THERĪGĀTHĀ (Vers 400-447)

Lieder der Nonnen (Übersetzt von Ekkehard Saß)

 

ISIDĀSÍ (die weise Sklavin)

400

Dort in der Stadt, die nach der Blume heißt,

Pātaliputta auf der Erde,

gab es den feinsten Teil vom Sakyerstamme,

zwei Bhikkhunīs, ganz tugendhaft.

401

Isidāsī war dort die eine,

die zweite Bodhi, sīlareich,-

sie freuten sich an der Vertiefung,

die viel gehört, die Flecken tilgten.

402

Sie gingen beide um Almosen,

und nach dem Mahl sie reinigten die Schalen, -

im Glück der Einsamkeit sie saßen dann

und sprachen miteinander diese Worte:

403

Bistliebenswert, o Schwester Isidāsī,

die Jugend schwand noch nicht dir hin, -

welch eine Falte sahst du, die dich störte,

daß du an Weltentsagung bandest dich?

404

Und sie, an Einsamkeit gebunden,

geschickt, die Lehre aufzuweisen,

Isidāsī sprach dieses Wort:

So höre, Bodhi, wie ich zog hinaus!

405

Dort in Ujjenī, in der besten Stadt,

mein Vater, tugendstreng, war Schatzmeister.

Ich bin nun seine einz’ge Tochter,

lieb, angenehm und wertgehalten.

406

Da wünschte einer aus Saketam mich,

kam an, er war aus höchstem Stamm,

ein Schatzmeister, unendlich reicher noch,

dem gab mich Väterchen leicht hin.

407

Vor seiner Schwiegermutter, seinem Schwiegervater

am frühen Morgenschon verbeugt’ ich mich,

den Kopfgruß gab ich, warf zu Füßen mich,

so wie ich immer unterwiesen war.

408

Und die da waren meines Mannes

Schwestern, Brüder, Dienerschaft,

wenn ich nur sah Gelegenheit,

gab scheu ich ihnen einen Sitz.

409

An Speise und Getränk und Knabberzeug,

was dort gespeichert alles war,

ich hielt es wert und trug es auf,

gab jedem, was mir passend schien.

410

Früh morgens schon erhob ich mich

und ging hinüber in das Haus,

wusch vor der Schwelle Hände, Füße,

ging dann mit Handgruß zu dem Ehemann.

411

Den Kamm, die Spange und die Augenschminke,

den Spiegel auch holt’ ich hervor,

und machte sorgsam mich zurecht,

um schön für meinen Herrn zu sein.

412

Den Reis bereitete ich selber zu,

die Schüssel wusch ich selbst ihm aus,

wie eine Mutter ist zu ihrem einz’gen Kind,

so den Ernährer mein umhegte ich.

413

Doch dann zu mir, die allerhöchsten Dienst getan,

zur Dienerin, die ihren Stolz zerschlug

und nie genug vollbringen konnte,

zur Tugenhaften, der Ernährer war nur schlecht.

414

Er sprach zu seiner Mutter und zum Vater:

„Ich bitte um Erlaubnis, werde gehn, -

mit Isidāsī, diesem jungen Kalb,

kann ich nicht unter einem Dach mehr wohnen!“

415

„Nicht so, du Sohn, sprich’ dich doch aus!

Isidāsī ist weise, sie kann unterscheiden,

niemals genug kann sie vollbringen, -

was nur gefällt dir nicht an ihr, du Sohn?“

416

„Nicht sie mit irgendetwas mich verletzt,

doch kann ich nicht mit Isidāsī, diesem Kalb,

sie stößt mich ab, ich hab genug von ihr:

ich bitte um Erlaubnis, werde gehn!“

417

Als diese Rede sie gehört,

die Schwiegermutter und der Schwiegervater fragten mich:

„Was wurde wohl von dir versäumt?

Sprich nur vertrauensvoll die Wahrheit!“

418

„Nicht habe irgend etwas ich versäumt,

und auch Verletzung rechn’ ich mir nicht an, -

kein übles Wort war möglich mir zu sagen,

für das mich hassen könnte der Ernährer.“

419

Sie brachten mich zurück zum Haus des Vaters,

ich war verwirrt vor lauter Schmerz, -

doch gab nicht auf, das Kind ich wollte schützen:

„Siegreich und schön sind wir wie Lacchi!“

420

Dann gab mich Papa einem Reichen

ins Haus, von einem zweiten Stamm,

für einen halben Kaufpreis nur,

für den der Schatzmeister bekommen mich.

421

In dessen Hause wohnt’ ich einen Monat,

er nahm mich gerne zu sich auf,

gleich einer Sklavin, die den Dienst versah,

nichts Schlechtes tat, vollkommen in der Tugend.

422

Um Brocken bettelnd zog er fort, -

zu dem Gebändigten, Gezähmten sprach mein Vater:

„Da du doch bist mein Schwiegersohn,

leg ab den Fetzen und die kleine Schale!“

423

Da blieb er wohnen einen halben Monat,

dann sprach zum Väterchen er: „Ach, nun gib mir

den Fetzen, Schale und den Becher!

