Theragāthā, Vers 1209-1279

(von Ekkehard Saß)

 

Vangīso

1209

Ach, mich, der doch hinausgezogen

vom Haus in die Hauslosigkeit,

Gedanken überfallen da,

verwegene, vom Dunklen, diese:

1210

Vornehme, große Bogenschützen,

geübt in festem Bogengriff,

sie mögen ganz umgeben mich,

wohl tausend, die nicht flüchten sich, -

1211

wenn dann so viel und noch viel mehr

an Frauen werden zu mir kommen,

nicht werden sie erschrecken mich:

bin in den Dhammas fest gegründet.

1212

Als einst von ihm ich hab gehört,

vom Buddha-Sonnenanverwandten,

den Weg, der zum Nibbānam führt:

dorthin nur noch zog mich der Geist.

1213

Zu dem, der so, nur so noch lebt,

du, Schlechter, kommst noch mal heran, -

so werd’ ich, Tod, mit dir verfahren:

du siehst mich auf dem Weg nicht mehr.

1214

Die Unlust und die Lust verlassend

und wirklich alles hausgewohnte Denken:

das Triebholz lasse er nicht wachsen irgendwo, -

wer frei von Trieb, ist triebholzlos, der ist ein Bhikkhu.

1215

Was hier auf dieser Erde, in der Luft

zur Form geworden, weltgetaucht ist, was auch immer:

es schwindet, alles nicht beständig.

Die so erwägen, leben frei bis hin zum Ende.

1216

An Haftensmächte ist das Volk gebunden,

es sieht und hört, lehnt ab und denkt, -

den Willen möge man vertreiben, frei von Wünschen,

wer dabei nicht wird schmutzig, den nennt man Muni.

1217

Sie hängen sich an achtundsechzig Denkmodelle,

an Massendenken hingegeben, ohne Dhammo, -

wer keiner Sekte folgt mehr irgendwo,

nach keinem Strohhalm greift, der ist Bhikkhu.

1218

Schon lange glücklich ist er und gesammelt,

nicht falsch, nurweise, ohne Gier:

den Stille-Weg hat er erreicht, ein Muni, -

ursächlich ist erloschen er, erträgt die Zeit.

1219

Den Stolz gib auf, o Gotama,

den Weg des Stolzes lasse ohne Rest!

In diesen Weg des Stolzes ganz vernarrt,

bist voller Reue lange du gewesen.

1220

Durch Heuchelei sind sie beschmutzt, die Menschen,

durch Stolz zerstört, sie fallen in die Hölle, -

 sie jammern dann für lange Zeit,

weil stolz zerstört sie in die Hölle kamen.

1221

Nicht jammert sicherlich ein Bhikkhu mehr,

ein Wegbezwinger, der recht vorwärts geht, -

nur Ruhm und Glücker da erfährt.

„Ein Dhammaseher!“ So heißt er in Wahrheit.

1222

Darum nicht brach liegt er, ist ohne Stolz,

die Hemmungen aufgebend, ist er rein, -

den Stolz aufgebend ohne Rest,

durch Wissen ist er Endiger, hat sich beruhigt.

1223

Von Sinnenlustreiz werd’ gebrannt,

das Herz wird mir rundum verbrannt, -

gut das Verlöschen zeige mir,

aus Mitgefühl, o Gotama!

1224

Nur durch der Wahrnehmung Verkehren

das Herz wird dir rundum verbrannt, -

das Zeichen der Erscheinung meide:

das Schöne ist mit Reiz verbunden.

1225

Durch das Nichtschöne dir das Herz entfalte!

Einspitzig sei und gut gesammelt!

Die Sati richte auf den Körper!

Sei einer reich an Überdruß!

1226

Das Zeichenlose auch entfalte,

Stolzneigung zieh aus dir heraus!

Hast du den Stolz gründlich erfasst,

im Frieden wirst du ruhig leben.

1227

Nur solches Wort man möge sprechen,

wodurch das Selbst sich nicht erhitzt

und das die andern nicht verletzt:

das ist ein wohl gesprochnes Wort.

1228

Ein liebes Wort nur spreche man,

ein Wort, das freudig wird begrüßt, -

nicht greife auf die schlechten Dinge,

zu andern wird nur lieb gesprochen!

1229

Die Wahrheit ist todloses Wort,

dies ist Gesetz von altersher, -

in Wahrheit, Sinn und in der Lehre

es spricht der Stille festgegründet.

1230

Das Wort, das der Erwachte spricht,

das still hin zum Nibbānam führt,

das allem Leid ein Ende macht:

das ist der Worte höchstes, ja!

1231

Der tiefe, weisheitsvolle Kluge,

der Weg und Abweg gründlich kennt,

Sāriputto, der große Weise,

die Lehre zeigt den Mönchen auf.

1232

In kurzer Form zeigt er sie auf,

in voller Breite spricht er auch, -

dem Vogel, der da stimmlos sitzt,

bricht er die Einsicht einfach auf.

