Vinaya Pitaka

Culla Vagga 5

V.35. LATRINENBAU

Zur damaligen Zeit ließen in einem Kloster die Mönche ihr Wasser hier und dort und überall auf dem Klostergelände. Das Klostergelände wurde verschmutzt. Das meldeten sie dem Erha­benen. "Ich erlaube, Mönche, nur auf einer Seite (des Klosters) Wasser zu lassen." Das Kloster stank. Das meldeten sie dem Erhabenen. "Ich erlaube einen Kübel." Darauf Sitzen tat weh.... "Ich erlaube eine Rinne." Die Rinne war von außen einzuse­hen, manche Mönche schämten sich, sie zu benutzen... "Ich erlaube drei Arten von Einzäunungen: aus Ziegeln, aus Steinen, aus Holz." Der offene Kübel begann zu stinken... "Ich erlaube einen Deckel."

 

In einem (anderen) Kloster schieden zur damaligen Zeit die Mönche ihren Kot hier und dort und überall auf dem Kloster­gelände aus. Das Klostergelände wurde verschmiert. Das melde­ten sie dem Erhabenen. "Ich erlaube, auf einer Seite eine Kot­grube auszuheben, Mönche." Das Kloster stank... "Ich erlaube einen Erdwall um die Grube, Mönche." Der Erdwall rutschte ein... "Ich erlaube zum Abstützen drei Arten von Stützen: aus Ziegelsteinen, aus Steinen, aus Holz." Die Umwallung war zu nahe am Boden; sie wurde überschwemmt... "Ich erlaube, sie höher aufzuschütten. "Die Aufschüttung fiel zusammen... "Ich erlaube als Umwallung drei Arten von Wällen: einen Ziegelstein-wall, einen Steinwall, einen Holzwall." Das Hinaufklettern war beschwerlich... "Ich erlaube drei Stufen aus Ziegelsteinen oder aus Stein oder aus Holz, Mönche. "Beim Treppensteigen stürz­ten manche... "Ich erlaube ein Geländer, Mönche. "Beim Sitzen auf der Kante fielen manche hinunter... "Ich erlaube, zum Kot­ausscheiden etwas (über die Grube) zu breiten mit einem Loch in der Mitte." Das Kotauscheiden im Kauern tat weh... "Ich erlaube einen Stuhl mit Lochauflage, Mönche." Der Abortsitz war offen und es stank... "Ich erlaube einen Abortdeckel" Beim Kotausscheiden unter freiem Himmel wurden sie von Hitze und Kälte belästigt... "Ich erlaube ein Abort-Häuschen." Das hatte keine Tür... "Ich erlaube eine Tür, Mönche."


Es folgen in CV V, 35 noch weitere Erlaubnisse, nachdem jede "Fortentwicklung", die über das Erledigen der Notdurft im Freien hinausging, eine Vielfalt von weiteren Bedarfsfäl­len nach sich zog: Kleiderhaken und Stricke zum Gewän­deraufhängen, ein Lehnstuhl für Altersschwache, eine Wand um das Aborthäuschen, ein Vordach, ein Behälter für Wasser zum Ausspülen usw. usw. Nachdem ihm solche Bedürfnisse vorgetragen worden waren, hielt der Buddha sich - außer in Extremfällen - nicht mit Erklärungen auf, es sei doch bisher auch so gegangen (auch heute noch gibt es indische Dörfer, in denen man ausnahmslos für ein menschliches Bedürfnis aufs freie Feld hinausgeht), sondern er gab eine Erlaubnis, damit so wenig wie möglich Aufmerksamkeit auf solche Weltdinge gelenkt wird, weil der Schaden durch Abziehen der Aufmerksamkeit von der Erziehung des Herzens durch den heilskundigen Geist zum Heilsziel weit größer wäre als ein Eingehen auf Bedürfnisse, die mancher in den Orden Eingetretener hat - auch hier ging es um den mittleren Weg.

 

Die Klostergründungen machten viele weitere Ordens-Regeln zur Organisation der Klöster nötig, die freilich nicht wie bei Klöstern anderer Religionen von einem dauernd dort wohnenden festen "Konvent" auszugehen brauchten; denn die Klöster waren ja als Rasthäuser für die durchwandernden "Bürger der vier Weltgegenden" und als Unterkünfte für die Regenzeit gedacht, in der die Mönche mit Rücksicht auf Wetter und junge Saaten nicht wandern durften. Trotz dieser größeren Flexibilität mußten in Klöstern einzelne Mönche mit Gemeinschaftsaufgaben betraut werden wie Bauaufsicht, Platzreservierungen, Unterricht über die Ordensregeln, Ver­meidung von Vorratsansammlungen, Verwaltung von Gemeinschaftseigentum, und es mußten ihnen Ämter anver­traut werden wie Speiseverteiler, Quartiermeister, Klein­kramverwahrer (z.B. Nadel und Faden, Scheren), Gewand­verwalter, Aufseher über Klosterhelfer, Novizenmeister. So bestand der Korb der Ordensregeln nicht, wie meist im We­sten angenommen wird, in einem System, das durch viele Verbote mit Strafandrohung zu blindem Gehorsam in Härte und Disziplin zwingen sollte, sondern weit mehr in einem in den wesentlichen asketischen Anliegen ehernen, aber fle­xiblen und feinfühligen Netz von praktischen Anleitungen für den mittleren Weg zum Wohlergehen des Ordens, wobei der Vollkommen Erwachte in seiner vollkommenen Selbst­losigkeit den Mönchen, die ja weitgehend nicht aus prakti­schen Berufen kamen, durch detaillierte praktische Anwei­sungen die Last abnahm, neben dem Erlernen von Lehre und Übung auch noch einen ins Gewicht fallenden Teil ih­rer Asketenzeit für das Erlernen von handwerklichen und planerischen Angelegenheiten aufbringen zu müssen. Der Erwachte gab also zwar keine Regel, solange ihm kein Bedarfsfall vorgetragen worden war; dann aber ersparte er den Mönchen durch ganz genaue, konkrete Anleitungen eigenes Kopfzerbrechen und den für eine spirituelle Gemeinschaft sonst entstehenden Umweg, in Weltdingen erst durch eige­nen Schaden klug zu werden. So spielte sich bald ein noch auf Jahrhunderte gesundes, seinem einzigen Erlösungszweck dienendes Ordensleben ein, das weltweit auch heute noch weitgehend den selben Regeln folgt wie vor 2.500 Jahren -der ältesten noch geltenden Gemeinschaftssatzung der Welt. [19]

 

Freilich gehörte dazu unabdingbar wie überall in der Welt, wo das Zusammenleben vieler Menschen geregelt werden muß, auch der Schutz der Gemeinschaft vor Verfehlungen, die das Asketentum zerstören würden, würde ihnen nicht Einhalt geboten. Das gilt vor allem auch für die im folgenden Ab­schnitt gezeigten zum Ausschluß führenden Vergehen.


[19] Aus rechtswissenschaftlicher Sicht vgl. dazu ausführlich Hecker, Allgemeine Rechtsgrundsätze in der buddh. Ordensverfassung; in: Verfassung und Recht in Übersee, 1995, S. 89-115


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