Peta Vatthu
II. 6. Das Lied vom Kanha
(Gespräch des Königs Vasudeva oder Kanha, mit Beinamen Kesava, mit seinem
Bruder Ghata. Einleitende Worte vom Minister Rohineyga, das Ganze erzählt von
Buddha.)
R. 1.
- Erhebe dich, Kanha, was ruhst du,
- was nützt dir der Schlaf;
- und der, welcher dein eigener Bruder,
- dein Herz und rechtes Auge,
- dessen (böse) Winde gewinnen die Oberhand:
- er, der Ghata, schwatzt (dummes Zeug), o Kesava.
* 2.
- Des Rohineyya Rede hörend
- stand Kesava eilig auf,
- von Kummer um seinen Bruder gequält.
K. 3.
- Was (durchläufst du) wie einer von Sinnen
- die Stadt Dvāravatī
- und sprichst "Hase, Hase",
- was für einen Hasen begehrst du?
4.
- Einen Hasen aus Gold, aus Edelstein,
- aus Kupfer oder aus Silber,
- aus Muschel, Stein und Korallen
- will ich dir machen lassen.
5.
- Es gibt auch noch andere Hasen,
- die herumlaufen in Wald und Feld;
- auch die will ich dir bringen lassen,
- was für einen Hasen begehrst du?
Gh. 6.
- Nicht wünsche ich mir die Hasen,
- die auf der Erde herumlaufen;
- vom Monde wünsche ich den Hasen,
- den hol mir herunter, Kesava.
K. 7.
- Dein süßes Leben
- wirst du nun wohl aufgeben,
- nicht zu Verlangendes verlangst du,
- (daß du) vom Monde wünschest den Hasen.
Gh. 8.
- Wenn du, o Kanha, so klug bist,
- wie du einen andern belehrst,
- weshalb betrauerst du auch heute noch
- deinen früher verstorbenen Sohn?
9.
- Was nicht zu erlangen ist von Menschen,
- noch auch von Nicht-Menschen [Geistern],
- wie sollte das Unerreichbare erreicht werden,
- daß der Sohn, der mir geboren, nicht sterben möge?
10.
- Nicht durch Sprüche, nicht durch heilkräftige Wurzel,
- weder durch Kräuter, noch durch Reichtum
- ist es möglich, o Kanha,
- den Toten herbeizuschaffen, den du betrauerst.
11.
- Die Schwerreichen, Vielbegüterten,
- sie, die Königreiche besitzen, die Krieger,
- die reich an Geld und Gut:
- auch sie sind nicht frei von Alter und Tod.
12.
- Die Khattiyas, Brāhmanas, Vessas,
- die Suddas, Candālas und Pukkusas,
- diese und andere der Geburt nach:
- auch sie sind nicht frei von Alter und Tod.
13.
- Die, welche mit dem Veda sich beschäftigen,
- und den von Brahma ersonnenen sechs Añgas,
- diese und andere dem Wissen nach:
- auch sie sind nicht frei von Alter und Tod.
14.
- Auch die, welche heilige Rishis sind,
- Asketen mit Zügelung (der Begierden):
- auch sie verlassen, die Asketen,
- wenn die Zeit gekommen, den (irdischen) Leib.
15.
- Die in Betrachtung der Wahrheit im Kloster Lebenden,
- die ihre Pflichten erfüllen und ohne Leidenschaft sind:
- sie verwerfen diesen Leib
- im Aufheben von Gut und Böse.
K. 16.
- Wahrlich, mich, der ich (vor Kummer) brannte,
- wie mit Butter besprengtes Feuer,
- besprengt er mit Wasser und löscht alle Glut aus.
17.
- Wahrlich, er nahm mir den Stachel
- des Grams, der mir im Herzen steckte,
- da er mir (dem) von Gram Verzehrten
- den Kummer um den Vater wegnahm.
18.
- Wohl, ich bin einer, dem der Stachel genommen,
- ich bin ein Kaltgewordener, Erloschener;
- ich will nicht grämen, nicht weinen,
- auf dich hörend, mein Söhnlein.
19.
- So handeln auch die Einsichtigen,
- welche die Nächsten lieben,
- sie befreien (sie) von Gram,
- wie Sujāta seinen Vater.
- (K. 16-19 = I. 8, 5-8).
20.
