UDĀNA

VII. DAS KURZE KAPITEL

Ud.VII.1. BHADDIYO (1)

So hab ich's vernommen: Einstmals weilte der Erhabene in Sāvatthī im Kloster Anāthapindikos, Da unterwies der ehrwürdige Sāriputto den ehrwürdigen Zwerg Bhaddiyo [113] durch mannigfache Lehrdarstellungen, spornte ihn an, richtete ihn auf, beseligte ihn. Da wurde dem ehrwürdigen Zwerg Bhaddiyo, vom ehrwürdigen Sāriputto durch mannigfache Lehrdarstellungen, angespornt, aufgerichtet, beseligt, das Herz ohne Überrest von Beeinflußbarkeit erlöst. [114] Der Erhabene bemerkte, wie dem ehrwürdigen Zwerg Bhaddiyo, vom ehrwürdigen Sāriputto durch mannigfache Lehrdarstellungen angespornt, aufgerichtet, beseligt, das Herz ohne Überrest von Beeinflußbarkeit erlöst war.

Aus diesem Anlaß tat der Erhabene aus seiner Schau folgenden Ausspruch:

"'Oben', 'unten', 'überall' erlöst!
nie mehr kommt da diese Sicht: 'ich bin' auf.
Freiheit ist, durchkreuzt ist nun die Flut,
niemals noch durchschritten: Nie mehr Dasein!"

[113] körperbehinderter weiser Mönch, nicht zu verwechseln mit dem früheren König Baddhiyo oben in Ud.II.10, vgl. seine Verse in Thag 466-472

[114] d.h., er hatte den Heilsstand erreicht, weil keine Beeinflußbarkeit durch Sinnendinge, Seinwollen, Wahnwissen seinen Frieden und seine absolute Freiheit mehr beeinflussen konnte.


Ud.VII.2. BHADDIYO (2)

So hab ich's vernommen: Als bei dieser Gelegenheit [115] der Erhabene in Sāvatthī im Kloster Anāthapindikos weilte, da meinte der ehrwürdige Sāriputto, der ehrwürdige Zwerg Bhaddiyo habe noch um die Erlösung zu kämpfen.[116] Deshalb wollte er den ehrwürdigen Zwerg Bhaddiyo noch weiter durch mannigfache Lehrdarstellungen anleiten, anspornen, aufrichten, beseligen. Der Erhabene bemerkte das.

Aus diesem Anlaß tat der Erhabene aus seiner Schau folgenden Ausspruch:

"Zerbrochen hat er das Rad schon, ist wunschlos.
Getrocknet die Strömung, [117] nie fließt sie mehr,
nie wieder rollt das zerbrochene Rad:
das ist das Ende des Leidens!"

[115] nämlich der in dem vorherigen Text Ud VII, 2 berichteten

[116] sekha

[117] des Durstes


Ud.VII.3. ANHANGEN (1)

So hab ich's vernommen: Einstmals weilte der Erhabene in Sāvatthī im Kloster Anāthapindikos. Damals waren die meisten Leute in Sāvatthī im Übermaß den Sinnenlüsten angehangen, von ihnen gereizt, geiergierig, verstrickt, betört, ihnen verfallen, geblendet, ganz darin versunken. Da erhob sich eine große Schar von Mönchen in der Frühe, nahm Obergewand und Schale und ging zum Almosengang nach Sāvatthī. Nach dem Almosengang, nachdem sie das Mahl eingenommen hatten, begaben sie sich zum Erhabenen, begrüßten den Erhabenen ehrerbietig und setzten sich seitwärts. Seitwärts sitzend berichteten sie dem Erhabenen über diese Lage.

Aus diesem Anlaß tat der Erhabene aus seiner Schau folgenden Ausspruch:

"Solang die Wesen an den Lüsten kleben,
sie nicht als Fesseln sehen, die zu lassen sind,
vermögen sie, verstrickungsleimverklebt,
gewiss die mächt'ge Hochflut nicht zu kreuzen."

Ud.VII.4. ANHANGEN (2)

(Wie im vorigen Text, nur stellt der Erwachte hier den Übelstand selber auf einem Almosengang fest).

Aus diesem Anlaß tat der Erhabene aus seiner Schau folgenden Ausspruch:

"Blind vor Lust, im Netz gefangen,
eingehüllt vom Durst als Mantel,
in des Leichtsinnsteufels[118] Banden,
Fischen gleich im Schlund der Reuse,
zieh’n sie Alter, Tod entgegen,
wie das Kalb nach Milch zur Mutter."

