Digha Nikāya - Die Längere Sammlung

34.9 Dasuttara Sutta, Die Zehnerfolge

Neun Dinge:

Neun Dinge, ihr Brüder, sind wertzuhalten, neun Dinge auszubilden, neun Dinge zu durchschauen, neun Dinge aufzuheben, neun Dinge bringen Nachteil, neun Dinge bringen Vorteil, neun Dinge sind schwer zu treffen, neun Dinge sind zu erzeugen, neun Dinge sind zu verstehen, neun Dinge sind zu verwirklichen.

«Was für neun Dinge sind wertzuhalten? Neun Dinge, die in gründlicher Achtsamkeit ihre Wurzel haben: 

  1. wer gründlich achtzugeben weiß wird freudig bewegt, 
  2. freudig bewegt wird er heiter, 
  3. heiteren Herzens wird der Körper beschwichtigt, 
  4. körperbeschwichtigt fühlt er sich wohl, 
  5. sich wohl fühlend wird sein Geist einig, 
  6. einig geworden weiß und sieht er der Wahrheit gemäß, 
  7. der Wahrheit gemäß wissend und sehend wird er überdrüssig, 
  8. überdrüssig wendet er sich ab, 
  9. abgewandt löst er sich los; 

diese neun Dinge sind wertzuhalten (*133).

Was für neun Dinge sind auszubilden?

Neun Erfordernisse, die der Reinheit vorangehen: 

  1. reine Tugend ist ein Erfordernis, das der Reinheit vorangeht, 
  2. reines Herz ist ein Erfordernis, das der Reinheit vorangeht, 
  3. reine Ansicht ist ein Erfordernis, das der Reinheit vorangeht, 
  4. reine Gewißheit ist ein Erfordernis, das der Reinheit vorangeht, 
  5. reine Wissenschaft der Wege ist ein Erfordernis, das der Reinheit vorangeht, 
  6. reine Wissenschaft des Pfades ist ein Erfordernis, das der Reinheit vorangeht, 
  7. reine Wissenschaft ist ein Erfordernis, das der Reinheit vorangeht, 
  8. reine Weisheit ist ein Erfordernis, das der Reinheit vorangeht, 
  9. reine Ablösung ist ein Erfordernis, das der Reinheit vorangeht; 

diese neun Dinge sind auszubilden (*134).

Was für neun Dinge sind zu durchschauen?

Neun Orte der Wesen

  1. da gibt es Wesen als Menschen, 
  2. als Himmlische, 
  3. als Höllische; 
  4. da gibt es Wesen als Götter brahmischer Kreise auf ihrem ersten Grade; 
  5. ferner Wesen als Leuchtende Götter; 
  6. als Strahlende Götter; 
  7. als Götter unbewußt im Wesen; 
  8. dann im Reich der unbegrenzten Raumsphäre; im Reich der unbegrenzten Bewußtseinsphäre, im Reich des Nichtdaseins; 
  9. und Wesen an der Grenzscheide möglicher Wahrnehmung; 

diese neun Dinge sind zu durchschauen.

Was für neun Dinge sind aufzuheben?

Neun Dinge, die im Durst ihre Wurzel haben: 

  1. aus Durst erfolgt da Ersehnen, 
  2. aus Ersehnen erfolgt Erlangen, 
  3. aus Erlangen erfolgt Untersuchung, 
  4. aus Untersuchung erfolgt Willensreiz, 
  5. aus Willensreiz erfolgt Anklammern, 
  6. aus Anklammern erfolgt Ergreifen, 
  7. aus Ergreifen erfolgt Eigensucht, 
  8. aus Eigensucht erfolgt Festhalten, 
  9. infolge von Festhalten kommt es zu Wüten und Blutvergießen, Krieg und Zwietracht, Zank und Streit, Lug und Trug, gehen mancherlei böse, heillose Dinge hervor; 

diese neun Dinge sind aufzuheben.

Was für neun Dinge bringen Nachteil?

Neun Fälle von Anstoß: 

  1. <Er hat mir geschadet>, so schafft man sich Anstoß; 
  2. <Er schadet mir>, 
  3. <Er wird mir schaden>, so schafft man sich Anstoß; 
  4. <Der mir lieb und gut ist, dem hat er geschadet - 
  5. dem schadet er, 
  6. dem wird er schaden>, so schafft man sich Anstoß; 
  7. <Der mir nicht lieb und nicht gut ist, dem hat er geholfen - 
  8. dem hilft er, 
  9. dem wird er helfen>, so schafft man sich Anstoß; 

diese neun Dinge bringen Nachteil.

Was für neun Dinge bringen Vorteil?