- Wer derartige Freunde
- als Ratgeber und Diener hat,
- wie nachging mit kluger Rede
- Ghata seinem älteren Bruder
- (weshalb sollte der noch Kummer haben).
Dieses Lied, gehörend zur Klasse des Jātakavatthus, wurde nach R. E. von
Buddha einem Upāsaka in Sāvatthī bei Gelegenheit des Todes seines Sohnes
erzählt. Es findet sich als Nr. 454 in der Sammlung der Jātakas (Fausböll vol.
IV, p. 79 ff: Ghata jātaka).
In Jātaka 454 fehlen die Verse 11-15.
Die R. E. deckt sich wörtlich mit der zum Jātaka p. 84 11-21 (Vāsudeva bis
Schluß) = Ha. p. 93 23—94 2. Die zehn Brüder werden noch einmal erwähnt in II. 9
(Ankura).
v.6: Der Hase im Mond ist eine Schattenformation sichtbar auf der
Mondoberfläche. [WG]
II. 7. Das Lied vom Dhanapāla
(Gespräch zwischen Kaufleuten und einem Peta.)
K. 1.
- Unbekleidet und von häßlicher Gestalt bist du
- mager und mit bloßliegenden Adern;
- du, mit den ausgetretenen Rippen, du Magerer,
- wer bist denn du, Geehrter?
P. 2.
- = II. 1 2 (Ich bin ein Peta, der Böses tat)
K. 3.
- = II. 1 3 (Was für Böses?)
P. 4.
- Eine Stadt ist (im Reiche) derer von Dasanna,
- Erakaccha (heißt sie) die vielberühmte;
- dort war ich früher ein Setthi,
- Dhanapāla geheißen kannte man mich.
5.
- Achtzig Wagenladungen
- Goldes gehörten mir,
- unermeßlich viel Gold,
- viele Perlen und Edelsteine.
6.
- Doch im Besitze so großen Reichtums
- war es mir nicht lieb, zu geben,
- verschließend meine Tür genoß ich,
- damit mich die Bittenden nicht erblickten.
7.
- Ungläubig und selbstsüchtig war ich,
- geizig und schimpfend,
- von denen, die gute Werke tun wollten,
- hielt ich viele Leute ab.
8.
- "Es gibt keine Vergeltung fürs Geben,
- woher (soll) ein Lohn für Selbstbezwingung (kommen)" (so dachte ich).
- Lotusteiche, Wälder, Brunnen,
- die aufgepflanzten Lustgärten,
- die Wasserhäuser habe ich verloren
- und die Überbrückungen an schwierigen Stellen.
9.
- So bin ich denn, ohne Gutes getan zu haben,
- als Sünder von dort versetzt,
- in der Welt der Väter zur Existenz gekommen,
- von Hunger und Durst gequält.
- Es sind 55 Jahre her,
- seit ich dort gestorben bin.
10.
- Ich kenne weder Speise
- noch getrunkenes Wasser;
- wie die Zurückhaltung, so die Vergeltung,
- wie die Vergeltung, so die Zurückhaltung;
- die Petas wissen das wohl:
- wie die Zurückhaltung, so das Verderben.
11.
- Ich habe mich früher zurückgehalten,
- und habe nicht gegeben trotz des vielen Reichtums;
- obgleich ich Gelegenheit zu Gaben hatte,
- habe ich keine feste Stätte mir bereitet.
12.
- Daher bereue ich jetzt, behaftet
- mit der Folge meiner Tat;
- nach Ablauf von vier Monden
- wird meine Zeit erfüllt sein.
13.
- Nach Ablauf von vier Monaten
- wird meine Zeit erfüllt sein,
- und ich werde in die überaus bittere,
- fürchterliche Hölle kommen.
14.
- Viereckig (ist sie), viertürig,
- symmetrisch in Teile geteilt,
- von eiserner Mauer umgeben,
- mit Eisen oben gedeckt.
15.
- Ihr eiserner Boden brennt
- voll von Feuer;
- hundert Yojanas nach allen Seiten flammend
- besteht sie für alle Ewigkeit.
- (13-15 = I. 10 12-15).
16.
- Deshalb sage ich euch zum Heil,
- so viele ihr hier versammelt seid:
- tut keine sündige Tat,
- weder offen, noch im geheimen.
17.
- Wenn ihr die sündige Tat
- tut oder tun werdet,
- wird euch keine Erlösung von der Qual zuteil,
- selbst wenn ihr im Fluge entfliehen wolltet.
