Majjhima Nikaya, Mittlere Sammlung

ERSTES HALBHUNDERT (Mūlapaṇṇāsam)

Dritter Teil (Vaggo Tatiyo) - Buch der Gleichnisse (opamadhammavaggo)

26. (III,6) Ariyapariyesana Sutta (Das Heilige Ziel)

 

DAS HAB' ICH GEHÖRT. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Sie­gerwalde, im Garten Anāthapindikos. Und der Erhabene, zeitig gerüstet, nahm Mantel und Schale und ging nach der Stadt um Almosenspeise. Da nun begaben sich viele Mönche zum ehrwürdigen Ānando und sagten zu ihm:

            "Lang' ist es her, Bruder Ānando, seit dem wir vom Munde des Erhabenen ein lehrreiches Gespräch gehört haben: gut wär' es, Bruder Ānando, wenn wir vom Munde des Erhabenen ein lehrreiches Gespräch zu hören bekämen."

            "Wohlan, Ehrwürdige, so begebt euch zur Klause des Brahmanen Ram­mako, vielleicht werdet ihr vom Munde des Erhabenen ein lehrreiches Ge­spräch zu hören bekommen."

            "Das wollen wir tun, Bruder!" erwiderten da jene Mönche dem ehrwür­digen Ānando."

            Nachdem nun der Erhabene in Savatthi von Haus zu Haus getreten und vom Almosengange zurückgekehrt war, wandte er sich nach dem Mahle an den ehr­wür­digen Ānando:

            "Laß uns, Ānando, in den Osthain gehn, zu Mutter Migaros Terrasse, und bis gegen Abend dort verweilen."

            "Wohl, o Herr!" erwiderte der ehrwürdige Ānando dem Erhabenen.

            Und der Erhabene begab sich nun mit dem ehrwürdigen Ānando in den Osthain, zu Mutter Migaros Terrasse, über den Tag dort zu verweilen.

            Als nun der Erhabene gegen Abend die Gedenkensruhe beendet hatte, wandte er sich zum ehrwürdigen Ānando:

            "Laß uns, Ānando, ins Alte Bad gehn, die Glieder erfrischen."

            "Wohl, o Herr!" erwiderte der ehrwürdige Ānando dem Erhabenen.

            Und der Erhabene ging nun mit dem ehrwürdigen Ānando ins Alte Bad, die Glieder erfrischen. Nachdem der Erhabene seine Glieder im Alten Bade besprengt und bespült hatte, nahm er eines seiner drei Kleidungstücke um und ließ die Glieder vorerst trocknen. Da nun sprach der ehrwürdige Ānando zum Erhabenen also:

            "Jene Klause des Brahmanen Rammako, o Herr, ist nicht weit von hier, entzückend gelegen, o Herr, in heiterer Ruhe. Gut wär' es, o Herr, wenn der Erhabene sich dorthin begeben möchte, von Mitleid bewogen!"

            Schweigend gewährte der Erhabene die Bitte. Und der Erhabene begab sich nun zur Klause des Brahmanen Rammako.

            Um diese Zeit aber waren dort viele Mönche in lehrreichem Gespräche ver­sammelt. Da blieb der Erhabene vor dem Tore der Klause stehn und wartete das Ende des Gespräches ab. Als nun der Erhabene merkte, das Gespräch sei zu Ende, räusperte er sich und schlug mit dem Klopfer an; jene Mönche aber öffneten dem Erhabenen die Pforte. Und der Erhabene betrat nun die Klause des Brahmanen Rammako und setzte sich auf den dargebotenen Sitz. Hierauf wandte sich der Erhabene an die Mönche:

            "Zu welchem Gespräch, ihr Mönche, seid ihr jetzt hier zusammengekom­men, und wobei habt ihr euch eben unterbrochen?"

            "Um des Erhabenen willen, o Herr, haben wir ein lehrreiches Gespräch unterbrochen: denn der Erhabene ist gekommen!"

 

            "Gut, meine Mönche, das steht euch an, meine Mönche, die ihr als edle Söhne von Zuversicht gewogen aus dem Hause in die Hauslosigkeit gewan­dert seid, daß ihr zu lehrreichem Gespräche zusammenkommet. Trefft ihr euch, meine Mönche, so geziemt euch zweierlei: lehrreiches Gespräch oder heiliges Schweigen.

 

            "Zwei Ziele, ihr Mönche, gibt es: das heilige Ziel und das unheilige Ziel. Was ist aber, ihr Mönche, das unheilige Ziel? Da sucht, ihr Mönche, einer:

selber der Geburt unterworfen, was auch der Geburt unterworfen ist;

selber dem Altern unterworfen sucht er was auch dem Altern unterworfen ist; sel­ber der Krankheit unterworfen sucht er was auch der Krankheit unterworfen ist;

selber dem Sterben unterworfen sucht er was auch dem Sterben unter­worfen ist; selber dem Schmerz unterworfen sucht er was auch dem Schmerze unterworfen ist; selber dem Schmutz unterworfen sucht er was auch dem Schmutze unterworfen ist.

            "Was aber, ihr Mönche, nennet ihr der Geburt unterworfen? Weib und Kind, ihr Mönche, ist der Geburt unterworfen, Knecht und Magd ist der Geburt unter­worfen, Lamm und Ziege ist der Ge­burt unterworfen, Schwein und Hahn ist der Geburt unterworfen, Elefant und Rind, Hengst und Stute ist der Geburt unter­worfen, Gold und Silber ist der Geburt unterworfen. Der Geburt unterworfen sind diese Gebilde, ihr Mönche; und da sucht man verlockt, geblendet, hinge­rissen, selber der Geburt unterworfen was auch der Geburt unterworfen ist.

