Samyutta Nikaya

12. Nidāna-Samyutta - Von den Ursachen

5. Gahapativagga - Vom Hausvater

S.12.41. Die fünffache Furcht und Feindseligkeit (1)
S.12.42. Die fünffache Furcht und Feindseligkeit (2)
S.12.43. Das Leiden
S.12.44. Die Welt
S.12.45. Nātika
S.12.46. Irgend wer
S.12.47. Jānussoni
S.12.48. Der Lokāyatika
S.12.49. Der edle Jünger (1)
S.12.50. Der edle Jünger (2)

S.12.41. Die fünffache Furcht und Feindseligkeit (1) - 1. Pañcaverabhaya Sutta

 

Unser Sutta kehrt fast gleichlautend noch einmal im Samyutta (S.55.28ff) und im Anguttara (A.x.92) wieder. Ganz ähnlich ist die Fassung eines anderen Sutta des Anguttara (A.ix.27), und teilweise gleichen Inhalt hat ein drittes Sutta des gleichen Nikāya (A.v.174). Immer ist die Erörterung über die pañca bhayāni verāni mit dem Namen des Anāthapindika verknüpft. Die Erklärung des Begriffes selbst, der auf die fünf Hauptgebote der buddhistischen Ethik sich bezieht, ist nicht leicht. Nach den Angaben Buddhaghosas (Komm. zum S., II. 93.16ff) vermute ich, daß bhayāni verāni ein aufgelöstes Dvandva-Kompositum ist. Mrs. Rhys Davids übersetzt die Worte mit "(fivefold) guilty dread", faßt also vera offenbar als Adjektiv. Ebenso steht bei Seidenstücker, der das Sutta in seinem Pāli-Buddhismus (Nr. 106, S. 147) übersetzt, "schreckliche Furcht". Mir scheint der Gedanke der zu sein, daß jede feindselige Handlung zugleich eine Furcht oder Gefahr einschließt, nämlich die der Vergeltung, der Rache. Wer also Feindseligkeit übt, lebt zugleich in der steten Angst vor der Vergeltung. Und diese Wechselwirkung setzt sich über das gegenwärtige Dasein hinaus in die folgenden Existenzen fort. Auch bei der "Furcht und Feindseligkeit", die mit dem Genuß der geistigen Getränke sich verbindet, ist an die Gewalttaten gedacht, die der Trunkene begeht und an ihre Folgen.

 

Über den Begrift sotāpatti "Eintritt in den Strom" und die weiteren Stufen des Heilspfades vergl. die Vorbemerkungen zu Sutta 31 unseres Samyutta.

 

1. Ort der Begebenheit: Sāvatthī.

 

2. Und es begab sich der Hausvater Anāthapindika dorthin, wo der Erhabene sich befand. Nachdem er sich dorthin begeben und den Erhabenen ehrfürchtig begrüßt hatte, setzte er sich zur Seite nieder. Zu dem zur Seite sitzenden Hausvater Anāthapindika sprach dann der Erhabene also:

 

3. "Wann ein edler Jünger, o Hausvater, die fünffache Furcht und Feindseligkeit überwunden hat, und mit den vier Merkmalen des Eintritts in den Strom ausgestattet ist, und die edle Methode [121] mit dem Verstand wohl geschaut und völlig durchdrungen hat, so mag er wohl, wenn er es wünscht, selber von sich die Erklärung abgeben: 'Beseitigt ist für mich die Hölle, beseitigt ist für mich die Wiedergeburt in einem Tierleib, beseitigt ist für mich das Bereich der Gespenster [122], beseitigt ist für mich niedrige Daseinsform, leidvolle Existenz und Verdammnis [123]; ich bin einer, der in den Strom eingetreten ist, unmöglich ist für mich ein Rückfall in die Verdammnis, ich bin gesichert, die vollkommene Erleuchtung ist mein Ziel.

 

4. Welche fünffache Furcht und Feindseligkeit hat er überwunden?

 

5. Die Furcht und Feindseligkeit, o Hausvater, die einer, der Lebewesen vernichtet, infolge der Vernichtung von Lebewesen für das gegenwärtige Leben hervorruft, und die Furcht und Feindseligkeit, die er für das künftige Dasein hervorruft, wie auch das seelische Leid und die Betrübnis, die er (dabei) empfindet: - diese Furcht und Feindseligkeit hat er, da er sich der Vernichtung von Lebewesen enthält, auf solche Weise überwunden.

 

6. Die Furcht und Feindseligkeit, o Hausvater, die einer, der Nichtgegebenes wegnimmt, infolge der Wegnahme von Nichtgegebenem für das gegenwärtige Leben hervorruft, und die Furcht und Feindseligkeit, die er für das künftige Dasein hervorruft, wie auch das seelische Leid und die Betrübnis, die er (dabei) empfindet: - diese Furcht und Feindseligkeit hat er, da er sich der Wegnahme von Nichtgegebenem enthält, auf solche Weise überwunden.

 

7. Die Furcht und Feindseligkeit, o Hausvater, die einer, der in den Lüsten übel wandelt [124], infolge des üblen Wandels in den Lüsten für das gegenwärtige Leben hervorruft, und die Furcht und Feindseligkeit, die er für das künftige Dasein hervorruft, wie auch das seelische Leid und die Betrübnis, die er (dabei) empfindet - diese Furcht und Feindseligkeit hat er, da er sich des üblen Wandels in den Lüsten enthält, auf solche Weise überwunden.

 

8. Die Furcht und Feindseligkeit, o Hausvater, die ein Lügner infolge des Lügens für das gegenwärtige Leben hervorruft, und die Furcht und Feindseligkeit, die er für das künftige Dasein hervorruft, wie auch das seelische Leid und die Betrübnis, die er (dabei) empfindet; - diese Furcht und Feindseligkeit hat er, da er sich der Lüge enthält, auf diese Weise überwunden.

