Peta Vatthu

II 9. Das Lied vom Ankura

(A. Gespräch Ankuras mit einem Kaufmann.)

K. 1.

Weshalb wir nach Kamboja gehen,
um Reichtümer zu ernten:
hier ist ein wonnespendender (Baum)-Yakkha;
diesen Yakkha wollen wir mitnehmen.

2.

Diesen Yakkha wollen wir ergreifen,
im Guten oder mit Gewalt,
ihn auf den Wagen legen
und schnell nach Dvāraka gehen.

A. 3.

Von dem Baume, in dessen Schatten
man sitzen oder liegen kann,
soll man keinen Zweig brechen:
der wäre ein Freundesverräter, ein Sünder (der das täte).

K. 6.

Den Baum, in dessen Schatten
man sitzen oder liegen kann,
den durfte man sogar mit der Wurzel ausreißen,
wenn das von Nutzen sein könnte.

A. 7.

Dem, in dessen Hause man (auch nur) eine Nacht wohnt,
bei dem man Speise und Trank empfängt,
dem darf man nicht (auch nur) im Herzen Übles sinnen:
Dankbarkeit wird von guten Menschen gelobt.

8.

Dem, in dessen Hause man (auch nur) eine Nacht wohnt,
und von dem man mit Speise und Trank geehrt wird,
dem darf man nicht (auch nur) im Herzen Übles sinnen:
wer mit der Hand nicht verletzt, tilgt auch den bösen Willen.

9.

Nachdem er früher Gutes empfangen,
wer später mit Sünde schädigt:
dieser von reiner Hand geschlagene (?) Mensch,
nicht erfahrt der jemals Glück. 

(B. Erscheinung des Yakkha, sein Gespräch mit Ankura.)

Y. 10.

Nicht bin ich von einem Gotte, noch von einem Menschen,
noch von einem (gewaltigen) Herrscher leicht zu besiegen;
ich bin ein Yakkha, mit höchster Zaubermacht begabt;
gehe (im Augenblick) an den fernsten Ort,
bin ausgerüstet mit (schöner) Farbe und Kraft.

A. 11.

Deine Hand ist ganz goldig,
mit Strömen (von Gaben) an den fünf (Fingern),
triefend von Honig;
mancherlei Süßschmeckendes fließt herunter:
ich glaube, du bist Purimdada [Indra].

Y. 12.

Nicht bin ein Gott ich, noch auch ein Gandhabba,
noch auch Sakka Purimdada,
erkenne (in mir) einen Peta, o Ankura,
der von (der Stadt) Bheruva hierher gekommen.

A. 13.

Welches Charakters, welches Wandels
warst du früher in Bheruva,
aus welch frommem Wandel entspringt
die (Frucht der) gute(n) Tat in deiner Hand?

Y. 14.

Ein Schneider war ich früher,
zu Lebzeiten, in Bheruva,
ein gar elendes, kümmerliches Leben fristend;
nichts hatte ich zum Geben.

15.

Und meine Werkstätte war
in der Nähe des Asayha,
des Gläubigen, Meisters in der Gabe,
der fromme Werke tat und sich (vor Bösem) scheute.

16.

Dahin zogen die Bettler,
Bittende aus mancherlei Gegend;
diese fragten mich dort
nach der Wohnung des Asayha:
"Wohin sollen wir gehen, Heil mit euch,
wo wird (uns) eine Gabe zuteil?"

17.

Von diesen gefragt, zeigte ich (ihnen)
die Wohnung des Asayha,
ausstreckend meinen rechten Arm:
"Dort gehet hin, Heil mit euch,
dort wird die Gabe gegeben
im Hause des Asayha".

18.

Daher die Wünsche erfüllende Hand
daher die von Honig triefende Hand,
daher entsteht mir durch frommen Wandel
die (Frucht der) gute(n) Tat in der Hand.

A. 19.

Nicht doch gabst du irgendeinem eine Gabe
mit eigner Hand, sondern über die Gabe
eines andern dich freuend,
strecktest du die Hand und kündetest du.

20. = v. 18.