 

            "Was aber, ihr Mön­che, nennet ihr dem Altern, der Krankheit, dem Sterben, dem Schmerze, dem Schmutze unterworfen? Weib und Kind, ihr Mönche, Knecht und Magd, Lamm und Ziege, Schwein und Hahn, Elefant und Rind, Hengst und Stute, Gold und Silber ist dem Altern, der Krankheit, dem Sterben, dem Schmerze, dem Schmutze unterworfen. Dem Altern, der Krankheit, dem Sterben, dem Schmerze, dem Schmutze unterworfen sind diese Gebilde, ihr Mönche; und da sucht man verlockt, geblendet, hingerissen, selber dem Altern, der Krank­heit, dem Sterben, dem Schmerze, dem Schmutze unterworfen was auch dem Altern, der Krankheit, dem Sterben, dem Schmerze, dem Schmutze unter­worfen ist. Das ist, ihr Mönche, das unheilige Ziel.

 

            "Was ist aber, ihr Mönche, das heilige Ziel? Da sucht, ihr Mönche, einer:

            selber der Geburt unterworfen, das Elend dieses Naturgesetzes merkend, die ge­burtlose unvergleichliche Sicherheit, die Wahnerlöschung;

            selber dem Altern unterworfen, das Elend dieses Naturgesetzes merkend, sucht er die alterlose unvergleichliche Sicherheit, die Wahnerlöschung;

            selber der Krankheit unter­worfen, das Elend dieses Naturgesetzes merkend, sucht er die krankheitlose unvergleichliche Sicherheit, die Wahnerlöschung;

            selber dem Sterben unterworfen, das Elend dieses Naturgesetzes merkend, sucht er die unsterbliche unvergleichliche Sicherheit, die Wahnerlöschung;

            selber dem Schmerze un­terworfen, das Elend dieses Naturgesetzes merkend, sucht er die unbe­schmerzte unvergleichliche Sicherheit, die Wahnerlöschung;

            selber dem Schmutze unterworfen, das Elend dieses Naturgesetzes merkend, sucht er die unbeschmutzte unvergleichliche Sicherheit, die Wahnerlöschung.

 

Das ist, ihr Mönche, das heilige Ziel.

 

            "Auch ich habe einst, ihr Mönche, noch vor der vollen Erwachung, als un­vollkommen Erwachter, Erwachung erst Erringender:

selber der Geburt unter­wor­fen, gesucht was auch der Geburt unterworfen ist; selber dem Altern unter­wor­fen, gesucht was auch dem Altern unterworfen ist; selber der Krank­heit unterworfen, gesucht was auch der Krankheit unterworfen ist;

selber dem Sterben unterworfen, gesucht was auch dem Sterben unterworfen ist; selber dem Schmerz unterworfen, gesucht was auch dem Schmerze unter­worfen ist; selber dem Schmutz unterworfen, gesucht was auch dem Schmutze unterworfen ist.

 

            "Da kam mir, ihr Mönche, der Gedanke: 'Was suche ich denn, selber der Geburt, dem Altern, der Krankheit, dem Sterben, dem Schmerze, dem Schmutze unterworfen, was auch der Geburt, dem Altern, der Krankheit, dem Sterben, dem Schmerze, dem Schmutze unterworfen ist? Wie, wenn ich nun,

            selber der Geburt unterworfen, das Elend dieses Naturgesetzes merkend, die geburtlose unver­gleich­liche Sicherheit, die Wahnerlöschung suchte?

            Sel­ber dem Altern unterwor­fen, das Elend dieses Naturgesetzes merkend, die alterlose unvergleichliche Sicherheit, die Wahnerlöschung suchte? Selber der Krankheit unterworfen, das Elend dieses Naturgesetzes merkend, die krank­heitlose unvergleichliche Sicher­heit, die Wahnerlöschung suchte?

            Selber dem Sterben unterworfen, das Elend dieses Naturgesetzes merkend, die unsterb­liche unvergleichliche Sicher­heit, die Wahnerlöschung suchte? Selber dem Schmerz unterworfen, das Elend dieses Naturgesetzes merkend, die unbe­schmerzte unvergleichliche Sicherheit, die Wahnerlöschung suchte?

            Selber dem Schmutze unterworfen, das Elend dieses Naturgesetzes merkend, die un­beschmutzte unvergleichliche Sicherheit, die Wahnerlöschung suchte?'

 

            "Und ich zog, ihr Mönche, nach einiger Zeit, noch in frischer Blüte, glänzend dunkelhaarig, im Genusse glücklicher Jugend, im ersten Mannesalter, gegen den Wunsch meiner weinenden und klagenden Eltern, mit geschorenem Haar und Barte, mit fahlem Gewande bekleidet, vom Hause fort in die Hauslosig­keit hinaus.

            "Also Pilger geworden, das wahre Gut suchend, nach dem unvergleichli­chen höchsten Friedenspfade forschend, begab ich mich zu Alaro Kalamo und sprach zu ihm: 'Ich möchte, Bruder Kalamo, in dieser Lehre und Ordnung das Asketenleben führen.' Hierauf, ihr Mönche, erwiderte mir Alaro Kalamo: 'Bleibt, Ehrwür­di­ger! Solcherart ist diese Lehre, daß ein verständiger Mann, sogar binnen kur­zem, sich die eigene Meisterschaft begreiflich und offenbar machen und ihren Besitz erlangen kann.' Und ich begriff, ihr Mönche, bin­nen kurzem, sehr bald diese Lehre. Ich lernte nun soviel, ihr Mönche, als Lip­pen und Laute mitzu­teilen vermögen, das Wort des Wissens und das Wort der älteren Jünger, und ich und die anderen wußten: 'Wir kennen und ver­stehn es.' Da kam mir, ihr Mönche, der Gedanke: 'Alaro Kalamo verkündet nicht die ganze Lehre nach seinem Glauben `Mir selbst begreiflich und offenbar gemacht verweil' ich in ihrem Besitze', sicher kennt Alaro Kalamo diese Lehre genau.' Ich ging nun, ihr Mönche, zu Alaro Kalamo hin und sprach also: 'Inwiefern, Bruder Kalamo, erklärst du, daß wir diese Lehre begriffen, uns offenbar gemacht und ihren Besitz erlangt haben?' Hierauf, ihr Mönche stellte Alaro Kalamo das Reich des Nichtdaseins dar. Da kam mir, ihr Mönche, der Gedanke: 'Nicht einmal Alaro Kalamo hat Zuversicht, ich aber habe Zuversicht; nicht einmal Alaro Kalamo hat Stand­haftigkeit, ich aber habe Standhaftigkeit; nicht einmal Alaro Kalamo hat Einsicht, ich aber habe Einsicht; nicht einmal Alaro Kalamo hat Selbst­ver­tiefung, ich aber habe Selbstvertiefung; nicht einmal Alaro Kalamo hat Weis­heit, ich aber habe Weisheit.

