Digha Nikāya - Die Längere Sammlung
1. Brahmajāla Sutta (Das Priesternetz)
1.4. Theorien über die Zukunft (Aparantakappikā)
„Es gibt, ihr Mönche, einige Priester und Asketen, die der Zukunft anhängen,
der Zukunft nachsinnen, über die Zukunft mancherlei Glaubenslehren ausbringen,
nach vierundvierzig Urständen. Diese ehrsamen Priester und Asketen nun, worauf
gründen sich die, worauf stützen sich die und hängen der Zukunft an, sinnen der
Zukunft nach und bringen über die Zukunft mancherlei Glaubenslehren aus, nach
vierundvierzig Urständen?
1.4.1. Lehre der bewußten Unsterblichkeit (Saññīvādo): Ansichten 19 - 34
„Es gibt, ihr Mönche, einige Priester und Asketen, die preisen das
Oben-Anschlagen (*3), behaupten Bewußtheit, legen die Seele, nachdem sie oben
angeschlagen hat, als bewußt aus, nach sechzehn Urständen. Diese ehrsamen
Priester und Asketen nun, worauf gründen sich die, worauf stützen sich die und
preisen das Oben-Anschlagen, behaupten Bewußtheit, legen die Seele, nachdem sie
oben angeschlagen hat, als bewußt aus, nach sechzehn Urständen?
- 'Formhaft ist die Seele, unveränderlich nach dem Tode, bewußt',
- 'Formlos ist die Seele, unveränderlich nach dem Tode, bewußt',
- 'Formhaft und formlos ist die Seele, unveränderlich nach dem Tode,
bewußt',
- 'Weder formhaft noch formlos ist die Seele, unveränderlich nach dem Tode,
bewußt',
- 'Endlich ist die Seele, unveränderlich nach dem Tode, bewußt',
- 'Unendlich ist die Seele, unveränderlich nach dem Tode, bewußt',
- 'Endlich und unendlich ist die Seele, unveränderlich nach dem Tode,
bewußt',
- 'Weder endlich noch unendlich ist die Seele, unveränderlich nach dem Tode,
bewußt',
- 'Einfach bewußt ist die Seele',
- 'Mannigfach bewußt ist die Seele',
- 'Beschränkt bewußt ist die Seele',
- 'Unermeßlich bewußt ist die Seele',
- 'Einzig freudvoll ist die Seele',
- 'Einzig leidvoll ist die Seele',
- 'Freudvoll und leidvoll ist die Seele',
- 'Weder freudvoll noch leidvoll ist die Seele, unveränderlich nach dem
Tode, bewußt',
so legen sie es aus.
„Danach, ihr Mönche, preisen jene Asketen und Priester das Oben-Anschlagen,
behaupten Bewußtheit, legen die Seele, nachdem sie oben angeschlagen hat, als
bewußt aus, nach den sechzehn Urständen. Denn wer da irgend, ihr Mönche, als ein
Asket oder Priester das Oben-Anschlagen preist, Bewußtheit behauptet, die Seele,
nachdem sie oben angeschlagen hat, als bewußt auslegt, ein jeder solche tut es
nach eben diesen sechzehn Urständen, nach dem einen oder dem anderen: es gibt
keine außerdem.
(*3) oben Anschlagen = 'uddham aghatanam' ist eine Redewendung und
bedeutet so viel wie sexuelle Energie in geistige Energie umwandeln, die im Sex
gebundene Energie nach oben in den Kopf zu bringen.
1.4.2. Lehre der unbewußten Unsterblichkeit (Asaññīvādo): Ansichten 35 -
42
„Es gibt, ihr Mönche, einige Priester und Asketen, die preisen das
Oben-Anschlagen, behaupten Unbewußtheit, legen die Seele, nachdem sie oben
angeschlagen hat, als unbewußt aus, nach acht Urständen. Diese ehrsamen Priester
und Asketen nun, worauf gründen sich die, worauf stützen sich die und preisen
das Oben-Anschlagen, behaupten Unbewußtheit, legen die Seele, nachdem sie oben
angeschlagen hat, als unbewußt aus, nach acht Urständen?
- 'Formhaft ist die Seele, unveränderlich nach dem Tode, unbewußt'
- 'Formlos ist die Seele, unveränderlich nach dem Tode, unbewußt'
- 'Formhaft und formlos ist die Seele, unveränderlich nach dem Tode,
unbewußt'
- 'Weder formhaft noch formlos ist die Seele, unveränderlich nach dem Tode,
unbewußt'
- 'Endlich ist die Seele, unveränderlich nach dem Tode, unbewußt'
- 'Unendlich ist die Seele, unveränderlich nach dem Tode, unbewußt'
- 'Endlich und unendlich ist die Seele, unveränderlich nach dem Tode,
unbewußt'
- 'Weder endlich noch unendlich ist die Seele, unveränderlich nach dem Tode
unbewußt',
so legen sie es aus.
