Therigāthā (Vers 39-62)
Lieder der Nonnen (Übersetzt von KE Neumann)
Dreier Bruchstück - Tikanipāto
Sāmā (II)
- 39
- Durch volle fünfundzwanzig Jahr',
- Solang' ich wandre heimatlos,
- Da wußt' ich nichts von Ruhe, Rast
- Im Herzen, immer neu gerührt,
- (Vergl. Therag. 405)
- 40
- Unmut im Busen, ungeeint,
- Ohnmächtig elend im Gemüt;
- Auf einmal ward ich aufgemischt,
- Gemahnt an Siegermahnung recht!
- 41
- Von arger Unbill, vieler Pein
- Befreit im Kampfe, fröhlich kühn,
- Das Hangen hab' ich mir entwöhnt,
- Geschaffen was der Meister schafft:
- Und sieben Nächte zähl' ich nun
- Seit alle Sucht ist aufgezehrt.
Uttamā (I)
- 42
- Zum vierten Male, fünften Mal
- Ging aus der Klause weit ich weg,
- Unmut im Busen, ungeeint,
- Ohnmächtig elend im Gemüt!
- (= v. 37)
- 43
- Getreuer Nonne zugeneigt
- Vertraut' ich dieser meine Not;
- Die hat gewiesen Wahrheit mir:
- Entstehung, Stätte, Urbestand.
(Zu Entstehung, Stätte und Urbestand (des Durstes nach Dasein) vergl. M 28)
- 44
- Von ihr gewitzigt, aufgeweckt,
- Von ihr entboten offenbar,
- Bin sieben Tage säldenreich
- Entrückt gesessen, selbstvertieft;
- Am achten Tage stand ich auf:
- Zerstoben war die Nebelnacht.
-
Uttamā (II)
- 45
- Die sieben Fährten, fein gebahnt,
- Geleise zur Erlöschung lind,
- Gewandelt bin ich alle durch,
- So wie's der Herr gewiesen hat.
- (= v. 21)
- 46
- Was eitel unerfaßbar ist
- Erfind' ich wo ich finden will,
- Des Meisters echte Tochter, ich,
- Erloschen selig immerdar.
- (Vergl. Therag.174, 348, 1279)
- 47
- Und aller Wahn ist ausgewähnt,
- So Götterwahn, so Menschenwahn:
- Zunichte geht die Wandelwelt,
- Und nimmer gibt es Wiedersein.
- (Vergl. v. 22)
Dantikā
- 48
- Nach Tagesdiensten ruht' ich aus
- Im Abendrot am Geierkulm;
- Ein Elefant, gebadet erst,
- Am Bache stand er unten still.
(Der Geierkulm, gijjhakūto, ein Berg bei Rājagaham.)
- 49
- Der Treiber nimmt den Triebelstock,
- «Knie' nieder» ruft er, ruft es laut:
- Der Elefant, er kniet herab,
- Der Treiber steigt am Rücken auf.
- (Vergl. Therag.77)
- 50
- Den Ungezähmten sah ich zahm,
- Von Menschenmacht gebändigt so!
- Da war besänftigt bald mein Herz:
- Gelehrig sein, ich hab's gelernt.
Ubbirī
- 51
- «'O süße Jīvā' rufst du weh
- Im Walde - sieh' doch, Ubbirī:
- An vierundachtzigtausend, ach,
- Geheißen alle 'Jīvā' einst,
- Im Haine hat man die verbrannt;
- Um welche weinst du heute hier?»
- 52
- Vom Stachel ward ich so geheilt,
- Der tief im Herzen heimlich stach:
- Verschmachtend um die Tochter mein
- Genas ich also, schmerzvernarbt.
- 53
- Kein Stachel sticht mich heute wund,
- Erloschen bin ich, ausgelebt;
- Mein Hort und Helfer ist der Herr,
- Des Weisen Satzung, sein Gebot.
Sukkā
- 54
- Wer hört auf mich in Königshof?
- Wie trunken treibt das Volk sich um!
- An Sukkā kehrt sich keiner viel,
- Die Siegerbotschaft offenbart.
(Königshof, Rājagaham, war die Hauptstadt von Magadhā; heute Rājgir.)
- 55
- Was keinen ärgern, ängsten kann,
- Was Kräfte zeitigt, Kräfte zeugt,
- Der Kenner, denk' ich, schlürft es ein,
- Wie Wolkentau der Wandrer schlürft.
- (Vergl. Dhp.205)
- 56
- In reiner Wahrheit rein bewährt,
- Von Sucht genesen, nimmer siech,
- Das letzte Dasein lebe du
- Und überwinde Todeswut.
- (Vergl. v. 7);
Selā
- 57
- Der VERSUCHER:
- Der Welt entrinnen kannst du
- Was taugt dir also Einsamkeit?
- Genieße doch der Liebeslust,
- Erspare späte Reue dir!
- 58
- Selā:
- Wie Lanzenspitze seh' ich Lust
- Die Sinne reizen, reißen auf:
- Und was du heißest Liebeslust,
- Nur Unlust dünkt mich heute das.
- 59
- Und alle Neigung ist vertilgt,
- Und Nacht und Nebel durchgeteilt;
- Ich raun' es dir, Verruchter, zu:
- Zermalmt ist deine Todesmacht.
Somā
- 60
- Der VERSUCHER:
- Was heilig hier der Mann vermag,
- Ein Werk zu wirken, schwierig, schwer,
- Das bringt ein Weib, zweifingerbreit (*)
- An Weisheit, niemals fertig, nie!
(*) Zweifingervestand der Frauen - der Ausdruck soll auf dem Gestus der
Frauen beruhen, die mit zwei Fingern nachfühlen, ob der Reis gar ist.
61
SOMĀ:
Und bin ich von Geburt ein Weib:
Was gilt es mir, die mutbegabt
Im Herzen innig Einsicht hegt
Und ganz und gar die Wahrheit weiß?
62
Und alle Neigung ist vertilgt,
Und Nacht und Nebel durchgeteilt;
Ich raun' es dir, Verruchter, zu:
Zermalmt ist deine Todesmacht.