 

            "Wie, wenn ich nun diese Lehre, von welcher Alaro Kalamo sagt `Mir selbst begreiflich und offenbar gemacht verweil' ich in ihrem Besitze', mir anzueignen suchte, damit sie mir völlig klar würde?' Und binnen kurzem, sehr bald, ihr Mönche, hatte ich diese Lehre begriffen, mir offenbar gemacht und ihren Besitz erlangt. Ich ging nun, ihr Mönche, wieder zu Alaro Kalamo hin       und sprach also: 'Ist diese Lehre, Bruder Kalamo, insofern von uns begrif­fen,        offenbar gemacht und erlangt worden?' ‑ 'Insofern, o Bruder, ist diese Lehre begriffen, offenbar gemacht und erlangt worden.' ‑ 'Ich habe nun, Bruder Alamo, diese Lehre insofern begriffen, mir offenbar gemacht und erlangt.' ‑'Beglückt sind wir, o Bruder, hoch begünstigt, die wir einen solchen Ehr­würdigen als echten Asketen erblicken! So wie ich die Lehre verkünde, so hast du sie erlangt; so wie du sie erlangt hast, so verkünde ich die Lehre. So wie ich die Lehre kenne, so kennst du die Lehre; so wie du die Lehre kennst, so kenne ich die Lehre. So wie ich bin, so bist du; so wie du bist, so bin ich. Komm' denn, Bruder: selbander wollen wir diese Jüngerschar lenken.' So, ihr Mönche, erklärte Alaro Kalamo, mein Lehrer, mich, seinen Schüler, als ihm ebenbürtig und ehrte mich mit hoher Ehre. Da kam mir, ihr Mönche, der Gedanke: 'Nicht diese Lehre führt zur Abkehr, zur Wendung, zur Auf­lösung, zur Auf­hebung, zur Durchschauung, zur Erwachung, zur Erlöschung, sondern nur zur Einkehr in das Reich des Nichtdaseins.' Und ich fand diese Lehre ungenügend, ihr Mönche, und unbefriedigt von ihr zog ich fort.

 

            "Ich begab mich nun, ihr Mönche, das wahre Gut suchend, nach dem un­vergleichlichen höchsten Friedenspfade forschend, zu Uddako, dem Sohne Ramos, und sprach zu ihm: 'Ich möchte, Bruder Ramo, in dieser Lehre und Ordnung das Asketenleben führen.' Hierauf, ihr Mönche, erwiderte mir Uddako Ramaputto: 'Bleibt, Ehrwürdiger! Solcherart ist diese Lehre, daß ein verständiger Mann, sogar binnen kurzem, sich die eigene Meisterschaft be­greiflich und offenbar machen und ihren Besitz erlangen kann.' Und ich begriff, ihr Mönche, als Lippen und Leute mitzuteilen vermögen, das Wort des Wis­sens und das Wort der älteren Jünger, und ich und die anderen wußten: 'Wir kennen und verstehn es.' Da kam mir, ihr Mönche, der Gedanke: 'Ramo hat nicht die ganze Lehre nach seinem Glauben `Mir selbst begreiflich und offenbar gemacht verweil' ich in ihrem Besitze' verkündet, sicher hat Ramo diese Lehre genau gekannt.' Ich ging nun, ihr Mönche, zu Uddako, dem Sohne Ramos, hin und sprach also: 'Inwiefern, Bruder, hat Ramo diese Lehre also von uns begriffen, offenbar gemacht und erlangt erklärt?' Hierauf, ihr Mönche, stellte Uddako, der Sohn Ramos, die Grenzscheide möglicher Wahrnehmung dar. Da kam mir, ihr Mönche, der Gedanke: 'Nicht einmal Ramo hatte Zu­versicht, ich aber habe Zuversicht; nicht einmal Ramo hatte Standhaftigkeit, ich aber habe Standhaftigkeit; nicht einmal Ramo hatte Einsicht, ich aber habe Einsicht; nicht einmal Ramo hatte Selbst­ver­tiefung, ich aber habe Selbstvertiefung; nicht einmal Ramo hatte Weisheit, ich aber habe Weisheit. Wie, wenn ich nun diese Lehre, von welcher Ramo sagte `Mir selbst begreif­lich und offenbar gemacht, verweil' ich in ihrem Besitze', mir anzueignen suchte, damit sie mir völlig klar würde?' Und binnen kurzem, sehr bald, ihr Mönche, hatte ich diese Lehre begriffen, mir offenbar gemacht und ihren Be­sitz erlangt. Ich ging nun, ihr Mönche, wieder zu Uddako Ramaputto hin und sprach also: 'Ist diese Lehre, Bruder, der Darlegung Ramos gemäß inso­fern von uns begriffen, offenbar gemacht und erlangt worden?' ‑ 'Insofern, Bruder, hat Ramo diese Lehre als begriffen, offenbar gemacht und erlangt dargestellt.' ‑ 'Ich habe nun, Bruder, diese Lehre insofern begriffen, mir of­fenbar gemacht und erlangt.' ‑ 'Beglückt sind wir, o Bruder, hoch begün­stigt, die wir einen solchen Ehrwürdigen als echten Asketen erblicken! So wie Ramo die Lehre ver­kündet hat, so hast du die Lehre erlangt; so wie du sie er­langt hast, so hat Ramo die Lehre verkündet. So wie Ramo die Lehre gekannt hat, so kennst du die Lehre; so wie du die Lehre kennst, so hat Ramo die ­Lehre gekannt. So wie Ramo war, so bist du; so wie du bist, so war Ramo, Komm' denn, o Bruder: sei du das Haupt dieser Jüngerschar.' So, ihr Mön­che, belehnte Uddako Ramaputto, mein Ordensbruder, mich mit der Mei­sterschaft und ehrte mich mit hoher Ehre. Da kam mir, ihr Mönche, der Ge­danke: 'Nicht diese Lehre führt zur Abkehr, zur Wen­dung, zur Auflösung, zur Aufhebung, zur Durchschauung, zur Erwachung, zur Erlöschung, sondern nur zur Einkehr in das Reich der Grenze möglicher Wahr­nehmung.' Und ich, fand diese Lehre ungenügend, ihr Mönche, und unbefriedigt von ihr zog ich fort.