 

9. Die Furcht und Feindseligkeit, o Hausvater, die einer, der dem Genuß der verschiedenen geistigen Getränke [125] sich hingibt, infolge der Hingabe an den Genuß der verschiedenen geistigen Getränke für das gegenwärtige Leben hervorruft, und die Furcht und Feindseligkeit, die er für das künftige Dasein hervorruft, wie auch das seelische Leid und die Betrübnis, die er (dabei) empfindet - diese Furcht und Feindseligkeit hat er, da er sich der Hingabe an den Genuß der verschiedenen geistigen Getränke enthält, auf solche Weise überwunden.

Diese fünffache Furcht und Feindseligkeit hat er überwunden.

 

10. "Mit welchen vier Merkmalen des Eintritts in den Strom ist er ausgestattet?

 

11. Da ist, o Hausvater, ein edler Jünger ausgestattet mit dem auf Erfahrung begründeten Glauben [127] an den Buddha, nämlich so: der Erhabene ist der Vollendete, der vollkommen Erleuchtete, mit Weisheit und Tugend begabt, der Führer auf dem Heilspfade [128], der Weltkenner, der unübertreffliche Leiter der Menschen, die noch der Erziehung bedürfen, der Meister der Götter und Menschen, der Buddha, der Erhabene.

 

12. Er ist ausgestattet mit dem auf Erfahrung begründeten Glauben an die Lehre: wohl verkündet ist vom Erhabenen die Lehre, im gegenwärtigen Dasein schon wirkend, an keine Zeit gebunden [129], zu ihrer Betrachtung einladend [130], zum Ziele führend, aus eigener Kraft [131] zu verstehen von den Einsichtigen.

 

13. Er ist ausgestattet mit dem auf Erfahrung begründeten Glauben an die Gemeinde auf rechtem Weg wandelt die Gemeinde der Jünger des Erhabenen, auf geradem Weg wandelt die Gemeinde der Jünger des Erhabenen, auf dem Weg der richtigen Methode wandelt die Gemeinde der Jünger des Erhabenen, auf dem Weg vorschriftsmäßigen Verhaltens wandelt die Gemeinde der Jünger des Erhabenen, nämlich die vier Paare von Persönlichkeiten, die acht Gruppen von Persönlichkeiten [132]. Diese Gemeinde der Jünger des Erhabenen verdient Verehrung, verdient gastliche Aufnahme, verdient Spenden, verdient Ehrfurchtsbezeugung mit gefalteten Händen, sie ist das beste Feld für verdienstliche Werke der Laienwelt.

 

14. Er ist ausgestattet mit den von den Edlen hochgeschätzten Tugenden der sittlichen Zucht, den lückenlosen, vollständigen, die ohne Schmutz sind und ohne Flecken, die frei machen, die von den Einsichtigen gepriesen sind, die von außen nicht beeinflußt werden, die zur geistigen Sammlung führen.

Mit diesen vier Merkmalen des Eintritts in den Strom ist er ausgestattet."

 

15. "Welche edle Methode hat er mit dem Verstand wohl geschaut und völlig durchdrungen?

 

16. Da erwägt, o Hausvater, ein edler Jünger gut und reiflich das Gesetz von der ursächlichen Entstehung, nämlich: wenn jenes ist, tritt dieses ein; wenn jenes nicht ist, tritt dieses nicht ein; aus der Entstehung von jenem folgt die Entstehung von diesem; aus der Aufhebung von jenem folgt die Aufhebung von diesem.

 

17. Das heißt: aus dem Nichtwissen als Ursache entstehen die Gestaltungen; aus den Gestaltungen als Ursache entsteht das Bewußtsein usw. usw. ( = 1. 3) ... Auf solche Art kommt der Ursprung der ganzen Masse des Leidens zu stande. Aus dem restlosen Verschwinden aber und der Aufhebung des Nichtwissens folgt Aufhebung der Gestaltungen; aus der Aufhebung der Gestaltungen folgt Aufhebung des Bewußtseins usw. usw. (= 1. 4) ... Auf solche Art kommt die Aufhebung der ganzen Masse des Leidens zu stande.

Diese edle Methode hat er mit dem Verstand wohl geschaut und völlig durchdrungen.

 

18. Wann nun ein edler Jünger, o Hausvater, diese fünffache Furcht und Feindseligkeit überwunden hat, und mit diesen vier Merkmalen des Eintritts in den Strom ausgestattet ist, und diese edle Methode mit dem Verstand wohl geschaut und völlig durchdrungen hat, so mag er wohl, wenn er es wünscht, selbst von sich die Erklärung abgeben: 'Beseitigt ist für mich die Hölle, beseitigt ist für mich die Wiedergeburt in einem Tierleib, beseitigt ist für mich das Bereich der Gespenster, beseitigt ist für mich niedrige Daseinsform, leidvolle Existenz und Verdammnis; ich bin einer, der in den Strom eingetreten ist; unmöglich ist für mich ein Rückfall in die Verdammnis, ich bin gesichert, die vollkommene Erleuchtung ist mein Ziel.' "

 


[121] P. ariya ñāya. Der Kommentar (II. 93.3) gibt ariya durch "fehlerfrei, einwandfrei wieder; zu ñāya bemerkt er: "Methode heißt das Gesetz von der Kausalität und der edle achtgliedrige Pfad ist auch Methode".

[122] P. pettivisaya. Die petā sind die schweifenden Seelen des Volksglaubens, die keine Stätte im Jenseits gefunden haben und auf die mitleidigen Spenden der Lebenden angewiesen sind.

