Digha Nikāya - Die Längere Sammlung
1. Brahmajāla Sutta (Das Priesternetz)
1.3. Theorien über die Vergangenheit (Pubbantakappikā)
„Es gibt, ihr Mönche, eben andere Dinge, tiefe, schwer zu entdeckende, schwer
zu gewahrende, stille, erlesene, unbekrittelbare, feine, Weisen erfindliche, die
der Vollendete selbst verstanden, sich offenbar gemacht hat und dann kennen
lehrt, um welche man über den Vollendeten nach Gebühr ein günstiges Urteil
richtig fällen mag.
Was sind das aber, ihr Mönche, für Dinge, tiefe, schwer zu entdeckende,
schwer zu gewahrende, stille, erlesene, unbekrittelbare, feine, Weisen
erfindliche, die der Vollendete selbst verstanden, sich offenbar gemacht hat und
dann kennen lehrt, um welche man über den Vollendeten nach Gebühr ein günstiges
Urteil richtig fällen mag?
„Es gibt, ihr Mönche, einige Priester und Asketen, die der Vergangenheit
anhängen, der Vergangenheit nachsinnen, über die Vergangenheit mancherlei
Glaubenslehren ausbringen, nach achtzehn Urständen. Diese ehrsamen Priester und
Asketen nun, worauf gründen sich die, worauf stützen sich die und hängen der
Vergangenheit an, sinnen der Vergangenheit nach und bringen über die
Vergangenheit mancherlei Glaubenslehren aus, nach achtzehn Urständen?
1.3.1. Ewigkeit (Sassatavādo): Ansichten 1 - 4
„Es gibt, ihr Mönche, einige Priester und Asketen, die Ewigkeit behaupten,
die Seele und Welt als ewig auslegen, nach vier Urständen. [Es sei hier gesagt,
daß es eine Seele (ein Wesen) im herkömmlichen Sinn in der Lehre Buddhas nicht
gibt]. Diese ehrsamen Priester und Asketen nun, worauf gründen sich die, worauf
stützen sich die und behaupten Ewigkeit, legen Seele und Welt als ewig aus, nach
vier Urständen?
„Danach, ihr Mönche, behaupten jene Asketen und Priester Ewigkeit, legen
Seele und Welt als ewig aus, nach den vier Urständen. Den wer da irgend, ihr
Mönche, als ein Asket oder Priester Ewigkeit behauptet, Seele und Welt als ewig
auslegt, ein jeder solche tut es nach eben diesen vier Urständen, nach dem einen
oder dem anderen: es gibt keine außerdem.
- „Da erkennt denn, ihr Mönche, der Vollendete: 'Solche Ansichten, also
angenommen, also beharrlich erworben, lassen dahin gelangen, lassen eine
solche Zukunft erwarten.' Das erkennt der Vollendete, und erkennt was darüber
hinausreicht. Bei dieser Erkenntnis beharrt er aber nicht, und weil er dabei
nicht beharrt, findet er Einkehr eben in sich, und weil er der Gefühle Aufgang
und Untergang, Labsal und Elend und Überwindung wirklich verstanden hat, ist
ohne Anhangen abgelöst, ihr Mönche, der Vollendete.
„Das sind ihr Mönche, die Dinge, die tief sind, schwer zu entdecken, schwer
zu gewahren, stille, erlesene, unbekrittelbare, feine, Weisen erfindliche, die
der Vollendete selbst verstanden, sich offenbar gemacht hat und dann kennen
lehrt, um welche man über den Vollendeten nach Gebühr ein günstiges Urteil
richtig fällen mag.
1.3.2. Teilweise Ewigkeit (Ekaccasassatavādo): Ansichten 5 - 8
„Es gibt, ihr Mönche, einige Priester und Asketen, die teils Ewigkeit, teils
Zeitlichkeit behaupten, die Seele und Welt als teils ewig, teils zeitlich
auslegen, nach vier Urständen. Diese ehrsamen Priester und Asketen nun, worauf
gründen sich die, worauf stützen sich die und behaupten teils Ewigkeit, teils
Zeitlichkeit, legen Seele und Welt als teils ewig, teils zeitlich aus, nach vier
Urständen?
- „Nun hat, ihr Mönche, das Wesen, das zuerst herabgesunken ist, eine
längere Lebensdauer, eine höhere Anmut, eine größere Macht; während die
Wesen, die später nachgekommen sind, geringere Lebensdauer, geringere Anmut,
geringere Macht haben. Es mag aber wohl, ihr Mönche, geschehn, daß eines der
Wesen diesem Reich entschwindet und hienieden Dasein erlangt. Hienieden zu
Dasein gelangt wird ihm das Haus zuwider, als Pilger zieht er von dannen.
