127
„Den, dessen Weg du nicht erkennst,
der Angekomm’nen, der Gegang’nen,
den Sohn, - woher ist er gekommen? -
„Ach, du mein Sohn!“ beweinest du?
128
Und wenn du dessen Weg erkänntest,
der angekommen, der gegangen,
du würdest um ihn trauern nicht:
so ist nun das Gesetz der Wesen.
129
Gewünscht nicht, kam von dort er an,
ist unerlaubt von hier gegangen, -
woher er nun auch angekommen,
er blieb für kurze Tage nur.
130
Von hier auf andern Weg gelangt,
von dort er wieder andern geht, -
als toter Geist in Menschenform
samsārakreisend wird er gehn:
wie er gekommen, so gegangen -
was soll da alles Klagen noch?“
131
Du zogst den Pfeil mir wahrlich aus,
der, schwer zu sehn, im Herzen steckt, -
mir, die von Trauer überwältigt,
triebst du die Sohnestrauer aus.
132
Bin heute von dem Pfeil befreit,
gestillt und ganz erloschen schon.
Zum Buddho, Dhammo und zum Sangho
ich geh zur Zuflucht, zu dem Muni.
133
Von Sohnestrauer nur bedrängt,
wie außer Sinnen, unbewußt,
ganz nackend und mit wirren Haaren,
so irrt’ ich hier und dort herum.
134
Auf Straßen, über Abfallberge,
auf Leichenplätzen, Karrenwegen
trieb ich drei Jahre mich herum,
von Hunger und von Durst gequält.
135
Da sah ich ihn, den Sugato,
der in die Stadt Mithilā kam,
den aller Ungezähmten Zähmer,
den ganz Erwachten, frei von Furcht.
136
Da faßte ich mein Herz zusammen,
begrüßte ihn und trat zu ihm:
er zeigte mir die Lehre auf,
aus Mitgefühl, der Gotamo.
137
Als seine Lehre ich gehört,
zog ich in die Hauslosigkeit, -
ich band mich an des Lehrers Wort,
verwirklichte den Glückespfad.
138
Die Sorgen all sind abgetrennt,
verlassen nun, beendet ganz:
erkannt ist nun von mir der Grund,
aus dem die Sorgen wachsen auf.
139
Du bist so jung und schön gestaltet,
auch ich bin jung und jugendfrisch,
zu der Musik im Fünferklang
geh, Khemā, und ergötze dich!
140
Bei diesem faulen Körper hier,
dem elenden, zerbrechlichen,
ich quäle und ich schäme mich:
der Sinnendurst ist ausgezogen.
141
Schwertspitzengleich die Lüste sind,
der Khandhas Block des Scharfrichters, -
was du als Sinnenlust erklärst,
das ist jetzt Unlust nur für mich.
142
Allüberall entfernt die Freude,
die Dunkelmasse ist durchbrochen, -
so wisse nun, du Schlechter, du,
geschlagen bist du, Endiger!
143
Das Sternenheer verehrend wohl,
das Feuer hütend in dem Wald,
die echte Wahrheit wißt ihr nicht, -
ihr Toren so an Reinheit dachtet.
144
Doch ich bin nun verehrend nur
den ganz Erwachten, höchsten Menschen,
bin frei von allem Leiden nun, -
des Lehrers Weisung ich erfülle.
145
Herausgeputzt und schön gekleidet,
umkränzt mit Blumen, Sandelduft benetzt
und überall mit Schmuck bedeckt,
von Dienerinnenschar geehrt.
146
Ich hatte Speise und Getränk genommen
und reichlich festes Knabberzeug,
war aus dem Haus hinausgefahren,
den schönen Park besuchte ich.
147
Dort freut’ ich mich, vergnügte mich,
fuhr in mein eignes Haus zurück, -
ein Kloster sah ich und betrat es,
bei Sāketa im Walde Anjanam.
148
Als ich das Lichtder Welt geseh’n,
begrüßt ich es und trat heran, -
es zeigte mir die Lehre auf
aus Mitgefühl, der Sehende.
149
Als ich den großen Herrn gehört,
die Wahrheit dadurch drang ich ganz
und dort die fleckenlose Lehre, -
berührte gleich den Todlospfad.
150
Als ich begriffen den Saddhammo,
zog ich in die Hauslosigkeit, -
drei Wissen sind von mir erlangt,
umsonst nicht war die Buddhaweisung.