18.
- Seid ehrerbietig gegen Mutter und Vater,
- habt Achtung vor den Familienältesten,
- seid ehrerbietig gegen Samana und Brāhmana,
- so werdet ihr in den Himmel kommen.
Dieses Vatthu ist eines der Lieder nach dem Schema I. 10.
v. 6.7 = IV. 3 22 23.
v. 17: upacchāpi Ha. (trotz v. l. B. upaccāpi) scheint eine
schlechte Lesart zu sein; ich möchte vielmehr aus var. B. uppaccāpi
einsetzen, was auch durch die Erklärung des K. mit uppatitvā und durch
die Zitierung der bekannten Dhammapada-Stelle (v. 127) na antalikkhe etc.
(auf p. 104 Ha.) gerechtfertigt wird. Dann gälte das na vo auch für
uppaccāpi palāyitam "kein Entrinnen, selbst wenn ihr aufflöget."
II. 8. Das Lied vom Cūlasetthi
(Gespräch des Königs Ajātasattu mit dem Peta Cūlasetthi.)
A. 1.
- Ein nackter, abgemagerter Asket bist du, o Bester,
- wohin gehst du bei Nacht und weshalb;
- erzähle mir das, ob wir könnten,
- mit allem verschaffe ich dir Reichtum.
P. 2.
- (Dort ist) die Stadt Benares, die weit berühmte,
- dort war ich ein Hausvater, reich und geizig,
- nicht gebend und gierig nach der Lust (des Fleisches),
- von (solch) bösem Charakter bin ich in die Yamawelt gekommen.
3.
- Solch einer vom Stachel (des Hungers) um jener (Übeltaten) willen
ermattet,
- bitte ich die Angehörigen auch nur um ein wenig Fleisch;
- sie aber, geizigen Charakters, glauben nicht,
- daß die Frucht der Gabe sich im Jenseits zeigt.
4.
- Auch meine Tochter spricht zu mir beständig:
- "Ich will die Gabe geben für Väter und Großväter."
- Die Brahmanen kommen zum bereiten (Opfer):
- "Ich will nach Andhakavinda gehen, um zu essen" (so sagen sie).
A. 5.
- Zu ihm sprach der König: "Wenn du sie [die Gabe] genossen,
- so komm wieder, schnell; auch ich will die Ehrung verrichten;
- sag mir, wenn du einen Grund hast,
- ich will das Glaubhafte hören, wenn du den Grund sagst."
* 6.
- Er sagte zu und ging (nach Andhakavinda); dort aßen sie
- Speise, aber solche, die der Gabe nicht wert waren;
- darauf ging er zum zweiten Male nach Rājagaha
- und stellte sich ein beim Herrscher.
A. 7.
- Den Peta, wie er zurückgekommen, erblickend,
- sprach der König: "Was soll ich geben,
- sag mir, ob es ein Mittel gibt,
- wie du auf lange Zeit befriedigt werden kannst."
P. 8.
- Den Buddha und den Sañgha bewirte, o König,
- mit Speise, Trank und Kleidung;
- diese Gabe widme mir zum Nutzen,
- so würde ich auf lange Zeit befriedigt sein.
* 9.
- Nachdem der König (von der Terrasse) hinabgestiegen,
- und während dem die Gabe gegeben, reichlich, mit eigner Hand
- dem Sañgha, erzählte er den Vorfall dem Herrn [Buddha],
- und widmete die Gabe dem Peta
P. 10.
- Er [der Peta], verehrt, überaus prächtig glänzend,
- zeigte sich (wieder) vor dem Herrscher (sagend):
- "Ich bin ein Yakkha, im Besitze höchster Wunderkraft,
- nicht sind mir an Wunderkraft die Menschen gleich.
11.
- Sieh diese unermeßliche Hoheit: von dir angewiesen,
- nachdem du dem Sañgha unvergleichliche Gabe gegeben;
- gesättigt für immer und ewig, durch die vielen (Gaben)
- wandle ich beglückt, o Herr der Menschen."
v. 4: Andhakavinda ist die Stadt, in der die Tochter des Cūlasetthi, Anulā
(RE) wohnt.—Zu der Anschauung, daß die Gabe an unwürdige Personen keine Erlösung
herbeiführt, s. Teil I, S. 52.