1233

Von ihm, der so aufzeigen kann,

sie hören honigsüße Rede,

mit einer Stimme voller Schönheit,

so angenehm und gut zu hören, -

erhob’nen Herzens, voller Freude,

das Ohr ihm leihen alle Mönche.

1234

Am Vollmondtage heut’ zur Reinigung

fünfhundert Bhikkhus sind gekommen da,

die Fesselbande abgetrennt,

nicht zitternd, frei von Wiederwerden, Weise.

1235

Ein Radbeweger wie ein König,

von Freunden ist er reich umgeben, -

und rundherum ersucht, erforscht

das Ende dieses großen Ozeans.

1236

So haben sie den Kampf gewonnen, -

den Karawanenführer, nicht zu übertreffen,

die Jünger ehrfürchtig umsitzen,

Dreiwisser, die den Tod verlassen.

1237

Sie alle des Erhab’nen Söhne, -

Geplapper gibt es hier nicht mehr, -

den, der den Durstpfeil hat entfernt,

sie ehr’n, den Sonnenanverwandten.

1238

Ein weit’res Tausend noch an Bhikkhus

den Sugato ganz still umsitzt,

der zeigt die fleckenlose Lehre:

Nibbānam - frei von aller Furcht.

1239

Sie hören diese weite Lehre,

vom ganz Erwachten aufgezeigt, -

und wahrlich strahlt der ganz Erwachte,

erhöht vor seiner Bhikkhuschar.

1240

Ein Elefant heißt du, Erhab’ner,

der großen Weisen Siebenter, -

wie eine große Wolke kamst du:

die Jünger nun beregnest du.

1241

Die Mittagsstille hab verlassen,

zu seh’n den Lehrer, trug Verlangen, -

ein Jünger dich, du großer Held,

zu deinen Füßen grüßt: Vangīso.

1242

Den Seitenweg, den Pfad des Māro meisternd,

er wandert und bricht auf des Geistes Dürren, -

den seht, der Bandenlocker machen kann:

sein Essen auch gleichmäßig er verteilt.

1243

Nur zu dem Zweck, die Woge zu durchkreuzen,

du vielfach aufgezeigten Weg erklärst, -

und beim Todlosen, das erklärt,

die Dhammaseher stehen uneinnehmbar.

1244

Er machte Licht, hindurchzuschaun,

er sah des ganzen Dauerns Überwindung, -

als er erkannt, verwirklichte die Spitze,

er zeigte auf das Zehner-All-Gefäß.

1245

Wer bei so gut gezeigter Lehre,

geht lässig mit begriffner Lehre um?

Darum nun in der Weisung des Erhab’nen

nicht lässig sei man, folge stets verehrend nach.

1246

Am Buddho ist erwacht der Thero,

Kondanno ernst haftzog hinaus:

zuteil wird ihm das Wohl-Erfahren

der Einsamkeiten oft und oft.

1247

Was da ein Jünger schaffen kann,

wenn er des Lehrers Weisung tut:

all das ist ihm zuteil geworden,

der niemals lässig hat geübt.

1248

Der tief Erfahrene, Dreiwisser,

der Herzenskunde tiefer Kenner,

Kondanno er, der Buddha-Erbe,

zu Füßen grüßt den Lehrer er.

1249

Der bei dem „Elefanten“saß,

den Muni, Leidens Jenseitsgänger,

die Jünger ehrfürchtig umsitzen,

Dreiwisser, die den Tod verlassen.

1250

Mit seinem Geist durchsucht er sie,

Moggallāno von großer Macht:

das Herz von ihnen er erforscht,

das frei ist, ohne jedes Haften.

1251

So den allseits Vollendeten,

den Muni, Leidens Jenseitsgänger,

den, der mit allem ausgestattet,

umsitzen sie, den Gotamo.

1252

Gleichwie der Mond, von dunkler Wolke frei,

im Dunst aufleuchtet, ohne Flecken strahlt,

so auch, Angirasa, du großer Muni,

durchstrahlst mit deinem Ruhm die ganze Welt.

1253

Von Poesie berauscht, wir früher wanderten

von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt, -

dann sah ich ihn, den ganz Erwachten,

den aller Dinge Jenseitsgänger.

1254

Er zeigte mir die Lehre auf,

der Muni, Leidens Jenseitsgänger, -

die Lehre hörten wir und wurden ruhig:

Vertrauen stieg in uns da auf.

1255

Als dessen Wort ich angehört,

die Gruppen und die Sinnenreiche,

die Elemente auch erkannte,

zog ich in die Hauslosigkeit.

1256

Für viele wahrlich nur zum Wohle

erscheinen die Tathāgatas:

für Frauen und für Männer auch,

für alle, die der Weisung folgen.

