„Darauf nun sprach“
§A. Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf die Verlockung durch die frühere Frau.
§D. Die Begebenheit ist schon im Indriya-Jātaka [Jātaka 423] ausgeführt. —
Damals aber fragte der Meister jenen Mönch: „Ist es denn wahr, dass du unzufrieden geworden bist?“ Auf dessen bejahende Antwort fragte er weiter: „Wer hat dich unzufrieden gemacht?“, und der Mönch erwiderte: „Meine frühere Frau.“ Darauf sprach der Meister: „O Mönch, dieses Weib fügt dir Schaden zu. Durch sie hast du früher die Fähigkeit zur Ekstase verloren und lagest drei Jahre lang betört und ohne Besinnung darnieder; und als du wieder zur Besinnung kamst, da klagtest du laut darüber.“ Nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.
§B. Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, nahm der Bodhisattva im Reiche Kasi in einer Brahmanenfamilie seine Wiedergeburt. Nachdem er herangewachsen war und die Vollendung in allen Künsten erreicht hatte, betätigte er die Weltflucht der Weisen und lebte in einer Waldgegend, indem er sich von den Wurzeln und Früchten des Waldes ernährte. An seiner Unratstätte aber verzehrte ein Antilopenweibchen das mit seinem Samen vermischte Gras und trank das Wasser. Dadurch wurde ihr Herz an ihn gefesselt. Sie empfing davon eine Leibesfrucht, ging von da an immer dorthin und hielt sich nur in der Nähe der Einsiedelei auf. Das große Wesen beobachtete sie und merkte den Grund. In der Folgezeit gebar sie einen menschlichen Sohn. Das große Wesen zog ihn mit Vaterliebe auf und gab ihm den Namen Isisinga [2].
Als dieser zu Vernunft gekommen war, machte der Bodhisattva ihn auch zum Asketen und zog dann, als er selbst alt geworden war, mit ihm nach einem Walde mit Namen Narivana [3]. Hier sagte er zu ihm: „Mein Sohn, in diesem Teile des Himalaya sind Weiber, die diesen Blumen an Schönheit gleichen. Wer in ihre Gewalt kommt, den stürzen sie in schweres Verderben; darum darf man sich nicht in ihre Gewalt begeben.“ Nachdem er ihn so ermahnt, wurde er in der Folgezeit ein Bewohner der Brahmawelt. Isisinga aber blieb im Himalayagebirge wohnen, der Wonne der Ekstase sich erfreuend, in harter Askese, mit abgetöteten Sinnen.
Von dem Glanze seiner Tugend aber erzitterte Gott Sakkas Palast. Als Sakka darüber nachsann und die Ursache erkannte, dachte er: „Dieser möchte mir meine Sakka-Würde rauben; ich werde ein Göttermädchen zu ihm senden und von ihr seine Tugend zerstören lassen.“ Während er daraufhin die ganze Götterwelt untersuchte, sah er, dass unter seinen fünfundzwanzig Millionen zählenden Dienerinnen außer einem Göttermädchen namens Alambusa keine war, die im Stande wäre, dessen Tugend zu vernichten. Er ließ sie zu sich rufen und befahl ihr, die Tugend von jenem zu zerstören.
Um diesen Sachverhalt zu offenbaren, sprach der Meister folgende Strophe:
Sakka befahl Alambusa: „Gehe, suche Isisinga auf, bringe ihn in deine Gewalt und zerstöre seine Tugend!“ Und er sprach:
Als dies Alambusa hörte, sprach sie folgendes Strophenpaar:
Darauf sprach Sakka folgende drei Strophen:
Als dies Alambusa hörte, sprach sie folgende zwei Strophen:
Folgende Strophen sprach der völlig Erleuchtete:
Um sie aber zu fragen, sprach der Asket:
Als so der Asket vom Fuß bis zu den Haaren ihre Schönheit pries, blieb Alambusa still; und da sie aus dem Verlauf seiner Rede merkte, dass er betört war, sprach sie folgende Strophe:
Nachdem sie so gesprochen, dachte Alambusa: „Wenn ich hier stehen bleibe, wird dieser nicht an meine Hand herankommen; ich werde so tun, als wollte ich fortgehen.“ Und indem sie mit ihrer Erfahrung in der weiblichen Verführungskunst den Asketen ins Wanken brachte, ging sie in der Richtung des Weges, den sie gekommen.