[123] Die drei Ausdrücke apāya, duggati, vinipāta sind synonym und beziehen sich auf die unmittelbar vorher erwähnten Formen der Wiedergeburt in der Hölle, als Tier oder als Gespenst. Vgl. Rhys Davids und Stede, Pāli Dict. u. d. W. apāya; Samy. Ko. Siam. Ausg. II. 123.13. Zur Übersetzung vergl. Franke, Dīgha übers. s. 82. zu beachten ist, daß der Aufenthalt in der Hölle nach der buddhistischen Lehre keine ewige Dauer hat. Er nimmt, freilich oft erst nach vielen Jahrtausenden, ein Ende, wenn die Sünden, die ihn verursacht haben, gesühnt sind. Es handelt sich also mehr um ein "Purgatorium".

[124] P. kāmesu miccācārin. Es ist dabei an sexuelle Zügellosigkeit gedacht; miccācāra kann geradezu "Ehebruch" bedeuten.

[125] P. surāmerayamajjapamādatthāyī. Welche Art geistiger Getränke mit surā, meraya und majja gemeint sind, ist nicht mehr festzustellen.

[126] Über die in 11 bis 14 vorkommenden Ausdrücke vergl. R. O. Franke, Dīgha übers. s. 196-7 mit den Noten.

[127] P. aveccapasādena. Das wort avecca (vgl. P. paticca, pecca, samecca) muß doch wohl auf skr. avetya (Wz. i mit ava "begreifen, verstehen, erfahren") zurückgeführt werden. Buddhaghosa (zu Suttanipāta 229) gibt es auch mit paññāya ajjhogahetvā wieder (s. Rhys Davids und Stede, Pāli Dictionary u. d. W.), an unserer Stelle (Samy. Komm. II. 9412) freilich durch acala "unerschütterlich".

[128] P. sugata, wtl. "der gut gegangen ist", nämlich der Weg der Erlösung, den er nun der Menschheit zeigt. R. O. Franke übersetzt "der Pfadvollender".

[129] P. samditthika, akālika. Zu letzterem gibt zu Samy. 1. 20. 6 (= I. 913) der Kommentar (Siam. Ausg. I. 5310) die Erklärung, daß der dhamma unmittelbar nachdem er entwickelt ist, seinen Erfolg hat (phalam deti).

[130] P. ehipassika von ehi passa "komm' und sieh'". R. O. Franke: "der offen vor Augen liegt"; Mrs. Rhys Davids: "(bidding man) come and see".

[131] paccattam. . Der Komm. gibt paccattam mit "selber, durch sich selbst, nicht durch eines anderen Kraft" wieder.

[132] P. cattāri purisayugāni, attha purisapuggalā. Bezieht sich auf die vier Stufen des Heilsweges (sotāpatti usw.), von denen jede in zwei Unterstufen, magga und phala, zerfällt. Vgl. Einl. zu 12. 31.


S.12.42. Die fünffache Furcht und Feindseligkeit (2) - 2. Dutiyapañcaverabhaya Sutta

 

Sutta 42 unterscheidet sich von 41 nur dadurch, daß es sich nicht an den einzelnen Anāthapindika, sondern an eine große Anzahl von Bhikkhus wendet. Statt der Anrede "o Hausvater" ist also immer "ihr Bhikkhus" einzusetzen.

 

1. Ort der Begebenheit: Sāvatthī.

 

2. Und es begaben sich zahlreiche Bhikkhus dorthin, wo sich der Erhabene befand. Nachdem sie sich dorthin begeben und den Erhabenen ehrfürchtig begrüßt hatten, setzten sie sich zur Seite nieder. Zu den zur Seite sitzenden zahlreichen Bhikkhus sprach dann der Erhabene also:

 

3. "Wann ein edler Jünger, ihr Bhikkhus usw. usw. (= Sutta 42) ..."

 


S.12.43. Das Leiden - 3. Dukkha Sutta

 

1. Ort der Begebenheit: Sāvatthī.

 

2. "Des Leidens Ursprung, ihr Bhikkhus, und seinen Untergang will ich euch lehren; höret zu, merket wohl auf: ich will es euch verkünden." "Wohl, Herr!" erwiderten die Bhikkhus aufhorchend dem Erhabenen.

 

3. Der Erhabene sprach also: "Welches, ihr Bhikkhus, ist des Leidens Ursprung?

 

4. Infolge des Sehens [133] und der (sichtbaren) Formen entsteht das Bewußtsein des Sehens; die Verbindung der drei ist die Berührung. Aus der Berührung als Ursache entsteht die Empfindung; aus der Empfindung als Ursache entsteht der Durst dies, ihr Bhikkhus, ist des Leidens Ursprung.

 

5. Infolge des Hörens und der Töne entsteht das Bewußtsein des Hörens; die Verbindung der drei ist die Berührung. Aus der Berührung als Ursache entsteht die Empfindung; aus der Empfindung als Ursache entsteht der Durst: dies, ihr Bhikkhus, ist des Leidens Ursprung.

 

6. Infolge des Riechens und der Gerüche entsteht das Bewußtsein des Riechens; die Verbindung der drei ist die Berührung. Aus der Berührung als Ursache entsteht die Empfindung; aus der Empfindung als Ursache entsteht der Durst: dies, ihr Bhikkhus, ist des Leidens Ursprung.

 

7. Infolge des Schmeckens und der Geschmäcke entsteht das Bewußtsein des Schmeckens; die Verbindung der drei ist die Berührung. Aus der Berührung als Ursache entsteht die Empfindung; aus der Empfindung als Ursache entsteht der Durst: dies, ihr Bhikkhus, ist des Leidens Ursprung.

 

8. Infolge des Fühlens und der fühlbaren Gegenstände entsteht das Bewußtsein des Fühlens; die Verbindung der drei ist die Berührung. Aus der Berührung als Ursache entsteht die Empfindung; aus der Empfindung als Ursache entsteht der Durst: dies, ihr Bhikkhus, ist des Leidens Ursprung.

