THERĪGĀTHĀ (Vers 127-174)

Lieder der Nonnen (Übersetzt von Ekkehard Saß)

 

FÜNFHUNDERT FRAUEN BEI PATĀCĀRĀ

127

„Den, dessen Weg du nicht erkennst,

der Angekomm’nen, der Gegang’nen,

den Sohn, - woher ist er gekommen? -

„Ach, du mein Sohn!“ beweinest du?

128

Und wenn du dessen Weg erkänntest,

der angekommen, der gegangen,

du würdest um ihn trauern nicht:

so ist nun das Gesetz der Wesen.

129

Gewünscht nicht, kam von dort er an,

ist unerlaubt von hier gegangen, -

woher er nun auch angekommen,

er blieb für kurze Tage nur.

130

Von hier auf andern Weg gelangt,

von dort er wieder andern geht, -

als toter Geist in Menschenform

samsārakreisend wird er gehn:

wie er gekommen, so gegangen -

was soll da alles Klagen noch?“

131

Du zogst den Pfeil mir wahrlich aus,

der, schwer zu sehn, im Herzen steckt, -

mir, die von Trauer überwältigt,

triebst du die Sohnestrauer aus.

132

Bin heute von dem Pfeil befreit,

gestillt und ganz erloschen schon.

Zum Buddho, Dhammo und zum Sangho

ich geh zur Zuflucht, zu dem Muni.

VĀSITTHÍ (die Haus-Frau)

133

Von Sohnestrauer nur bedrängt,

wie außer Sinnen, unbewußt,

ganz nackend und mit wirren Haaren,

so irrt’ ich hier und dort herum.

134

Auf Straßen, über Abfallberge,

auf Leichenplätzen, Karrenwegen

trieb ich drei Jahre mich herum,

von Hunger und von Durst gequält.

135

Da sah ich ihn, den Sugato,

der in die Stadt Mithilā kam,

den aller Ungezähmten Zähmer,

den ganz Erwachten, frei von Furcht.

136

Da faßte ich mein Herz zusammen,

begrüßte ihn und trat zu ihm:

er zeigte mir die Lehre auf,

aus Mitgefühl, der Gotamo.

137

Als seine Lehre ich gehört,

zog ich in die Hauslosigkeit, -

ich band mich an des Lehrers Wort,

verwirklichte den Glückespfad.

138

Die Sorgen all sind abgetrennt,

verlassen nun, beendet ganz:

erkannt ist nun von mir der Grund,

aus dem die Sorgen wachsen auf.

KHEMĀ (die Friedvolle, Sichere)

139

Du bist so jung und schön gestaltet,

auch ich bin jung und jugendfrisch,

zu der Musik im Fünferklang

geh, Khemā, und ergötze dich!

140

Bei diesem faulen Körper hier,

dem elenden, zerbrechlichen,

ich quäle und ich schäme mich:

der Sinnendurst ist ausgezogen.

141

Schwertspitzengleich die Lüste sind,

der Khandhas Block des Scharfrichters, -

was du als Sinnenlust erklärst,

das ist jetzt Unlust nur für mich.

142

Allüberall entfernt die Freude,

die Dunkelmasse ist durchbrochen, -

so wisse nun, du Schlechter, du,

geschlagen bist du, Endiger!

143

Das Sternenheer verehrend wohl,

das Feuer hütend in dem Wald,

die echte Wahrheit wißt ihr nicht, -

ihr Toren so an Reinheit dachtet.

144

Doch ich bin nun verehrend nur

den ganz Erwachten, höchsten Menschen,

bin frei von allem Leiden nun, -

des Lehrers Weisung ich erfülle.

SUJĀTĀ (die Wohlgeborene)

145

Herausgeputzt und schön gekleidet,

umkränzt mit Blumen, Sandelduft benetzt

und überall mit Schmuck bedeckt,

von Dienerinnenschar geehrt.

146

Ich hatte Speise und Getränk genommen

und reichlich festes Knabberzeug,

war aus dem Haus hinausgefahren,

den schönen Park besuchte ich.

147

Dort freut’ ich mich, vergnügte mich,

fuhr in mein eignes Haus zurück, -

ein Kloster sah ich und betrat es,

bei Sāketa im Walde Anjanam.

148

Als ich das Lichtder Welt geseh’n,

begrüßt ich es und trat heran, -

es zeigte mir die Lehre auf

aus Mitgefühl, der Sehende.

149

Als ich den großen Herrn gehört,

die Wahrheit dadurch drang ich ganz

und dort die fleckenlose Lehre, -

berührte gleich den Todlospfad.

150

Als ich begriffen den Saddhammo,

zog ich in die Hauslosigkeit, -

drei Wissen sind von mir erlangt,

umsonst nicht war die Buddhaweisung.

