Majjhima Nikaya, Mittlere Sammlung

ERSTES HALBHUNDERT (Mūlapaṇṇāsam)

Vierter Teil (Vaggo Catuttho) - Erstes Buch der Paare (mahāyamakavaggo)

38. (IV,8) Mahātanhāsankhaya Sutta (Versiegung des Durstes II)

 

DAS HAB' ICH GEHÖRT. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Sie­­gerwalde, im Garten Anāthapindikos. Zu jener Zeit nun hatte ein Mönch Namens Sati, der Sohn eines Fischers, folgende verkehrte Meinung gefaßt: 'Also ver­stehe ich die vom Erhabenen verkündete Lehre, daß nämlich dieses unser Be­wußtsein im Kreislauf des Wandelseins beharrt, unveränderlich.' Es kam nun vielen Mönchen zu Ohren, daß ein Mönch Namens Sati, der Sohn eines Fischers, diese verkehrte Meinung gefaßt habe. Da begaben sich nun jene Mönche dorthin, wo sich Sati der Mönch, der Fischersohn, aufhielt, und sprachen hierauf also zu ihm:

 

            "Ist es wahr, wie man sagt, Bruder Sati, du habest diese verkehrte Mei­nung gefaßt: 'Also verstehe ich die vom Erhabenen verkündete Lehre, daß nämlich dieses unser Bewußtsein im Kreislauf des Wandelseins beharre, un­veränderlich'?"

 

            "So ist es, ihr Brüder, allerdings fasse ich die vom Erhabenen ver­kün­de­te Lehre dahin auf, daß es dieses unser Bewußtsein ist, welches im Kreislauf des Wandelseins beharrt, unveränderlich."

 

            Da nun wollten jene Mönche Sati den Mönch, den Sohn eines Fischers, von seiner verkehrten Meinung abbringen, wandten sich zu ihm, sprachen zu ihm, belehrten ihn: "Nicht also rede, Bruder Sati, den Erhabenen verbessere nicht, nicht ist es gut den Erhabenen verbessern, nicht kann der Erhabene solches gesagt haben. Auf mannigfaltige Weise, Bruder Sati, wurde die be­dingte Natur des Bewußtseins vom Erhabenen erklärt: `Ohne zureichenden Grund entsteht kein Bewußtsein.'"

 

            Sati der Mönch aber, der Sohn eines Fischers, obzwar von jenen Mönchen also angegangen, angesprochen und belehrt, hielt an dieser seiner verkehrten Meinung zähe fest: "Ich, fürwahr, ihr Brüder, fasse die vom Erhabenen ver­kündete Lehre also auf, daß es dieses unser Bewußtsein ist, welches im Kreis­lauf des Wandelseins beharrt, unveränderlich."

 

            Als nun jene Mönche Sati den Mönch, den Sohn eines Fischers, von dieser verkehrten Meinung nicht abbringen konnten, begaben sie sich dorthin wo der Erhabene weilte, begrüßten den Erhabenen ehrerbietig und setzten sich zur Seite nieder. Hierauf nun sprachen jene Mönche zum Erhabenen also:

 

            "Ein Mönch namens Sati, o Herr, der Sohn eines Fischers, hat folgende verkehrte Meinung gefaßt: 'Also verstehe ich die vom Erhabenen verkün­dete Lehre, daß nämlich dieses unser Bewußtsein im Kreislauf des Wandel­seins beharrt, unveränderlich.' Hiervon erhielten wir Kunde, o Herr, bega­ben uns zu Sati und fragten ihn, ob das Gerücht wahr sei. Auf unsere Frage, o Herr, erwiderte uns Sati der Mönch, der Fischersohn: 'So ist es, ihr Brüder, aller­dings fasse ich die vom Erhabenen verkündete Lehre dahin auf, daß es dieses unser Bewußtsein ist, welches im Kreislauf des Wandelseins beharrt, unver­än­derlich.' Da nun wollten wir, o Herr, Sati den Mönch, den Sohn eines Fischers, von seiner verkehrten Meinung abbringen, wandten uns zu ihm, sprachen zu ihm, belehrten ihn: Nicht also rede, Bruder Sati, den Erha­benen verbessere nicht, nicht ist es gut den Erhabenen verbessern, nicht kann der Erhabene solches gesagt haben. Auf mannigfaltige Weise, Bru­der Sati, wurde die bedingte Natur des Bewußtseins vom Erhabenen er­klärt: `Ohne zureichenden Grund entsteht kein Bewußtsein.' Obzwar nun, o Herr, solcherart von uns angegangen, angesprochen und belehrt, hielt Sati der Mönch, der Sohn eines Fischers, an dieser seiner verkehrten Meinung zähe fest: 'Ich aber, Brüder, fasse die vom Erhabenen ver­kündete Lehre also auf, daß es dieses unser Bewußtsein ist, wel­ches im Kreis­lauf des Wandelseins beharrt, unveränderlich.' Da wir nun, o Herr, Sati dem Mönch, den Sohn eines Fischers, von dieser verkehrten Meinung nicht abbringen konnten, beschlossen wir, die Sache dem Erhabenen vorzu­tra­gen."