Ohne Haus und Heim hat er als Pilger in heißer Buße, in stetem Kampfe, in
ernster Übung, in unermüdlichem Eifer, in tiefer Bedachtsamkeit eine
geistige Einigung errungen, wo er innig im Herzen seiner früheren
Daseinsform sich erinnert, darüber hinaus aber nicht sich erinnert. Der sagt
sich nun: 'Er, der der liebe Brahma ist, der große Brahma, der Übermächtige,
der Unübermächtigte, der Allsehende, der Selbstgewaltige, der Herr, der
Schöpfer, der Erschaffer, der Höchste, der Erzeuger, der Erhalter, der Vater
von allem was da war und sein wird, von dem wir, dem lieben Brahma,
erschaffen sind: er ist unvergänglich, beständig, ewig, unwandelbar, ewig
gleich wird er immer so bleiben; während wir, die wir von ihm, dem lieben
Brahma, erschaffen wurden, vergänglich sind, unbeständig, kurzlebig, sterben
müssen, hienieden zur Welt gekommen.' - Das ist, ihr Mönche, der erste
Standort, auf den sich da manche Asketen und Priester gründen und stützen
und teils Ewigkeit, teils Zeitlichkeit behaupten, Seele und Welt als teils
ewig, teils zeitlich auslegen.
- „Da erkennt denn, ihr Mönche, der Vollendete: 'Solche Ansichten, also
angenommen, also beharrlich erworben, lassen dahin gelangen, lassen eine
solche Zukunft erwarten.' Das erkennt der Vollendete, und erkennt was darüber
hinausreicht. Bei dieser Erkenntnis beharrt er aber nicht, und weil er dabei
nicht beharrt findet er Einkehr eben in sich: und weil er der Gefühle Aufgang
und Untergang, Labsal und Elend und Überwindung wirklich verstanden hat, ist
ohne Anhangen abgelöst, ihr Mönche, der Vollendete.
„Das sind, ihr Mönche, die Dinge, die tief sind, schwer zu entdecken, schwer
zu gewahren, stille, erlesene, unbekrittelbare, feine, Weisen erfindliche, die
der Vollendete selbst verstanden, sich offenbar gemacht hat und dann kennen
lehrt, um welche man über den Vollendeten nach Gebühr ein günstiges Urteil
richtig fällen mag.
1.3.3. Endlich und Unendlichkeit der Welt (Antānantavādo): Ansichten 9 -
12
„Es gibt, ihr Mönche, einige Priester und Asketen, die Endlichkeit und
Unendlichkeit behaupten, die Welt als endlich und als unendlich auslegen, nach
vier Urständen. Diese ehrsamen Priester und Asketen nun, worauf gründen sich
die, worauf stützen sich die und behaupten Endlichkeit und Unendlichkeit, legen
die Welt als endlich und als unendlich aus, nach vier Urständen?
„Das ist, ihr Mönche, der vierte Standort, auf den sich da manche Asketen und
Priester gründen und stützen und Endlichkeit und Unendlichkeit behaupten, die
Welt als endlich und als unendlich auslegen.
„Danach, ihr Mönche, behaupten jene Asketen und Priester Endlichkeit und
Unendlichkeit, legen die Welt als endlich und als unendlich aus, nach den vier
Urständen. Denn wer da irgend, ihr Mönche, als ein Asket oder Priester
Endlichkeit und Unendlichkeit behauptet, die Welt als endlich und als unendlich
auslegt, ein jeder solche tut es nach eben diesen vier Urständen, nach dem einen
oder dem anderen: es gibt keine außerdem.
- „Da erkennt denn, ihr Mönche, der Vollendete: Solche Ansichten, also
angenommen, also beharrlich erworben, lassen dahin gelangen, lassen eine
solche Zukunft erwarten. Das erkennt der Vollendete, und erkennt was darüber
hinausreicht. Bei dieser Erkenntnis beharrt er aber nicht, und weil er dabei
nicht beharrt findet er Einkehr eben in sich: und weil er der Gefühle Aufgang
und Untergang, Labsal und Elend und Überwindung wirklich verstanden hat, ist
ohne Anhangen abgelöst, ihr Mönche, der Vollendete.
„Das sind, ihr Mönche, die Dinge, die tief sind, schwer zu entdecken, schwer
zu gewahren, stille, erlesene, unbekrittelbare, feine, Weisen erfindliche, die
der Vollendete selbst verstanden, sich offenbar gemacht hat und dann kennen
lehrt, um welche man über den Vollendeten nach Gebühr ein günstiges Urteil
richtig fällen mag.