 

            "Ich wanderte nun, ihr Mönche, das wahre Gut suchend, nach dem unver­gleichlichen höchsten Friedenspfade forschend, im Magadha‑Lande von Ort zu Ort und kam in die Nähe der Burg Uruvela. Dort sah ich einen entzückenden Fleck Erde: einen heiteren Waldesgrund, einen hell strömenden Fluß, zum Baden ge­eignet, erfreulich, und rings umher Wiesen und Felder. Da kam mir, ihr Mönche, der Gedanke: 'Entzückend, wahrlich, ist dieser Fleck Erde! Heiter ist der Waldes­grund, der Fluß strömt hell dahin, zum Baden geeignet, erfreulich, und rings umher liegen Wiesen und Felder. Das genügt wohl einem Askese begehrenden edlen Sohne zur Askese.' Und ich setzte mich nun, ihr Mönche, dort nieder: 'Das genügt zur Askese.'

 

            "Und der ich, ihr Mönche, selber der Geburt unterworfen, das Elend dieses Naturgesetzes merkend, die geburtlose unvergleichliche Sicherheit, die Wahn­erlöschung suchte, fand die geburtlose unvergleichliche Sicherheit, die Wahn­erlöschung;

            der ich, selber dem Altern unterworfen, das Elend dieses Natur­­gesetzes merkend, die alterlose unvergleichliche Sicherheit, die Wahn­erlö­schung suchte, fand die alterlose unvergleichliche Sicherheit, die Wahn­erlöschung;

            der ich, selber der Krankheit unterworfen, das Elend dieses Natur­gesetzes merkend, die krankheitlose unvergleichliche Sicherheit, die Wahn­erlöschung suchte, fand die krankheitlose unvergleichliche Sicherheit, die Wahnerlöschung;

            der ich, selber dem Sterben unterworfen, das Elend dieses Naturgesetzes merkend, die unsterbliche unvergleichliche Sicherheit, die Wahnerlöschung suchte, fand die unsterbliche unvergleichliche Sicherheit, die Wahnerlöschung;        der ich selber dem Schmerze unterworfen, das Elend dieses Naturgesetzes merkend, die unbeschmerzte unvergleichliche Sicher­heit, die Wahnerlöschung suchte, fand die unbeschmerzte unvergleichliche Sicherheit, die Wahnerlö­schung;

            der ich, selber dem Schmutze unterworfen, das Elend dieses Naturgesetzes merkend, die unbeschmutzte unvergleich­liche Sicherheit, die Wahnerlöschung suchte, fand die unbeschmutzte unver­gleichliche Sicherheit, die Wahner­löschung.

Die klare Gewißheit ging mir nun auf:

 

                                    'Für ewig bin erlöst ich,
                                    Das ist das letzte Leben,
                                    Und nicht mehr gibt es Wiedersein.'

 

            "Da kam mir, ihr Mönche, der Gedanke: 'Entdeckt hab' ich diese tiefe Satzung, die schwer zu gewahren, schwer zu erkunden ist, die stille, erlesene, unbekrittelbare, feine, Weisen erfindliche. Vergnügen aber sucht ja dieses Geschlecht, Vergnügen liebt es, Vergnügen schätzt es. Dem vergnügen suchenden Geschlechte nun aber, Vergnügen liebenden, Vergnügen schät­zenden ist ein solches Ding kaum verständlich: als wie das auf gewisse Weise bedingt sein, die bedingte Entstehung; und auch ein solches Ding wird es kaum verstehn: eben dieses Aufgehn aller Unterscheidung, die Abwehr aller Anhaftung, das Versiegen des Durstes, die Wendung, Auflösung, Erlöschung. Wenn ich also die Satzung darlege und die anderen mich doch nicht begrei­fen, so ist mir Plage gewiß und Anstoß.' Und es sind da, ihr Mönche, diese naturgemäßen Sprüche mir aufge­leuchtet, die vorher nie gehörten:

 

                                    'Mit heißer Mühe, was ich fand
                                    Nun offenbaren wär' umsonst:
                                    Das gier‑ und haßverzehrte Volk
                                    Ist solcher Satzung nicht geneigt.
 
                                    'Die stromentgegen gehende
                                    Tief innig zart verborgene
                                    Bleibt Gierergetzten unsichtbar
                                    In dichter Finsternis verhüllt.'

 

            "Also erwägend, ihr Mönche, neigte sich mein Gemüt zur Verschlossen­heit, nicht zur Darlegung der Lehre. Da nun gewahrte, ihr Mönche, Brahma Sahampati meines Herzens Bedenken und klagte: 'Verderben, ach, wird ja die Welt, elend verderben, wenn des Vollendeten, Heiligen, vollkommen Erwachten Gemüt sich zur Verschlossenheit neigt und nicht zur Darlegung der Lehre!' Da verschwand nun, ihr Mönche, Brahma Sahampati, so schnell wie etwa ein kräftiger Mann den ein­gezogenen Arm ausstrecken oder den aus­gestreckten Arm einziehn mag, aus der Brahmawelt und erschien vor mir. Da nun entblößte, ihr Mönche, Brahma Saham­pati eine Schulter, faltete die Hände zu mir und sprach hierauf also:

 

            "O daß doch der Erhabene, o Herr, die Lehre darlege, o daß doch der Will­kommene die Lehre darlege! Es gibt Wesen edlerer Art: ohne Gehör der Lehre verlieren sie sich; sie werden die Lehre verstehn.'