 

9. Infolge des Denkens und der Dinge entsteht das Bewußtsein des Denkens; die Verbindung der drei ist die Berührung. Aus der Berührung als Ursache entsteht die Empfindung; aus der Empfindung als Ursache entsteht der Durst: dies, ihr Bhikkhus, ist des Leidens Ursprung.

 

10. Und welches, ihr Bhikkhus, ist des Leidens Untergang?

 

11. Infolge des Sehens und der (sichtbaren) Formen entsteht das Bewußtsein des Sehens; die Verbindung der drei ist die Berührung. Aus der Berührung als Ursache entsteht die Empfindung; aus der Empfindung als Ursache entsteht der Durst. Aus dem restlosen Verschwinden aber und der Aufhebung eben dieses Durstes folgt Aufhebung des Erfassens; aus der Aufhebung des Erfassens folgt Aufhebung des Werdens; aus der Aufhebung des Werdens folgt Aufhebung der Geburt; durch Aufhebung der Geburt werden Alter und Tod, Schmerz, Kummer, Leid, Betrübnis und Verzweiflung aufgehoben: auf solche Art kommt die Aufhebung der ganzen Masse des Leidens zu stande. Dies, ihr Bhikkhus, ist des Leidens Untergang.

 

12-16. Infolge des Hörens und der Töne usw. usw. - infolge des Riechens und der Gerüche usw. usw. - infolge des Schmeckens und der Geschmäcke usw. usw. - infolge des Fühlens und der fühlbaren Gegenstände usw. usw. [134]. - infolge des Denkens und der Dinge entsteht das Bewußtsein des Denkens; die Verbindung der drei ist die Berührung. Aus der Berührung als Ursache entsteht die Empfindung; aus der Empfindung als Ursache entsteht der Durst. Aus dem restlosen Verschwinden aber und der Aufhebung eben dieses Durstes folgt Aufhebung des Erfassens; - aus der Aufhebung des Erfassens folgt Aufhebung des Werdens; aus der Aufhebung des Werdens folgt Aufhebung der Geburt; durch Aufhebung der Geburt werden Alter und Tod, Schmerz, Kummer, Leid, Betrübnis und Verzweiflung aufgehoben: auf solche Art kommt die Aufhebung der ganzen Masse des Leidens zu stande. Dies, ihr Bhikkhus, ist des Leidens Untergang."

 


[133] Im Urtext werden an Stelle der Sinne die Sinnesorgane: cakkhu "Auge", sota "Ohr", ghāna "Nase", jivhā "Zunge", kāya "Körper" und manas "Geist" genannt. Die Objekte der einzelnen Sinne sind - rūpa, saddā, gandhā, rasā, photthabbā, dhammā.

[134] Die einzelnen Stücke sind wieder gekürzt und nach 11, bezw. 4 bis 8 zu ergänzen.


S.12.44. Die Welt - 4. Loka Sutta

 

Aus dem Sutta 44 darf nicht gefolgert werden, daß das "Gesetz von der ursächlichen Entstehung" ein kosmisches Gesetz sei, das den Ursprung der Welt erklären soll. Es handelt sich auch hier nur um das Verhältnis des Individuums zu den dhamma, den "Dingen", d. h. der empirischen Welt mit all ihren Erscheinungen. Für den, dessen Denken mit den Dingen sich beschäftigt, der sie auf sich wirken läßt, entsteht und besteht die Welt. Wer sich von ihnen loslöst, für den hört sie auf zu bestehen, geht sie unter. Zum ganzen Seidenstücker, Pāli-Buddhismus Nr. 63, S. 78ff.

 

1. Ort der Begebenheit: Sāvatthī.

 

2. "Der Welt Ursprung, ihr Bhikkhus, und ihren Untergang will ich euch lehren usw. usw. (5 43. 2) ...

 

3. Der Erhabene sprach also: "Welches, ihr Bhikkhus, ist der Welt Ursprung?

 

4. Infolge des Sehens und der (sichtbaren) Formen entsteht das Bewußtsein des Sehens; die Verbindung der drei ist die Berührung. Aus der Berührung als Ursache entsteht die Empfindung; aus der Empfindung als Ursache entsteht der Durst; aus dem Durst als Ursache entsteht das Erfassen; aus dem Erfassen als Ursache entsteht das Werden; aus dem Werden als Ursache entsteht die Geburt; aus der Geburt als Ursache entstehen Alter und Tod, Schmerz, Kummer, Leid, Betrübnis und Verzweiflung. Dies, ihr Bhikkhus, ist der Welt Ursprung.

 

5-9. Infolge des Hörens und der Töne usw. usw. - infolge des Riechens und der Gerüche usw. usw. - infolge des Schmeckens und der Geschmäcke usw. usw. - infolge des Fühlens und der fühlbaren Gegenstände usw. usw. [135]. - infolge des Denkens und der Dinge entsteht das Bewußtsein des Denkens; die Verbindung der drei ist die Berührung. Aus der Berührung als Ursache entsteht die Empfindung; aus der Empfindung als Ursache entsteht der Durst; aus dem Durst als Ursache entsteht das Erfassen; aus dem Erfassen als Ursache entsteht das Werden; aus dem Werden als Ursache entsteht die Geburt; aus der Geburt als Ursache entstehen Alter und Tod, Schmerz, Kummer, Leid, Betrübnis und Verzweiflung. Dies, ihr Bhikkhus, ist der Welt Ursprung.

 

10. Und welches, ihr Bhikkhus, ist der Welt Untergang?

 

11. Infolge des Sehens und der (sichtbaren) Formen entsteht das Bewußtsein des Sehens; die Verbindung der drei ist die Berührung. Aus der Berührung als Ursache entsteht die Empfindung; aus der Empfindung als Ursache entsteht der Durst. Aus dem restlosen Verschwinden aber und der Aufhebung eben dieses Durstes folgt Aufhebung des Erfassens; aus der Aufhebung des Erfassens folgt Aufhebung des Werdens; aus der Aufhebung des Werdens folgt Aufhebung der Geburt; durch Aufhebung der Geburt werden Alter und Tod, Schmerz, Kummer, Leid, Betrübnis und Verzweiflung aufgehoben auf solche Art kommt die Aufhebung der ganzen Masse des Leidens zustande. Dies, ihr Bhikkhus, ist der Welt Untergang.