ANOPAMĀ (die Unvergleichliche)

151

In hohem Stande bin geboren,

mit viel Besitz und reichen Gütern, -

mit Schönheit an Gestalt versehn,

als Tochter Majjhas bin geboren.

152

Ersehnt bin ich von Königssöhnen,

von Reicher Söhnen heiß begehrt, -

zum Vater wurd’ geschickt ein Bote:

„Gebt mir Anopamā zu sehn!

153

So viel wie diese wert nun ist,

die Tochter dein, Anopamā:

Achtfaches werde ich dir geben

an Gold und an Juwelen auch.“

154

Da sah den ganz Erwachten ich,

den Weltbesten, unübertroffen, -

ich ehrte ihn zu seinen Füßen

und dann zur Seite stellt’ ich mich.

155

Er zeigte mir die Lehre auf,

aus Mitgefühl, der Gotamo, -

und als ich saß auf meinem Platz,

berührte ich die dritte Frucht.

156

Ich ließ die Haare schneiden ab,

zog fort in die Hauslosigkeit, -

und heut hab ich die siebente (siebte) Nacht,

daß aller Durst dahingewelkt.

MAHĀPAJĀPATÍ (große Hauptfrau, die Nachkommen hat)

157

Dir, Buddha, Held, Verehrung sei,

von allen Wesen Höchster, dir!

Du hast vom Leiden mich befreit

und auch das andre viele Volk!

158

Das ganze Leiden ist erkannt,

der Grund des Durstes ist verdorrt:

der edele Achtgliederweg,

das Aufhör’n ist von mir berührt.

159

Mutter, Sohn und Vater, Bruder,

und Großmutter ich früher war, -

die Wirklichkeit ich nicht erkannte,

fand aus dem Kreislauf nicht heraus.

160

Erschaut hab den Erhab’nen ich,

dies ist die letzte Anhäufung:

erschöpft ist der Geburtenkreis,

nicht ist jetzt mehr ein Wiederwerden.

161

In frischer Tatkraft, ernst sich mühend

und ständig fest in ihrem Streben,

auf gradem Weg die Jünger sieh:

das ist der Buddhas Ehrerweisen (Ehr-Erweisen)

162

Für viele wahrlich nur zum Nutzen

Māyā gebar den Gotamo:

von Krankheit und von Tod Geschlag’nen

die Leidenmasse er vertrieb.

GUTTĀ (die Bewachte)

163

Ach, Guttā, warum zogst du fort?

Gabst Sohn und das Gehäufte auf?

Nur das noch immerzu entfalte:

nicht unter Herzensmacht gerate!

164

Vom Herzen sind getäuscht die Wesen,

an Märos Reich sind sie erfreut, -

im Vielgeburtenwandel kreisen

sie strömen hin - und wissen nichts.

165

Den Sinnenwillen, Abgestoßensein,

den Glauben an Persönlichkeit,

das Tugendregelwerk verfechten,

den Zweifel noch als fünftes dann:

166

hast alle diese Fesseln

du aufgegeben, Bhikkhunī,

die alle nur zum Diesseits führen,

wirst du hierher nicht wiederkehren.

167

Hast du den Reiz, den Stolz und falsches Wissen,

und inn’re Unruhganz gelassen,

die Fesseln alle durchgeschnitten:

dem Leid ein Ende wirst du machen.

168

Hast du entfernt Geburtenkreisen,

rundum erkannt das Wiederwerden:

Bist du JETZT schon ganz gestillt,

und friedvoll wirst du weiterleben.

VIJAYĀ (die Siegende)

169

Erst viermal und auch fünfmal dann

ging aus dem Kloster ich hinaus,

fand im Gemüt zur Stille nicht,

beim Herzen bleib nur machtlos ich.

170

Zu einer Bhikkhunī ich ging,

respektvoll ich befragte sie, -

sie zeigte mir die Lehre auf:

die Elemente, Sinnenreiche,

171

die vier der edlen Wahrheiten,

die Fähigkeiten und die Kräfte

Erwachungsglieder und Achtgliederweg,

um zu dem höchsten Ziel zu kommen.

172

Als ihre Rede ich gehört,

befolgte ihre Weisung ich:

und in der Nacht zur ersten Wache

der Vorgeburt gedachte ich,

173

und in der Nacht zur Mittelwache

das Himmelsauge klärte sich,

und in der Nacht zur letzten Wache

die Dunkelmasse ich durchstieß.

174

Mit Freudensglück den Körper ganz

durchdrang ich und verweilte dort:

am siebten Tag streckt’ ich die Füße:

die Dunkelmasse war durchstoßen.