So habe ich es gehört:
Als der Erhabene einst in Anāthapindikas Bhikkhuheim im Jetahain bei Sāvatthi weilte, kam Mahapajāpati Gotami mit fünfhundert Bhikkhunis zu ihm, begrüßte ihn ehrfurchtsvoll, blieb stehen und bat ihn um Unterweisung der Bhikkhunis. Damals unterwiesen ältere Bhikkhus der Reihe nach die Bhikkhunis, nur der ehrwürdige Nāndaka wollte sie nicht unterrichten. Da fragte der Erhabene den ehrwürdigen Ānanda, wer an der Reihe sei, die Bhikkhunis zu unterrichten, und Ānanda sagte, Nāndaka sei jetzt an der Reihe, er wolle aber nicht. Nun beauftragte der Erhabene den ehrwürdigen Nāndaka, die Bhikkhunis zu unterrichten und Nāndaka gehorchte. Nachdem er in Sāvatthi Speise gesammelt hatte und zurückgekehrt war, ging er nach dem Mahle in Begleitung eines anderen Bhikkhus in den Königspark. Die Bhikkhunis sahen ihn kommen, bereiteten ihm einen Sitz und stellten Fußwaschwasser hin. Nāndaka setzte sich und wusch die Füße. Die Bhikkhunis begrüßten ihn ehrfurchtsvoll und setzten sich zu ihm, und Nāndaka sagte: «Es soll ein Gespräch mit Frage und Antwort werden. Wenn ihr verstanden habt, dann sagt: Verstanden; wenn ihr nicht verstanden habt, dann sagt: Nicht verstanden! Und wenn ihr irgendeinen Zweifel habt, dann fragt mich!» – «Herr Nāndaka», sagten die Bhikkhunis, «wir sind Euch sehr dankbar dafür, daß Ihr uns dazu auffordert.» Nun sprach Nāndaka:
«Liebe Schwestern, was meint ihr: Ist das Auge beständig oder unbeständig?» – «Herr, unbeständig.» – «Was unbeständig ist und sich verändern muß, kann man das mit Recht so betrachten: Dies ist mein, ich bin dies, dies ist mein Ich?» – «Nein, Herr!» – «Was meint ihr: Ist das Ohr, die Nase, die Zunge, der Leib, das Denkorgan beständig oder unbeständig?» – «Herr, unbeständig.» – «Was unbeständig ist und sich verändern muß, kann man das mit Recht so betrachten: «Dies ist mein, ich bin dies, dies ist mein Ich?» – «Nein, Herr, und zwar deshalb nicht, weil wir das schon früher richtig verstanden haben, wie es wirklich ist, und weil wir wohl eingesehen haben, daß die sechs inneren Sinnesgebiete unbeständig sind.»
«Gut, liebe Schwestern! Daß es wirklich so ist, sieht ein Edeljünger ein, wenn er es richtig verstanden hat. Und was meint ihr, liebe Schwestern: Sind die sichtbaren Gestalten, die Töne, die Düfte, die Säfte, die tastbaren Dinge und die Denkvorstellungen beständig oder unbeständig?» – «Herr, unbeständig.» – «Was unbeständig ist, ist das unbefriedigend oder beglückend?» – «Herr, unbefriedigend.» – «Was unbeständig, unbefriedigend und veränderlich ist, kann man das mit Recht so betrachten: <Dies ist mein, ich bin dies, dies ist mein Ich>?» – «Nein, Herr, und zwar deshalb nicht, weil wir schon früher richtig verstanden haben, wie es wirklich ist, und weil wir wohl eingesehen haben, daß die sechs äußeren Sinnesgebiete unbeständig sind.»
«Gut, liebe Schwestern! Daß es wirklich so ist, sieht ein Edeljünger ein, wenn er es richtig verstanden hat. Was meint ihr: Ist das Sehbewußtsein, das Hörbewußtsein, das Riechbewußtsein, das Schmeckbewußtsein, das Tastbewußtsein, das Denkbewußtsein beständig oder unbeständig?» – «Herr, unbeständig.» – «Was unbeständig ist, ist das unbefriedigend oder beglückend?» – «Herr, unbefriedigend.» – «Was unbeständig, unbefriedigend und veränderlich ist, kann man das mit Recht so betrachten: <Dies ist mein, ich bin dies, dies ist mein Ich>?» – «Nein Herr, und zwar deshalb nicht, weil wir schon früher richtig verstanden haben, wie es wirklich ist, und weil wir wohl eingesehen haben, daß die sechs Bewußtseinsarten unbeständig sind.»
«Gut, liebe Schwestern! Daß es wirklich so ist, sieht ein Edeljünger ein, wenn er es richtig verstanden hat. Das ist so wie bei einer brennenden Öllampe, deren Öl, deren Docht, deren Flamme und deren Licht unbeständig und veränderlich sind. Wenn etwa jemand sagte, an der Lampe seien zwar das Öl, der Docht und die Flamme unbeständig und veränderlich, aber das Licht sei beständig, ewig, dauernd, unveränderlich, – würde der wohl recht haben?» – «Nein, Herr, und zwar deshalb nicht, weil bei der Lampe wenn das Öl der Docht und die Flamme unbeständig und veränderlich sind, das Licht erst recht unbeständig und veränderlich ist.» – «Ebenso, liebe Schwestern, ist es, wenn etwa jemand sagte, zwar seien die sechs inneren Sinnesgebiete unbeständig und veränderlich, aber die Gefühle, die durch die inneren Sinnesgebiete entstehen, angenehme, unangenehme und gleichgültige, diese seien beständig, ewig, dauernd, unveränderlich. Würde dieser wohl recht haben?» – «Nein, Herr, und zwar deshalb nicht, weil die Entstehung der Gefühle von jenen abhängt, und wenn jene aufhören, dann hören auch die Gefühle auf.»
