Theragāthā, Vers 949-1050

(von Ekkehard Saß)

 

Phusso (der Klare)

949

Als er all diese Sanften sah,

im Selbst entfaltet, gut gezügelt,

ein Weiser der Pandarasa’s

befragte Phusso, sprach ihn an:

950

Was wird an Wille, was an Wunsch,

was an Erscheinung alles sein

in fernen, zukünftigen Zeiten?

Das mir erkläre, so gefragt.

951

„So höre nun das Wort von mir!“

Der Weise sprach zu Pandaro.

„Und gründlich auch behalte es!

Ich werd’ erklären Zukunft Dir.“

952

Von Zorn verzehrt und böswillig,

scheinheilig, starr, betrügerisch,

voll Neid und voller Meinungen:

so werden sie in Zukunft sein.

953

Sie rühmen sich der Lehrerkenntnis,

der tiefen, Jenseitsküstenweide, -

leichthin sie ehr’n den Dhammo nicht,

einander schenken sie nicht Achtung.

954

Viel an Gefahren in der Welt

erscheinen werden künftighin, -

und die wohl aufgezeigte Lehre

beschmutzen werden Törichte.

955

Die schwach an Tugend sind im Sangho,

die spielen sich als Weise auf, -

die werden stark an Einfluß sein,

viel schwatzen, weil sie nicht „gehört“.

956

Und selbst die Guten auch im Sangho,

die sich nach wahrem Zweck verhalten,

sie werden schwach an Einfluß sein,

von scheuem Geist und ohne Ziel.

957

An hellem Silber, reinem Gold,

an Land, Besitz, an Schafen, Ziegen,

an Sklavin, Sklavewohl die Dummen

ergötzen werden künftig sich.

958

Stets reizbar sind sie, diese Toren,

und im Verhalten ungesammelt, -

dreist werden wandern sie umher,

streitlustig wie die wilden Tiere.

959

Ganz unruhvoll siewerden sein,

von schwarzer Robe nur bedeckt, -

falsch-harte Schwätzer, aufgeblasen,

sie werden leben wie die Edlen.

960

Mit Öl geglättet ihre Haare,

ganz zapplig, mit geschminkten Augen,

sie werden gehn auf breiter Straße,

mit Weißgefärbter ganz bedeckt.

961

Was nicht verachtet von Befreiten,

das rechtgefärbte Heil’genbanner:

verachten werden sie die Gelbe,

in Weiße immer nur vernarrt.

962

Gewinn erpicht sie werden sein,

nur träge, von geringer Tatkraft, -

voll Überdruß am stillen Wald,

sie werden nahe Dörfern wohnen.

963

Nur denen, die Gewinn erlangen,

am schlechten Leben stets erfreut,

nur denen folgen sie noch nach

und teilen mit den Zügellosen.

964

Und die, die zu Gewinn nicht kommen,

die werden nicht mehr recht verehrt, -

und auch den liebenswerten Weisen

nicht folgen werden solche mehr.

965

Was eingefärbt mit fremder Farbe,

sie tadeln stets das eigne Banner

und der Sektierer Banner auch, -

sie werden tragen nur das Weiße.

966

Nicht achtenswert wird wohl die Gelbe

zu jener Zeit dann ihnen sein, -

ein tiefes Denken an die Gelbe

den Mönchen wird nicht länger sein.

967

Dem, der von Leiden überwältigt,

vom Pfeil durchbohrt, so sehr gequält,

der ganz bewußte große Schrecken

dem Elefanten war nicht auszudenken.

968

Als der Sechszähner dort gesehen

die gut gefärbte Heil’genfahne,

da eben sprach er diese Verse,

der Elefant, die sinnerfüllten:

969

Wer nicht befreit von Flecken ist

und zieht die gelbe Robe an,

von aller Zähmungswahrheit fern,

verdient die Gelbe wahrlich nicht.

970

Wer alle Flecken ausgespien,

in Tugend wohl gesammelt ist,

zur Zähmungswahrheit hingelangt,

verdient die Gelbe wahrlich sich.

971

Wer im Verhalten falsch, der Dumme,

gemein, nur Sinnenlüsten folgend,

im Geiste wandernd und nicht rein:

verdient die Gelbe wahrlich nicht.

972

Doch im Verhalten, wer vollendet,

vom Reize frei, gesammelt ist,

den Geist auf’s Weiße nur gerichtet:

verdient die Gelbe wahrlich sich.

973

Der unruhvolle, stolze Tor,

bei dem es Tugend gar nicht gibt,

das Weißgewand verdient er sich, -

die Gelbe, was soll sie ihm taugen?

974

Die Mönche und die Nonnen auch,

im Geist gestört und ohne Ehrfurcht,

all jene voller Mettageist

sie werden tadeln in der Zukunft.