21.

Der aber, welcher die Gabe spendete, o Bester,
der Fromme, mit eignen Händen,
wohin in der Welt ist der
nach Verlassen des irdischen Leibes gegangen?

Y. 22.

Nicht weiß ich des Unvollbringbares vollbringenden
Angirasas [Asayhas] jetzigen oder zukünftigen Stand;
doch habe ich beim Vessavana gehört,
daß Asayha zur Gemeinschaft des Sakka gegangen.

A. 23.

Ziemlich ist's, Gutes zu tun,
Gaben zu geben nach Kräften,
wer wird keine guten Werke tun,
wenn er eine wonnespendende Hand gesehen?

24.

Wohl, wenn ich von hier gegangen
und nach Dvāraka zurückgekehrt,
will ich die Gabe spenden,
welche mir Glück bringen soll.

25.

Geben werde ich Speise und Trank,
Kleidung, Lager und Sitze,
Wasserhütten und Brunnen,
Brücken an ungangbarer Stelle.

 

(C. Gespräch Akkuras mit einem Peta.)

A. 26.

Warum sind deine Finger krumm,
und dein Gesicht verzogen,
und triefen deine Augen,
was für Böses hast du getan?

P. 27.

Für des Hausherrn Añgīrasa,
des frommen, der sein Haus bewohnte:
für dessen Gabenverteilung
war ich zur Aufsicht bestellt.

28.

Wenn ich nun dort die Bittenden
herbeikommen sah, die Brotbedürftigen,
dann ging ich beiseite
und machte einen verzerrten Mund.

29.

Deshalb sind meine Finger krumm,
und mein Gesicht ist verzogen,
und meine Augen triefen;
solch böse Tat hab' ich getan.

A. 30.

Mit Recht ist, du böser Mensch,
dir dein Mund verzerrt,
weil du über die Gabe eines andern
einen schiefen Mund gemacht hast

31.

Wie kann auch der, welcher die Gabe spendet,
sich eines andern (dazu) bedienen,
(beim Geben von) Speise, Trank und Kuchen,
Kleidung, Lager und Sitzen.

32. 33 = v. 24. 25 [hier ein Interpolation].

 

(D. Schilderung des Mahādāna.)

* 34.

Von dort nun zurückgekehrt
und wieder nach Dvāraka gekommen
richtete Ankura die Gabe ein,
die ihm glückbringend sein sollte.

35.

Er gab Speise und Trank,
Kleidung, Lager und Sitze,
Wasserhütten und Brunnen
mit mildem Sinne.

36.

"Wer hungrig und wer durstig ist,
wer ein Gewand zur Kleidung wünscht,
wem ermüdet sind die Zugtiere,
von hier soll man den Wagen bespannen;
wer einen Schirm wünscht, wer wohlriechende Essenz,
wer Blumen und wer Sandalen,

37.

(der komme her)", so rufen hier
die Barbiere, Köche und Parfümverkäufer aus,
beständig morgens und abends
im Hause des Ankura.

 

(a. Gespräch Ankuras mit seinem Verwalter Sindhaka.)

A. 38.

"Einen guten Schlaf hat der Ankura",
so meinen von mir die Leute;
schlecht schlafe ich, Sindhaka,
weil ich keine Bettler sehe.

39. [nur eine Variante von v. 38].

S. 40.

Wenn dir Sakka einen Wunsch gewährte,
der Herr der Tāvatimsa,
was von der ganzen Welt
würdest du wählend als Wunsch wünschen?

A. 41.

Wenn Sakka mir einen Wunsch gewährte,
er, der Herr der Tāvatimsa:
(daß) mir, wenn ich am Morgen aufgestanden,
beim Aufgang der Sonne
herrliche Speisen mögen zur Hand sein
und tugendhafte Bettler.

42.

(Daß), wenn ich gebe, mir (die Gabe) nicht schwinde,
und, wenn ich gegeben, es mich nicht reue,
gebend möge mein Herz Befriedigung finden:
so möchte ich den Wunsch von Sakka wünschen.