Neun Fälle Anstoß zu meiden: 

  1. <'Er hat mir geschadet', wie wäre das wohl möglich?>, so entgeht man dem Anstoß; 
  2. <'Er schadet mir', 
  3. 'Er wird mir schaden', wie wäre das wohl möglich?>, so entgeht man dem Anstoß; 
  4. <'Der mir lieb und gut ist, dem hat er geschadet, 
  5. dem schadet er, 
  6. dem wird er schaden - 
  7. Der mir nicht lieb und nicht gut ist, dem hat er geholfen, 
  8. dem hilft er, 
  9. dem wird er helfen', wie wäre das wohl möglich?>, so entgeht man dem Anstoß; 

diese neun Dinge bringen Vorteil.

Was für neun Dinge sind schwer zu treffen?

Neun Arten der Verschiedenheit: 

diese neun Dinge sind schwer zu treffen (*135).

Was für neun Dinge sind zu erzeugen?

Neun Arten der Wahrnehmung: 

  1. die Wahrnehmung der Unsauberkeit, 
  2. die Wahrnehmung des Sterbens, 
  3. die Wahrnehmung von der Widerwärtigkeit der Nahrung, 
  4. die Wahrnehmung von der Freudlosigkeit an der ganzen Welt, 
  5. die Wahrnehmung der Vergänglichkeit, 
  6. die Wahrnehmung des Leidens der Vergänglichkeit, 
  7. die Wahrnehmung der Nichtigkeit des Leidens, 
  8. die Wahrnehmung der Abkehr, 
  9. die Wahrnehmung der Hinwegkunft; 

diese neun Dinge sind zu erzeugen (*136).

Was für neun Dinge sind zu verstehen ?

Neun Warten, eine um die andere: die vier Schauungen, die vier Sphären, die Auflösung der Wahrnehmbarkeit; diese neun Dinge sind zu verstehen.

Was für neun Dinge sind zu verwirklichen?

Neun Auflösungen, eine um die andere: 

  1. in die erste Schauung eingegangen hat man das Wünschewahrnehmen aufgelöst; 
  2. in die zweite Schauung eingegangen hat man sinnen und gedenken aufgelöst; 
  3. in die dritte Schauung eingegangen hat man die Heiterkeit aufgelöst; 
  4. in die vierte Schauung eingegangen hat man das Ein- und Ausatmen aufgelöst; 
  5. in die unbegrenzte Raumsphäre eingegangen hat man das Formwahrnehmen aufgelöst; 
  6. in die unbegrenzte Bewußtseinsphäre eingegangen hat man das Wahrnehmen der unbegrenzten Raumsphäre aufgelöst; 
  7. in die Nichtdaseinsphäre eingegangen hat man das Wahrnehmen der unbegrenzten Bewußtseinsphäre aufgelöst; 
  8. in die Grenzscheide möglicher Wahrnehmung eingegangen hat man das Wahrnehmen der Nichtdaseinsphäre aufgelöst; 
  9. in die Auflösung der Wahrnehmbarkeit eingegangen hat man Wahrnehmung und Empfindung aufgelöst; 

diese neun Dinge sind zu verwirklichen.

 

So sind das neunzig Dinge, wahre, echte, wirkliche, nicht unwirkliche, unveränderliche, die der Vollendete vollkommen erkundet hat. -


(*133) Die Ansicht vom Überdruß ist ein kennzeichnendes Merkmal der Satzung: so in der Mittleren Sammlung am Ende der 74. Rede, der 109. Rede.

(*134) Die ersten sieben Erfordernisse, die der Reinheit vorangehen, sind im Gleichnisse von der Eilpost in der 24. Rede der Mittleren Sammlung prachtvoll veranschaulicht; das letzte Erfordernis allumfassend im Anguttaranikāyo IV No. 194 Ende, wo der heilige Jünger eben durch Ablösung die rechte Erlösung erreicht.

