„Wer ist dies, dessen Stimme reizend“
§A. Dies erzählte der Meister, da er im Veluvana verweilte, mit Beziehung auf Devadatta und Kokālika. Als nämlich Devadattas Ruhm und Ehre abnahm, ging Kokālika in den Familien umher und pries Devadattas Vorzüge mit folgenden Worten: „Der Thera Devadatta entstammt der Linie des Königs Mahasammata [1]. Er ist geboren in der Königsfamilie des Okkaka [2], aufgezogen in ununterbrochener Kriegertradition. Er besitzt die Kenntnis der heiligen Schriften, die Fähigkeit zur Ekstase; er hat eine süße Rede und erklärt die Lehre. Gebet, helfet dem Thera!“ Devadatta pries seinerseits die Vorzüge des Kokālika, indem er sagte: „Kokālika entstammt einer Brahmanenfamilie des Nordens; er hat sie verlassen und ist Mönch geworden. Er ist sehr gelehrt und ein Erklärer der Lehre; gebet, helfet dem Kokālika!“ Indem so einer des andern Vorzüge pries, gingen sie in den Häusern der Familien umher und speisten.
Eines Tages aber begann man in der Lehrhalle folgendes Gespräch: „Freund, Devadatta und Kokālika essen sich bei den Leuten durch, indem einer des andern unwahre Vorzüge preist.“ Da kam der Meister und fragte: „Zu welcher Unterhaltung, ihr Mönche, habt ihr euch jetzt hier niedergelassen?“ Als sie antworteten: „Zu der und der“, sprach er: „Nicht nur jetzt, ihr Mönche, preisen diese in unwahrer Weise ihre Vorzüge und kommen dadurch zu ihrem Mahle, sondern auch früher schon kamen sie auf diese Weise zu ihrem Mahle.“ Und nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.
§B. Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, nahm der Bodhisattva als eine Baumgottheit in einem Mangowäldchen seine Wiedergeburt. Damals verzehrte eine Krähe, auf dem Zweige eines Mangobaumes sitzend, Mangofrüchte. Da kam ein Schakal herbei und sah, indem er nach oben blickte, die Krähe. Er dachte: „Wie, wenn ich ihre unwahren Vorzüge rühmen würde und dadurch die Mangofrüchte verzehren könnte?“ Und indem er den Vorzug der Krähe pries, sprach er folgende Strophe:
Darauf sprach zu ihm die Krähe, indem sie ihn gleichfalls lobte:
Nach diesen Worten schüttelte sie einen Mangozweig und ließ dessen Früchte herabfallen.
Als aber die Baumgottheit, die in diesem Mangobaume wohnte, die beiden ihre unwahren Vorzüge preisen und die Mangofrüchte essen sah, sprach sie folgende dritte Strophe:
Nachdem sie aber diese Strophe gesprochen, zeigte die Gottheit den beiden eine Schrecken erregende Gestalt und veranlasste sie dadurch zum Davonlaufen.
§C. Nachdem der Meister diese Lehrunterweisung beschlossen hatte, verband er das Jātaka mit folgenden Worten: „Damals war der Schakal Devadatta, die Krähe war Kokālika, die Baumgottheit aber war ich.“
Ende der Erzählung von dem Mango-Esser
[1] Dieser gilt als der älteste König; vgl. den Anfang des Jātaka 258.
[2] Auch dies ist ein sagenhafter alter König; skr. „Iksvaku“.