So habe ich es gehört:
Einst weilte der Erhabene in Anāthapindikas Bhikkhuheim im Jetahain bei Sāvatthi. Damals hielt sich der ehrwürdige Kumarakāssapa im Blindenwalde[1] auf. Mitten in der Nacht erleuchtete da ein Geist hell strahlend den Wald, kam zum ehrwürdigen Kumarakāssapa und sprach zu ihm:
«Bhikkhu, Bhikkhu, dieser Ameisenhügel raucht in der Nacht und brennt am Tage. Ein Brahmane sagt: Weiser, nimm ein Schwert und grabe auf! Der Weise gräbt auf, er findet einen Riegel und zeigt ihn dem Brahmanen. Der Brahmane sagt: Weiser, wirf den Riegel weg und grabe weiter! Der Weise gräbt weiter, er findet eine Blase und zeigt sie. Der Brahmane sagt: Weiser, wirf die Blase weg und grabe weiter. Der Weise gräbt weiter, er findet eine Gabel und zeigt sie. Der Brahmane sagt: Weiser, wirf die Gabel weg und grabe weiter! Der Weise gräbt weiter, er findet ein Faß und zeigt es. Der Brahmane sagt: Weiser, wirf das Faß weg und grabe weiter! Der Weise gräbt weiter, er findet eine Schildkröte und zeigt sie. Der Brahmane sagt: Weiser, wirf die Schildkröte weg und grabe weiter! Der Weise gräbt weiter, er findet ein Schlachtbeil und zeigt es. Der Brahmane sagt: Weiser, wirf das Schlachtbeil weg und grabe weiter! Der Weise gräbt weiter, er findet einen Fleischklumpen und zeigt ihn. Der Brahmane sagt: Weiser, wirf den Fleischklumpen weg und grabe weiter! Der Weise gräbt weiter, er findet eine Schlange und zeigt sie. Der Brahmane sagt: Rühre die Schlange nicht an, verletze sie nicht, verehre sie! Bhikkhu, geh zum Erhabenen und frage ihn, was das bedeutet. Niemand in der ganzen Welt außer einem Vollendeten kann es dir erklären.» So sprach der Geist und verschwand.
Am nächsten Morgen früh ging der ehrwürdige Kumarakāssapa zum Erhabenen erzählte ihm, was der Geist gesagt hatte, und fragte ihn, was das alles zu bedeuten habe. Der Erhabene erwiderte:
Der Ameisenhügel ist dieser aus den vier Elementen bestehende Leib, der gezeugt ist von Mutter und Vater, erhalten wird durch Speise und Trank, der unbeständig und hinfällig ist, der zerfallen und sich auflösen muß. Daß er nachts über das Tagewerk nachdenkt, das ist das Rauchen, daß er am Tage seine nächtlichen Pläne in Werken, Worten und Gedanken ausführt, das ist das Brennen. Der Brahmane ist der Vollendete, Heilige, voll Erwachte. Der Weise ist der strebende Bhikkhu. Das Schwert ist die edle Weisheit, Aufgraben ist tatkräftiges Wirken. Der Riegel ist Unwissenheit. Wirf den Riegel weg, bedeutet: überwinde die Unwissenheit! Grabe weiter, bedeutet dasselbe. Die Blase ist Ärger. Wirf die Blase weg, bedeutet: ärgere dich nicht! Die Gabel ist Zweifelsucht. Wirf die Gabel weg, bedeutet: höre auf zu zweifeln! Das Faß sind die fünf Hemmnisse: Verlangen nach Sinnenlust, Bosheit, Schlaffheit, Gewissensunruhe und Zweifelsucht. Wirf das Faß weg, bedeutet: beseitige die Hemmnisse! Die Schildkröte sind die fünf Gruppen des Ergreifens: Körperlichkeit, Empfindung, Wahrnehmung, unbewußte Tätigkeiten und Bewußtsein. Wirf die Schildkröte weg, bedeutet: hafte nicht an den fünf Gruppen (an deiner Person)! Das Schlachtbeil sind die fünf Arten der Sinnenfreuden: daß sichtbare Gestalten, Töne, Düfte, Säfte und Tastungen dem Auge, dem Ohr, der Nase, der Zunge und dem Leib lieblich, angenehm, lusterregend und begehrenswert erscheinen. Wirf das Schlachtbeil weg, bedeutet: überwinde das Verlangen nach Sinnenfreuden! Der Fleischklumpen ist das leidenschaftliche Begehren nach Lust. Wirf den Fleischklumpen weg, bedeutet: entsage dem leidenschaftlichen Begehren nach Lust! Die Schlange ist ein Bhikkhu, der die Anwandlungen abgewehrt hat, ein Heiliger. Rühre den Heiligen nicht an, verletze ihn nicht, verehre ihn! Das bedeutet es.[2]
So sprach der Erhabene. Der ehrwürdige Kumarakāssapa nahm seine Erklärung mit Freude und Dank an.
[1]Der Blindenwald galt als unheimlich. In ihm sollen Räuber einen Samana geblendet haben und dafür selbst erblindet sein; daher der Name. Mehrfach wird über Geistererscheinungen im Blindenwald berichtet (vgl. 147. Sutta).
[2]Das Wort nāga bedeutet sowohl <Schlange> als auch <Übermensch, Heiliger>.