975

Und selbst wenn alte Mönche lehren,

die Toren, die die Robe tragen,

nicht lauschen werden diese Dummen,

gemein, nur Sinnenlüsten folgend.

976

Und die so eingeübten Toren,

die sich einander nicht verehren,

sie werden nicht den Lehrer achten,

wie Schüttler nicht den Wagenlenker.

977

So in der zukünftigen Zeit

der Weg wird anzusehen sein

der Mönche und der Nonnen auch,

wenn angelangt die letzte Zeit.

978

Bevor dies alles kommt heran,

der Zukunft übergroßer Schrecken:

sanft redend seid, freundlich gesinnt!

Einander seid euch Ehrende!

979

Seid liebevoll und habt Erbarmen!

Seid in der Tugend gut gesammelt!

Macht Tatkraft auf und strebt im Selbst!

Steht immer fest in eurer Übung!

980

Ist Lässigkeit als Angst gesehn,

Nichtlässigkeit als Frieden bringend:

entfaltet den Achtgliederweg!

Berühret des Todlosen Pfad!

Sāriputto

981

Recht lebend, achtsam stets und tief bedenkend,

in der Gedankenführung nie mehr lässig,

im Innern froh und gut in sich gesammelt,

allein zufrieden: den wohl nennt man ,Mönch’.

982

Wenn Frisches er undTrock’nes ißt,

nie sei er allzu stark gesättigt,

mit leerem Magen, mäß’ger Nahrung,

achtsam ein Mönch mag wandern gehn.

983

Hat er vier Bissen oder fünf

gegessen, trinke er noch Wasser:

genug ist das zum leichten Leben

für einen Mönch, in sich entschlossen.

984

Das Regelfolgen nimmt er an,

die Robe reicht ihm völlig aus:

genug ist das zum leichten Leben

für einen Mönch, in sich entschlossen.

985

Wer mit gekreuzten Beinen sitzt,

die Kniee netzt der Regen nicht:

genug ist das zum leichten Leben

für einen Mönch, in sich entschlossen.

986

Wer Glück als leidvoll nur noch sah,

und Leiden sah als Pfeilverwundung,

und zwischen beiden auch nicht war:

in welcher Welt was mag er sein?

987

„Mir bleibe fern ein Übelwünscher,

ein Träger, von geringer Tatkraft,

der nichts gehört und ohne Ehrfurcht!“

In welcher Welt was mag er sein?

988

Wer viel gehört und weise ist,

in Tugenden, wer gut gesammelt,

an Herzensstille angejocht:

der soll als Vorbild nah mir stehn!

989

Wer an die Vielfalt angejocht,

ein vielfalttief erfreutes Tier,

der hat verfehlt schon das Nibbānam,

den Übungsfrieden höchster Art.

990

Doch wer die Vielfalt aufgegeben,

auf dem Nichtvielfaltwege froh,

erreichte das Nibbāna schon,

den Übungsfrieden höchster Art.

991

Im Dorfe oder auch im Walde,

im tiefen Land undauf der Höhe:

wo Heilgewordene verweilen,

das ist ein angenehmer Ort.

992

Wie angenehm die Wälder sind,

wo nicht sich freut das ganze Volk,

nur die Entreizten Freude finden,

nicht die, die Sinnenlüste suchen!

993

Dem Klugen, der den Tadelspricht,

nur solchem Weisen schließ dich an!

Dem, der sich anschließt einem solchen,

gehts besser nur, nicht schlechter mehr.

994

Er möge raten, unterweisen,

von Niedrigem halten zurück, -

so ist er lieb Besonnenem,

unlieb dem Nichtbesonnenen.

995

Dem andern der erhab’ne Buddho

die Lehre zeigte auf, der Seher, -

und während er die Lehre zeigte,

lieh ich mein Ohr, den Sinn erforschend.

996

Das war mir blendungsfreies Hören,

befreit bin ich, von Einfluß frei, -

nicht mehr nach früh’rem Aufenthalt,

auch nicht nach einem Himmelsauge,

997

nach tiefer Herzenskunde Macht,

nach Weitergehn und Wiederkehren,

nach Hörbereiches Reinigung

ein Streben gab es da für mich.

998

An Baumeswurzel hingesetzt,

geschoren kahl, robenbedeckt,

an Weisheit nun der höchste Thero,

Upatisso sich tief versenkt.

999

Gedankenstille hat erreicht

des Vollerwachten Jünger er, -

tief in den edlen Stand des Schweigens

ist er getaucht für alle Zeit.

1000

Wie im Gebirg das Felsmassiv

ist unbewegt gutaufgestellt,

so der verblendungsfreie Mönch

wie das Gebirge nicht mehr zittert.