1257

All denen nun wahrlich zum Wohle

Erwachung hat erlangt der Muni,

für Mönche und für Nonnen auch,

die den Zehngliederweg gegangen.

1258

Wohl aufgezeigt vom Augenmächt’gen,

vom Buddha-Sonnen-Anverwandten,

die vierfach edlen Wahrheiten,

aus Mitleid mit den Atemwesen.

1259

Das Leid und alles Leid-Enstehen,

und auch des Leidens Überwindung,

den edlen Achtgliederweg,

der hin zur Leidensstille führt.

1260

So sind die Dinge, wie gesagt,

geschaut von mir, sowie sie sind:

das höchste Ziel hab ich erreicht,

getan des Buddho Weisung ist.

1261

Willkommen, wahrlich, war es mir,

war mir des Buddho Gegenwart, -

von allen mitgeteilten Dingen

das beste, das erlangte ich.

1262

Das tief’re Wissen hab’ vollendet,

den Ohrbereich gereinigt ganz,

Dreiwisserbin, magiegewaltig,

die Herzenswege kenne ich.

1263

Ich frage nun den Lehrer, den vollendet Weisen,

der hier und heute alle Zweifel hat zerstreut:

ein Mönch ist in Aggālavo gestorben,

erkannt, berühmt, in sich erloschen ganz.

1264

Nigrodho, so ist dessen Name,

von dir verlieh’n,Erhab’ner, dem Brahmanen, -

das ehrte er und lebte, die Erfahrung suchend,

voll Tatkraft und den Dhammo fest im Blick.

1265

Den Jünger, Sakyer, wir nun alle,

wir wünschen zu verstehen, du All-Auge:

bereit ist uns zum Hören jetzt das Ohr,

du bist uns Lehrer, du unübertroffen bist.

1266

Ach, löse uns den Zweifel, laß es mich erfahren,

den ganz Erloschenen erkennen, erdweit Weiser!

Hier in der Mitte sprich zu uns, All-Auge,

wie Sakko, Führer der eintausend Götter!

1267

Was für Gerüche hier, was für Verblendungswege,

für Fehl-Erkenntnisse, für Zweifelfälle:

an den Tathāgato sie kommen nicht heran, -

dies Auge ist das höchste aller Männer.

1268

Wenn niemals nun ein Mensch die üblen Flecken,

gleichwie der Wind den Wolkenberg entfernen mag,

nur dunkel würde sein die ganze Welt, erloschen,

die Leuchtenden, sie könnten sie nicht hell mehr machen.

1269

Und nur die Weisen Licht-Erzeuger werden:

nur immer so noch, Weiser, kann ich denken, -

bei den Klarsehenden wir kamen an, verstehend, -

in der Versammlung lege uns nun offen den Kappo.

1270

Laß hören deine Rede schnell, so angenehm,

als wenn ein Schwan, sich streckend, ruhig singt

mit voller Stimme, gut in Gang gesetzt:

wir alle, die wir aufrecht gingen, hören.

1271

Geburt und Tod hab ich gelassen ohne Rest,

nicht hängend an dem Mönchsgeschenk ich werde sprechen,

nicht Wunscherfüller bei gemeinem Volk,

Einsiedler werd’ ich bei Tathāgatas.

1272

Die volle Antwort, die wird mich bewegen,

aus heller Weisheit ist sie vorgeholt, -

der sich mit diesem letzten Handgruß tief verneigt,

nicht täusche wissend ihn, du höchster Weiser!

1273

Mehr als die beste Edel-Lehre hast gefunden,

nicht täuschewissend mich, du Mann von höchster Tatkraft, -

wie Wasser, von der Hitze ohne Hitze heiß,

dein Wort ersehne ich, laß das Gehörte regnen!

1274

Zu welchem Ziel das Brahmaleben führte

Kappāyano? Vielleicht war’s ganz umsonst?

Erlosch er von dem Anfang? Blieb ein Haftensrest?

Wie wurde er befreit? - Das woll’n wir hören.

1275

„Er brach ihn auf, den Durst nach Geist und Körper,

des Durstes Strom, der lange schlafend lag, -

er überschritt Geburt und Tod ganz ohne Rest.“

So der Erhab’ne sprach, der beste von den Fünfen.

1276

Ich hab’s gehört und werde ruhig, -

dein Wort, du Siebenter der Weisen,

hab nicht umsonst ich wohl erfragt:

nicht hat enttäuscht mich der Brahmane.

1277

So wie er sprach, so tat er auch

er war des Buddho echter Jünger,

riß auf des Todes großes Netz,

vom Hinterlist’gen fest gespannt.

1278

Es sah, Erhab’ner, den Beginn

des ganzen Haftens, Kappiyo, -

es überwand Kappāyano

das Todesreich, das höchste noch.

1279

Den Göttergott ich grüße ehrend

und deinen Sohn, Zweifüßer Bester,

der nach gebor’n dem großen Helden,

den Elefanten aus des Elefanten Brust.