 

12-17. Infolge des Hörens und der Töne usw. usw. - infolge des Riechens und der Gerüche usw. usw. - infolge des Schmeckens und der Geschmäcke usw. usw. - infolge des Fühlens und der fühlbaren Gegenstände usw. usw. - infolge des Denkens und der Dinge entsteht das Bewußtsein des Denkens; die Verbindung der drei ist die Berührung. Aus der Berührung als Ursache entsteht die Empfindung; aus der Empfindung als Ursache entsteht der Durst. Aus dem restlosen Verschwinden aber und der Aufhebung eben dieses Durstes folgt Aufhebung des Erfassens; aus der Aufhebung des Erfassens folgt Aufhebung des Werdens; aus der Aufhebung des Werdens folgt Aufhebung der Geburt; durch Aufhebung der Geburt werden Alter und Tod, Schmerz. Kummer, Leid, Betrübnis und Verzweiflung aufgehoben: auf solche Art kommt die Aufhebung der ganzen Masse des Leidens zustande. Dieses, ihr Bhikkhus, ist der Welt Untergang."

 


[135] Vergl. das vor. Sutta 4-8, 11-15.


S.12.45. Nātika - 5. Ñātika Sutta

 

1. Also habe ich vernommen.

Einstmals weilte der Erhabene in Nātika im Ziegelhause.

 

2. Da nun verkündete der Erhabene, in der Einsamkeit meditierend folgende Lehrdarlegung:

 

3. "Infolge des Sehens und der (sichtbaren) Formen entsteht das Bewußtsein des Sehens. Die Verbindung der drei ist die Berührung. Aus der Berührung als Ursache entsteht die Empfindung; aus der Empfindung als Ursache entsteht der Durst usw. usw. Auf solche Art kommt der Ursprung der ganzen Masse des Leidens zustande.

 

4-8. Infolge [136] des Hörens und der Töne usw. usw. - infolge des Riechens und der Gerüche usw. usw. - infolge des Schmeckens und der Geschmäcke usw. usw. - infolge des Fühlens und der fühlbaren Gegenstände usw. usw. - infolge des Denkens und der Dinge entsteht das Bewußtsein des Denkens. Die Verbindung der drei ist die Berührung. Aus der Berührung als Ursache entsteht die Empfindung; aus der Empfindung als Ursache entsteht der Durst usw. usw. Auf solche Art kommt der Ursprung der ganzen Masse des Leidens zustande.

 

9. Infolge des Sehens und der (sichtbaren) Formen entsteht das Bewußtsein des Sehens. Die Verbindung der drei ist die Berührung. Aus der Berührung als Ursache entsteht die Empfindung; aus der Empfindung als Ursache entsteht der Durst. Aus dem restlosen Verschwinden aber und der Aufhebung eben dieses Durstes folgt Aufhebung des Erfassens; aus der Aufhebung des Haftens folgt Aufhebung des Werdens; aus der Aufhebung des Werdens folgt Aufhebung der Geburt; durch Aufhebung der Geburt werden Alter und Tod, Schmerz, Kummer, Leid, Betrübnis und Verzweiflung aufgehoben. Auf solche Art kommt die Aufhebung der ganzen Masse des Leidens zustande.

 

10-14. Infolge des Hörens und der Töne usw. usw. - infolge des Riechens und der Gerüche usw. usw. - infolge des Schmeckens und der Geschmäcke usw. usw. - infolge des Fühlens und der fühlbaren Gegenstände usw. usw. - infolge des Denkens und der Dinge entsteht das Bewußtsein des Denkens. Die Verbindung der drei ist die Berührung. Aus der Berührung als Ursache entsteht die Empfindung; aus der Empfindung als Ursache entsteht der Durst. Aus dem restlosen Verschwinden aber und der Aufhebung eben dieses Durstes folgt Aufhebung des Erfassens; aus der Aufhebung des Erfassens folgt Aufhebung des Werdens; aus der Aufhebung des Werdens folgt Aufhebung der Geburt; durch Aufhebung der Geburt werden Alter und Tod, Schmerz, Kummer, Leid, Betrübnis und Verzweiflung aufgehoben. Auf solche Art kommt die Aufhebung der ganzen Masse des Leidens zustande."

 

15. Zu dieser Zeit aber stand nun da ein Bhikkhu, dem Erhabenen zuzuhören.

 

16. Es sah nun der Erhabene den Bhikkhu, der dastand, zuzuhören, und wie er den Bhikkhu gesehen, sprach der Erhabene also: "Hast du, o Bhikkhu, diese Lehrdarlegung gehört?" - "Ja, Herr!"

 

17. "Lerne du, o Bhikkhu, diese Lehrdarlegung; eigne dir, o Bhikkhu, diese Lehrdarlegung an. Zum Segen gereicht (atthasamhita), o Bhikkhu, diese Lehrdarlegung, sie führt ein in den heiligen Wandel (ādibrahmacariyaka)."


[136] Ausführlich in 43.4.


S.12.46. Irgend wer - 6. Aññatarabrāhmaṇa Sutta

 

Das Sutta führt seinen Titel aññataram deshalb, weil in ihm aññataro brahmano mit dem Buddha sich unterredend eingeführt wird. Der Name des Brahmanen wird nicht genannt. - Zu 3. 4 vergl. Seidenstücker, Pāli-Buddhismus Nr. 124, S. 202.