1001

Bei einemfleckenlosen Menschen,

der immer nur das Reine sucht,

Haarspitzenmaß desSchlechten

gleichwie ein Wolkenmaß erscheint.

1002

Bin tief erfreut am Tode nicht,

bin tief erfreut am Leben nicht, -

den Körper werd’ ich legen ab:

aufmerksam, voller Achtsamkeit.

1003

Bin tief erfreut am Tode nicht,

bin tief erfreut am Leben nicht, -

den Körper werd’ ich legen ab:

gleichwie der Diener seinen Lohn.

1004

Die beiden Seiteneben dieses Todes:

nicht einem Tode später und nicht früher

folgt weiterhin, geht niemals mehr zugrunde!

Die kleinste Zeit verschwendet nicht!

1005

Gleichwie die Stadt, dicht an der Grenze,

bewacht von innen und von außen,

so hüte dir das eigne Selbst,

die kleinste Zeit verschwende nicht.

1006

Ganz still geworden, abgelassen,

die Texte sprechend unverwirrt:

er schüttelt ab die schlechten Dinge,

gleichwie das Blatt vom Baum der Wind.

1007

Ganz still geworden, abgelassen,

die Texte sprechend unverwirrt:

zieh ab die schlechten Dinge all,

gleichwie das Blatt vom Baum der Wind.

1008

Ganz still geworden, ohne Kummer,

im Glück geborgen, unverwirrt,

schön in der Tugend, voller Weisheit:

des Leidens Endiger er sei.

1009

Vertraut sich nicht den Einzelgängern an,

bei Hausnern weder, noch bei Pilgern auch, -

gewesen gut, sind sie nicht länger gut,

nicht gut gewesen, sind sie wieder gut.

1010

Der Sinnendrang und Abneigung,

die schlaffe Trägheit eines Mönchs,

die Unruh’ und das Zweifelschwanken:

fünf Geistesflecken sind dies wohl.

1011

Wen die Verehrung nicht macht stolz

und auch die Nichtverehrung nicht,

die Sammlung nicht ins Wanken kommt,

wer immerfort nicht lässig bleibt:

1012

Den, der beharrlich sich vertieft,

die feine Schau im Innern sieht,

am Haftensuntergang erfreut:

den nennt mit Recht man „wahrer Mensch“.

1013

Das große Meer, die Erde nicht,

Gebirge nicht und nicht der Wind:

zum Gleichnisreichen sie nicht hin

des Lehrers, der die Freiheit lehrt.

(der so gut befreit.)

1014

Das Rad hält er in Gang, der Thero,

groß an Erkenntnis und gesammelt, -

er ist wie Erde, Wasser, Feuer,

erregt sich nicht und wird nicht schlecht.

1015

An Weisheit ist vollendet er,

ist weit an Einsicht, großer Muni:

nicht träge scheint er träg’ zu sein,

für immer lebt erloschen er.

1016

Verehrt von mir der Meister ist,

getan des Buddho Weisung ist

und abgelegt die schwere Last,

der ganze Werdensfluß entfernt.

1017

„Strebt eifrig ohne Lässigkeit!“

Nur dies ist meine Unterweisung.

Wohlan, ich werde ganz erlöschen,

befreit bin ich allüberall.

Ānando

1018

Mit Boshaftem und Zornigen,

mit Selbstischem, Zerstörungsfrohem

nicht Freundschaft schließt der Weise wohl:

schlecht ist mit schlechten Menschen Umgang.

1019

Mit dem Vertrauend-Liebenswerten,

der Weisheit sucht und viel gehört

wohl Freundschaft schließt der Weise sich:

Glück ist mit guten Menschen Umgang.

1020

Sieh diese schmuckgemachte Puppe,

den Wundenkörper, aufgebaut,

den kranken, von Gedanken voll,

der Dauer und Bestand nicht hat!

1021

Der viel gehört, ein Glanzredner,

des Buddho umsichtiger Diener,

der Lastenlose, ganz Entjochte:

das Lager macht sich Gotamo.

1022

Von Einfluß frei und ganz entjocht,

hält er nicht fest, ist voll erloschen, -

so trägt er seinen letzten Leib,

Geburt- und Todesjenseitsgänger.

1023

Bei wem die Lehren fest gegründet,

beim Buddha-Sonnenanverwandten:

auf dem Nibbāna-Wanderweg

steht sicher dieser Gotamo.

1024

Als er erwacht, behielt er zweiundachtzig,

zweitausend schon als Bhikkhu noch:

das waren vierundachtzigtausend,

die diese Lehren vorwärts brachten.

1025

Der Mensch, der wenig nur gehört,

dem Ochsen gleich vorm Pflug er altert,

die Fleischesmassen wachsen ihm,

die Weisheit aber wächst ihm nicht.