«Gut, liebe Schwestern! Daß es wirklich so ist, sieht ein Edeljünger ein, wenn er es richtig verstanden hat. Das ist so wie bei einem großen, starken, kerngesunden Baum, dessen Wurzel dessen Stamm, dessen Äste und Laub und dessen Schatten unbeständig und veränderlich sind. Wenn jemand sagte, zwar seien Wurzel, Stamm, Äste und Laub unbeständig und veränderlich, aber der Schatten sei beständig, ewig, dauernd, unveränderlich, – würde der wohl recht haben?» – «Nein, Herr, und zwar deshalb nicht, weil bei dem Baum, wenn die Wurzel, der Stamm, die Äste und das Laub unbeständig und veränderlich sind, der Schatten erst recht unbeständig und veränderlich ist.» – «So ist es, liebe Schwestern. Wenn jemand sagte, zwar seien die sechs äußeren Sinnesgebiete unbeständig und veränderlich, aber die Gefühle, die durch sie entstehen, seien beständig, ewig, dauernd, unveränderlich, – würde der wohl recht haben?» – «Nein, Herr, und zwar deshalb nicht, weil die Entstehung der Gefühle von jenen abhängt, und wenn jene verschwinden, dann verschwinden auch die Gefühle.»
«Gut, liebe Schwestern! Daß es wirklich so ist, sieht ein Edeljünger ein, wenn er es richtig verstanden hat. Nehmen wir an, ein Fleischer habe eine Kuh geschlachtet und mit einem scharfen Messer die Kuh zerlegt, ohne die inneren Fleischteile zu zerreißen und ohne das Fell zu beschädigen; er habe alle inneren Muskeln, Sehnen und Bänder mit scharfem Messer durchschnitten und mit dem Fell wieder zugedeckt. Wenn er dann sagte: Das hier ist die Kuh, verbunden mit ihrem Fell, – würde der wohl recht haben?» – «Nein Herr, und zwar deshalb nicht, weil die Kuh von ihrem Fell abgetrennt ist.» – «Liebe Schwestern, ich habe euch ein Gleichnis gegeben, um euch die Sache verständlich zu machen; und dies ist der Sinn davon: Das innere Fleisch sind die sechs inneren Sinnesgebiete; das Fell sind die sechs äußeren Sinnesgebiete; die inneren Muskeln, Sehnen und Bänder sind der triebhafte Wille; das scharfe Messer ist die edle Weisheit; diese edle Weisheit schneidet die inneren Unreinheiten, die inneren Fesseln, die inneren Bindungen ab.
Liebe Schwestern! Es gibt sieben Vorstufen zum Erwachen. Wenn man sie zum Entstehen bringt und fleißig übt, kann man die Anwandlungen abwehren und die anwandlungslose Befreiung des Geistes, die Befreiung durch Weisheit schon in diesem Leben selbst erkennen, sich klar machen und zu bleibendem Besitz gewinnen. Die sieben Vorstufen zum Erwachen sind: Achtsamkeit, Ergründung der Wahrheit, Tatkraft, freudige Begeisterung, innere Ruhe, Geistessammlung und Gleichmut, die durch Alleinsein, Begierdelosigkeit, Aufhören (des Haftens) und Loslassen gefördert werden.»
Nachdem Nāndaka den Bhikkhunis diese Unterweisung erteilt hatte, entließ er sie mit den Worten: «Nun geht, liebe Schwestern, es ist Zeit!» Darauf standen die Bhikkhunis auf, verabschiedeten sich ehrfurchtsvoll von Nāndaka, schritten rechts um ihn herum und gingen zum Erhabenen. Sie begrüßten ihn ehrfurchtsvoll und blieben stehen. Der Erhabene sagte: «Nun geht, liebe Schwestern, es ist Zeit!»
Bald nachdem sie fortgegangen waren, sprach der Erhabene zu den Bhikkhus: «Wie am vierzehnten Tage des Monats, vor dem Feiertag, viele Leute keinen Zweifel haben, daß nichts mehr am Vollmond fehle, obwohl er doch noch nicht voll ist, ebenso haben sich diese Bhikkhunis über Nāndakas Vortrag gefreut, aber sie haben ihn noch nicht ganz verstanden.» Dann forderte der Erhabene den ehrwürdigen Nāndaka auf, am folgenden Tage den Bhikkhunis den Vortrag noch einmal zu halten. Nāndaka erklärte sich dazu bereit und ging am nächsten Tage wieder in Begleitung eines anderen Bhikkhus zu den Bhikkhunis und hielt ihnen den Vortrag noch einmal. Wieder gingen die Bhikkhunis zum Erhabenen, und nachdem sie wieder fortgegangen waren, sprach der Erhabene zu den Bhikkhus: «wie am fünfzehnten Tage des Monats, am Feiertag, viele Leute keinen Zweifel haben daß nichts mehr am Vollmond fehle, und der Mond wirklich voll ist, ebenso haben sich die Bhikkhunis jetzt über Nāndakas Vortrag nicht nur gefreut, sondern sie haben ihn auch ganz verstanden. Von diesen fünfhundert Bhikkhunis ist auch die letzte schon in den Strom eingetreten, kann nicht mehr hinabsinken in tiefere Welten und ist sicher, einst zum vollen Erwachen zu gelangen.»
So sprach der Erhabene. Mit Freude und Dank nahmen die Bhikkhus seine Erklärung an.