Peta Vatthu

I. 6. Das Lied von der Kinderfresserin

(Gespräch zwischen einem Thera und einer Petī.)

1. Thera

Unbekleidet und von üblem Aussehen bist du,
übelriechend strömst du den Hauch der Verwesung aus,
übersät bist du mit (schwarzen) Fliegen,
als wer befindest du dich in diesem Zustand?

2. Petī

Ich, Ehrwürdiger, bin eine Petī,
den Weg des Leidens gegangen, in Yamas Welt;
(weil ich) sündiges Tun getrieben, bin ich
von hier [dieser Welt] in die Welt der Petas gegangen.

3.

Am Morgen (gebäre ich) fünf Söhne,
am Abend fünf weitere
gebäre ich und fresse sie,
und sie sind mir nicht genügend (Speise).

4.

Es wird versengt und raucht
vor Hunger mein Herz,
kein Wasser bekomme ich zu trinken,
siehe in (welches) Elend ich gekommen.

5. Thera

Was ist denn in Tat, in Worten, in Gedanken
Böses (von dir) getan;
wofür zur Strafe
frißt du das Fleisch deiner Söhne?

6. Petī

Die andere Frau meines Herrn war schwanger,
ich trug ihr Böses im Sinn,
und mit verdorbenem Herzen
brachte ich die Geburt zu Fall.

7.

Ihre zweimonatige Frucht
strömt blutig rot dahin;
dann brachte ihre Mutter, mir zürnend,
ihre Verwandten zusammen,
und ließ mich einen Schwur tun
und schalt mich sehr.

8.

Und ich leistete einen furchtbaren Schwur
und machte eine lügnerische Aussage:
"Das Fleisch meiner Söhne will ich essen,
wenn ich solch etwas verübt habe"

9.

Zur Strafe dafür
und für die Lüge
fresse ich das Fleisch meiner Söhne,
triefend von Eiter und Blut.

 


Dieses Lied ist eines von denen, die sich auch in der Sammlung der Avadānas finden und zwar ist es Nr. 49 des Avadānacataka. Der Zusammenhang von Schuld und Strafe ist: die Ursache der bösen Tat ist issā, Eifersucht, deshalb Petazustand; die besondere Strafe des Kinderfressens steht auf die Verletzung der Gebote des pānātipāta (Mord) und musāvāda (Lüge).


I. 7 (Variante von I. 6).

1. Thera

Unbekleidet und von üblem Aussehen bist du,
übelriechend strömst du den Hauch der Verwesung aus,
übersät bist du mit (schwarzen) Fliegen,
als wer befindest du dich in diesem Zustand?

2. Petī

Ich, Ehrwürdiger, bin eine Petī,
den Weg des Leidens gegangen, in Yamas Welt;
(weil ich) sündiges Tun getrieben, bin ich
von hier [dieser Welt] in die Welt der Petas gegangen.

(I.2. = I.6 1.2 )

3.

Am Morgen (gebäre ich) fünf Söhne,
am Abend fünf weitere
gebäre ich und fresse sie,
und sie sind mir nicht genügend (Speise).

(= I.6 3, nur hier sieben Söhne anstatt fünf.)

4.

Es wird versengt und raucht
vor Hunger mein Herz,
von der Glut wie von Feuer verzehrt
erlange ich kein Erlöschen (der Qual)

5. Thera

Was ist denn in Tat, in Worten, in Gedanken
Böses (von dir) getan;
wofür zur Strafe
frißt du das Fleisch deiner Söhne?

(= I. 6 5.)

6.

Ich hatte zwei Söhne, beide
mit Jugendschönheit begabt,
ich, durch die Söhne betört,
verachtete den Gemahl.

7.

Da wurde mir mein Gatte böse
und heiratete eine andere Frau,
und sie empfing die Frucht,
und ich hegte ihr Böses im Herzen.

8.

Und ich aus Bosheit
brachte die Frucht zu Fall,
ihre dreimonatige Frucht
fiel im Blute der Verwesung.

9.

Ihre zweimonatige Frucht
strömt blutig rot dahin;
dann brachte ihre Mutter, mir zürnend,
ihre Verwandten zusammen,
und ließ mich einen Schwur tun
und schalt mich sehr.

