Theragāthā, Vers 1091-1145

(von Ekkehard Saß)

 

Tālaputo (Fächerpalmengefäß (Schauspieldirektor))

1091

Wann werde ich in tiefen Bergeshöhlen,

wann ganz allein und ohne zweiten wohnen,

als nicht beständig alles Werden sehend, -

daß dies geschieht, wann wird es endlich sein?

1092

Wann werde ich das Stückelkleid wohl tragen,

ein Muni, gelb gekleidet, ohne Mein und völlig frei?

Wann werd’ den Reiz, die Abwehr ich, Verblendung

gelassen haben, voller Glück am Berghang wohnen?

1093

Wann werd’ den unbeständigen, krankheitsgeschlag’nen,

den Leib, der stets von Tod und Verfall bedroht,

durchschau’n und werde wohnen, frei von aller Furcht

allein im Wald? Ach, das, - wann wird es endlich sein?

1094

Wann werd’ ich das, was Furcht erzeugt und Leiden bringt,

den Durst, der rankt und in die Vielfaltstäuschung führt,

hab’ ich das scharfe Weisheitsschwert ergriffen erst,

zerschlagen diese Mächte? Das auch, - wann wird’s sein?

1095

Wann, wenn ich von dem mächtig starken Weisheitsfeuer,

vom Lehrer aller Weisen tief ergriffen bin,

werd’ ich das Māra-eig’ne Heer kraftvoll vertreiben

vom Löwenthron? Ach, das, - wann wird es endlich sein?

1096

Wann habe höflich ich bei den Zusammenkünften

erschaut den Werdensstrom mit denen, die den Dhammo ehren?

Wann bin mit wirklich sehenden, besiegten Sinnen

ich einer, der sich müht? - Wann wird das endlich sein?

1097

Wann werden mich der träge Hunger und der Durst,

die Glutwinde, die Käfer und die Schlangen auch

nicht länger plagen, wenn ich in der Bergeshöhle

mir selbst nur Ziel bin? Ach, wann wird das endlich sein?

1098

Wann hab’ ich nun, was klar erkannt vom großen Weisen:

die vier Wahrheiten, die wohl schwer zu schauen sind,

gesammelt tief im SELBST und achtsam wohl erreicht

mit Weisheit das? Ach, das, - wann wird es endlich sein?

1099

Wann werd’ die Formen ich, so unbegrenzt, die Töne,

die Welt des Riechens, Schmeckens, Tastens und des Denkens

als Flammen seh’n, an Stilleräume fest gebunden,

zur Weisheit fähig sein? Wann wird mir das zuteil?

1100

Wann werde ich bei schlecht gesprochnem Wort

aus diesem Grund verwirrt nicht länger sein, -

und wenn gelobt, ich werd’ aus diesem Grund

auch nicht zufrieden sein? Wann wird mir das zuteil?

1101

Wann wögen Holz und Gras und Schlinggewächse,

die Khandhas und die Dinge, unermeßlich,

die Innen- und die Außenreiche alle,

mir gleich? Ach, das, - wann wird es mir zuteil?

1102

Wann wird die dunkle Regenwolke mich

mit frischem Wasser, der die Robe ich im Wald

den Weg, den Weise fort gegangen, trage,

beregnen? Das, - ach, wann wird’s endlich sein?

1103

Wann werd’ ich den beschopften Pfau im tiefen Wald

und den Dijo hoch im Gebirge singen hören?

Wann, wenn vom Sitz erhoben, mag das Todlos-Ziel

ich mir ersinnen? Das, - wann wird es endlich sein?

1104

Wann werd’ dem Ganges ich, der Yamunā und Sarassatī,

die in den Abgrund stürzen, in den Höllenschlund,

nicht haftend wohl entkommen ganz mit hoher Macht,

den schrecklichen? Ach, das, - wann wird es sein?

1105

Wann werd’ ich, wieder Elefant im Kampf,

zerbrechen zu den Sinnen meinen Willen?

Wann werf’ ich alles Unreine von mir,

von der Vertiefung angezogen? Wann wird’s sein?

1106

Wann, wie ein Bettler voller Schulden einen Schatz

gewinnt, von seinen Gläubigern gepreßt,

werd’ ich zufrieden sein, weil ich erfaßt die Botschaft

des großen Weisen? Das, - wann wird es sein?

1107

Ach, viele Jahre hab’ ich um die Drei gebeten,

im Haus das Leben reicht dir nun wohl aus, -

wenn ich erst einmal bin hinausgezogen,

dann bindest du an Pflicht, o Herz, nicht länger dich.

1108

Hab ich dich, Herz, nicht um die Drei gebeten?

Im Berg mit bunten Flügeln fliegen viele Vögel,

Mahindas Donnerstimme mächtig hallt zurück:

sie werden den erfreu’n, der sich im Wald vertieft.