Um Brocken bettelnd werd’ ich wieder ziehen fort.“

424

Da sprach zu ihm der Papa und die Mama

und die Verwandtenschar, versammelt alle:

„Was macht sie dir denn hier nicht recht?

Sprich schnell, sie wird es recht dir machen!“

425

So angesprochen, sagte er:

„Kann ich das Selbst mir sein, ist’s mir genug, -

mit Isidāsī, diesem jungen Kalb,

kann ich nicht unter einem Dach mehr wohnen!“

426

Als er entlassen und gegangen war,

dacht’ ich alleine für mich nach,

ging auch, Erlaubnis zu erbitten,

zu sterben oder fortzuzieh’n.

427

Da kam gegangen Schwester Jinadattā,

zu einem Weidegrunde wandernd,

zum Vaterhaus, die Regeln gut behaltend,

die viel gehört, vollendet in der Tugend.

428

Und als sie uns gesehen hatte,

stand ich vom Sitze auf, erklärt’ mich ihr, -

sie setzte sich, ich fiel zu Füßen ihr

und reichte ihr zu essen hin:

429

gab Speise und Getränk und Knabberzeug,

was da gespeichert alles war, -

als sie gesättigt war, da sagte ich:

„Ach, Schwester, du, ich wünsch hinaus zuziehn.“

430

Da sprach das Väterchen zu mir:

„Hier eben, Töchterchen, leb’ du die Lehre!

Mit Speise und Getränk befriedigend

Asketen und die Zwiegebor’nen.“

431

Da sprach ich dann zum Väterchen

und weinte, beugte mit dem Handgruß mich:

„Ich hab wohl Schlechtes nur vollbracht,

dies Kamma werd’ zunichte machen!“

432

Da sprach zu mir das Väterchen:

„Erreiche das Erwachen und die Spitzenlehre!

Nibbāna mögest du erlangen,

das da verwirklichte Zweifüßer Bester!“

433

Von Mutter und von Vater nahm ich Abschied

und von versammelter Verwandtenschar. -

War sieben Tage da hinausgezogen:

drei Wissen ich berührte schon.

434

In meinem Selbst erkannt ich sieben der Geburten,

bei welcher was für Frucht, Ergebnis kam. -

Das werd ich dir soweit erklären.

So höre zu geeinten Geistes!

435

Da in der Stadt Erakakaccho

ein Goldschmied war ich, äußerst reich,

vom Jugendrausch war ich berauscht,

besuchte eines Andern Frau.

436

Als ich dann abgeschieden war,

da schmort’ ich lange in der Hölle, -

und als ich reif mich dort erhob,

trat ich in eines Affen Schoß.

437

Und sieben Tage nachdem Kamma der Geburt

ein großer Affe, Herdenführer, mich kastrierte:

dies eben war die Kammafrucht,

weil ich zu eines Andern Frau gegangen.

438

Als ich von dort verschwunden war,

gestorben war im Sindhuwald,

mit einem Auge nur und lahm

trat ich in einer wilden Ziege Schoß.

439

Zwölf Jahre hab ich da gelebt,

kastriert, trug Knaben nur herum, -

durch Würmer rollt’ ich weiter, taugte nicht:

weil ich zu eines Andern Frau gegangen.

440

Als ich von dort verschwunden war,

wurd’ ich von eines Händlers Kuh geboren,

ein Kalb, gefärbt wie Kupfer da mit Lack,

und auch kastriert im zwölften Monat dann.

441

Vor einen Pflug wurd ich gespannt,

und einen Wagen mußt ich ziehn,

und blind ich rollte weiter, taugte nicht:

weil ich zu eines Andern Frau gegangen.

442

Als ich von dort verschwunden war,

gebar mich auf der Straße eine Haussklavin, -

nicht Frau war ich und auch nicht Mann:

weil ich zu eines Andern Frau gegangen.

443

Nach dreißig Jahren war ich tot,

als eines Fuhrmanns Tochter wurd’ geboren, -

in Elend lebt’ ich, großer Armut,

vom Würfelglückswurf nur der Gläubiger.

444

Dann mich von dort ein Handelsmann

mit überfließend reichem Wohlstand,

die Klagende, er schleppte fort

und raubte sie dem Vaterhaus.

445

Als ich dann sechzehn Jahre zählte,

im Jugendglanz zusehen war,

mich junges Mädchen nahm sein Sohn zur Frau,

Giridāso, so war sein Name.

446

Er nahm noch eine andre Frau,

die tugendhaft und gut geartet, hochgerühmt,

die dem Ernährer tief ergeben war, -

doch ich begegnete mit Feindschaft ihr.

447

Dies alles ist die Kammafrucht,

die kam, um mich nur ständig zu verletzen,

die ich als Sklavin willig diente doch, -

dem ist ein Ende nun von mir gemacht.