Um diesen Sachverhalt zu verkünden, sprach der Meister folgende Strophe:
Als aber der Asket sie enteilen sah, dachte er: „Sie geht fort“; und indem er mit blindem Eifer ihr langsames Gehen einholte, lief er rasch auf sie zu und berührte sie mit der Hand an ihren Haaren.
Um dies zu erklären, sprach der Meister:
Als dies Alambusa hörte, dachte sie: „Wenn ich es ihm nicht mitteile, wird er mich verfluchen; wohlan, ich will es ihm sagen.“ Und indem sie mit sichtbarem Körper zu ihm trat, sprach sie folgende Strophe:
Als er diese ihre Worte hörte, gedachte er an die ihm von seinem Vater erteilte Ermahnung; und indem er klagte: „Weil ich nicht nach den Worten meines Vaters tat, bin ich in tiefes Verderben gestürzt“, sprach er folgende vier Strophen:
Er gab die Freude an der Sinnenlust auf und erlangte wieder die Fähigkeit zur Ekstase. Als aber Alambusa den Glanz seiner Asketentugend wahrnahm und bemerkte, dass er wieder der Ekstase teilhaftig geworden war, bekam sie Furcht und bat ihn um Verzeihung.
Um diesen Sachverhalt zu erklären sprach der Meister folgende zwei Strophen:
Darauf erwiderte er ihr: „Ich verzeihe dir, Liebe; gehe, wohin es dir beliebt“; und indem er sie fortschickte, sprach er folgende Strophe:
Sie bezeigte ihm ihre Verehrung und kehrte auf dem goldenen Lager [18] in die Götterstadt zurück.
Um dies zu verkünden, sprach der Meister folgende drei Strophen:
Indem sie aber von ihm die Erfüllung eines Wunsches erbat, sprach sie folgende Schlussstrophe:
§C. Nachdem der Meister diese Unterweisung des Mönchs beschlossen und die Wahrheiten verkündet hatte, verband er das Jātaka (am Ende der Wahrheitsverkündigung aber gelangte jener Mönch zur Frucht der Bekehrung) mit folgenden Worten: „Damals war Alambusa die frühere Frau, Isisinga war der unzufriedene Mönch, der Vater aber, der große Asket, war ich.“
Ende der Erzählung von Alambusa
[2] Das Wort bedeutet wohl „der gehörnte Weise“. Die Geschichte ist auch im Ramayana erzählt, wo der Held Rsyasringa heißt.
[3] Auf Deutsch: „Frauenwald“.
[4] Vatra ist ein Fürst der Asuras, der Indra feindlichen Dämonen.
[5] Indra ist der Herr der dreiunddreißig Götter, die auch die Asuras besiegten.
[6] Wörtlich: „in der Halle Sudhammā“.
[7] Auf Deutsch: „der Freudenwald“; ein Park in Indras Himmel.
[8] Die Frucht von Momordica monadelpha, einer der Curcubitaceen,
[9] Er war ein Feueranbeter.
[10] Diese beiden Zeilen finden sich auch im Jātaka 506 Strophe 1.
[11] Vgl. über dies glückverheißende Zeichen Jātaka 461 Anm. 10 [Gemeint ist ein Hals oder Nacken, der drei Linien oder Falten hat wie eine Muschel; dies galt als Zeichen äußersten Glückes.].
[12] Weil er noch kein Weib gesehen, meint er, es sei ein Mann, wie der Kommentator angibt.
[13] Der Familienname des jungen Asketen.
[14] Ein Beiname Indras.
[15] Den Altar des Gottes Agni, dem er vorher gedient.
[16] Der Kokila, der indische Kuckuck, vertritt in Indien die Stelle der Nachtigall.
[17] Die Stelle wird auch anders gedeutet. Der Kommentator meint „ich möchte den Lüsten absterben“, während Francis übersetzt: „For better death itself to face, Thaw be again in such a case.“
[18] „pallamko“ kann auch heißen „Sänfte“.