1109

Bei der Familie Freunde, Liebe und Verwandte,

am Spiel die Freude und das Sinnenreich der Welt, -

das alles will ich lassen - ist’s erreicht,

bist du dann auch, mein Herz, zufrieden wohl?

1110

Mir gilt das nur allein, nicht gilt das anderen,

gebunden immer nur an’s Klagen, ach, warum?

All das ist zitternde Bewegung, sah ich da,

verließ das Haus, voll Sehnsucht nach dem Todlosweg.

1111

Nur recht spricht er, der Höchste der Zweifüßigen,

der große Fähige, das Menschenvolk zu zähmen:

das Herz, das unruhvolle, einem Affen ähnlich,

das nicht befreit vom Reiz, ist schwer zurückzuhalten.

1112

Die vielen Sinneslüste, süß, den Geist erfreuend,

an die ist festgebunden dieses Torenvolk, -

sie wünschen sich nur Leid, die Wiederwerden wollen,

vom Herzen fehlgeführt, in dunkle Welt gestoßen.

1113

Der Pfauen und der Reiher Schrei hallt durchs Gehölz,

der Panther und der Tiger Macht bin ausgesetzt, -

beim Körper jeden Wunsch gib auf und säume nicht:

so wohl mich, Herz, vom Früheren entbindest du.

1114

Entfalte die Vertiefungen, die Fähigkeiten,

die Kräfte, die Erwachungsglieder, Sammlungsübung,

und die Drei Wissen, ist berührt die Buddhabotschaft!

So wohl mich, Herz, vom Früheren entbindest du.

1115

Entfalte diesen Weg, um das Todlose zu erlangen,

den, der hinausführt, in All-Leidens-Ende taucht,

den achtgliedrigen, gut zu aller Flecken Reinigung!

So wohl mich, Herz, vom Früheren entbindest du.

1116

„Ach, Leiden nur!“So sieh die Gruppen gründlich an!

Und wenn das Leiden aufsteigt, so entfern’ es gleich!

Hier jetzt dem Leiden mache rasch ein Ende!

So bindest du mich, Herz, nicht an das Früher mehr!

1117

„Das Nichtbeständige ist Leiden!“ So durchschaue gründlich!

„Die Leere ist Nichtselbst!“ - “Das Übel ist Zerstörung!“

Gedankengänge endlos halte an im Herzen!

So bindest du mich, Herz, nicht an das Früher mehr!

1118

Kahl, mißgestaltet und zum Fluch gelangt,

die Schale in der Hand, bei den Familien bettelnd,

schließ an dich an des Lehrers Wort, des großen Weisen!

So bindest du mich, Herz, nicht an das Früher mehr!

1119

Gezügelt in dir selbst nur zwischen Straßen gehend,

bei den Familien, bei den Lüsten nicht im Geiste haftend,

gleichwie der Mond in klarer Vollmondnacht:

so bindest du mich, Herz, nicht an das Früher mehr!

1120

Ein Waldbewohner ist er und Almosengänger,

Friedhofsbewohner, Müllplatzlumpenträger,

ein Sitzenbleiber ist er, froh stets am Extrem:

so bindest du mich, Herz, nicht an das Früher mehr!

1121

Hast Bäume du gepflanzt, suchst Früchte an der Wurzel,

dazu den ganzen Baum zu fällen wünschst:

so gleiches, Herz, ist, was du mit mir machst,

wenn du ans Unbeständ’ge, Schwankende mich bindest.

1122

Formlos, ferngehend, einsam nur noch wandernd,

nicht wirst du jetzt zu Willen mir mehr sein!

Leidvoll sind Sinnenlüste, stechend, voller Furcht!

Auf das Nibbānam nur den Geist gerichtet, werd’ ich gehn!

1123

Nicht wegen Mißgeschick, nicht aus Schamlosigkeit,

nicht weil ich’s dachte bloß, nicht weil ich Qualen litt,

auch nicht um der Verehrung willen zog ich fort:

bin einzig dir, mein Herz, gehorsam nur gefolgt.

1124

Das Wenigwünschen wird gelobt von guten Menschen,

das Stolzaufgeben und die Stille alles Leidens, -

so wohl mich, Herz, du dann auch bindest fest,

jetzt gehst du noch in der gewohnten Bahn.

1125

Der Durst, Nichtwissen und das lieb geword’ne Liebe,

die schönen Formen und die Glücksgefühle,

die angenehmen Sinnesdränge, sie sind ausgespien, -

zum Ausgespienen noch zurück zukehren, kann ich nicht.

1126

Allüberall bin ich dir, Herz, zu Willen nur gewesen -

durch zahllose Geburten hin hast du mich nicht gestört,

das inn’re Werden war voll Dankbarkeit für dich,

doch Leiden nur hast du dem lang Gewanderten gebracht.

1127

Du nur allein, mein Herz, machst zum Brahmanen uns,

du uns zum Krieger und zum Königsweisen machst, -

einmal wir Bürger und dann Arbeiter wir werden,

zum Götterstatus kommen wir auch ebenso.