 

1. Ort der Begebenheit: Sāvatthī.

 

2. Und es begab sich ein Brahmane dorthin, wo der Erhabene sich befand. Nachdem er sich dorthin begeben, begrüßte er sich mit dem Erhabenen, und nachdem er mit ihm die (üblichen) Begrüßungen und Höflichkeiten ausgetauscht, setzte er sich zur Seite nieder. Zur Seite sitzend sprach dann der Brahmane zu dem Erhabenen also:

 

3. "Steht es wohl so, Herr Gotama, daß der nämliche es ist, der die Handlung [139] ausführt, und der die Folgen empfindet?" - "Behauptet man 'der nämliche ist es, der die Handlung ausführt, und der die Folgen empfindet', so ist das, o Brahmane, das eine Ende."

 

4. "Steht es aber so, Herr Gotama, daß ein anderer es ist, der die Handlung ausführt, und ein anderer, der die Folgen empfindet?" - "Behauptet man 'ein anderer ist es, der die Handlung ausführt, und ein anderer, der die Folgen empfindet, so ist dies, o Brahmane, das andere Ende. Diese beiden Enden vermeidend, o Brahmane, verkündet in der Mitte der Tathāgata die wahre Lehre:

 

5. Aus dem Nichtwissen als Ursache entstehen die Gestaltungen; aus den Gestaltungen als Ursache entsteht das Bewußtsein usw. usw. (= 1. 3) ... Auf solche Art kommt der Ursprung der ganzen Masse des Leidens zu stande. Aus dem restlosen Verschwinden aber und der Aufhebung des Nichtwissens folgt Aufhebung der Gestaltungen; aus der Aufhebung der Gestaltungen folgt Aufhebung des Bewußtseins usw. usw. (= 1. 4). Auf solche Art kommt die Aufhebung der ganzen Masse des Leidens zu stande.

 

6. Auf diese Worte hin sprach der Brahmane zu dem Erhabenen also: "Wundervoll, Herr Gotama! wundervoll, Herr Gotama! usw. usw. (= 12.17.16). Darum nehme ich zu dem Herrn Gotama meine Zuflucht und zu der Lehre und zu der Gemeinde der Bhikkhus. Als Laienanhänger soll mich der Herr Gotama annehmen, der von heute an auf Lebenszeit zu ihm seine Zuflucht genommen hat.

 


[139] Vgl. zum folgenden das Sutta 17. 14f.


S.12.47. Jānussoni - 7. Jāṇussoṇi Sutta

 

Der Brahmane Jānussoni wird im Kanon häufig erwähnt. Nach dem Dīgha-Nikāya 13. 2 (= I. 235) wohnte er in dem Brahmanendorfe Manasākata im Lande der Kosala zusammen mit anderen hervorragenden Brahmanen, die auch im Majjhima 99 (= II. 202) neben ihm genannt werden. Im Majjh. 27 (= 1. 175) und Samy. 45. 4 (= V. 4) wird sein glänzendes Auftreten beschrieben, das ihn als vornehmen und reichen Mann erscheinen läßt. Im Gespräch mit dem Buddha finden wir ihn noch Majjh. 4 (= I. 16) und namentlich im Anguttara. Hier ist ein ganzer Abschnitt (= V. 249 ff.) nach ihm benannt. - Zu 3, 4 vergl. Seidenstücker, Pāli-Buddhismus Nr. 125, S. 203.

 

1. Ort der Begebenheit Sāvatthī.

 

2. Und es begab sich der Brahmane Jānussoni dorthin, wo der Erhabene sich befand. Nachdem er sich dorthin begeben, begrüßte er sich mit dem Erhabenen, und nachdem er mit ihm die (üblichen) Begrüßungen und Höflichkeiten ausgetauscht, setzte er sich zur Seite nieder. Zur Seite sitzend sprach dann der Brahmane Jānussoni zu dem Erhabenen also:

 

3. "Steht es wohl so, Herr Gotama, daß alles ist?" - "Behauptet man 'alles ist', so ist das, o Brahmane, das eine Ende."

 

4. "Steht es aber so, Herr Gotama, daß alles nicht ist?" - "Behauptet man 'alles ist nicht', so ist das, o Brahmane, das andere Ende. Diese beiden Enden vermeidend, o Brahmane, verkündet in der Mitte der Tathāgata die wahre Lehre:

 

5. Aus dem Nichtwissen als Ursache entstehen die Gestaltungen usw. usw. (= 46. 5) ... Auf solche Art kommt die Aufhebung der ganzen Masse des Leidens zu stande."

 

6. Auf diese Worte hin sprach der Brahmane Jānussoni zu dem Erhabenen also: "Wundervoll, Herr Gotama! Wundervoll, Herr Gotama! usw. usw. (= 46. 6) ... Als Laienanhänger soll mich der Herr Gotama annehmen, der von heute an auf Lebenszeit zu ihm seine Zuflucht genommen hat."

 


S.12.48. Der Lokāyatika - 8. Lokāyatika Sutta

 

Über den Ausdruck lokāyata, den ich durch "Sophistik" wiedergebe, vergleiche man Rhys Davids, Dialogues 1.166ff., R. O. Franke, Dīgha übers. 19, Anm. 3. Es ist damit eine Schule von Philosophen gemeint, die sich vor allem mit naturgeschichtlichen Fragen beschäftigten. Das zeigen die Beispiele für die von ihnen behandelten Dinge, die im Kommentar zum Dīgha-Nikāya 1. 1. 25 (= I.11) mitgeteilt werden (s. Sumangalavilāsinī ed. Rhys Davids und Carpenter 1. 90-91). Für die Philosophen, die metaphysische Probleme zu erörtern pflegen, liegt in dem Wort lokāyata der Nebensinn des Materialismus und zugleich der Trivialität. Aus den angeführten Beispielen ("die Krähe ist weiß weil ihre Knochen weiß sind; der Kranich ist rot, weil sein Blut rot ist") geht aber zugleich hervor, daß man den lokāyatika den Vorwurf macht, daß sie zu ihren Resultaten auf dem Weg der Dialektik, nicht auf dem der logischen Schlußfolgerung zu gelangen pflegten. Sie machten sich anheischig, alles zu beweisen, auch das absurdeste. Dazu stimmt, daß der Kommentar zu unserem Sutta (II. 96.12) sie als die Leute bezeichnet, die mit dem vitandasattha vertraut seien, d. i. mit der Kunst der auf Scheingründe und Trugschlüsse aufgebauten Dialektik.