10.

Und ich leistete einen furchtbaren Schwur
und machte eine lügnerische Aussage:
"Das Fleisch meiner Söhne will ich essen,
wenn ich solch etwas verübt habe"

11.

Zur Strafe dafür
und für die Lüge
fresse ich das Fleisch meiner Söhne,
triefend von Eiter und Blut.

(9-11 =I.6 Schluß, v.7-9)


I. 8. Das Ochsenlied

(Gespräch eines Hausvaters mit seinem Sohne.)

1. Vater

Was sprichst du wie ein Geistesgestörter,
das frische Gras in der Hand,
friß, o friß doch,
zum alten Ochsen ohne Leben?

2.

Nicht kann durch Essen und Trinken
der tote Ochse auferstehen;
du bist ein (dummer) Knabe und unvernünftig,
wie du auch in anderen (Dingen) unverständig.

3. Sohn

Diese Füße, dieser Kopf,
dieser Leib mit dem Schwanze,
die Augen sogar sind noch ebenso (wie sie im Leben waren),
wohl könnte dieser Ochse auferstehen.

4.

Nicht sehen wir Hände und Füße,
Körper und Kopf des Großvaters,
(und du) beim Grabe aus Lehm weinend,
bist denn nicht du von Sinnen?

5. Vater

Wahrlich, mich, der ich (vor Kummer) brannte,
wie mit Butter besprengtes Feuer,
besprengt er mit Wasser und löscht alle Glut aus.

6.

Wahrlich, er nahm mir den Stachel
des Grams, der mir im Herzen steckte,
da er mir (dem) von Gram Verzehrten
den Kummer um den Vater wegnahm.

7.

Wohl, ich bin einer, dem der Stachel genommen,
ich bin ein Kaltgewordener, Erloschener;
ich will nicht grämen, nicht weinen,
auf dich hörend, mein Söhnlein.

*8.

So handeln auch die Einsichtigen,
welche die Nächsten lieben,
sie befreien (sie) von Gram,
wie Sujāta seinen Vater.

 Es wird diese Geschichte dem Buddha in den Mund gelegt. Er erzählt sie einem Kutimbika in Sāvatthī, welchem sein Vater gestorben war. Die allgemeine Bedeutung dieser Art Lieder ist die, daß Buddha durch sie dem Angeredeten, den er von Kummer befreien will, die Augen öffnet darüber, daß der Schmerz eines einzelnen um einen Verlust unnütz ist, da ja dieser Verlust eine allgemein menschliche Tatsache, und daher ein Weltgesetz ist, das nur durch Aufgeben der Leidenschaften, d. h. durch Annahme der Heilslehre überwunden werden kann.

Dieses Jātaka-Vatthu befindet sich unter dem Titel Sujāta-jātaka auch in der Sammlung der Jātakas als Nr. 352 (V. 1, 2; Fausböll vol. III. p. 152).

Die Verse 5-8 sind stereotyp, und finden sich auch P.V. II. 6 16-19; II. 13 13-15 Desgl. in folgenden Jātakas: V. 3, 2 (Nr. 372); VII. 2, 5 (Nr. 410); X 11 (Nr. 449); X. 16 (Nr. 454).

v. 6. Für abbūlham hat Dhammapāla abbūlha und erklärt es durch nīhari; es findet sich sonst die Schreibung abbuyham. Fausböll hat die Lesung abbahi an allen Stellen bevorzugt und abbūlham mit ? in die Noten verwiesen. Vielleicht hat das abbūlha° des folgenden Verses die richtige Lesart verdrängt.

v. 7. Für sītibhūto erscheint in den Jātakas vītasoko anāvilo.

Verse, die mit * bezeichnet werden, sind dem Erzähler zuzuschreiben.


I. 9. Das Lied von der Webersfrau

(Gespräch eines Bhikkhu mit einem Yakkha mit Bezug auf dessen frühere Frau.) .

1. Bhikkhu

Exkremente, Urin, Eiter und Blut
genießt sie [die Frau], wofür ist das die Strafe;
was für eine Tat hat diese Frau getan,
daß sie fortwährend Eiter und Blut genießt?

2.