            "Das sagte, ihr Mönche, Brahma Sahampati; und hierauf sprach er ferner­hin also:

 

                                    'Verkündet ward in Magadha Verkehrtes,
                                    Vertrübte Lehre von Unreinen ausgedacht:
                                    Eröffne du jetzt dieses Tor des Lebens,
                                    Der Reine weise zur entdeckten Wahrheit uns.
 
                                    'Wie einer, der am Gipfel hoher Berge steht
                                    Und in die Lande blickt nach allen Seiten hin,
                                    So blick', Allauge du, vom Turm der Wahrheit
                                    In dieses Schmerzenreich, du Schmerzenlöser!
                                    Sieh' hin, o Weiser, auf das Sein:
                                    Entstehn‑Vergehn ist seine Pein.
 
                                    'Wohlan, o Helde, siegreicher Kampfesherr,
                                    Geh' hin zur Welt, entsühnt, o Meisterführer du!
                                    Die Lehre mögest, Herr, verkünden:
                                    Es werden sich Verständige finden.'

 

            "Auf das Anliegen Brahmas nun, ihr Mönche, und aus Erbarmen zu der Wesen blickte ich mit dem erwachten Auge in die Welt. Und ich sah, ihr Mönche, mit dem erwachten Auge in die Welt blickend, Wesen edlerer Art und gemeinerer Art, scharfsinnige und stumpfsinnige, gut begabte und schlecht begabte, leicht begreifende und schwer begreifende und auch man­che, die das Anpreisen einer anderen Welt für arg erachten. Gleichwie etwa, ihr Mönche, in einen Lotuswei­her einzelne blaue oder rote oder weiße Lotus­rosen im Wasser entstehn, im Wasser sich entwickeln, unter dem Wasser­spiegel bleiben, aus der Wassertiefe Nahrung aufsaugen; einzelne blaue oder rote oder weiße Lotusrosen im Wasser entstehn, im Wasser sich entwickeln, bis zum Wasserspiegel dringen; einzelne blaue oder rote oder weiße Lotus­rosen im Wasser entstehn, im Wasser sich entwickeln, über das Wasser em­porsteigen und dastehn unbenetzt von Wasser: ebenso nun auch, ihr Mön­che, sah ich, mit dem erwachten Auge in die Welt blickend, Wesen edlerer Art und gemeinerer Art, scharfsinnige und stumpf­sinnige, gut begabte und schlecht begabte, leicht begreifende und schwer begreifende und auch man­che, die das Anpreisen einer anderen Welt für arg erachten. ‑

 

            "Und ich erwiderte nun, ihr Mönche, Brahma Sahampati mit dem Spruche:

 

                        'Erschlossen sind zur Ewigkeit die Tore:
                        Wer Ohren hat zu hören komm' und höre.
                        Den Anstoß ahnend wahrt' ich unberedsam
                        Das köstlich Edle vor den Menschen, Brahma.'

 

            "Da nun, ihr Mönche, sagte Brahma Sahampati: 'Gewährung hat mir der Erhabene verheißen, die Lehre darzulegen', begrüßte mich ehrerbietig, ging rechts herum und war alsbald verschwunden.

            "Da kam mir, ihr Mönche, der Gedanke: 'Wem könnt' ich nun wohl zu­erst die Lehre darlegen, wer wird diese Lehre gar bald begreifen?' Da kam mir, ihr Mönche, der Gedanke: 'Jener Alaro Kalamo ist weise, entfremdet, tiefsinnig, lebt seit langer Zeit der Entsagung; wenn ich nun ihm zuerst die Lehre dar­lege, wird er diese Lehre gar bald begreifen.' Da nun kamen, ihr Mönche, Gottheiten zu mir und sagten: 'Vor sieben Tagen, o Herr, ist Alaro Kalamo gestorben.' Die klare Gewißheit ging mir nun auf: 'Vor sieben Tagen ist Alaro Kalamo gestorben.' Da kam mir, ihr Mönche, der Gedanke: 'Ein großer Geist war Alaro Kalamo: hätte er diese Lehre vernommen, er hätte sie gar bald begrif­fen.' Da kam mir, ihr Mönche, der Gedanke: 'Wem könnt' ich nun wohl zuerst die Lehre darlegen, wer wird diese Lehre gar bald begrei­fen?' Da kam mir, ihr Mönche, der Gedanke: 'Jener Uddako Ramaputto ist weise, entfremdet, tief­sinnig, lebt seit langer Zeit der Entsagung; wenn ich nun ihm zuerst die Lehre darlege, wird er diese Lehre gar bald begreifen.' Da nun kamen, ihr Mönche, Gottheiten zu mir und sagten: 'Am Abend, o Herr, ist Uddako Ramaputto ge­storben.' Die klare Gewißheit ging mir nun auf: 'Am Abend ist Uddako Ramaputto gestorben.' Da kam mir, ihr Mönche, der Gedanke: 'Ein großer Geist war Uddako Ramaputto: hätte er diese Lehre vernommen, er hätte sie gar bald begriffen.' Da kam mir, ihr Mönche, der Gedanke: 'Wem könnt' ich nun wohl zuerst die Lehre darlegen, wer wird diese Lehre gar bald begreifen?' Da kam mir, ihr Mönche, der Gedanke: 'Zu­getan sind mir ja die Fünf verbündeten Mönche, die meiner warteten, als ich mich der Askese hingab; wie, wenn ich nun zuerst den Fünf verbündeten Mönchen die Lehre darlegen möchte?' Da kam mir, ihr Mönche, der Ge­danke: 'Wo weilen wohl jetzt die Fünf verbündeten Mönche?' Und ich sah, ihr Mönche, mit dem himmlischen Auge, dem geläuterten, über menschliche Grenzen hinausreichenden, den Aufenthalt der Fünf verbündeten Mönche bei Benares, am Sehersteine, im Wildparke". Und ich begab mich nun, ihr Mönche, da ich in Uruvela nach Belieben geweilt hatte, auf die Wanderung nach Benares.           