 

1. Ort der Begebenheit: Sāvatthī.

 

2. Und es begab sich ein Brahmane, ein Sophist, dorthin, wo der Erhabene sich befand. Nachdem er sich dorthin begeben, begrüßte er sich mit dem Erhabenen, und nachdem er mit ihm die (üblichen) Begrüßungen und Höflichkeiten ausgetauscht, setzte er sich zur Seite nieder. Zur Seite sitzend sprach dann der Brahmane, der Sophist, zum Erhabenen also:

 

3. "Steht es wohl so, Herr Gotama, daß alles ist?" - "Behauptet man 'alles ist' [140], so ist das, o Brahmane, die erste Sophistik."

 

4. "Steht es aber so, Herr Gotama, daß alles nicht ist?" - "Behauptet man 'alles ist nicht' [140], so ist das, o Brahmane, die zweite Sophistik."

 

5. "Steht es wohl so, Herr Gotama, daß alles Einheit ist ?" - "Behauptet man 'alles ist Einheit'[140], so ist das, o Brahmane, die dritte Sophistik.

 

6. "Steht es aber so, Herr Gotama, daß alles Vielheit ist?" - "Behauptet man 'alles ist Vielheit' [140], so ist das, o Brahmane, die vierte Sophistik. Diese beiden Enden vermeidend, o Brahmane, verkündet in der Mitte der Tathāgata die wahre Lehre:

 

7. Aus dem Nichtwissen als Ursache entstehen die Gestaltungen usw. usw. (= 46. 5) ... Auf solche Art kommt die Aufhebung der ganzen Masse des Leidens zu stande."

 

8. Auf diese Worte hin sprach der Brahmane, der Sophist, zu dem Erhabenen also: "Wundervoll, Herr Gotama! Wundervoll, Herr Gotama! usw. usw. (= 46. 6) ... Als Laienanhänger soll mich der Herr Gotama annehmen, der von heute an auf Lebenszeit zu ihm seine Zuflucht genommen hat."

 


[140] P. sabbam atthi - sabbam n'atthi; sabbam ekattam - sabbam puthuttam. Nach dem Komm. II. 96.3 v.u. - ist mit 'alles ist' und 'alles ist Einheit' die sassataditthi, die Irrlehre von dem ewigen Bestand, gemeint, mit 'alles ist nicht' und 'alles ist Vielheit' die ucchedaditthi, die Irrlehre von der völligen Vernichtung (durch den Tod). Die Lehre des Buddha bewegt sich zwischen diesen beiden Extremen.


S.12.49. Der edle Jünger (1) - 9. Ariyasāvaka Sutta

 

1. Ort der Begebenheit: Sāvatthī.

 

2. "Nicht kommt, ihr Bhikkhus, einem wohl unterrichteten edlen Jünger folgender Gedanke: 'steht es wohl so (daß man fragen muß):

was muß vorhanden sein, damit was entsteht?

aus wessen Entstehung folgt die Entstehung von was?

was muß vorhanden sein, damit Name und Form entsteht [141]?

was muß vorhanden sein, damit die sechs Sinnesbereiche entstehen?

was muß vorhanden sein, damit Berührung entsteht?

was muß vorhanden sein, damit Empfindung entsteht?

was muß vorhanden sein, damit Durst entsteht?

was muß vorhanden sein, damit Erfassen entsteht?

was muß vorhanden sein, damit Werden entsteht?

was muß vorhanden sein, damit Geburt entsteht?

was muß vorhanden sein, damit Alter und Tod entstehen?'

 

3. Sondern es besitzt, ihr Bhikkhus, ein wohl unterrichteter edler Jünger infolge seines ausschließlichen Vertrauens (aparapaccayā) schon das Wissen hiervon: 'wenn jenes ist, tritt dieses ein; aus der Entstehung von jenem geht die Entstehung von diesem hervor:

wenn Bewußtsein vorhanden ist, entsteht Name und Form;

wenn Name und Form vorhanden ist, entstehen die sechs Sinnesbereiche;

wenn die sechs Sinnesbereiche vorhanden sind, entsteht Berührung;

wenn Berührung vorhanden ist, entsteht Empfindung;

wenn Empfindung vorhanden ist, entsteht Durst;

wenn Durst vorhanden ist, entsteht Erfassen;

wenn Erfassen vorhanden ist, entsteht Werden;

wenn Werden vorhanden ist, entsteht Geburt;

wenn Geburt vorhanden ist, entstehen Alter und Tod.'

Also erkennt er: auf solche Art kommt der Ursprung der Welt zustande.

 

4. Nicht kommt, ihr Bhikkhus, einem wohl unterrichteten edlen Jünger folgender Gedanke: 'steht es wohl so (daß man fragen muß):

was muß nicht vorhanden sein, damit was nicht entsteht?

aus wessen Aufhebung folgt die Aufhebung von was?

was muß nicht vorhanden sein, damit Name und Form nicht entsteht?

was muß nicht vorhanden sein, damit die sechs Sinnesbereiche nicht entstehen?

was muß nicht vorhanden sein, damit Berührung nicht entsteht?

was muß nicht vorhanden sein, damit Empfindung nicht entsteht?

was muß nicht vorhanden sein, damit Durst nicht entsteht?

was muß nicht vorhanden sein, damit Erfassen nicht entsteht?

was muß nicht vorhanden sein, damit Werden nicht entsteht?

was muß nicht vorhanden sein, damit Geburt nicht entsteht?

was muß nicht vorhanden sein, damit Alter und Tod nicht entstehen?'

