Therigāthā (Vers 366-399)
Lieder der Nonnen (Übersetzt von KE Neumann)
Dreissiger-Bruchstück - Tiṃsanipāto
Subhā / Die Walderemitin
- 366
- Im heitern Haine Jīvakos,
- Wo Mango blüht, ging Subhā um;
- Da trat ein Schelm ihr in den Weg,
- Und Subhā sprach ihn also an:
-
(Der Mangohein des berühmten Arztes Jīvako, ein großer schattiger
Waldgarten, den er dem Meister und seinen Jüngern geschenkt, wird erwähnt
M 55, D
2.)
- 367
- Was hab' ich, Guter, dir getan,
- Daß du den Gang mir wehren willst?
- Asketin darf gemeinsam nicht
- Mit Männern umgehn, einig sein.
-
- 368
- Im ernsten Orden meines Meisterherrn,
- Da hab' ich kämpfen lernen lichten Kampf,
- Vollenden rein den reinen Pfad:
- Was magst du hemmen, halten mich?
-
- 369
- Mich Unvertrübte, trüber Mann,
- Mich Unverstörte, Störer du,
- Die geisterlöst ist überall:
- Was magst du hemmen, halten mich?
-
- 370
- DER SCHELM:
- So jung bist du, so sündenlos,
- Asketentum, was taugt es dir?
- Den fahlen Kittel, wirf ihn weg:
- O komm', und lass' uns glücklich sein
- Im Blütenhain!
(Vergl. v. 139)
- 371
- Gar süße Düfte duften hold umher
- Aus Büschen, Bäumen, starr vor Blütenstaub,
- Der junge Lenz, er weht uns wonnig an:
- O komm', und lass' uns glücklich sein
- Im Blütenhain!
-
- 372
- Die wipfelhoch beblühten Bäume rings,
- Geregt von lauen Lüften rauschen sie:
- Wie soll dir Wonne da bereitet sein
- Wenn einsam du im Walde weilst ailein?
-
- 373
- Wo wilde Tiere lauernd schleichen um,
- Wo toll der Elefant in Brünsten brüllt
- Willst ungeleitet wandeln, unbeschützt,
- Verlassen, schaurig öde, tief im Forst?
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- 374
- Bist goldgetriebnem Säulenbilde (*),
- Gehst um wie Sonnenhelle Göttin hier:
- Gehüllt in Seidenschleier, lieblich, leicht,
- Wirst, unvergleichlich Holde, glänzen du!
(Vergl. v. 151-156,
Therag. 213)
(*) dhītikā, die Bildsäule, gehört zu Ödhī,
Öī scheinen, glänzen.
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- 375
- In deinem Dienste will ich selig sein,
- Lass' in der Laube heimlich weilen uns:
- Kein Wesen gibt es, teurer mir als du,
- Du Huldin, die so lässig, müde blickt!
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- 376
- O, wenn mein Sehnen du erhören willst,
- Gesegnet sei, im Hause walte hell:
- Und in Palästen sollst du leben sanft,
- Sollst Herrin über mein Gesinde sein.
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- 377
- Gewänder trage, fein gewebt und reich,
- Gekrönt mit Kränzen geh' du, kühl gesalbt,
- Und Gold, Juwelen, Perlen geb' ich dir
- Und schmücke kostbar dich mit jedem Schmuck.
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- 378
- Das blaß gebleichte, weiße Linnenlach,
- Den Pfühl, so wollig weich gepolstert auf,
- Mein stolzes Hochzeitbett besteige du,
- Wo Sandelrahmen hauchen Wohlgeruch.
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- 379
- Wie Lotus, rauh gerafft aus kühler Flut -
- Und nicht gepflegt von milder Menschenhand,
- So wirst auch du, asketisch kummervoll,
- In deinem Gliederglanze welken hin.
-
- 380
- SUBHĀ:
- Was wähnst du hier von Glanz und Glück?
- Verwesung fault in mir und fördert Leichenwerk,
- Da dieser Leib zerfallen muß:
- Du blickst ihn an - und bist geblendet, ach!
(Vergl. Therag. 575)
- 381
- DER SCHELM:
- Du blickst mich an gazellenzag,
- Der lichten Elbin gleich im Bergeshag:
- Und weil ich seh' in deine Augen dir
- Wächst heiß und heißer Liebeslust in mir.