 

(b. Mahnung des im Nītisattha bewanderten Weltweisen Sonaka.)

S. 43.

Nicht gib alle Habe an andere weg,
gib die Gabe, aber sammle auch Reichtum;
darum ist Reichtum besser als Verschenken,
bei zu vielem Verschenken bestehen keine Familien.

44.

Nicht preisen die Verständigen
das Nichtgeben und das Zuvielgeben;
darum ist Reichtum besser als Verschenken,
in gleichmäßiger (mittlerer) Weise verfahre der verständige Fromme.

A. 45.

Wohl, Bester, ich möchte doch schenken,
und die Frommen, die es (noch) gibt,
mögen von mir empfangen;
wie eine Wolke die Niederung füllend,
möchte ich alle Bettler erquicken.

46.

Wessen Antlitz sich beim Anblick
von Bittenden verklärt,
und (wer) von der Gabe innerlich befriedigt wird:
das ist das Glück des ein Haus Bewohnenden.

47.

=46a-c [mit Schluß:]
dies ist die Vollendung des guten Werkes.

48.

Vor der Gabe wohlgesinnt,
indem er gibt, das Herz befriedigend,
nachdem er gegeben, ist er freudigen Herzens:
das ist die Vollendung des guten Werkes.

 

(c. Schilderung der großen Gabe.)

49.

60 000 Wagenladungen voll an Speisung
werden täglich im Hause des Ankura,
des auf gute Werke Bedachten,
den Leuten gespendet.

50.

Leute, 3000 Köche,
geschmückt mit Juwelen und Ohrringen,
wohnen beim Ankura,
mit Eifer tätig bei der Gabe des Opfers.

51.

60000 Jünglinge,
geschmückt mit Juwelen und Ohrringen,
zerkleinern das Feuerholz
bei der großen Gabe des Ankura.

52.

16000 Frauen,
mit allem Schmucke geschmückt,
kneten Kuchen (?),
bei der großen Gabe des Ankura.

53.

16000 Frauen,
mit allem Schmucke geschmückt,
warten auf mit Löffeln
bei der großen Gabe des Ankura.

54.

Viel gab er vielen,
lange gab er, der Krieger [Ankura],
aufmerksam mit eigner Hand
wieder und wieder die Achtung erweisend.

55.

Viele Monde, ganze und halbe,
Jahreszeiten und Jahreskreise
gab er die große Gabe,
der Ankura, lange Zeit.

56.

So gab und opferte
Ankura lange Zeit,
dann verlassend den irdischen Körper,
ging er hinauf zu den Tāvatimsa.

 

(E. Beurteilung der Gabe im Himmel.)

57.

Die Löffel-Bettelmahlzeit gab
dem Anuruddha der Indaka;
nachdem dieser den menschlichen Körper verlassen,
ging er hinauf zu den Tavatimsa.

58.

In den zehn Punkten
überstrahlt der Indaka den Ankura:
an (schöner) Erscheinung, Gehör, Geschmack,
an Geruch und lieblichem Gefühl;

59.

An Lebensdauer, an Ruhm,
an Rang und an Glück,
an Oberherrschaft überstrahlt
der Indaka den Ankura.

*60

Als bei den Tāvatimsa der Buddha
auf dem Steine Pandukambala
am Fuße des schattenreichen Baumes
verweilte, er, der höchste der Menschen,

61.

Da, nachdem in den zehn(tausend) einzelnen Welten
die Götter sich versammelt,
umgaben sie den Erleuchteten,
verweilend auf der Spitze des Berges.

62.

Und kein Gott überstrahlt
den Allerleuchteten an Erscheinung,
alle Götter übertreffend
erstrahlt der Allerleuchtete.

63.

Zwölf Yojanas da von ihm entfernt
war der Ankura,
nicht fern von Buddha
überstrahlt ihn der Indaka.

64.

Der Vollerleuchtete, hinblickend
auf den Ankura und den Indaka
preisend die fromme Gabe,
sprach dieses Wort:

B. 65.

"Große Gabe ist lange Zeit
von dir, o Ankura, gegeben worden,
und weit (von mir) entfernt sitzest du,
komm in meine Nähe!"