„Danach, ihr Mönche, preisen jene Asketen und Priester das Oben-Anschlagen,
behaupten Unbewußtheit, legen die Seele, nachdem sie oben angeschlagen hat, als
unbewußt aus, nach den acht Urständen. Denn wer da irgend, ihr Mönche, als ein
Asket oder Priester das Oben-Anschlagen preist, Unbewußtheit behauptet, die
Seele, nachdem sie oben angeschlagen hat, als unbewußt auslegt, ein jeder solche
tut es nach eben diesen acht Urständen, nach dem einen oder dem anderen: es gibt
keine außerdem.
1.4.3. Lehre der weder bewußten noch unbewußten Unsterblichkeit
(Nevasaññīnāsaññīvādo): Ansichten 43 - 50
„Es gibt, ihr Mönche, einige Priester und Asketen, die preisen das
Oben-Anschlagen, behaupten weder Bewußtheit noch Unbewußtheit, legen die Seele,
nachdem sie oben angeschlagen hat, als weder bewußt noch unbewußt aus, nach acht
Urständen. Diese ehrsamen Priester und Asketen nun, worauf gründen sich die,
worauf stützen sich die und preisen das Oben-Anschlagen, behaupten weder
Bewußtheit noch Unbewußtheit, legen die Seele, nachdem sie oben angeschlagen
hat, als weder bewußt noch unbewußt aus, nach acht Urständen?
- 'Formhaft ist die Seele, unveränderlich nach dem Tode, weder bewußt noch
unbewußt',
- 'Formlos ist die Seele, unveränderlich nach dem Tode, weder bewußt noch
unbewußt',
- 'Formhaft und formlos ist die Seele, unveränderlich nach dem Tode, weder
bewußt noch unbewußt',
- 'Weder formhaft noch formlos ist die Seele, unveränderlich nach dem Tode,
weder bewußt noch unbewußt',
- 'Endlich ist die Seele, unveränderlich nach dem Tode, weder bewußt noch
unbewußt',
- 'Unendlich ist die Seele, unveränderlich nach dem Tode, weder bewußt noch
unbewußt',
- 'Endlich und unendlich ist die Seele, unveränderlich nach dem Tode, weder
bewußt noch unbewußt',
- 'Weder endlich noch unendlich ist die Seele, unveränderlich nach dem Tode,
weder bewußt noch unbewußt', so legen sie es aus.
„Danach, ihr Mönche, preisen jene Asketen und Priester das Oben-Anschlagen,
behaupten weder Bewußtheit noch Unbewußtheit, legen die Seele, nachdem sie oben
angeschlagen hat, als weder bewußt noch unbewußt aus, nach den acht Urständen.
Denn wer da irgend, ihr Mönche, als ein Asket oder Priester das Oben-Anschlagen
preist, weder Bewußtheit noch Unbewußtheit behauptet, die Seele, nachdem sie
oben angeschlagen hat, als weder bewußt noch unbewußt auslegt, ein jeder solche
tut es nach eben diesen acht Urständen, nach dem einen oder dem anderen: es gibt
keine außerdem.
- „Da erkennt denn, ihr Mönche, der Vollendete: 'Solche Ansichten, also
angenommen, also beharrlich erworben, lassen dahin gelangen, lassen eine
solche Zukunft erwarten. Das erkennt der Vollendete, und erkennt was darüber
hinausreicht. Bei dieser Erkenntnis beharrt er aber nicht, und weil er dabei
nicht beharrt findet er Einkehr eben in sich: und weil er der Gefühle Aufgang
und Untergang, Labsal und Elend und Überwindung wirklich verstanden bat, ist
ohne Anhangen abgelöst, ihr Mönche, der Vollendete.
„Das sind, ihr Mönche, die Dinge, die tief sind, schwer zu entdecken, schwer
zugewahren, stille, erlesene, unbekrittelbare, feine, Weisen erfindliche, die
der Vollendete selbst verstanden, sich offenbar gemacht hat und dann kennen
lehrt, um welche man über den Vollendeten nach Gebühr ein günstiges Urteil
richtig fällen mag.
1.4.4. Die Lehre der Vernichtung (Ucchedavādo): Ansichten 51 - 57
„Es gibt, ihr Mönche, einige Priester und Asketen, die Zerstörung behaupten,
des lebendigen Wesens Zerstörung, Vernichtung, Aufhebung ankünden, nach sieben
Urständen. Diese ehrsamen Priester und Asketen nun, worauf gründen sich die,
worauf stützen sich die und behaupten Zerstörung, künden des lebendigen Wesens
Zerstörung, Vernichtung, Aufhebung an, nach sieben Urständen?
„Danach, ihr Mönche, behaupten jene Asketen und Priester Zerstörung, künden
des lebendigen Wesens Zerstörung, Vernichtung, Aufhebung an, nach den sieben
Urständen. Denn wer da irgend, ihr Mönche, als ein Asket oder Priester
Zerstörung behauptet, des lebendigen Wesens Zerstörung, Vernichtung, Aufhebung
ankündet, ein jeder solche tut es nach eben diesen sieben Urständen, nach dem
einen oder dem anderen: es gibt keine außerdem.