[118] pamatta-bandhu - wörtlich: "Freund der Lässigen" - ist Māro, die Verkörperung des Unheilsamen, vgl. Sn 430


Ud.VII.5. BHADDIYO (3)

So hab ich's vernommen: Einstmals weilte der Erhabene bei Sāvatthī im Jetahain im Kloster Anāthapindikos. Da wanderte gerade der ehrwürdige Zwerg Bhaddiyo,[119] gefolgt von einer großen Schar von Mönchen, zum Erhabenen hin. Der Erhabene sah von weitem den ehrwürdigen Zwerg Bhaddiyo, gefolgt von einer großen Schar von Mönchen, herankommen, missgestaltet, unschön aussehend, zwergwüchsig, gar nicht zu dem gewohnten Bild der Mönche passend. Bei diesem Anblick sprach der Erhabene zu den Mönchen: "Seht ihr diesen Mönch, der da von ferne kommt, gefolgt von einer großen Schar von Mönchen, missgestaltet, unschön aussehend, zwergwüchsig, gar nicht zu dem gewohnten Bild der Mönche passend?" - "Ja, Herr" - "Dieser, Mönch, ihr Mönche, ist von großer Geistesmacht, ein Großer an Erfahrung, und was er erreicht hat, ist nicht leicht zu erreichen: Von diesem Mönch ist bereits das Unvergleichliche erreicht worden, um dessetwillen Söhne aus Familien aus dem Haus in die Hauslosigkeit ziehen: jenes höchste Ziel des geistlichen Lebens hat er sich noch zu Lebzeiten in eigener weltüberlegener Erfahrung offenbargemacht und auf ewig errungen!"

Nachdem der Erhabene dies gesagt hatte, tat er aus seiner Schau folgenden Ausspruch:

"So wie ein Wagen wohlgebaut
mit weißem Dach einachsig rollt,
kommt da ein Suchtbefreiter, seht,
ein Stromversieger, bandenfrei"

[119] vgl. oben Ud VII, 1 und 2


Ud.VII.6. VERSIEGUNG DES DURSTES

So hab ich's vernommen: Einstmals weilte der Erhabene in Sāvatthī im Kloster Anāthapindikos. Zu der Zeit hatte sich der ehrwürdige Aññātakondañño[120] in der Nähe des Erhabenen mit gekreuzten Beinen niedergesetzt, den Körper gerade aufgerichtet, seine Erlöstheit durch Versiegung des Durstes betrachtend. Der Erhabene sah den ehrwürdigen Aññātakondañño in der Nähe mit gekreuzten Beinen sitzen, den Körper gerade aufgerichtet, seine Erlöstheit durch Versiegung des Durstes betrachtend.

Aus diesem Anlaß tat der Erhabene aus seiner Schau folgenden Ausspruch:

"Wo nicht Wurzel, Erde, Laub ist -
wie könnt's Schlinggewächse geben?
An dem Festen, Bandenfreien -
wer könnt da ein Fehl noch finden?
Auch die Himmel rühmen Solchen,
und es huldigt ihm selbst Brahma."

[120] Kondañño war von den fünf Mönchen, denen der Erwachten nach seiner Erwachung als ersten die Lehre darlegte, der erste, der das Heilswissen verstand und den Heilsstand gewann. Weil der Erwachte dies mit den Worten feststellte: "Kondañño hat verstanden", erhielt er den Beinamen: "Aññāta (Verstehens) Kondañño". (Vin I, 12)


Ud.VII.7. AUFHEBUNG DER SONDERHEIT

So hab ich's vernommen: Einstmals weilte der Erhabene in Sāvatthī im Kloster Anāthapindikos. Zu der Zeit hatte sich der Erhabene niedergesetzt und betrachtete bei sich selber die Aufgehobenheit der Reihen der Sonderheit-Wahrnehmungen.[121] Als der Erhabene bei sich selber die Aufgehobenheit der Reihen der Sonderheit-Wahrnehmungen betrachtete, tat er aus diesem Anlaß aus seiner Schau folgenden Ausspruch:

"Bei wem die Sonderheit nicht Halt mehr findet,
der hat die Sperren, Hindernisse überwunden.
Den Wandel dieses Durstbefreit-Gestillten
den schätzen Welt und Götter nicht gering."

[121] papañca-saññā-sankhā


Ud.VII.8. KACCĀNO

So hab ich's vernommen: Einstmals weilte der Erhabene in Sāvatthī im Kloster Anāthapindikos. Zu der Zeit hatte sich der ehrwürdige Mahākaccāno[122] in der Nähe des Erhabenen mit gekreuzten Beinen niedergesetzt, den Körper gerade aufgerichtet, die Körperbetrachtung bei sich wohlgefestigt. Der Erhabene sah den ehrwürdigen Mahākaccāno in der Nähe mit gekreuzten Beinen sitzen, den Körper gerade aufgerichtet, die Körperbetrachtung bei sich wohlgefestigt.

Aus diesem Anlaß tat der Erhabene aus seiner Schau folgenden Ausspruch:

"Wer zu jeder Zeit die Achtsamkeit
standfest auf den Körper richten kann
in dem Wissen: 'Nichts soll sein, nichts mein sein,
nichts soll künftig werden, nichts für mich',
wenn er Schritt für Schritt so weilt, dann kann er
wenn die Zeit reif ist, das Hangen kreuzen. "

[122] vgl. oben Ud V, 6


Ud.VII.9. DER BRUNNEN

So hab ich's vernommen: Einstmals näherte sich der Erhabene auf der Wanderschaft durch das Land der Maller mit einer großen Schar von Mönchen einem Brahmanendorf namens Thūna. Die brahmanischen Hausväter von Thūna hörten: "Da ist doch tatsächlich dieser Herr Gotamo, der aus dem Hause der Sakyer in die Hauslosigkeit gezogen ist, auf der Wanderschaft durch das Land der Maller mit einer großen Schar von Mönchen im Anmarsch auf Thūna." Da verstopften sie den Brunnen bis oben mit Gras und Spreu: "Diese kahlköpfigen Herumtreiber sollen kein Wasser zu trinken bekommen!"