151
In hohem Stande bin geboren,
mit viel Besitz und reichen Gütern, -
mit Schönheit an Gestalt versehn,
als Tochter Majjhas bin geboren.
152
Ersehnt bin ich von Königssöhnen,
von Reicher Söhnen heiß begehrt, -
zum Vater wurd’ geschickt ein Bote:
„Gebt mir Anopamā zu sehn!
153
So viel wie diese wert nun ist,
die Tochter dein, Anopamā:
Achtfaches werde ich dir geben
an Gold und an Juwelen auch.“
154
Da sah den ganz Erwachten ich,
den Weltbesten, unübertroffen, -
ich ehrte ihn zu seinen Füßen
und dann zur Seite stellt’ ich mich.
155
Er zeigte mir die Lehre auf,
aus Mitgefühl, der Gotamo, -
und als ich saß auf meinem Platz,
berührte ich die dritte Frucht.
156
Ich ließ die Haare schneiden ab,
zog fort in die Hauslosigkeit, -
und heut hab ich die siebente (siebte) Nacht,
daß aller Durst dahingewelkt.
157
Dir, Buddha, Held, Verehrung sei,
von allen Wesen Höchster, dir!
Du hast vom Leiden mich befreit
und auch das andre viele Volk!
158
Das ganze Leiden ist erkannt,
der Grund des Durstes ist verdorrt:
der edele Achtgliederweg,
das Aufhör’n ist von mir berührt.
159
Mutter, Sohn und Vater, Bruder,
und Großmutter ich früher war, -
die Wirklichkeit ich nicht erkannte,
fand aus dem Kreislauf nicht heraus.
160
Erschaut hab den Erhab’nen ich,
dies ist die letzte Anhäufung:
erschöpft ist der Geburtenkreis,
nicht ist jetzt mehr ein Wiederwerden.
161
In frischer Tatkraft, ernst sich mühend
und ständig fest in ihrem Streben,
auf gradem Weg die Jünger sieh:
das ist der Buddhas Ehrerweisen (Ehr-Erweisen)
162
Für viele wahrlich nur zum Nutzen
Māyā gebar den Gotamo:
von Krankheit und von Tod Geschlag’nen
die Leidenmasse er vertrieb.
163
Ach, Guttā, warum zogst du fort?
Gabst Sohn und das Gehäufte auf?
Nur das noch immerzu entfalte:
nicht unter Herzensmacht gerate!
164
Vom Herzen sind getäuscht die Wesen,
an Märos Reich sind sie erfreut, -
im Vielgeburtenwandel kreisen
sie strömen hin - und wissen nichts.
165
Den Sinnenwillen, Abgestoßensein,
den Glauben an Persönlichkeit,
das Tugendregelwerk verfechten,
den Zweifel noch als fünftes dann:
166
hast alle diese Fesseln
du aufgegeben, Bhikkhunī,
die alle nur zum Diesseits führen,
wirst du hierher nicht wiederkehren.
167
Hast du den Reiz, den Stolz und falsches Wissen,
und inn’re Unruhganz gelassen,
die Fesseln alle durchgeschnitten:
dem Leid ein Ende wirst du machen.
168
Hast du entfernt Geburtenkreisen,
rundum erkannt das Wiederwerden:
Bist du JETZT schon ganz gestillt,
und friedvoll wirst du weiterleben.
169
Erst viermal und auch fünfmal dann
ging aus dem Kloster ich hinaus,
fand im Gemüt zur Stille nicht,
beim Herzen bleib nur machtlos ich.
170
Zu einer Bhikkhunī ich ging,
respektvoll ich befragte sie, -
sie zeigte mir die Lehre auf:
die Elemente, Sinnenreiche,
171
die vier der edlen Wahrheiten,
die Fähigkeiten und die Kräfte
Erwachungsglieder und Achtgliederweg,
um zu dem höchsten Ziel zu kommen.
172
Als ihre Rede ich gehört,
befolgte ihre Weisung ich:
und in der Nacht zur ersten Wache
der Vorgeburt gedachte ich,
173
und in der Nacht zur Mittelwache
das Himmelsauge klärte sich,
und in der Nacht zur letzten Wache
die Dunkelmasse ich durchstieß.
174
Mit Freudensglück den Körper ganz
durchdrang ich und verweilte dort:
am siebten Tag streckt’ ich die Füße:
die Dunkelmasse war durchstoßen.