1128

Durch dich allein wir müssen Riesen werden,

durch dich allein wir müssen Höllenwesen werden,

dann auch zum Tierreich kommen wir zu einer Zeit,

und auch Gespensterstatus wird uns auferlegt.

1129

Nicht wirst du mich jetzt mehr verletzen immer wieder,

nur einen kurzen Augenblick wie Maskenspiel seh ich dich an,

verrückt zu sein, du eben nur von mir verlangst, -

was denn, mein Herz, nur hab ich wohl an dir versäumt?

1130

Dies Herz ging früher immer nur auf Wanderschaft,

wohin es wollte, wo es Lust fand, wie sein Glück, -

das werd’ ich gründlich zügeln mir von heute an,

wie Elefanten bricht der Stachelstockdompteur.

1131

Der Lehrer lenkte meinen Geist auf diese Welt

als unbeständig, als nicht fest, als ohne Kern, -

spring freudig auf, mein Herz! Vernimm des Siegers Botschaft!

Und hilf mir durch die große Flut, so schwer zu kreuzen!

1132

Nichts ist jetzt so, mein Herz, mehr, wie es früher war,

ich hab genug, in deinen Machtbereich zurückzukehren, -

zum großen Weisen zog ich fort, in seiner Botschaft,

die so wie ich sind, tragen keinen Untergang.

1133

Die Berge, Ozeane, Flüsse und die reiche Erde,

vier Himmelsrichtungen und Richtungen dazwischen:

sind alle nichtbeständig und vom Dreifachwerden überrannt, -

wohin gegangen, Herz, du wirst da Glück genießen?

1134

O weh, das Künftige! Was wirst du, Herz, noch mit mir machen?

Du hast genug, mein Herz, an Macht jetzt ausgeübt!

Niemals sollst du den leeren Blasebalg mehr öffnen,

o weh, aus dem, gefüllt, neun Ströme fließen.

1135

Von Ebern, Antilopendicht besucht,

am Abhang mit dem schön geformten Gipfel,

vom Wasser und vom Regen übersprengt in dem Gehölz:

dorthin ins Höhlenhaus gegangen, wirst du froh sein.

1136

Mit blauem Nacken, schönem Schopf und bunten Flügeln,

mit reichgeschmücktem Federkleid die Vögel,

süß ihre Stimme undder Donner dunkel brüllend:

sie werden den erfreu’n, der sich im Wald vertieft.

1137

Hat dann der Gott geregnet auf das vierfältige Gras, -

in voller Blüte, einer Wolke ähnelnd, das Gehölz, -

werd’ ich im Berge einem Baume gleich dann liegen,

das wird mir sanft sein, einer Baumwollflocke ähnelnd.

1138

So werde ich’s jetzt tun, gleichwie der Meister,

was dabei wird erlangt, das möge mir genügen, -

nur immer das ich werde tun, ganz voller Eifer,

gleichwie ein Katzenfell, das gut gewalkt.

1139

So werde ich’s jetzt tun, gleichwie der Meister,

was dabei wird erlangt, das möge mir genügen, -

mit Tatkraft werd’ ich Macht noch über dich gewinnen,

wie über’n Elefant geschickter Stachelstockdompteur.

1140

Mit dir als wohlgezähmtem, in sich stehendem,

gleichwie ein Trainingslehrer mit aufrechtem Pferd:

ich kann den guten Weg verfolgen glücklich,

der von den Herzbeschützenden wird stets geübt.

1141

Ans Denkobjekt mit aller Kraft band ich dich fest,

wie Elefanten an dem Pfahl mit festem Seil, -

dann gut bewacht mir, mit der Sati recht entfaltet,

unangelehnt an alles Werden wirst du sein.

1142

Mit Weisheit ist zerspalten, der dem Abweg folgte,

im Joch sich zügelnd geht er nun auf rechtem Weg, -

hast du geseh’n Entstehen, Nichtsein, Neu-Entstehen,

ein wahrer Erbe wirst du sein des Spitzenredners.

1143

Der ich an vierfacher Verwirrung Macht bin hingegeben,

im Ochsenkreis, mein Herz, führst du mich nur herum, -

willst du dich dem nicht, der die Fesselbanden schneidet,

verbinden, dem erbarmungsreichen, großen Muni?

1144

Gleichwie das Wild, ganz frei im glänzenden Gehölz

den schönen Berg betrat, der Wolken als Girlande trug:

so wirst du dort im unbeweglichen Gebirg dich freu’ n,

wirst ohne Zweifel, Herz, ans and’re Ufer schreiten.

1145

Die deinem Willen, deinem Einfluß weiter folgen,

die Männer und die Frauen auch, was sie an Glück erfahren:

wie töricht sind sie, die dem Māra-Einfluß folgen,

am Werden tief erfreut, sie dir, mein Herz, nur dienen.