Digha Nikāya - Die Längere Sammlung

34.8 Dasuttara Sutta, Die Zehnerfolge

Acht Dinge:

Acht Dinge, ihr Brüder, sind wertzuhalten, acht Dinge auszubilden, acht Dinge zu durchschauen, acht Dinge aufzuheben, acht Dinge bringen Nachteil, acht Dinge bringen Vorteil, acht Dinge sind schwer zu treffen, acht Dinge sind zu erzeugen, acht Dinge sind zu verstehen, acht Dinge sind zu verwirklichen.

«Was für acht Dinge sind wertzuhalten?

Acht Anlässe, acht Umstände, die auf das Urasketentum hinweisen, die unerreichte Weisheit erreichen, die erreichte sich weiterentwickeln, erschließen, entfalten, erfüllen lassen: und welche acht sind das? 

  1. Da weilt, ihr Brüder, ein Mönch in der Nähe des Meisters oder irgend eines vollgültigen Ordensbruders, wobei er in tiefer Demut und Zermürbung beflissen wird, Liebe und Ergebenheit gewinnt. Das ist der erste Anlaß, der erste Umstand, der auf das Urasketentum hinweist, die unerreichte Weisheit erreichen, die erreichte sich weiterentwickeln, erschließen, entfalten, erfüllen läßt. 

  2. Da weilt er denn in der Nähe des Meisters oder irgend eines vollgültigen Ordensbruders, wobei er in tiefer Demut und Zermürbung beflissen wird, Liebe und Ergebenheit gewinnt; und von Zeit zu Zeit tritt er an sie heran, fragt und erkundigt sich: <Wie ist das, o Herr, was ist der Sinn davon?> Und jene Ehrwürdigen eröffnen ihm aldann das Uneröffnete, klären ihm das Unaufgeklärte auf, lösen ihm bei Dingen, die vielfach bezweifelbar sind, den Zweifel. Das ist der zweite Anlaß, der zweite Umstand, der auf das Urasketentum hinweist, die unerreichte Weisheit erreichen, die erreichte sich weiterentwickeln, erschließen, entfalten, erfüllen läßt (M.33).

  3. Hat er aber dann die Satzung erfahren, so beginnt er doppelt um Entrückung zu kämpfen, um körperliche Entrückung und um geistige Entrückung. Das ist der dritte Anlaß, der dritte Umstand, der auf das Urasketentum hinweist, die unerreichte Weisheit erreichen, die erreichte sich weiterentwickeln, erschließen, entfalten, erfüllen läßt. 

  4. Weiter sodann, ihr Brüder: ein Mönch ist tugendhaft, in reiner Zucht richtig gezügelt bleibt er lauter im Handel und Wandel: vor geringstem Fehl auf der Hut kämpft er beharrlich weiter, Schritt um Schritt. Das ist der vierte Anlaß, der vierte Umstand, der auf das Urasketentum hinweist, die unerreichte Weisheit erreichen, die erreichte sich weiterentwickeln, erschließen, entfalten, erfüllen läßt. 

  5. Weiter sodann, ihr Brüder: ein Mönch hat viel gehört, ist Behälter des Wortes, Hort des Wortes der Lehre; und was da am Anfang begütigt, in der Mitte begütigt, am Ende begütigt und sinn- und wortgetreu das vollkommen geläuterte, geklärte Asketentum überliefert das kennt er, behält er, beherrscht er mit der Rede, bewahrt es im Gedächtnis, hat es von Grund aus verstanden. Das ist der fünfte Anlaß, der fünfte Umstand, der auf das Urasketentum hinweist, die unerreichte Weisheit erreichen, die erreichte sich weiterentwickeln, erschließen, entfalten, erfüllen läßt. 

  6. Weiter sodann, ihr Brüder: ein Mönch hat Mut und Kraft unheilsame Dinge zu verleugnen und heilsame Dinge zu erringen, er dauert stark und standhaft aus, gibt den heilsamen Kampf nicht auf. Das ist der sechste Anlaß, der sechste Umstand, der auf das Urasketentum hinweist, die unerreichte Weisheit erreichen, die erreichte sich weiterentwickeln, erschließen, entfalten, erfüllen läßt. 

  7. Weiter sodann, ihr Brüder: ein Mönch hat Einsicht, ist mit höchster Geistesgegenwart begabt: was da einst getan, einst gesagt wurde, daran denkt er, daran erinnert er sich. Das ist der siebente Anlaß, der siebente Umstand, der auf das Urasketentum hinweist, die unerreichte Weisheit erreichen, die erreichte sich weiterentwickeln, erschließen, entfalten, erfüllen läßt. 

  8. Weiter sodann, ihr Brüder: ein Mönch beobachtet wie die fünf Stücke des Anhangens entstehen und vergehen: <So ist die Form, so entsteht sie, so löst sie sich auf; so ist das Gefühl, so entsteht es, so löst es sich auf; so ist die Wahrnehmung, so entsteht sie, so löst sie sich auf; so sind die Unterscheidungen, so entstehen sie, so lösen sie sich auf; so ist das Bewußtsein, so entsteht es, so löst es sich auf.> Das ist der achte Anlaß, der achte Umstand, der auf das Urasketentum hinweist, die unerreichte Weisheit erreichen, die erreichte sich weiterentwickeln, erschließen, entfalten, erfüllen läßt; 

diese acht Dinge sind wertzuhalten.

Was für acht Dinge sind auszubilden?

Der heilige achtfältige Weg, und zwar: rechte Erkenntnis, rechte Gesinnung, rechte Rede, rechtes Handeln, rechtes Wandeln, rechtes Mühen, rechte Einsicht, rechte Einigung; diese acht Dinge sind auszubilden.

Was für acht Dinge sind zu durchschauen?