- „Da erkennt denn, ihr Mönche, der Vollendete: 'Solche Ansichten, also
angenommen, also beharrlich erworben, lassen dahin gelangen, lassen eine
solche Zukunft erwarten.' Das erkennt der Vollendete, und erkennt was darüber
hinausreicht. Bei dieser Erkenntnis beharrt er aber nicht, und weil er dabei
nicht beharrt findet er Einkehr eben in sich: und weil er der Gefühle Aufgang
und Untergang, Labsal und Elend und Überwindung wirklich verstanden hat, ist
ohne Anhangen abgelöst, ihr Mönche, der Vollendete.
„Das sind, ihr Mönche, die Dinge, die tief sind, schwer zu entdecken, schwer
zugewahren, stille, erlesene, unbekrittelbare, feine, Weisen erfindliche, die
der Vollendete selbst verstanden, sich offenbar gemacht hat und dann kennen
lehrt, um welche man über den Vollendeten nach Gebühr ein günstiges Urteil
richtig fällen mag.
1.4.5. Die Lehre des Wohlbefindens bei Lebzeiten
(Diṭṭhadhammanibbānavādo): Ansichten 58 - 62
„Es gibt, ihr Mönche, einige Priester und Asketen, die Wohlbefinden bei
Lebzeiten behaupten des lebendigen Wesens vollkommenes Wohlbefinden bei
Lebzeiten ankünden, nach fünf Urständen. Diese ehrsamen Priester und Asketen
nun, worauf gründen sich die, worauf stützen sich die und behaupten Wohlbefinden
bei Lebzeiten, künden des lebendigen Wesens vollkommenes Wohlbefinden bei
Lebzeiten an, nach fünf Urständen?
„Danach, ihr Mönche, behaupten jene Asketen und Priester Wohlbefinden bei
Lebzeiten, künden des lebendigen Wesens vollkommenes Wohlbefinden bei Lebzeiten
an, nach den fünf Urständen. Denn wer da irgend, ihr Mönche, als ein Asket oder
Priester Wohlbefinden bei Lebzeiten behauptet, des lebendigen Wesens
vollkommenes Wohlbefinden bei Lebzeiten ankündet, ein jeder solche tut es nach
eben diesen fünf Urständen, nach dem einen oder dem anderen: es gibt keine
außerdem.
„Da erkennt denn, ihr Mönche, der Vollendete: 'Solche Ansichten, also
genommen, also beharrlich erworben, lassen dahin gelangen, lassen eine solche
Zukunft erwarten.' Das erkennt der Vollendete, und erkennt was darüber
hinausreicht. Bei dieser Erkenntnis beharrt er aber nicht, und weil er dabei
nicht beharrt findet er Einkehr eben in sich; und weil er der Gefühle Aufgang
und Untergang, Labsal und Elend und Überwindung wirklich verstanden hat, ist
ohne Anhangen abgelöst, ihr Mönche, der Vollendete.
Das sind, ihr Mönche, die Dinge, die tief sind, schwer zu entdecken, schwer
zu gewahren, stille, erlesene, unbekrittelbare, feine, Weisen erfindliche, die
der Vollendete selbst verstanden, sich offenbar gemacht hat und dann kennen
lehrt, um welche man über den Vollendeten nach Gebühr ein günstiges Urteil
richtig fällen mag.
„Danach, ihr Mönche, hängen jene Asketen und Priester der Zukunft an, sinnen
der Zukunft nach, bringen über die Zukunft mancherlei Glaubenslehren aus, nach
den vierundvierzig Urständen. Denn wer da irgend, ihr Mönche, als ein Asket oder
Priester der Zukunft anhängt, der Zukunft nachsinnt, über die Zukunft mancherlei
Glaubenslehren ausbringt, ein jeder solche tut es nach eben diesen
vierundvierzig Urständen, nach dem einen oder dem anderen: es gibt keine
außerdem.
„Danach, ihr Mönche, hängen jene Asketen und Priester der Vergangenheit an
und hängen der Zukunft an, hängen der Vergangenheit und der Zukunft an, sinnen
der Vergangenheit und der Zukunft nach, bringen über Vergangenheit und Zukunft
mancherlei Glaubenslehren aus, nach den zweiundsechzig Urständen [4]. Denn wer
da irgend, ihr Mönche, als ein Asket oder Priester der Vergangenheit anhängt,
der Zukunft anhängt, der Vergangenheit oder der Zukunft anhängt, der
Vergangenheit oder der Zukunft nachsinnt, über Vergangenheit oder Zukunft
mancherlei Glaubenslehren ausbringt, ein jeder solche tut es nach eben diesen
zweiundsechzig Urständen, nach dem einen oder dem anderen: es gibt keine
außerdem.
[Fortgesetzt]
[4] diese hier vorgebrachten zweiundsechzig Urstände scheinen die Grundlagen
all der verschiedenen Ansichten und Lehren über die Welt zusammenzufassen; die
Satzung Buddhas kann endlich als die dreiundsechzigste und letzte gezählt
werden.