Majjhima Nikāya, Mittlere Sammlung

ZWEITER TEIL: DIE MITTLEREN FÜNFZIG - Majjhimapannāsam

VIII. BUCH: WANDERMÖNCHE - Paribbājakavaggo

71. Vacchagotta I - Cūlavacchagota Sutta

 

So habe ich es gehört:

Einst weilte der Erhabene in der Turmhalle im Großen Walde bei Sāvatthi. Um dieselbe Zeit befand sich der Wandermönch Vacchagotta in dem Wandermönchsheim Ekapundaríka (<Zum einzelnen weißen Lotus>). Als der Erhabene am Morgen in die Stadt gehen wollte, um Speise zu sammeln, überlegte er, es sei dafür noch zu früh, er könnte vorher noch Vacchagotta aufsuchen; und so ging er nach dem Wandermönchsheim zu Vacchagotta. Als dieser ihn kommen sah, sagte er: «Herr, tretet näher! Willkommen dem Erhabenen! Schon lange wollte der Erhabene einmal herkommen. Setzt Euch! Hier ist ein Sessel.» Der Erhabene setzte sich, und Vacchagotta nahm einen niedrigeren Sessel, setzte sich zu ihm und sagte: «Ich habe gehört, der Samana Gotama behauptet, er sei allwissend und allsehend; wenn er geht, steht, schläft und wacht, sei ihm stets Allwissenheit und Allsichtigkeit gegenwärtig[1]. Haben diejenigen, die das sagen, recht, sagen sie nichts Falsches über den Erhabenen und kommt nicht irgendeine Schlußfolgerung daraus zu einem abzulehnenden Ergebnis?» Der Erhabene erwiderte: «Wer das behauptet, sagt etwas Falsches über mich.» - «Wie würden wir es aber richtig sagen?» - «Richtig sagt man: der Samana Gotama hat ein dreifaches Wissen. - Wenn ich will, kann ich mich meiner früheren Daseinsformen erinnern; wenn ich will, kann ich mit dem himmlischen, übermenschlichen Blick das Hinscheiden und Wiedererscheinen der Wesen überschauen, wie sie je nach ihren Taten den guten oder den schlechten Weg gehen; und ich habe nach Vernichtung der Anwandlungen die von Anwandlungen freie Erlösung des Geistes durch Weisheit schon in diesem Leben selbst geschaut und erreicht. Darum kann man mit Recht sagen: Der Samana Gotama hat ein dreifaches Wissen.» Darauf fragte Vacchagotta: «Herr Gotama, gibt es irgendeinen in der Häuslichkeit Lebenden, der, ohne die Bindung an das Haus aufgegeben zu haben, beim Sterben dem Leiden ein Ende macht?» - «Nein, einen solchen gibt es nicht.» - «Gibt es aber irgendeinen in der Häuslichkeit Lebenden, der, ohne die Bindung an das Haus aufgegeben zu haben, beim Sterben in den Himmel kommt?» - «Nicht nur hundert nicht nur fünfhundert, sondern noch mehr solche gibt es.» - «Hat schon einmal ein selbstquälerischer Asket beim Sterben dem Leiden ein Ende gemacht?» - «Nein, keiner.» - «Ist schon einmal ein selbstquälerischer Asket in den Himmel gekommen?» - «Bis zur einundneunzigsten Weltperiode, von jetzt an rückwärts gerechnet, deren ich mich erinnere, kenne ich nur einen selbstquälerischen Asketen, der in den Himmel gekommen ist, und dieser war ein Anhänger der Karmalehre.» - «Herr Gotama, wenn es sich so verhält, dann gibt es also in diesen Sekten keinen, der in den Himmel gekommen ist?» - «Ja, Vaccha, so ist es.»

So sprach der Erhabene. Mit Freude und Dank nahm Vacchagotta seine Erklärung an.

 



[1] Dies ist ein Dogma der Jinisten. Ihr Meister, der Jina, soll es von sich gesagt haben.


 Home Oben Zum Index Zurueck Voraus