66.

Veranlaßt von dem Geläuterten
sprach der Ankura also:
"Was nützt mir jene Gabe,
sie war ohne die der Gabe würdige Person.

67.

Dieser Indaka, der Yakkha,
obgleich er nur eine geringe Gabe gab,
überstrahlt uns
wie der Mond die Schar der Sterne."

B. 68.

[Buddha sprach:] "Wie auf hartem Ackerboden
der Same, wenn auch reichlich gesät,
keine große Frucht bringt,
und den Ackersmann nicht befriedigt:

69.

So auch wird reichliche Gabe,
wenn auf schlechte Menschen verwendet,
keine große Frucht bringen,
und befriedigt nicht den Geber.

70.

Wie auf guten Ackerboden
auch nur kärglich der Same gesät,
wenn der Himmel richtigen Regen gewährt,
die Frucht den Ackersmann befriedigt:

71.

So auch wird ein nur kleines Verdienst
an Tugendhaften,
Guten, an solchen getan,
ein gutes Werk mit großer Frucht."

*72.

Es ist zu überlegen beim Geben der Gabe,
wo das Gegebene zu großer Frucht wird;
mit (kluger) Überlegung die Gabe gebend
kommen die Geber in den Himmel.

Dieses Vatthu ist eines der umfangreichsten und am weitesten ausgearbeiteten unserer Sammlung, es stellt sich mit 72 Versen neben IV. 1 mit 88 und IV. 3 mit 55 Versen. Seiner Art nach ist es ein Doppelvatthu, insofern als es umfaßt das Vatthu vom Yakkha (v. 10-25) und das vom Peta (v. 26-33); alles andere ist angefügt zur Ausführung der Moral, die sich aus diesen beiden ergibt. Der Gang der Erzählung ist außerordentlich lebhaft, es liegt eine dramatische Anschaulichkeit in den Wechselgesprächen. Sie erstrecken sich auf eine Reihe handelnder Personen und demonstrieren im Lebenslaufe Ankuras die Moral der großen Gabe, die hauptsächlich aus folgenden drei Lehren besteht:

  • 1. Auch der, welcher andern die Quelle der Wohltaten zeigt, hat Nutzen von diesen aus fremder Hand gespendeten Gaben.
  • 2. Man soll die gute Gabe selbst geben und sie nicht von einem Bediensteten verrichten lassen, der nicht aufrichtig gibt.
  • 3. Eine kleine Gabe, an solche gegeben, die ihrer wert sind, trägt mehr Frucht als eine große, die an Unwürdige gegeben wird.
  • Daneben enthält das Lied eine Verurteilung der Undankbarkeit in dem Vorhaben des Brahmanen, der den Baum umschlagen will, und bildet somit eine Rechtfertigung des Baumkultus (vgl. hierzu Teil I, S. 42).

    Die "dramatis personae" sind Ankura, der Prinz, welcher Kaufmann geworden ist (s. R. E.), ein Kaufmann (Brahmane), ein Schneider, ein Setthi (Asayha-Añgirasa) und die Aufseher des Ankura resp. des Setthi. Daneben sind noch eingeführt die Personen des Buddha, des Indaka und des Sonaka. Alles in allem also eine reiche Liste von beteiligten Personen.

    Über Ankura und seine Beziehung zu Jātaka 454 s. P.V. II. 6. Es deckt sich in II. 9 die R. E. p. III 24-31 Ha. mit R. E Jātaka vol. IV, p. 83 28-84 9.

    v. 9: Die Worte yo pubbe katakalyāno finden sich ähnlich in Jātaka 90 (Fausböll I. p. 378).

    v. 52: vidhā pindenti: Bedeutung vidhā ist nicht klar, K. erklärt katukabhandāni (Zutaten, Gewürze?)

    Die Zählung der Verse bei Min. ist abweichend. Vers 72 Ha. ist späterer Zusatz, Vers 73 ist auszuscheiden. 


      Oben zeilen.gif (1054 bytes)