1.3.4. Lehre der Wortverdreher (Amarāvikkhepavādo): Ansichten 13 - 16
„Es gibt, ihr Mönche, einige Priester und Asketen, die sind Verwickler der
Nabelschnur. Um dies oder das mit einer Frage angegangen verwickeln sie da die
Worte, verwickeln die Nabelschnur, nach vier Urständen. Diese ehrsamen Priester
und Asketen nun, worauf gründen sich die, worauf stützen sich die als Verwickler
der Nabelschnur, während sie um dies oder das mit einer Frage angegangen, die
Worte verwickeln, die Nabelschnur verwickeln, nach vier Urständen?
„Das ist, ihr Mönche, der vierte Standort, auf den sich da manche Asketen und
Priester gründen und stützen als Verwickler der Nabelschnur, während sie um dies
oder das mit einer Frage angegangen, die Worte verwickeln, die Nabelschnur
verwickeln.
„Danach, ihr Mönche, sind jene Asketen und Priester Verwickler der
Nabelschnur und verwickeln da, um dies oder das mit einer Frage angegangen, die
Worte, verwickeln die Nabelschnur, nach den vier Urständen. Denn wer da irgend,
ihr Mönche, als ein Asket oder Priester Verwickler der Nabelschnur ist, um dies
oder das mit einer Frage angegangen, die Worte verwickelt, die Nabelschnur
verwickelt, ein jeder solche tut es nach eben diesen vier Urständen, nach dem
einen oder dem anderen: es gibt keine außerdem.
- „Da erkennt denn, ihr Mönche, der Vollendete: 'Solche Ansichten, also
angenommen, also beharrlich erworben, lassen dahin gelangen, lassen eine
solche Zukunft erwarten.' Das erkennt der Vollendete, und erkennt was darüber
hinausreicht. Bei dieser Erkenntnis beharrt er aber nicht, und weil er dabei
nicht beharrt findet er Einkehr eben in sich: und weil er der Gefühle Aufgang
und Untergang, Labsal und Elend und Überwindung wirklich verstanden hat, ist
ohne Anhangen abgelöst, ihr Mönche, der Vollendete.
„Das sind, ihr Mönche, die Dinge, die tief sind, schwer zu entdecken, schwer
zu gewahren, stille, erlesene, unbekrittelbare, feine, Weisen erfindliche, die
der Vollendete selbst verstanden, sich offenbar gemacht hat und dann kennen
lehrt, um welche man über den Vollendeten nach Gebühr ein günstiges Urteil
richtig fällen mag.
1.3.5. Die Lehre der Zufälligen Abstammung (Adhiccasamuppannavādo):
Ansichten 17 - 18
„Es gibt, ihr Mönche, einige Priester und Asketen, die bezeichnen das Denken
als den Ursprung der Dinge, legen Seele und Welt als dem Denken entsprossen aus,
nach zwei Urständen. Diese ehrsamen Priester und Asketen nun, worauf gründen
sich die, worauf stützen sich die und bezeichnen das Denken als den Ursprung der
Dinge, legen Seele und Welt als dem Denken entsprossen aus, - nach zwei
Urständen ?
[Fortgesetzt]
[2]
Obzwar in finsterer Öde kreisend ohne Tag und Nacht, wunschglühend, hält dieses
allmählich sinkende Wesen sich für den Vater von allem usw., nach der nicht- und
vorbuddhistischen "Rksamhita X,129", doch ist ein solches dafürhalten eben nur
ein Wahn, eine mangelhafte Erinnerung, offenbar auch eine himmlische
Gedächtnisschwäche. Denn der liebe Brahma (im Christentum als der "liebe Gott"
populär) wird in der 49. Rede des Majjhima
Nikaya von dem Asket Gotama heimgesucht und freundlich belehrt, daß es noch drei
feinere Arten des Daseins gebe, wohin sein Kennen und Sehn nicht reicht: "Es
gibt, Brahma, eine leuchtende Art des Daseins, aus dieser verschieden bist du
hier erschienen, wo dir im Laufe deines ungemein langen Verweilens die
Erinnerung daran entschwunden ist; (Lebensalter verschiedener Götter siehe
Anguttara Nikaya A.III.71;
A.IV.123;
A.VIII.44) daher kennst du und
siehst sie nicht, die ich kenne und sehe. Und es gibt, Brahma, eine strahlende
Art des Daseins, und es gibt, Brahma, eine gewaltige Art des Daseins: die kennst
du nicht und siehst sie nicht, die ich kenne und sehe. Und somit bin ich dir,
Brahma, nicht nur gleich an Erkenntnis, geschweige daß ich unter dir stände,
sondern bin dir weit überlegen."