1026

Wer viel gehört und den, der kaum gehört,

mit dem Gehörten ganz verachtet,

gleichwie ein blinder Lampenhalter,

so eben scheint mir der zu sein.

1027

An den, der viel gehört, schließ er sich an,

und das Gehörte lasse er nicht schwinden,

es ist die Wurzelganz des Brahmalebens,

darum sei er ein wahrer Dhammaträger.

1028

Das Wortgefüge kennt er, kennt den Sinn,

und um den Weg der Sprache weiß er wohl, -

das gut Erfaßte faßt er gut in sich,

bewegt den Sinn, erforscht ihn klug.

1029

Auf die Geduld zielt der den Willen,

was er gewagt, das wägt er ab,

zur rechten Zeit strengt er sich an,

im Innern ist er gut gesammelt.

1030

Der viel gehört, den Dhammaträger,

den weisheitsreichen Buddhajünger,

den Lehrverständnis Wünschenden,

den teilt euch, den, der so geartet.

1031

Der viel gehört, der Dhammaträger,

der Schatzhüter des großen Weisen,

das Auge dieser ganzen Welt,

der zu verehren, der so viel gehört.

1032

Der Dhammafreud’ge, Dhammafrohe,

den Dhammo stets Bedenkende:

des Dhammo stets gewahr, der Mönch,

vom Dhammo fällt er nicht mehr ab.

1033

Wer nur das Körperselbst verehrt,

den lasse er und richte sich nicht auf, -

wer Leibeswohlsein nur begehrt,

woher Asketen-Leichtigkeit?

1034

Nicht leuchten mehr die Himmel alle,

die Dhammas kommen mir nicht in den Sinn, -

daß mir der gute Freund gegangen,

wie Dunkelheit scheint das zu sein.

1035

Ach, hingegangen der Gefährte,

er lebt nicht mehr, der gute Lehrer, -

jetzt gibt es nur noch einen Freund:

die Sati, die zum Körper geht.

1036

Die Alten alle sind vergangen,

mit Neuen mich nicht mehr verbindet:

so heut’ allein ich mich vertiefe,

gleichwie zur Regenzeit die Vögel.

1037

Zum Sehen kamen sie herbei

aus fremden Ländern, viele Menschen:

Geopfert seien nicht die Hörer!

Sie mögen meinen Orden sehn!

1038

Zum Sehen kamen sie herbei,

so zahlreich fremder Länder Menschen:

der Meister gibt Gelegenheit,

nicht weist sie ab, der’s Auge hat.

1039

Die ganzen fünfundzwanzig Jahre,

die auf dem Übungsweg ich bin,

nicht Lustgedanke kam mehr auf:

Sieh nur des Dhammo Kerngesetz!

1040

Die ganzen fünfundzwanzig Jahre,

die auf dem Übungsweg ich bin,

nicht Haßgedanke kam mehr auf:

Sieh nur des Dhammo Kerngesetz!

1041

Die ganzen fünfundzwanzig Jahre,

hab dem Erhab’nen ich gedient

mit liebevollem Körperwerk,

gleichwie der Schatten, der nicht weicht.

1042

Die ganzenfünfundzwanzig Jahre

hab dem Erhab’nenich gedient

mit liebevollem Redewerk,

gleichwie der Schatten, der nicht weicht.

1043

Die ganzen fünfundzwanzig Jahre

hab dem Erhab’nen ich gedient

mit liebevollem Geisteswerk,

gleichwie der Schatten, der nicht weicht.

1044

Dem Buddho, der ging auf und ab,

von hinten folgte ich ihm nach, -

als er den Dhammo aufgezeigt,

da stieg Erkenntnis in mir auf.

1045

Mir bleibt nun etwas noch zu tun,

ich übe noch, bin ohne Geisteskraft, -

der Meister fand Nibbānam ganz,

der mit uns hat so stark gefühlt.

1046

Da kam in mir der Schrecken auf,

da war in mir ein Haaressträuben

bei ihm, dem Höchstes ganz gelang,

beim ganz Erwachten, der erloschen.

1047

Der viel gehört, der Dhammaträger,

der Schatzhüter des großen Weisen,

das Auge dieser ganzen Welt:

ānando ist erloschen ganz.

1048

Der viel gehört, der Dhammaträger,

der Schatzhüter des großen Weisen,

das Auge dieser ganzen Welt

des Blindseins Dunkelheit vertreibt.

1049

Der aufrecht geht, der achtsam ist,

der fest entschlossen ist, der Weise,

der den Saddhammo trägt, ein Thero:

ānando, die Juwelenmine.

1050

Verehrt von mir der Meister ist,

getan des Buddho Weisung ist

und abgelegt die schwere Last,

der ganze Werdensfluß entfernt.