 

            "Da begegnete mir, ihr Mönche, Upako, ein Nackter Büßer, auf dem Wege vom Baum der Erwachung nach Gaya, und als er mich gesehn hatte sprach er also zu mir:

            'Heiter, o Bruder, ist dein Angesicht, hell die Hautfarbe und rein! Um wes­sen willen, o Bruder, bist du hinausgezogen? Wer ist wohl dein Meister? Oder zu wessen Lehre bekennst du dich?'

            "Auf diese Worte, ihr Mönche, sprach ich zu Upako, dem Nackten Büßer, die Sprüche:

 

                        "Allüberwinder, Allerkenner bin ich,
                        Von allen Dingen ewig abgeschieden,
                        Verlassend alles, lebenswahngeläutert,
                        Durch mich allein belehrt, wen kann ich nennen ?
 
                        "Kein Lehrer hat mich aufgeklärt,
                        Kein Wesen gibt es, das mir gleicht,
                        Die Welt mit ihren Göttern hat
                        Nicht Einen Ebenbürtigen.
 
                        "Denn ich bin ja der Herr der Welt,
                        Der höchste Meister, der bin ich,
                        Ein einzig Allvollendeter,
                        Vollkommen Wahnerloschener.
 
                        "Der Wahrheit Reich erricht' ich nun
                        Und wandre zur Benaresstadt:
                        Erdröhnen soll in finstrer Welt
                        Die Trommel der Unsterblichkeit."­

 

            'So glaubst du also, Bruder, daß du der Heilige bist, der Unumschränkte Sieger?'

 

                        "Mir gleich, ja, werden Siegende,
                        Ist Wahnvertilgung ausgeübt:
                        Besiegt hab' ich das Sündige,
                        Bin darum Sieger, Upako.'

 

            "Auf diese Worte, ihr Mönche, erwiderte Upako, der Nackte Büßer: 'Wenn's nur wäre, Bruder!' schüttelte das Haupt, schlug einen Seitenweg ein und entfernte sich.

            "Und ich zog nun, ihr Mönche, von Ort zu Ort nach Benares, kam zum Seherstein, in den Wildpark, wo die Fünf verbündeten Mönche weilten. Da erblickten mich, ihr Mönche, die Fünf verbündeten Mönche von ferne, und als sie mich gesehn, bestärkte einer den anderen: 'Da kommt, Bruder, jener Asket Gotamo heran, der Üppige, der von der Askese abgefallen ist und sich der Üppigkeit ergeben hat: wir wollen ihn weder begrüßen, noch uns er­heben um ihm Mantel und Schale abzunehmen, aber ein Sitz sei zugewie­sen; wenn er will, mag er sich setzen.' Je mehr ich mich aber, ihr Mönche, näherte, desto weniger vermochten die Fünf verbündeten Mönche bei ihrem Entschluß zu verharren: einige kamen entgegen und nahmen mir Mantel und Schale ab, einige baten mich Platz zu nehmen, einige machten ein Fußbad zu­recht, und sie gingen mich mit dem Namen und dem Bruderworte an. Da sagte ich, ihr Mönche, zu den Fünf ver­bündeten Mönchen:

            "Nicht gehet, ihr Mönche, den Vollendeten mit dem Namen und dem Bru­derworte an: heilig, ihr Mönche, ist der Vollendete, der vollkommen Erwachte. Leihet Gehör, ihr Mönche, die Unsterblichkeit ist gefunden. Ich führe ein, ich lege die Lehre dar. Der Führung folgend werdet ihr in gar kurzer Zeit jenes Ziel, um dessen willen edle Söhne gänzlich vom Hause fort in die Hauslosigkeit ziehn, die höchste Vollendung der Heiligkeit noch bei Lebzeiten euch offenbar machen, verwirklichen und erringen.' Auf diese Worte, ihr Mönche, erwiderten mir die Fünf verbündeten Mönche: 'Selbst durch deine so harte Buße, o Bruder Gotamo, durch deine Kasteiung, durch deine Schmerzensaskese hast du das über­irdische, reiche Heiltum der Wissensklarheit nicht errungen: wie magst du nun jetzt, wo du üppig geworden, von der Askese abgefallen bist, der Üppigkeit dich ergeben hast, das überirdische, reiche Heiltum der Wissensklarheit be­sitzen?' Auf diese Worte, ihr Mönche, erwiderte ich den Fünf verbündeten Mön­chen: 'Nicht ist, ihr Mönche, der Vollendete üppig geworden, von der Askese abgefallen, der Üppigkeit ergeben: heilig, ihr Mönche, ist der Vollendete, der vollkommen Erwachte. Leihet Gehör, ihr Mönche, die Unsterblichkeit ist ge­funden. Ich führe ein, ich lege die Lehre dar. Der Führung folgend werdet ihr in gar kurzer Zeit jenes Ziel, um dessen willen edle Söhne gänzlich vom Hause fort in die Haus­losigkeit ziehn, die höchste Vollendung der Heiligkeit noch bei Lebzeiten euch offenbar machen, verwirklichen und erringen.' Und zum zweitenmal nun, ihr Mönche, erwiderten mir die Fünf verbündeten Mönche: 'Selbst durch deine so harte Buße, o Bruder Gotamo, durch deine Kasteiung, durch deine Schmerzensaskese hast du das überirdische, reiche Heiltum der Wis­sensklarheit nicht errungen: wie magst du nun jetzt, wo du üppig geworden, von der Askese abgefallen bist, der Üppigkeit dich ergeben hast, das über­irdische, reiche Heiltum der Wissensklarheit besitzen?' Und zum zweitenmal nun, ihr Mönche, erwiderte ich den Fünf verbündeten Mönchen: 'Nicht ist, ihr Mönche, der Vollendete üppig geworden, von der Askese abgefallen, der Üppigkeit er­geben: heilig, ihr Mönche, ist der Vollendete, der vollkommen Erwachte. Leihet Gehör, ihr Mönche, die Unsterblichkeit ist gefunden. Ich führe ein, ich lege die Lehre dar. Der Führung folgend werdet ihr in gar kur­zer Zeit jenes Ziel, um dessen willen edle Söhne gänzlich vom Hause fort in die Hauslosigkeit ziehn, die höchste Vollendung der Heiligkeit noch bei Leb­zeiten euch offenbar machen, verwirklichen und erringen.' Und zum dritten­mal nun, ihr Mönche, er­widerten mir die Fünf verbündeten Mönche: 'Selbst durch deine so harte Buße, o Bruder Gotamo, durch deine Kasteiung, durch deine Schmerzensaskese hast du das überirdische, reiche Heiltum der Wis­sensklarheit nicht errungen: wie magst du nun jetzt, wo du üppig geworden, von der Askese abgefallen bist, der Üppig­keit dich ergeben hast, das über­irdische, reiche Heiltum der Wissensklarheit besitzen?' Auf diese Worte, ihr Mönche, sagte ich zu den Fünf verbündeten Mönchen:

