645
Seit ich hinausgezogen bin
vom Haus in die Hauslosigkeit,
erkenn’ ich keine Absicht mehr,
die unedel, mit Haß verbunden.
646
„Ach, tötet diese! Schlachtet sie!
Die Wesen sollen Leid erfahren!“
Nicht mehr erkenn’ ich solche Absicht
in dieser langen Zwischenzeit.
647
Die Mettā hab ich tief erkannt,
hab unermeßlich sie entfaltet,
mir Schritt für Schritt vertraut gemacht,
wie von dem Buddho aufgezeigt.
648
Bin aller Freund, Gefährte aller,
fühl’ mich mit allen Wesen eins, -
den Metta-Geist entfalte ich,
bin ohne Feindschaft immer froh.
649
Das Uneinnehmbar-Unerschütterliche
bringt tiefe Freude in mein Herz, -
das Brahmawohnen ich entfalte,
von schlechten Menschen nicht verfolgt.
650
Gedankenstille hat erreicht,
des Vollerwachten Schüler er,
tief in den edlen Stand des Schweigens
ist er getaucht für alle Zeit.
651
Wie im Gebirg das Felsmassiv
ist unbewegt gut aufgestellt:
so der verblendungsfreie Mönch
wie das Gebirge nicht mehr zittert.
652
Bei einem fleckenlosen Menschen,
der immer nur das Reine sucht,
Haarspitzenmaß des Schlechten
gleichwie ein Wolkenmaß erscheint.
653
Gleichwie die Stadt, dicht an der Grenze,
bewacht von innen und von außen,
so hüt’ man sich das eigne Selbst,
die kleinste Zeit verschwend’ man nicht!
654
Bin tief erfreut am Tode nicht,
bin tief erfreut am Leben nicht,
die Todeszeit ich warte ab,
gleichwie der Diener seinen Lohn.
655
Bin tief erfreut am Tode nicht,
bin tief erfreut am Leben nicht,
die Todeszeit ich warte ab,
verstehend alles, achtsam ganz.
656
Verehrt von mir der Meister ist,
getan des Buddho Weisung ist,
und abgelegt die schwere Last,
der ganze Werdensfluß entfernt.
657
Zu welchem Zweck ich zog hinaus,
vom Haus in die Hauslosigkeit,
der Zweck ist nun von mir erreicht:
all meiner Fesseln Untergang.
658
„Strebt eifrig ohne Lässigkeit!“
Nur dies ist meine Unterweisung.
Wohlan, ich werde ganz erlöschen,
befreit bin ich allüberall.
659
Gleichwie ein gutes Rassepferd,
ans Joch gebunden, Joch erträgt,
bedrückt von allzuschwerer Last,
dem Zuggeschirr sich nicht entwindet:
660
So in der Weisheit sind zufrieden,
gleichwie das Meer mit seinem Wasser,
die andere nicht mehr verachten:
das ist die Edelart der Wesen.
661
Wenn in der Zeit die Zeit erfahren,
zum Werden-Nichwerden gegangen:
die Menschen gehn zum Leid hinab,
sie klagen hier als Junge schon.
662
Die hochgestimmt vom Glücksereignis,
vom Leidensumstand tief bedrückt:
zweifach die Toren sind geschlagen,
die das, was wirklich ist, nicht sehn.
663
Doch die beim Leid und auch beim Glück
die Naht der Mitte überschritten,
die stehen wie die Indrasäule:
sind nicht erhoben, nicht bedrückt.
664
Nicht vom Gewinn, nicht vom Verlust,
vom Ruhm nicht und vom Ansehn nicht,
vom Tadel nicht, auch nicht vom Lob,
vom Leiden nicht und nicht vom Glück -
665
Allüberall schmiert nichts sie zu (benetzt sie nichts),
wie Wassertropfen nicht den Lotus,
allüberall sind Glückeshelden,
allüberall sind unbesiegt.
666
Wer rechtlich zu Gewinn nicht kommt,
und wer Gewinn unrecht erhält:
der rechtlich Nichtgewinn ist besser,
als unrechtmäßiger Gewinn.
667
Und Ruhm gibt es bei Weisheitsarmen,
bei Weisheitsvollen keinen Ruhm, -
kein Ruhm ist besser bei den Weisen,
nicht dieser Ruhm bei Weisheitsarmen.
668
Und bei den Dummen gibt es Loben,
bei Weisen gibt es öfter Tadel, -
der Tadel besser ist bei Weisen,
als aller Toren Lobgesang.
669
Es gibt ein Glück aus Sinnenlust,
ein Leiden aus der Einsamkeit, -
Einsamkeitsleiden besser ist,
als sinnenlusterzeugtes Glück.
670
Es gibt ein Leben ungesetzlich,
gesetzlich gibt es einen Tod, -
der Tod gesetzlich besser ist,
als wollt’ man leben ungesetzlich.
671
Die Sinnenwirbel aufgegeben,
die stillen Geists im Werdensstrom,
sie gehen in der Welt nicht haftend,
nicht gibt es für sie lieb-unlieb.
672
Entfaltend die Erwachungsglieder,
die Fähigkeiten und die Kräfte,
erlangen sie den höchsten Frieden,
erlöschen sie, von Einfluß frei.