„Bhallātiya mit Namen hieß ein König“
§A. Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf die Königin Mallikā. Sie bekam nämlich eines Tages mit dem Könige wegen des Bettes Streit [1]. Der König zürnte ihr und blickte sie nicht mehr an. Da dachte sie: „Jetzt weiß der Vollendete nicht, dass der König mir zürnt.“ —
Als der Meister von dieser Begebenheit erfuhr, ging er am nächsten Tage von der Mönchsgemeinde umgeben nach Sāvatthi hinein, um seinen Almosengang zu machen und kam auch an das Haustor des Königs. Der König ging ihm ehrfurchtsvoll entgegen, nahm ihm seine Almosenschale ab und ließ den Meister in seinen Palast hinaufsteigen. Auch die Mönchsgemeinde ließ er, wie es sich für sie gebührte, Platz nehmen, gab ihnen das Schenkungswasser und bewirtete sie mit vorzüglicher Speise. Nach Beendigung der Mahlzeit setzte er sich zur Seite nieder. Da fragte der Meister: „Warum, o Großkönig, sieht man nichts von Mallikā?“ Als jener antwortete: „Weil sie von ihrem Glücksrausch verrückt geworden ist“, sprach er weiter: „Hast du nicht, o Großkönig, in der Vorzeit, da du als ein Feenmännchen wiedergeboren warest, als du nur eine einzige Nacht von deinem Feenweibchen getrennt warest, siebenhundert Jahre lang darüber geklagt?“ Nach diesen Worten erzählte er auf dessen Bitte folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.
§B. Als ehedem der König Bhallātiya regierte, dachte er: „Ich will auf Kohlen gebratenes Gazellenfleisch verzehren“; er übergab seinen Ministern die Regierung, umgürtete sich mit den fünf Arten der Waffen, verließ umgeben von Scharen gut abgerichteter, edler Hunde die Stadt und zog in den Himalaya. Er zog am Ganges entlang; da er nicht weiter hinaufkommen konnte, ging er einem Flusse nach, den er in den Ganges münden sah. Hier tötete er Gazellen, Eber u. dgl., verzehrte das auf Kohlen geröstete Fleisch und stieg so bis in die Höhe hinauf. Wenn dort das liebliche Flüsschen voll Wasser war, floss es dahin, dass sein Wasser bis an die Brust ging; sonst reichte das Wasser nur bis ans Knie. Hier gab es verschiedene Arten von Fischen und Schildkröten. Am Rande des Wassers war Sand von der Farbe einer silbernen Platte; auf beiden Ufern waren Bäume, die sich unter der Last ihrer Blüten und Früchte beugten, umschwirrt von Scharen verschiedener Arten von Vögeln und Bienen, die vom Saft der Blüten und Früchte berauscht waren; ihr Schatten wurde von Scharen verschiedener Wildarten aufgesucht. Am Ufer dieses so entzückenden Flusses im Himalaya hielten zwei Feen einander umfangen und bedeckten einander mit Küssen; dabei klagten und weinten sie auf mancherlei Art. Als nun der König am Ufer dieses Flusses nach dem Gandhamādana-Berg [2] emporstieg, sah er die Feen und dachte bei sich: „Warum klagen denn wohl so diese Feen? Ich will sie fragen.“ Er schaute seine Hunde an und schnippte mit den Fingern; auf dieses Zeichen eilten die wohl abgerichteten, edlen Hunde in eine Höhle und legten sich auf den Bauch. Als er merkte, dass die Hunde verborgen waren, legte er Bogen, Köcher und die anderen Waffen neben einen dort stehenden Baum, kam, ohne mit seinen Schritten ein Geräusch zu verursachen, rasch zu jenen heran und fragte die Feen: „Warum weinet ihr?“
Um dies zu verkündigen, sprach der Meister folgende drei Strophen:
Als das Feenmännchen die Worte des Königs vernahm, blieb es stumm. Das Feenweibchen aber sprach zum Könige folgendermaßen:
Darauf sprach der König folgende drei Strophen:
Darauf sprachen beide folgende Strophen zur Rede und Gegenrede:
Als dies der König hörte, dachte er: „Diese, die doch Tiere sind, weinen wegen der Trennung für eine Nacht siebenhundert Jahre lang beständig. Ich aber gab in meinem dreihundert Yojanas umfassenden Königreiche die Herrschaft auf und weile im Walde. Ach, etwas Unpassendes habe ich getan!“ Er kehrte von dort wieder zurück nach Benares; als ihn seine Minister fragten: „O Großkönig, hast du im Himalaya ein Wunder gesehen?“, erzählte er ihnen alles. Von da an genoss er seine Macht, indem er Almosen spendete und noch andere gute Werke tat.
Um dies zu verkündigen, sprach der Meister folgende Strophe:
§A2. Hierauf begann er abermals und sprach folgende zwei Strophen:
Nachdem aber die Königin Mallika diese Tugendunterweisung des Vollendeten angehört hatte, erhob sie sich von ihrem Sitze, streckte die gefalteten Hände ihm entgegen und sprach, um den mit den zehn Kräften Ausgestatteten zu preisen, folgende Schlussstrophe:
Von da an aber lebte der König von Kosala mit ihr in Eintracht. —
§C. Nachdem der Meister diese Unterweisung beschlossen, verband er das Jātaka mit folgenden Worten: „Damals war das Feenmännchen der König von Kosala, das Feenweibchen war die Fürstin Mallikā, der König Bhallātiya aber war ich.“
Ende der Erzählung von Bhallātiya
[1] D. h. wohl aus Eifersucht. Vgl. dazu die Vorgeschichte vom Jātaka 306.
[2] Dieser Berg im Himalaya ist auch sonst als Aufenthaltsort von Feen oder auch von seltenen Tieren genannt.
[3] Die beiden letzten Namen bedeuten „der Weißgelbe“ und „der Dreispitzige“. Es sind (im Gegensatz zum Kommentator) doch wohl Berge damit gemeint.
[4] Die Feen werden auch sonst als eine Art Wild betrachtet; vgl. oben Jātaka 485 Anm. 9.
[5] Die Pflanze Alangium heptospermum.
[6] Die Schlingpflanze Gaertnera racemosa.
[7] Nicht näher zu bestimmen.
[8] Nicht näher zu bestimmen.
[9] Cassia fistula.
[10] Bignonia suaveolens.
[11] Vitex nigundo.
[12] Mit „sali“ ist hier wohl nicht Reis gemeint, sondern der Sala-Baum, Shorea robusta.
[13] Der Baum Pterospermum acerilolium.
[14] Hier wurde diese wörtliche Übersetzung von „amanusso“ gewählt, weil die gewöhnliche Bedeutung „Dämon“ hier nicht passt.