            'Entsinnet ihr euch, ihr Mönche, daß ich je zuvor also gesprochen hätte?'

            'Nein, o Herr!'

            'Heilig, ihr Mönche, ist der Vollendete, der vollkommen Erwachte. Leihet Gehör, ihr Mönche, die Unsterblichkeit ist gefunden. Ich führe ein, ich lege die Lehre dar. Der Führung folgend werdet ihr in gar kurzer Zeit jenes Ziel, um dessen willen edle Söhne gänzlich vom Hause fort in die Hauslosigkeit ziehn, die höchste Vollendung der Heiligkeit noch bei Lebzeiten euch offen­bar machen, verwirklichen und erringen.' Und es gelang mir, ihr Mönche, den Fünf verbündeten Mönchen meine Erkenntnis mitzuteilen. Erst trug ich, ihr Mönche, zweien Mönchen die Lehre vor, drei Mönche gingen um Almo­senspeise, und was die drei Mönche an Almosenspeise brachten, das teilten wir in sechs Teile und lebten davon. Dann trug ich, ihr Mönche, dreien Mön­chen die Lehre vor, zwei Mönche gingen um Almosenspeise, und was die zwei Mönche an Almosenspeise brachten, das teilten wir in sechs Teile und lebten davon.

            "Und die Fünf verbündeten Mönche, ihr Mönche, von mir also belehrt, also eingeführt, selber der Geburt unterworfen, das Elend dieses Natur­gesetzes mer­kend, die geburtlose unvergleichliche Sicherheit, die Wahn­erlöschung su­chend, fanden die geburtlose unvergleichliche Sicherheit, die Wahnerlöschung; selber dem Altern unterworfen, das Elend dieses Natur­gesetzes merkend, die alterlose unvergleichliche Sicherheit, die Wahnerlöschung suchend, fanden die alterlose unvergleichliche Sicherheit, die Wahn­erlöschung; selber der Krank­heit unter­worfen, das Elend dieses Naturgeset­zes merkend, die krankheitlose unver­gleich­liche Sicherheit, die Wahnerlöschung suchend, fanden die krank­heitlose unver­gleichliche Sicherheit, die Wahnerlöschung; selber dem Sterben unterworfen, das Elend dieses Natur­gesetzes merkend, die unsterbliche un­vergleichliche Sicherheit, die Wahn­erlöschung, suchend, fanden die unsterb­liche unvergleich­liche Sicherheit, die Wahnerlöschung; selber dem Schmerze unterworfen, das Elend dieses Naturgesetzes merkend, die unbeschmerzte unvergleichliche Sicher­heit, die Wahn­erlöschung suchend, fanden die unbe­schmerzte unvergleichliche Sicherheit, die Wahnerlöschung; selber dem Schmutze unterworfen, das Elend dieses Naturgesetzes merkend, die unbeschmutzte unver­gleichliche Sicherheit, die Wahnerlöschung suchend, fanden die unbeschmutzte unvergleichliche Sicherheit, die Wahnerlöschung. Die klare Gewißheit ging ihnen nun auf:

 

                                    'Für ewig sind erlöst wir,
                                    Das ist das letzte Leben,
                                    Und nicht mehr gibt es Wiedersein.'

 

            "Fünf Begehrungen, ihr Mönche, gibt es: welche fünf? Die durch das Ge­sicht ins Bewußtsein tretenden Formen, die ersehnten, geliebten, entzücken­den, angenehmen, dem Begehren entsprechenden, reizenden; die durch das Gehör ins Bewußtsein tretenden Töne, die ersehnten, geliebten, entzücken­den, angenehmen, dem Begehren entsprechenden, reizenden; die durch den Geruch ins Bewußtsein tretenden Düfte, die ersehnten, geliebten, entzücken­den, angenehmen, dem Be­gehren entsprechenden, reizenden; die durch den Geschmack ins Bewußtsein tre­tenden Säfte, die ersehnten, geliebten, ent­zückenden, angenehmen, dem Begehren entsprechenden, reizenden; die durch das Getast ins Bewußtsein tretenden Tastun­gen, die ersehnten, ge­liebten, entzückenden, angenehmen, dem Begehren entsprechenden, reizen­den. Das sind, ihr Mönche, die fünf Begeh­rungen.