(*135) Hierzu die Stelle von der verschiedenartigen Welt, in unserer 21. Rede; zum ganzen Gedankengang 15. Rede. Schwer zu treffen, schwer zu durchbohren ist die Verschiedenheit, nānattā; das heißt: schwer zu erwerben ist der durchbohrende Blick, der alle Verschiedenheit, alle Vielheit der bunten Welt durchdringt und durchschaut als schillernden Schein des Verstandes, als ein waberndes Blinken von Natur und Mortur, «Geburt und Grab, Ein ewiges Meer, Ein wechselnd weben, Ein glühend Leben», wo Sekunde um Sekunde einer geboren wird und einer stirbt, bei immerwährendem Todesröcheln und Lustgestöhn. - Bei Gotamo ist im letzten Grunde die Verschiedenheit durchbohren gleichbedeutend mit dem Ziel das eine zu treffen, worauf alles ankommt das Ende des Leidens. Aus einem Gespräch mit Anando ist darüber folgende Stelle erhalten, Samyuttakanikāyo ed. Siam. V 430f. (fehlerhaft PTS vol. V p. 453f.). Der ehrwürdige Anando erzählt dem Erhabenen, wie er beim Almosengang durch Vesālī viele junge Licchavier vor der Halle ihres Herrenhauses gesehn habe, die sich da im Bogenschießen übten, aus weiter Entfernung den Pfeil nach einem Schlüsselloch richteten und ihn, Schuß um Schuß, durchbrachten, ohne zu fehlen. Bei diesem Anblick habe er sich gedacht: <Geschickt sind sie, wirklich, diese jungen Licchavier, sehr geschickt, wahrhaftig, diese jungen Licchavier.> Gotamo aber fragt nun Anando: «Wie denkst du darüber, Anando, was mag da wohl etwa schwieriger auszuführen, etwa schwieriger zu erwirken sein: aus weiter Entfernung den Pfeil nach einem Schlüsselloch zu richten und ihn, Schuß um Schuß, durchzubringen, ohne zu fehlen; oder eines siebenmal gespaltenen Haares Spitze gegen Spitze zu treffen?» - «Das wäre wohl, o Herr, gar schwieriger auszuführen und schwieriger zu erwirken, eines siebenmal gespaltenen Haares Spitze gegen Spitze zu treffen.» - «Und doch hat man, Anando, schwieriger zu treffendes getroffen, wenn man 'Das ist das Leiden' richtig durchdringen kann, 'Das ist die Leidensentwicklung' richtig durchdringen kann, 'Das ist die Leidensauflösung' richtig durchdringen kann, 'Das ist der Pfad zur Leidensauflösung' richtig durchdringen kann.»

(*136) Diese Dinge sind in einer Meisterrede behandelt, die im Sattakakanipāto des Anguttaranikāyo erhalten ist, No. 49, PTS No. 46. Bald nach der Einleitung heißt es da: «Ein Mönch, ihr Mönche, der die Wahrnehmung der Unsauberkeit im Geiste durchprüft, eingehend untersucht, dem wird das Gemüt abwendig vom Gedanken der Paarung zu pflegen, schrumpft zusammen, dreht sich ein, dehnt sich nicht mehr hervor: Gleichmut oder Ekel hält bei ihm an. Gleichwie etwa, ihr Mönche, eine Hahnenfeder oder ein Bindfaden, ins Feuer geworfen, abwendig wird, zusammenschrumpft, sich eindreht, sich nicht mehr hervordehnt: ebenso nun auch, ihr Mönche, wird bei einem Mönche, der die Wahrnehmung der Unsauberkeit im Geiste durchgeprüft, eingehend untersucht hat, das Gemüt abwendig vom Gedanken der Paarung zu pflegen, es schrumpft zusammen, dreht sich ein, dehnt sich nicht mehr hervor: Gleichmut oder Ekel hält bei ihm an.» Bei der Wahrnehmung des Sterbens wendet sich das Gemüt des Mönchs von der Liebe zum Leben ab; bei der Wahrnehmung von der Widerwärtigkeit der Nahrung vergeht ihm der Durst nach Geschmack; bei der Wahrnehmung von der Freudlosigkeit an der ganzen Welt macht er sich keine Gedanken mehr über die Welt; bei der Wahrnehmung der Vergänglichkeit werden ihm Gaben, Ehre und Ruhm gleichgültig; bei der Wahrnehmung des Leidens der Vergänglichkeit überkommt ihn, als ob ein Mörder mit gezücktem Schwerte hinter ihm stände, ein heftiger Schauder vor Gemächlichkeit, Trägheit, Sichgehnlassen, Ausspannen, sich nicht anstrengen, die Dinge nicht gründlich betrachten; und wenn der Mönch die Wahrnehmung der Nichtigkeit des Leidens im Geiste durchprüft und eingehend untersucht, wird ihm der Sinn, bei allen äußeren Eindrücken auf diesen mit Bewußtsein behafteten Körper da, vom Dünkel der Ichheit und Meinheit lauter werden, über die Zwieheit hinwegkommen, zur Ruhe gänzlicher Freiheit eingehn. «Das sind, ihr Mönche, sieben Wahrnehmungen, die, geübt und gepflegt, hohen Lohn verleihen, hohe Förderung, in Unsterblichkeit eintauchen, in Unsterblichkeit überführen.» Vergl.noch Mittlere Sammlung S. 367 Kakusandhos Ansprache an seine Jünger.


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