Acht weltliche Dinge:

diese acht Dinge sind zu durchschauen.

Was für acht Dinge sind aufzuheben?

Acht Falschheiten:

diese acht Dinge sind aufzuheben.

Was für acht Dinge bringen Nachteil?

Acht Zustände der Abspannung: 

das sind acht Zustände der Abspannung, acht Dinge, die Nachteil bringen.

Was für acht Dinge bringen Vorteil?

Acht Zustände der Anspannung: 

das sind acht Zustände der Anspannung, acht Dinge, die Vorteil bringen.

Was für acht Dinge sind schwer zu treffen?

Asketenschaft, achtmal ungeeignet nach Zeit und Ort: 

da ist Asketenschaft achtmal ungeeignet nach Zeit und Ort, das sind acht Dinge, die schwer zu treffen sind (*130).

Was für acht Dinge sind zu erzeugen?

Acht Gedanken eines großen Mannes: 

diese acht Dinge sind zu erzeugen (*131).

Was für acht Dinge sind zu verstehen?

Acht Grade der Überwindung: innen nimmt man Formen wahr - innen ohne Formwahrnehmung - außen sieht man Formen, wenig - außen sieht man Formen, unermeßlich - blaue - gelbe - rote - weiße - solche überwindend sagt man sich <Ich weiß es, ich seh' es>, nimmt es also wahr: diese acht Dinge sind zu verstehen (*132).

Was für acht Dinge sind zu verwirklichen?

Acht Freiungen (vimokhā):

diese acht Dinge sind zu verwirklichen.

So sind das achtzig Dinge, wahre, echte, wirkliche, nicht unwirkliche, unveränderliche, die der Vollendete vollkommen erkundet hat. -


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(*130) Eine Ausführung der hier wie früher vorgetragenen Gedanken, über die Schwierigkeit und Seltenheit das Rechte kennenzulernen, findet man im Anguttaranikāyo I.19, übersetzt in meiner Buddhistischen Anthologie, Leiden 1892, S. 104-108. 

Besonders wichtig ist auch das zugehörige Gleichnis von der Schildkröte, in der 129. Rede der Mittleren Sammlung gegeben. Es ist im Samy. 56.47 wiederholt, und zwar ist es an letzterem Orte, genau unserem obigen Gedankengang entsprechend, etwas ausführlicher behandelt: daher es hier folgen mag. 

«Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn diese große Erde gänzlich mit Wasser bedeckt wäre, und es hätte ein Mann eine einkehlige Reuse hineingeworfen; die würde da vom östlichen Winde nach Westen getrieben, vom westlichen Winde nach Osten getrieben, vom nördlichen Winde nach Süden getrieben, vom südlichen Winde nach Norden getrieben; und es wäre da eine einäugige Schildkröte, die von hundert zu hundert Jahren immer je einmal emportauchte; was meint ihr nun, Mönche: sollte da etwa die einäugige Schildkröte, die von hundert zu hundert Jahren immer je einmal emportaucht, in jene einkehlige Reuse mit ihrem Halse hineingeraten?» - 

«Nur selten mag es sein, o Herr, daß eine solche einäugige Schildkröte, die von hundert zu hundert Jahren immer je einmal emportaucht, in jene einkehlige Reuse mit ihrem Halse hineingeraten kann.» - 

«So selten auch nur ist es, ihr Mönche, daß man die Menschheit erlangt; so selten auch nur ist es, ihr Mönche, daß ein Vollendeter in der Welt erscheint, ein Heiliger, vollkommen Erwachter; so selten auch nur ist es, ihr Mönche, daß eine von einem Vollendeten kundgetane Lehre und Ordnung in der Welt leuchtet. Da ist jetzt, ihr Mönche, die Menschheit erlangt, und ein Vollendeter ist in der Welt erschienen, ein Heiliger, vollkommen Erwachter, und eine von einem Vollendeten kundgetane Lehre und Ordnung leuchtet in der Welt. 

Darum aber, ihr Mönche, soll man nun 

Dieses Gleichnis zeigt ungemein anschaulich wie selten es sein mag, daß im Wandel der unermeßlichen Sternläufe hie und da einmal die Rettung aus dem Meere des Daseins gefunden werden kann: der Bedingungen hierzu sind in Zeit und Raum verschwindend wenige. Es sind eben, wie Sāriputto in seiner Rede oben sagt, Dinge, die schwer zu treffen sind. -

Hier sei nun noch darauf hingewiesen, daß unser Gleichnis von der einäugigen Schildkröte in die christlichen Evangelien übergegangen ist, wo es in die Parabel vom Kamel und dem Nadelöhr umgearbeitet wurde etwas heftig verschroben allerdings, weil es sich anderen Leuten und anderer Anschauung anpassen mußte, und dabei die ursprüngliche, nach indischen Begriffen schlichte Verständlichkeit in eine unmögliche Hyperbel verwandelt hat. Immerhin: unter Blinden ist der Einäugige König.

(*131) Vergl. Lieder der Mönche v. 990. - Die ersten sieben Gedanken sind, wie es im Anguttaranikāyo vol. IV p. 228 bis 235 sehr schön ausgeführt wird, dem ehrwürdigen Anuruddho, während er einsam zurückgezogen weilte, zum Bewußtsein gekommen: der Meister billigt sie und gibt dem Jünger noch den letzten als achten Gedanken eines großen Mannes zur Erwägung, wo sich das Herz in der Auflösung der Sonderheit erhebt, erheitert, beschwichtigt und beruhigt.

(*132) Es gibt vier Arten von Menschen in der Welt, sagt Gotamo, Anguttaranikāyo IV.65:

Diese vier Arten von Menschen, ihr Mönche, finden sich in der Welt vor.


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