 

            "Von allen den Asketen oder Priestern, ihr Mönche, die sich da der fünf Begehrungen verlockt, geblendet, hingerissen bedienen, ohne das Elend zu sehn, ohne an Entrinnung zu denken, von denen gelte das Wort: verloren, verdorben, dem Gefallen des Bösen überliefert. Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn sich ein Wild des Waldes auf eine Fallschlinge, verstrickt, hinlegte; da gälte von ihm das Wort: verloren, verdorben, dem Gefallen des Jägers über­liefert, kommt nun der Jäger heran, wird es nicht hinwegeilen können, wohin es will: ebenso nun auch, ihr Mönche, gelte das Wort von allen den Asketen oder Priestern, die sich da der fünf Begehrungen verlockt, geblendet, hin­gerissen bedienen, ohne das Elend zu sehn, ohne an Entrinnung zu denken: verloren, verdorben, dem Gefallen des Bösen überliefert. Von allen den Aske­ten oder Priestern aber, ihr Mönche, die sich da der fünf Begehrungen nicht verlockt, nicht geblendet, nicht hingerissen bedienen, das Elend sehend, der Entrinnung eingedenk, von denen gelte das Wort: nicht verloren, nicht ver­dorben, dem Gefallen des Bösen nicht überliefert. Gleichwie etwa, ihr Mön­che, wenn sich ein Wild des Waldes auf eine Fallschlinge, unverstrickt; hin­legte; da gälte von ihm das Wort: nicht verloren, nicht verdorben, dem Gefal­len des Jägers nicht überliefert, und kommt nun der Jäger heran, wird es hin­wegeilen können, wohin es will: ebenso nun auch, ihr Mönche, gelte das Wort von allen den Asketen oder Prie­stern, die sich da der fünf Begehrungen nicht verlockt, nicht geblendet, nicht hingerissen bedienen, das Elend sehend, der Entrinnung eingedenk: nicht ver­loren, nicht verdorben, dem Gefallen des Bösen nicht überliefert.

 

            "Gleichwie etwa, ihr Mönche, ein Wild des Waldes, in fernen Waldesgrün­den schweifend, gesichert geht, gesichert steht, gesichert sitzt, gesichert liegt, und deshalb zwar, weil es sich außer dem Bereich des Jägers hält: eben­so nun auch, ihr Mönche, verweilt da ein Mönch, gar fern von Begierden, fern von unheilsamen Dingen, in sinnend gedenkender ruhegeborener seliger Hei­ter­keit, in der Weihe der ersten Schauung. Ein solcher, ihr Mönche, wird Mönch genannt: geblendet hat er die Natur, spurlos vertilgt ihr Auge, ent­schwunden ist er der bösen.

 

            "Weiter sodann, ihr Mönche: nach Vollendung des Sinnens und Gedenkens erwirkt der Mönch die innere Meeresstille, die Einheit des Gemütes, die von sinnen, von gedenken freie, in der Einigung geborene selige Heiterkeit, die Weihe der zweiten Schauung. Ein solcher, ihr Mönche, wird Mönch genannt: ge­blendet hat er die Natur, spurlos vertilgt ihr Auge, entschwunden ist er der bösen.

 

            "Weiter sodann, ihr Mönche: in heiterer Ruhe verweilt der Mönch gleich­mütig, einsichtig, klar bewußt, ein Glück empfindet er im Körper, von dem die Heiligen sagen: 'Der gleichmütig Einsichtige lebt beglückt': so erwirkt er die Weihe der dritten Schauung. Ein solcher, ihr Mönche, wird Mönch ge­nannt: ge­blendet hat er die Natur, spurlos vertilgt ihr Auge, entschwunden ist er der bösen.

 

            "Weiter sodann, ihr Mönche: nach Verwerfung der Freuden und Leiden, nach Vernichtung des einstigen Frohsinns und Trübsinns erwirkt der Mönch die Weihe der leidlosen, freudlosen, gleichmütig einsichtigen vollkommenen Reine, die vierte Schauung. Ein solcher, ihr Mönche, wird Mönch genannt: geblendet hat er die Natur, spurlos vertilgt ihr Auge, entschwunden ist er der bösen.

 

            "Weiter sodann, ihr Mönche: nach völliger Überwindung der Formwahr­nehmungen, Vernichtung der Gegenwahrnehmungen, Verwerfung der Viel­heitwahr­nehmungen gewinnt der Mönch in dem Gedanken 'Grenzenlos ist der Raum' das Reich des unbegrenzten Raumes. Ein solcher, ihr Mönche, wird Mönch genannt; geblendet hat er die Natur, spurlos vertilgt ihr Auge, entschwunden ist er der bösen.

 

            "Weiter sodann, ihr Mönche: nach völliger Überwindung der unbegrenz­ten Raumsphäre gewinnt der Mönch in dem Gedanken 'Grenzenlos ist das Bewußtsein' das Reich des unbegrenzten Bewußtseins. Ein solcher, ihr Mön­che, wird Mönch genannt: geblendet hat er die Natur, spurlos vertilgt ihr Auge, entschwunden ist er der bösen.

 

            "Weiter sodann, ihr Mönche: nach völliger überwindung der unbegrenzten Bewußtseinsphäre gewinnt der Mönch in dem Gedanken 'Nichts ist da' das Reich des Nichtdaseins. Ein solcher, ihr Mönche, wird Mönch genannt: geblen­det hat er die Natur, spurlos vertilgt ihr Auge, entschwunden ist er der bösen.

 

            "Weiter sodann, ihr Mönche: nach völliger Überwindung der Nichtdasein­sphäre erreicht der Mönch die Grenzscheide möglicher Wahrnehmung. Ein solcher, ihr Mönche, wird Mönch genannt: geblendet hat er die Natur, spur­los vertilgt ihr Auge, entschwunden ist er der bösen.

 

            "Weiter sodann, ihr Mönche: nach völliger Überwindung der Grenzscheide möglicher Wahrnehmung erreicht der Mönch die Auflösung der Wahrnehm­barkeit, und des weise Sehenden Wahn ist aufgehoben. Ein solcher, ihr Mönche, wird Mönch genannt; geblendet hat er die Natur, spurlos vertilgt ihr Auge, ent­schwunden ist er der bösen, entronnen der Weltlichkeit. Gesichert geht er, gesichert steht er, gesichert sitzt er, gesichert liegt er, und deshalb zwar, weil er sich außer dem Bereich des Bösen hält."

 

 

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen.


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