Theragāthā, Vers 527-596

(von Ekkehard Saß)

 

Kāludāyī

527

Es glühen hellrot jetzt die Bäume, Herr,

sie tragen Frucht, das Blätterdach entlaubt!

Die glühend Flammenden, sie wollen sagen:

„Zeit ist es, großer Held, Erlösung auszukosten.“

528

Die blüh’nden Bäume, die den Geist erfreu’n,

allüberall sie senden Düfte aus, -

will lassen das Erlangte, Frucht nicht wünschen,

jetzt ist die Zeit, um fortzugehen, Held!

529

Es ist jetzt nicht zu kalt und nicht zu heiß,

die rechte Jahreszeit zum Wandern, Herr, -

sie mögen sehen Dich, die Sakyer, Kolyer,

wenn Du die Rohini im Westen überquerst.

530

Mit Hoffen wird gepflügt das Feld,

die Saat mit Hoffen wird gesät,

mit Hoffen geht man Handel ein,

der Ozean an Reichtum bringt, -

bei welchem Hoffen fest ich stehe,

dies Hoffen möge mir gedeihen.

531

Ach, immer wieder säen sie die Saat,

ach, immer wieder regnet Götterkönig,

ach, immer wieder Pflüger pflügen Felder,

ach, immer wieder kommt das Reich zu Reichtum!

532

Ach, immer wieder gehn umher die Bettler,

ach, immer wieder geben Gabenherren,

ach, immer wieder, wenn die Gabenherren gegeben,

ach, immer wieder gehen sie zum Himmelsort!

533

Der Held gewiß das Wesensjoch erkennt,

in welchem Stamm er wird gebor’n, der Weise -

„ich denke ICH“ - so geht der Göttergott,

durch den gebor’n des Muni Wahrheitsname.

534

Suddhodano der Vater hieß des großen Weisen,

des Buddho Mutter aber trug den Namen Māyā, -

sie nahm das Buddhawesen auf in ihren Schoß,

und als ihr Körper brach, sie freute sich im Himmel.

535

Als Gotami gestorben, ging sie fort von hier,

mit Himmelssinnenlüsten war sie reich begliedert,

sie freute sich an den fünf weiten Sinnesbahnen,

umgeben glücklich von den hohen Götterscharen.

536

Des Buddho Sohn bin ich, Unmögliches erreichend,

des unvergleichlichen Angīraso,

des Vaters Vater bist du wahrlich mir, o Sakka,

bist eigentlich, o Gotama, Großvater mir.

Ekavihāriyo (der Alleinlebende)

537

Nicht vor mir und nicht hinter mir,

wenn keinen anderen es gibt:

wie äußerst angenehm ist das

dem, der allein im Walde lebt!

538

Darum werd’ ich alleine geh’n

in tiefen Wald, Buddhagelobt,

so wohl dem, der alleine lebt,

dem Mönch, der in sich selbst nur strebt.

539

Ach, wie tut Yogi-Freude wohl,

wenn man dem Elefanten folgt!

Allein, den Sinn erlebend, rasch,

werd’ treten ich in tiefen Wald.

540

Im aufgeblühten kühlen Wald,

im Kühlen einer Bergeshöhle,

wenn ich die Gliederfeucht benetzt,

werd’ auf und ab ich geh’n allein.

541

Für mich allein, ganz ohne zweiten,

im wunderbaren großen Wald:

wann werde ich dorteinmal leben

vollendet ganz, von Einfluß frei?

542

So möge mir, der handeln will,

der tiefe Wunsch alsbald gelingen!

Bemühen will ich redlich mich,

kein andrer tut für andern was.

543

Ich lege mir den Panzer an,

betreten werde ich den Wald,

nicht eher wieder aus ihm gehn,

bis ich erreicht das Einfluß-Ende.

544

Im Winde, der mich dort umweht,

im kühlen, Wohldufttragenden,

Unwissen werde ich zerbrechen,

im Stillsitz einer Bergesspitze.

545

Im Wald, von Blütenganz bedeckt,

im Kühlen einer Bergesgrotte,

mit tiefem Freiheitsglück beglückt,

bin froh ich in der Bergeshöhle.

546

Vollendet bin ich im Entschluß,

gleichwie der Mond am Vollmondtag, -

All-Einfluß hab ichüberwunden,

nicht ist jetzt mehr ein Wiederwerden.

Mahākappino

547

Wer das, was noch nicht da, klug in Vorausschau sieht:

das Wohl, den Nutzen und das Nichtwohl, dieses Doppel,

bei dem, der haßt, -bei dem, der Wohl nur wünscht,

sie sehen keine Kluft, die stets den Frieden suchen.