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- 382
- Gerundet länglich, lotusknospenlicht,
- Wie eitel Gold ist rein dein Angesicht:
- Und weil ich seh' in deine Augen dir
- Wächst heiß und heißer Liebesmut in mir
- 383
- Vergessen könnt' ich nimmer, noch so fern,
- Die weite Wimper ober hellem Stern:
- Kein Auge hat mich, Huldin, so entzückt
- Wie deines, ach, das lässig, müde blickt.
-
- 384
- SUBHĀ:
- Im Unbetretnen willst du treten auf,
- Den Mond verlangst als Spielzeug du für dich,
- Zu springen hoffst du über Meru hin,
- Der minnen du des Meisters Tochter willst.
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- 385
- Nicht gibt es irgend Gier in aller Welt
- Woran ich hangen konnte heut:
- Gerodet ist sie völlig aus,
- Zertreten treulich, mit dem Wurzelmark.
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- 386
- Geworfen jäh wie Feuer weg,
- Geschätzt am besten ab als Giftpokal:
- Gerodet ist sie gänzlich aus,
- Zertreten treulich, mit dem Wurzelmark.
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- 387
- Die nichts begreifen, nichts ergründen mag,
- Den Meister nicht vernommen hat, gemerkt:
- Wenn solche Nonne du versuchst
- Verstörst du sie, die nicht genau versteht.
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- 388
- Ich aber, ich bin aufgeweckt,
- In Lob und Tadel, Lust und Leiden wach:
- «Verwesen muß Gewordnes» merk' ich da,
- Und nirgend haftet wieder neu das Herz.
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- 389
- Die Siegersatzung kenn' ich gut,
- Auf achtmal echter Fährte fahr' ich hin:
- Kein Stachel sticht, bin wahnerlöst,
- In leerer Klause weilend hell verklärt.
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- 390
- Ich hab' sie stattlich stehen sehn,
- Die neuen Pfosten, fest gefügt, gepfählt,
- Gestemmt, gestützt, verbohlt, verbolzt,
- Verbunden innig, innig eingebaut.
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- 391
- Doch was gebaut ist bebt und wankt
- Und reißt und bricht und bröckelt eilig ab:
- In Trümmern trifft man keinen Hort!
- Wo kann man bergen, hüten da das Herz?
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- 392
- Und also zeig' ich dir den Leib:
- Durch Stoffe steht er, stoffbelebt,
- Zergeht, zerfällt wo Stoff erstirbt!
- Wo kann man bergen, hüten da das Herz?
-
- 393
- Wie fleckig angeflossen, gelb verfärbt
- Ein Bild ich sah, gemalt auf Mauerwand,
- Mußt diesen Körper du verderben sehn:
- Erbärmlich offenbart sich Menschenwitz!
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- 394
- Als ob du Trug für wahres Werk,
- Den goldnen Baum des Traumes hieltest echt,
- Als Blinder bist du nur genarrt,
- Packst unter Menschen bloß die Puppen an.
(rittakam gehört natürlich zu rupparūpakam. Es ist wohl eine Art
Blindekuhspiel gemeint.)
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- 395
- Der Kugel gleicht er, astlocheingekeilt,
- Schwillt auf im Innern drüsig, tränenfeucht,
- Läßt unterm Lide träufeln Harz hervor:
- Der Augenball, gebildet künstlich gar.
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- 396
- Sie riß ihn aus - die schöne Maid!
- Und fühlte Reue nicht, im Herzen heil:
- «Wohlan, dies Auge, nimm es nur»,
- So rief sie, hielt es, reicht' es jenem Manne hin.
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- 397
- Da war ihm Liebesgier vergangen eilig ja,
- Und flehend sprach er «O, vergib,
- Du Reine, sollst genesen sein:
- Ach, nimmer wird dies Auge glänzen glau!
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- 398
- «Mich Sünder hast du arg versehrt,
- Als ob ich faßte Kohlen feurig an,
- Als ob ich Vipern griffe fürchterlich -
- Doch sei genesen nur! Vergib mir, ach!»
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- 399
- Erlöst ist Subhā weg von dort
- Gewandert, hin zum auferwachten Herrn:
- Und als sie höchsten Heiland sah
- Erglänzte wie vorher das Auge licht.