kommt dieses Unglücksding? Ich will es untersuchen.“ Er ging stromaufwärts und sah das große Wesen. Dieses fragte er: „Aus welcher Kaste bist du?“ Es erwiderte: „Ich bin ein Candāla.“ „Hast du den Zahnstocher in diesen Fluss geworfen?“ „Ja, ich tat dies.“
Darauf versetzte der Brahmāne: „Gehe zugrunde, du niedriger Candāla, du Unglücksrabe! Bleibe nicht hier wohnen, sondern nimm deinen Aufenthalt stromabwärts!“ Aber auch als der Bodhisattva stromabwärts wohnte und seinen Zahnstocher in das Wasser warf, kam dieser gegen den Strom geschwommen und blieb wieder in den Haarflechten des Brahmanen hängen. Da sagte dieser: „Geh zugrunde, du Niedriger! Wenn du hier wohnen bleibst, werde ich am siebenten Tage dir das Haupt in sieben Teile spalten!“
Das große Wesen dachte: „Wenn ich ihm zürnen werde, so wird meine Tugend schlecht behütet sein. Durch eine List werde ich ihm seinen Hochmut zerstören.“ Am siebenten Tage hielt es den Sonnenaufgang zurück. In ihrer Bedrängnis gingen die Leute zu Jātimanta und fragten ihn: „Herr, lasst Ihr den Sonnenaufgang nicht zu?“ Dieser erwiderte: „Dies ist nicht mein Werk. Am Flussufer aber wohnt ein Candāla; dessen Werk wird es sein.“
Darauf gingen die Leute zu dem großen Wesen hin und fragten: „Lasst Ihr, Herr, die Sonne nicht aufgehen?“ „Ja, ihr Lieben“, war die Antwort. „Warum?“ Der Bodhisattva antwortete: „Ein zu eurer Familie gehöriger Asket hat mich, ohne dass ich eine Schuld begangen hätte, verflucht. Wenn er zu mir kommt und, um mich um Verzeihung zu bitten, mir zu Füßen fällt, werde ich die Sonne loslassen.“ Die Leute gingen hin, schleppten ihn herbei, ließen ihn sich dem großen Wesen zu Füßen werfen und um Verzeihung bitten. Dann sprachen sie: „Lasst jetzt die Sonne los, Herr!“ Doch er antwortete: „Ich kann sie noch nicht loslassen; wenn ich sie loslassen würde, so würde ihm das Haupt in sieben Teile zerspringen.“
Darauf fragten sie: „Herr, was sollen wir tun?“ Er befahl: „Bringt ein Stück Lehm herbei!“ Als sie es herbeigebracht hatten, sagte es: „Legt es diesem Asketen auf den Kopf, den Asketen aber lasset in das Wasser hinabsteigen und dort stehen bleiben.“ Nachdem er diese Anordnungen getroffen, ließ er die Sonne frei. Sobald aber der Lehmklumpen von der Sonne getroffen wurde [17], zersprang er in sieben Teile und der Asket tauchte in das Wasser unter.
Nachdem so das große Wesen jenen gebändigt hatte, überlegte es: „Wo weilen jetzt jene sechzehntausend Brahmanen?“ Da erkannte es: „Sie weilen bei dem Könige von Mejjha“, und beschloss, sie auch zu bändigen. Durch seine Wunderkraft flog er dorthin, stieg in der Nähe der Stadt aus der Luft herab und machte mit seiner Almosenschale in der Hand seinen Almosengang in der Stadt. Als ihn die Brahmanen sahen, dachten sie: „Wenn dieser hier auch nur einen oder zwei Tage bleibt, wird er uns hilflos machen“; rasch gingen sie zum Könige hin und meldeten ihm: „O Großkönig, ein listiger Zauberer ist gekommen, lasst ihn festnehmen!“ Der König gab seine Zustimmung.
Das große Wesen hatte sich gerade mit seinem Speisengemisch neben eine Mauer auf eine Bank gesetzt und verzehrte sein Mahl. Während er so gerade die ihm von anderen zugeteilte Speise aß, schlugen ihn die vom Könige abgesandten Leute und brachten ihn ums Leben. Er starb und wurde in der Brahmāwelt wiedergeboren. — In diesem Jātaka war nämlich der Bodhisattva ein Iguana-Zähmer; und da er von anderen so abhing, musste er sterben. — Die Gottheiten aber ließen aus Zorn darüber über das ganze Königreich Mejjha einen heißen Aschenregen herabströmen und bewirkten so, dass das Reich kein Reich mehr war. Darum heißt es:
§C. Nachdem der Meister diese Unterweisung beschlossen hatte, fügte er hinzu: „Nicht nur jetzt sondern auch früher schon verletzte Udena die Weltflüchtlinge“, und verband hierauf das Jātaka mit folgenden Worten: „Damals war Mandavya Udena, der weise Mātanga aber war ich.“
Ende der Erzählung von Mātanga
[1] Wohl im Gegensatz zu den vom Volke oder vom Hofe eingesetzten Königen.
[2] Dieser ist als Wundertäter auch in [der Vorgeschichte zu] Jātaka 483 erwähnt.
[3] Wörtlich „über die Frucht der Vollendung“. Mit den Vollendungen ist die Erreichung der verschiedenen Stufen der Ekstase gemeint.
[4] Eine der niedrigsten Kasten; öfters in den Jātakas erwähnt.
[5] Dies Wort bedeutet Elefant und auch „Candāla“.
[6] Auf Deutsch: „Eine, die günstige Vorzeichen gesehen hat“.
[7] Ihre Augen sind durch den Anblick des Niedrigen unrein geworden.
[8] Das „assa“ des Textes braucht nicht mit Rouse in „assa“ geändert zu werden; es gehört dann zu „nabhim“.
[9] Nämlich weil sie mit dem Palastbau ein hervorragendes gutes Werk taten.
[10] Diese ist ebenso wie der Anotatta-See im Himalaya; beide werden oft als Lieblingsaufenthalt von Heiligen und Büßern genannt.
[11] Eine Asketensitte, die auch Buddha billigte, aber nicht zur Pflicht machte. Vgl. „Leben des Buddha“ S. 110 und 181 f.
[12] D. h. die Personen, denen man gute Werke erweisen soll. Auf das Feld kommt der Same des guten Werkes, das später seine Frucht trägt.
[13] Die Namen der drei Torwächter. Das Wort „gefallen“ (pali „bhattha“), das einige Handschriften anders haben, passt ganz gut in den zornigen Ausruf des Jünglings.
[14] Diese beiden Verse stehen auch im Jātaka 474 Strophe 9 Zeilen 1-2.
[15] Die beiden letzten Verse finden sich auch im Jātaka 488 Strophe 20 Zeilen 3-4.
[16] Wörtlich: „als er einen Zahnstocher gekaut hatte.“ Es ist an weiche Stängel zu denken.
[17] Das „pahata“ des Textes braucht nicht mit Rouse in „pahina“ geändert zu werden; die Konstruktion mit dem Lokativ ist zwar etwas frei, gibt aber den besseren Sinn.