548

Bei wem die Atem-Achtsamkeit

vollendet, gutentfaltet ist,

mit jedem Schritt und Tritt durchübt (vermehrt)

wie sie vom Buddho aufgezeigt:

der strahlt in diese ganze Welt,

gleichwie der wolkenfreie Mond.

549

Ach, wahrlich weiß ist jetzt mein Herz,

unmeßbar weit und gut entfaltet,

durchdrungen ist es, hochgespannt

und strahlt in jede Richtung hin.

550

Er lebt jetzt als ein Weiser nur, -

hat einer Reichtum fahren lassen

und tiefe Weisheit nicht erlangt,

lebt er im wahren Reichtum nicht.

551

Die Weisheit nimmt Gehörtes wahr,

die Weisheit mehr Ansehn und Ruf,

von Weisheit tief ergriffner Mann,

selbst noch im Leiden findet er das Glück.

552

Nicht gilt die Lehreheute nur,

nicht wunderbar und nicht erstaunlich:

geboren wird und Sterben kommt, -

was ist daran wohl so erstaunlich?

553

Geborenem folgt ohne Pause (unaufhörlich)

das Leben und der sich’re Tod, -

(das Leben ständig und der Tod)

die immer neu Gebor’nen sterben:

von solcher Art sind Atemwesen.

554

Nicht ist das Maßstab eines tief’ren Sinns,

was Lebenssinn der vielen andern Menschen, -

die Totenklage führt zu keinem Ruhm,

wird nicht gelobt von strebenden Brahmanen.

555

Dem Weinenden erkranken Aug’ und Körper,

zerstört wird Schönheitskraft und Kraft des Geistes,

von Herzen froh sind alle seine Feinde,

die Wohlgesonnenen sind glücklich nicht.

556

Darum sich sehne, wer Familie hat,

nach weisen Menschen, die gehört schon viel,

mit ihnen wird er Weisheit reich entfalten

und kreuzen mit dem Schiff den Strom, den vollen.

Culapanthako (Kleinwegler)

557

Ganz langsam warm ein Gehen nur,

verachtet war ich nur bisher, -

der Bruder beugte sich zu mir:

„Geh Du jetzt in das Haus hinein!“

558

Ich war wie abgeknickt in mir,

als ich beim Lagerraum des Sanghaparks

trübsinnig dort alleine stand,

mich einzig sehnend nach der Weisung.

559

Da der Erhab’ne kam heran,

den Kopf berührte sanft er mir,

nahm mich behutsam dann am Arm,

betrat mit mir den Sanghapark.

560

Aus Mitleid wohl der Meister da

das Fußtuch überreichte mir:

dies, widme Dich, ganz rein zu machen,

das eine Ende ist schon rein.

561

Als ich dies Wort von ihm gehört,

lebt’ ich mit seiner Weisung froh,

gab ganz mich dem Samadhi hin,

um zu erfassen höchsten Sinn.

562

Ich weiß nun, wo ich früher war,

das Himmelsauge ist geklärt,

drei Wissen sind von mir erlangt,

getan des Buddho Weisung ist.

563

Viel tausendmal hat sich das Selbst

gebaut, geformt der Panthako, -

saß in dem schönen Mangohain,

bis er die Todeszeit erkannt.

564

Da mir der Lehrer sandte zu

den Boten für die Todeszeit, -

und als die Zeit bekanntgemacht,

ging durch die Luft ich hin zu ihm.

565

Als ich verehrt des Lehrers Füße,

zu seiner Seite setzt’ ich mich, -

und wie er sitzend mich erkannt,

nahm mich der Lehrer bei sich auf!

566

„Das Opfer dieser ganzen Welt,

die Gaben nahm er alle an,

ist das Verdienstfeldaller Menschen, -

ihr nahmt sie an, die reiche Gabe.“

Kappo (der Geeignete)

567

Mit aller ArtenHausschmutz voll,

ein einzig großes Kot-Entstehen,

gleichwie ein Teich, der ganz verrottet,

wie große Beule, großer Dschungel.

568

Von Eiter und von Blut ganz voll,

in eine Dunggrube gesunken,

von Wasser triefend ist der Körper,

strömt immer Fauliges nur aus.

569

Ein Sechzig-Sehnen-Angebinde,

mit Fleisch als Schmiere zugeschmiert,

ins Futteral der Haut gebunden,

ein Körper faulig, ohne Nutzen.

570

Die Knochen zum Verbund gebunden,

mit Sehnenschnüren festgezurrt,

durch vielerlei Zusammenspiel

entsteht dann die Bewegungsart.