Neue Gewänder, schön und weich,
rein und wollig, werden ihr gegeben
und werden ihr zu (glühenden) Kupferplatten;
was für eine Sünde hat diese Frau getan?

3. Yakkha

Sie war meine Ehefrau, o Bester,
nicht-geberisch, selbstsüchtig, geizig,
welche mich, wenn ich den Samana
und Brāhmana gab, beschimpfte und verfluchte.

4.

(Sagend): Exkremente und Urin, Eiter und Blut,
alles Unreine sollst du genießen auf ewig;
dies soll dir im Jenseits werden,
und die Gewänder dir zu Kupferplatten."
Weil sie einen solch schlechten Wandel lebte,
ist sie in diesen Zustand gekommen, und genießt (das Unreine) auf ewig.

I.10 Das Lied von der Kahlköpfigen

(Gespräch zwischen einer Vimānapetī auf einer Insel im Ozean, und Kaufleuten, die dahin verschlagen werden.) Personen: einer der sieben Kaufleute (K), die Petī (P), der Dichter oder Sprecher (x).

K. 1.

Wer bist du, die du im Schlosse wohnst,
und kommst nicht heraus;
komm heraus, Selige, wir wollen
dich draußen sehen.

P.2.

Ich bin verlegen und schäme mich,
nackt herauszukommen;
(nur) mit Haaren bin ich bekleidet,
wenig Gutes hab ich getan.

K.3.

Nimm, ich gebe dir das Obergewand,
dieses Kleid zieh an;
und wenn du es angezogen hast,
wohlan, komm heraus, du Schöne.
Komm heraus, Selige, wir wollen
dich draußen sehen.

P. 4.

Die von deiner in meine Hand gelegte Gabe
kommt mir nicht zugute;
(doch) hier ist ein gläubiger Jünger,
ein Hörer des Rechterwachten.

5.

Diesen bekleide
und rechne mir die Gabe zu,
dann werde ich glücklich sein
und über alle Wonne verfügen.

* 6.

Ihn nun badeten die Kaufleute,
und ihn salbten sie;
ihn mit Gewändern bekleidend
rechneten sie ihr die Gabe zu.

7.

Unmittelbar nach der Zuweisung
zeigte sich auch die Wirkung,
Speise, Kleidung und Trank;
dies (war) die Frucht ihrer Gabe.

8.

Darauf kam sie glänzend, mit reinem Kleide,
die herrlichsten (Kleider) von Benares tragend,
lächelnd aus dem Schlosse (indem sie sagt):
"das ist die Frucht der Gabe".

K. 9.

Wohl geschmückt und lieblich
erglänzt dein Schloß;
o Göttliche, laß dich fragen und erzähle,
für welche Tat dies die Belohnung.

P. 10.

Dem Mönche auf seiner Wanderung,
dem Rechtgewordenen, gab ich
eine Schüssel voll Tilabrei,
mit mildem Herzen.

11.

Für diese gute Tat genoß ich
die Belohnung eine unendliche Zeit
im Palaste, jetzt aber
ist (die Zeit) nur noch kurz.

12.

Nach Ablauf von vier Monaten
wird meine Zeit erfüllt sein,
und ich werde in die überaus bittere,
fürchterliche Hölle kommen.

13.

Viereckig (ist sie), viertürig,
symmetrisch in Teile geteilt,
von eiserner Mauer umgeben,
mit Eisen oben gedeckt.

14.

Ihr eiserner Boden brennt
voll von Feuer;
hundert Yojanas nach allen Seiten flammend
besteht sie für alle Ewigkeit.

15.

Dort werde ich eine (unendlich) lange Zeit
schreckliche Schmerzen erdulden müssen,
als Vergeltung für sündige Tat;
deshalb gräme ich mich so sehr.

Der Titel (khalātiya 46 30 und Ha. Index, aber khallātiya 67 37) ist nach RE so zu verstehen, daß dieser Frau (sie war eine rūpūpajīvinī, Stadtschöne) einst im Bade von einer neidischen Geschlechtsgenossin eine Mixtur über den Kopf gegossen wurde, die einen vollständigen Haarausfall verursachte. Ihr früheres üppiges Haar wurde ihr in der Petageburt wieder zuteil, weil sie es sich bei der Bewirtung eines Mönches gewünscht hatte.