Da wich der Erhabene vom Weg ab und setzte sich unter einen Baum auf einen bereitstehenden Sitz. Als er sich niedergesetzt hatte, sprach der Erhabene zum ehrwürdigen Ānando: "Geh, Ānando, hol mir Wasser vom Brunnen." Auf diese Aufforderung antwortete der ehrwürdige Ānando: "Herr, dieser Brunnen ist von den brahmanischen Hausvätern von Thūna bis oben mit Gras und Spreu verstopft worden, sie sagen: 'Diese kahlköpfigen Herumtreiber sollen kein Wasser zu trinken bekommen! '" - Aber ein zweites Mal sprach der Erhabene zum ehrwürdigen Ānando: "Geh, Ānando, hol mir Wasser vom Brunnen." Und ein zweites Mal antwortete der ehrwürdige Ānando: "Herr, dieser Brunnen ist von den brahmanischen Hausvätern von Thūna bis oben mit Gras und Spreu verstopft worden,. sie sagen: 'Diese kahlköpfigen Herumtreiber sollen kein Wasser zu trinken bekommen!'" Aber ein drittes Mal forderte der Erhabene den ehrwürdigen Ānando auf: "Geh, Ānando, hol mir Wasser vom Brunnen." - "Ja, Herr", antwortete der ehrwürdige Ānando gehorsam, nahm eine Schüssel und ging zum Brunnen. Als der ehrwürdige Ānando an den Brunnen kam, da schleuderte doch wahrhaftig der Brunnen all das bis oben hin eingefüllte Gras samt Spreu hinaus und stand da, bis zum Überfließen gefüllt mit klarem, ungetrübtem, stillem Wasser. Da dachte der ehrwürdige Ānando: "Wie wunderbar, wie einzigartig ist doch die große Geistesmacht, die gewaltige Kraft des Vollendeten, dass der Brunnen, als ich kam, all das bis oben hin eingefüllte Gras samt Spreu hinausschleuderte und dastand, bis oben gefüllt mit klarem, ungetrübtem, stillem Wasser!" Er füllte die Schüssel mit Trinkwasser, begab sich zum Erhabenen und sprach: "Wie wunderbar, wie einzigartig ist doch die große Geistesmacht, die gewaltige Kraft des Vollendeten, dass, der Brunnen, als ich kam, all das bis oben hin eingefüllte Gras samt Spreu hinausschleuderte und dastand, bis oben gefüllt mit klarem, ungetrübtem, stillem Wasser! Möge der Erhabene von dem Wasser trinken, möge der Erhabene von dem Wasser trinken!"

Aus diesem Anlaß tat der Erhabene aus seiner Schau folgenden Ausspruch:

"Wozu braucht es einen Brunnen?
Überall gibt es doch Wasser:
Ist gekappt des Durstes Wurzel -
wonach soll man da noch suchen?"

Ud.VII.10. UDENO

So hab ich's vernommen: Einstmals weilte der Erhabene in Kosambi im Ghosita-Klostergarten. Damals war dem König Udeno der Frauenpalast in seinem Park abgebrannt, und es waren fünfhundert Frauen mit Königin Sāmavāti an der Spitze ums Leben gekommen.[123]

Da erhob sich eine große Schar von Mönchen in der Frühe, nahm Obergewand und Schale und ging zum Almosengang nach Kosambi. Nach dem Almosengang, nachdem sie das Mahl eingenommen hatten, begaben sie sich zum Erhabenen, begrüßten den Erhabenen ehrerbietig und setzten sich seitwärts. Seitwärts sitzend sprachen die Mönche zum Erhabenen: "Herr, dem König Udeno ist der Frauenpalast in seinem Park abgebrannt, und fünfhundert Frauen mit Königin Sāmavāti an der Spitze sind ums Leben gekommen. Was ist die weitere Bahn dieser Anhängerinnen, wo sind sie wiedergeboren?" - "Unter diesen Anhängerinnen sind einige in die Heilsströmung eingetreten, es gibt unter Ihnen Einmalwiederkehrerinnen und es gibt Nichtwiederkehrerinnen. Alle diese Anhängerinnen, ihr Mönche, sind nicht ohne gute Frucht gestorben."

Aus diesem Anlaß tat der Erhabene aus seiner Schau folgenden Ausspruch:

"In Blendungsbanden ist die Welt,
sieht nur so aus, als hab' sie Macht.
Wer in des Angenomm'nen Bann
als Tor, von Finsternis umhüllt,
der kommt sich gleichsam ewig vor. -
Für Kenner gibt's kein 'Etwas' mehr."

[123] Ausführlicher Bericht von Hellmuth Hecker in WW 1976 S. 51 ff.


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