571

Nur immer ausgesetzt dem Tod,

dem Todeskönig immer nah:

wenn er dies ausgespieen hat,

geht er, wohin er will, der Mann.

572

Gehemmt durch Unwissen der Körper,

mit Viererfesselganz gefesselt,

in eine Woge sinkt der Körper,

ein Neigungsnetz weit ausgebreitet.

573

Fünffache Hemmung hält ihn fest,

ganz mit Gedankenausgefüllt,

der Durst durchzieht ihn wurzelgleich,

Verblendungsdach hält ihn bedeckt.

574

So dieser Körper sich bewegt,

von Tun und Handeln angetrieben, -

Glück baut sich auf- und bricht entzwei,

nur Vielfaltwerden stets erscheint.

575

Die sich den Leib zueigen machen,

die blinden Toren, Massenmenschen,

vermehren nur den Friedhof schrecklich,

ergreifen immer Wiederwerden.

576

Doch die den Leib zulassen wissen,

wie eine kotbeschmierte Schlange,

die Werdenswurzel ausgespien:

die löschen aus, von Einfluß frei.

Upaseno

577

Den abgeschied’nen, wenig lauten,

von wilden Tieren nur besuchten,

den Lagersitz der Mönch benutze,

zurückgezogen übe er.

578

Vom Abfallhaufen nahm er sich,

vom Friedhof und vom Wegesrand -

und machte draus die Robe sich:

die rauhe Robe trage er.

579

Bescheiden ganz den Geist gemacht,

mit gleichem Schritt von Stamm zu Stamm,

um Brockenspeise geh’ der Mönch,

ein Torbewachter, wohl gezügelt.

580

Mit Rauhem geh’ er sich zufrieden,

find’ nur Geschmack an stillem Platz,

dem, der nur nach Geschmäcken giert,

vertiefungsfroh ist nicht der Geist.

581

An Wünschen arm und stets zufrieden,

ganz abgeschieden leb’ der Muni, -

laß sich mit Haushaltern nicht ein

und mit Hauslosen gleichfalls nicht.

582

Wie dumm und auch wie stumm,

das Selbst er sollte sehen so, -

nicht allzu lang’ er sollte leuchten

in Sanghamitte, er, der Weise.

583

Nicht er beleid’ ge, wen auch immer,

Verletzung gebe er ganz auf,

gezügelt im System der Regeln,

kennt er das Maß auch recht beim Essen.

584

Leicht greift er auf das Sammlungszeichen,

erkennt, was in den Geist einströmt,

an Stille schließe er sich an,

im Zeitfluß an das weite Sehen.

585

Versehn mit Tatkraft und mit Ausdauer,

sei er ans Übungsjoch gebunden,

ist nicht das Leidensend’ erreicht,

mag zum Vertrauen gehn der Weise.

586

Dem so im Geiste Lebenden,

dem Mönch, der so das Reine liebt,

dem schwinden alle Einflüsse,

zum tiefen Frieden er gelangt.

Gotamo

587

Er mög’ erschließen sich den Sinn,

betrachten dann gesproch’nes Wort:

was hier und heute auf ihn paßt,

der zum Asketentum gekommen.

588

Er suche hier den guten Freund

und nehme auf das weite Übungsfeld

und wünsche, von Verehrten viel zu hören:

das ist für den Asketen passend.

589

Den Buddhas zolle er Verehrung,

beim Dhammo habe er Respekt,

den Sangho seh’ er voller Achtung!

Das ist für den Asketen passend.

590

Am Gutverhalten angebunden,

rein der Erwerb, untadelhaft,

im Geiste tief in sich gegründet,

das ist für den Asketen passend.

591

Zu vieles Handeln er vermeide,

sei ruhig in der Leibbewegung,

schließ’ an den hohen Geist sich an:

das ist für den Asketen passend.

592

Im Wald geleg’ne Lager-Sitze,

fern abgelegen, ringsum still,

zu teilen nur mit einem Muni:

das ist für den Asketen passend.

593

Die Tugend und die weite Wahrheit,

der Lehren tiefes, wirkliches Ergründen,

der Wahrheiten volles Erfassen:

das ist für den Asketen passend.

594

Entfalten mag er: „Nichtbeständig!“

Und den Gedanken: „Nicht das Selbst!“ und „Unrein!“

Und an der Welt das Nichterfreutsein!

Das ist für den Asketen passend.

595

Entfalten die Erwachungsglieder,

die Pfade inn’rer Macht, die Sinneskräfte,

den achtgliedrigen, edlen Weg:

das ist für den Asketen passend.

596

Den Durst, den gebe auf der Muni,

samt Wurzeln rode er die Einflüsse,

er lebe ganz in sich befreit:

das ist für den Asketen passend.