Die Kaufleute werden vom Winde verschlagen; das Gegenteil, daß Windstille auf die Nähe eines Vimāna hindeutet, in IV. 11.

v.1d: Ha. mahiddhikan ti, besser nach Mss. B bahitthitan ti. Ebenso in v. 3d.

v. 8: ist vielleicht besser zu lesen als:

tato suddhā sucivasanā / kāsi kuttamadhārnī / vicitta vatthābhāranā / hasantī vimānā nikkhami

nach Parallelstellen II. 1 9; 2 10; 3 28; 4 11.

v. 9b: Ha. ca bhāsati, besser pabhāsati (B); bhāsati findet sich als Simplex nicht in P.V.

v. 15: Höllenpassus (v. 12-15) ebenso in II. 7 12ff., IV. 3 35ff. mit besserer Lesung tasmā socāmīdam bhusam anstatt

bhūtam; bhusam in demselben Zusammenhange auch III 10 6 paccāma niraye bhusam.

v. 12-15: zur Höllenschilderung ist zu vergleichen IV. 1 8ff.:

ito cuto Licchavi eso poso sattussadam nirayam ghorarūpam uppajjati dukkhatakammakārī mahābhitāpam katukam bhayānakam.

Die Adj. werden erklärt katuka (* anittha) als rauh, bitter, oft im Wechsel mit pharusa; bes. als bittere Frucht, auch in übertragenem Sinne. ghora (dāruna) "von furchtbarer Beschaffenheit", teils mit Bezug auf die Strafen, die die sündigen Wesen erleiden: pāpakārehi sattehi ussannam dārunakāranehi ussannam (K zu IV. 1 8), teils mit Bezug auf das Geheul derselben: ghoso sūyati dāruno (251 5), erklärt mit nirayesu kāranam kāriyamānānam sattānam ghorataro saddo sūyati "von den Wesen, die in der Hölle die (Straf)-Arbeiten tun müssen, wird ein furchtbares Geheul gehört". So auch 255 13 (zu IV. 3 38) dasselbe Geheul: ghoso sūyati tāvade "beständig (K auch nach 100 000 Jahren) wird das Gebrüll gehört"; und 262 13 (zu IV. 6 3) heißt es von den Petas an den Gräben: te 'dha ghosenti na dissanto (RE rattiyam bheravena saddena paridevimsu).

Das Adj. bhāgaso mitā wird erklärt 185 17 bhāgena paricchinnā (samacaturassa āyatavattasanthānādivasena vibhattā) "wohl eingeteilt und abgemessen, d. h. viereckig". Es ist hier aufzufassen als Ausdruck des harmonischen, göttlichen Ebenmaßes, das allen übermenschlichen Wohnungen und Gebilden zukommt. So werden auch sonst als viereckig, d. h. göttlich, bezeichnet: Lotusteiche 77 13; Vimāna 189 24; Blätterhütten für Petas III. 2 21.

Zu vedanam vgl. die Ausführung in III. 10 6: chalāsīti-sahassāni mayam paccattavedanā "86000 Qualen erdulden wir in der Hölle". In III. 9 RE werden die Qualen des Avīcimahāniraya angegeben, wie folgt: "Auf der rechten Seite liegend, dann auf der linken, dann auf dem Rücken und dann nach vornüber, und auf viele Weise sich umdrehend, dort 84000 Jahre kochend, dann von da aus zu neuer Geburt unter den Petas aufsteigend".—Zur Reihenfolge, ob erst Hölle und dann Petageburt, oder umgekehrt, s. Teil I, S. 35; zu den Höllenstrafen S. 36f.

Auch im Catudvārajātaka (no. 439, Fausböll IV., p. 4), in der Geschichte des Mittavindaka, findet sich der ganz ähnliche Passus: catudvāram idam nagaram āyasam dalhapākāram, oruddhapatiruddho smi, kim pāpam pakatam mayā; sabbe apihitā dvārā... und M. sagt, daß er wie ein Vogel gefangen ist. In Feers Übs. (Extrait du Journal Asiatique no. 7; 1878 P. 46).


  Oben zeilen.gif (1054 bytes)