 

5. Sondern es besitzt, ihr Bhikkhus, ein wohl unterrichteter edler Jünger infolge seines ausschließlichen Vertrauens schon das Wissen hiervon: 'wenn jenes nicht ist, tritt dieses nicht ein; aus der Aufhebung von jenem geht die Aufhebung von diesem hervor:

wenn Bewußtsein nicht vorhanden ist, entsteht Name und Form nicht;

wenn Name und Form nicht vorhanden ist, entstehen die sechs Sinnesbereiche nicht;

wenn die sechs Sinnesbereiche nicht vorhanden sind, entsteht Berührung nicht;

wenn Berührung nicht vorhanden ist, entsteht Empfindung nicht;

wenn Empfindung nicht vorhanden ist, entsteht Durst nicht;

wenn Durst nicht vorhanden ist, entsteht Erfassen nicht,

wenn Erfassen nicht vorhanden ist, entsteht Werden nicht;

wenn Werden nicht vorhanden ist, entsteht Geburt nicht;

wenn Geburt nicht vorhanden ist, entstehen Alter und Tod nicht.'

Also erkennt er: auf solche Art kommt die Aufhebung dieser Welt zustande.

 

6. Wann nun, ihr Bhikkhus, ein edler Jünger also den Ursprung und den Untergang der Welt der Wirklichkeit gemäß erkennt: ein solcher, ihr Bhikkhus, heißt ein edler Jünger, der mit (richtiger) Anschauung begabt ist, der mit Einsicht begabt ist, der zu dieser guten Lehre gelangt ist, der diese gute Lehre schaut, der die Erkenntnis des Strebenden besitzt, der das Wissen des Strebenden besitzt, der mit dem Ohr der Wahrheit begabt ist, ein edler, der die (in die höchste Wahrheit) eindringende Erkenntnis besitzt, der da anpocht an die Pforte des Nirvana."

 


[141] Vgl. die Bemerkungen zu dem folgenden Sutta 50.


S.12.50. Der edle Jünger (2) - 10. Dutiyaariyasāvaka Sutta

 

Dieses Sutta unterscheidet sich von dem vorhergehenden Sutta 49 nur dadurch, daß, während in Sutta 49 viññāna, das Bewußtsein, als gegeben angenommen und die Nidānareihe von diesem Punkt an bis zum Schlußglied durchgeführt wird, Sutta 50 bei dem ersten nidāna, dem Nichtwissen beginnt und so den ganzen paticcasamuppāda enthält.

Nun findet sich der Zusatz von Sutta 50 wenigstens in einer birmanischen Handschrift, die der Textausgabe neben singhalesischen Handschriften zugrunde gelegt ist, auch bei Sutta 49. es ist nun klar, daß sie hier spätere gelehrte Zutat ist; denn in diesem Falle stimmen ja beide Suttas wortwörtlich überein und es wäre kein Grund einzusehen für die zweimalige Aufnahme in den Kanon. Einleuchtend ist aber andrerseits die Veranlassung der Einschiebung: die Nidānareihe erschien eben in Sutta 49 unvollständig und der Ergänzung bedürftig. Birmanische Manuskripte tragen oft die Merkmale gelehrter Überarbeitung, und als solche ist jene Einschiebung anzusehen.

 

1. Ort der Begebenheit: Sāvatthī.

 

2. "Nicht kommt, ihr Bhikkhus, einem wohl unterrichteten edlen Jünger folgender Gedanke: 'steht es wohl so (daß man fragen muß):

was muß vorhanden sein, damit was entsteht?

aus wessen Entstehung folgt die Entstehung von was?

was muß vorhanden sein, damit Gestaltungen entstehen?

was muß vorhanden sein, damit Bewußtsein entsteht?

was muß vorhanden sein, damit Name und Form entsteht?' usw. usw. (= 49. 2).

 

3. Sondern es besitzt, ihr Bhikkhus, ein wohl unterrichteter edler Jünger infolge seines ausschließlichen Vertrauens schon das Wissen hiervon: 'wenn jenes ist, tritt dieses ein; aus der Entstehung von jenem geht die Entstehung von diesem hervor:

wenn Nichtwissen vorhanden ist, entstehen Gestaltungen;

wenn Gestaltungen vorhanden sind, entsteht Bewußtsein;

wenn Bewußtsein vorhanden ist, entsteht Name und Form usw. usw.' (= 49.3).

 

4. Nicht kommt, ihr Bhikkhus, einem wohl unterrichteten edlen Jünger folgender Gedanke: 'steht es wohl so (daß man fragen muß):

was muß nicht vorhanden sein, damit was nicht entsteht?

aus wessen Aufhebung folgt die Aufhebung von was?

was muß nicht vorhanden sein, damit Gestaltungen nicht entstehen?

was muß nicht vorhanden sein, damit Bewußtsein nicht entsteht?

was muß nicht vorhanden sein, damit Name und Form nicht entsteht?' usw. usw. (= 49. 4).

 

5. Sondern es besitzt, ihr Bhikkhus, ein wohl unterrichteter edler Jünger infolge seines ausschließlichen Vertrauens schon das Wissen hiervon: 'wenn jenes nicht ist, tritt dieses nicht ein; aus der Aufhebung von jenem geht die Aufhebung von diesem hervor:

wenn Nichtwissen nicht vorhanden ist, entstehen Gestaltungen nicht;

wenn Gestaltungen nicht vorhanden sind, entsteht Bewußtsein nicht;

wenn Bewußtsein nicht ist, entsteht Name und Form nicht' usw. usw. (= 49. 5, 6)".


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