 

            Da nun wandte sich der Erhabene an einen der Mönche:

            "Gehe, o Mönch, und sage in meinem Namen Sati dem Mönche, dem Sohn ­eines Fischers: der Meister ruft dich, Bruder Sati."

            "Wohl, o Herr!" erwiderte jener Mönch, dem Erhabenen gehorchend, begab sich dorthin, wo Sati der Mönch, der Fischersohn, weilte, und sprach hierauf also zu ihm:

            "Der Meister ruft dich, Bruder Sati."

            "Gut, o Bruder, ich komme!" erwiderte Sati der Mönch, der Fischersohn, jenem Mönche, begab sich dorthin wo der Erhabene weilte, begrüßte den Erha­benen ehrerbietig und setzte sich zur Seite nieder. Hierauf nun sprach zu Sati dem Mönche, dem Sohn eines Fischers, der Erhabene also:

            "Ist es wahr, wie man sagt, Sati, du habest diese verkehrte Meinung ge­faßt: 'Also verstehe ich die vom Erhabenen verkündete Lehre, daß nämlich, dieses unser Bewußtsein im Kreislauf des Wandelseins beharre, unveränder­lich'?"

            "So ist es allerdings, o Herr: ich fasse die vom Erhabenen verkündete Lehre also auf, daß es dieses unser Bewußtsein ist, welches im Kreislauf des Wandel­seins beharrt, unveränderlich."

            "Was ist das für ein Bewußtsein, Sati?"

            "Was da wieder als selbes, sag' ich, o Herr, da und dort den Lohn guter und böser Werke genießt."

            "Von wem hast du denn, du betörter Mann, gehört, daß ich eine solche Lehre verkündet hätte? Habe ich nicht, o Tor, auf mannigfaltige Weise die bedingte Natur des Bewußtseins erklärt: 'Ohne zureichenden Grund ent­steht kein Bewußtsein'? Aber mißverständigen Sinnes, o Tor, willst du uns verbessern und gräbst dir selbst das Grab und schaffst dir schwere Schuld. Das wird dir, o Tor, lange zum Unheil, zum Leiden gereichen."

 

            Und der Erhabene wandte sich an die Mönche:

            "Was meinet ihr wohl, Mönche? Hat dieser Mönch Sati, der Fischersohn, in unserer Heilsordnung nicht etwa Brand gestiftet?"

            "Wie wäre das möglich, o Herr, nein, wahrlich nicht, o Herr!"

            Auf diese Worte setzte sich Sati der Mönch, der Sohn eines Fischers, ver­stummt und verstört, gebeugten Rumpfes, gesenkten Hauptes, das Antlitz von brennender Röte übergossen, wortlos nieder. Als nun der Erhabene sah, wie Sati der Mönch, der Sohn eines Fischers, verstummt und verstört dasaß, gebeugten Rumpfes, gesenkten Hauptes, das Antlitz von brennender Röte übergossen, wort­los, sprach er also zu ihm: "Dies wird sich als deine eigene verkehrte Meinung erweisen, o du Betörter; ich werde nun die Mönche be­fragen."

            Und der Erhabene wandte sich an die Mönche:

            "Versteht auch ihr, meine Mönche, die verkündete Lehre also, wie dieser Mönch Sati, der Fischersohn, der mißverständigen Sinnes uns verbessert und sich selbst das Grab gräbt und schwere Schuld schafft?"

            "Nicht so, o Herr! Auf mannigfaltige Weise hat uns ja, o Herr, der Er­habene die bedingte Natur des Bewußtseins erklärt: `Ohne zureichenden Grund entsteht kein Bewußtsein.'"

            "Wohl, ihr Mönche, wohl, daß ihr, meine Mönche, die verkündete Lehre also verstehet. Freilich habe ich euch, ihr Mönche, auf mannigfaltige Weise die bedingte Natur des Bewußtseins erklärt: 'Ohne zureichenden Grund ent­steht kein Bewußtsein.' Aber dieser Mönch Sati, der Sohn eines Fischers, will uns mißverständigen Sinnes verbessern und gräbt sich selbst das Grab und schafft sich schwere Schuld. Das wird diesem betörten Manne lange zum Unheil, zum Leiden gereichen.

            "Aus was für einem Grunde, ihr Mönche, Bewußtsein entsteht, gerade durch diesen und nur durch diesen kommt es zustande. Durch das Gesicht und die For­men entsteht Bewußtsein: gerade 'Sehbewußtsein' kommt da zu stande. Durch das Gehör und die Töne entsteht Bewußtsein: gerade 'Hör­bewußtsein' kommt da zu­stande. Durch den Geruch und die Düfte entsteht Bewußtsein: gerade 'Riech­be­wußtsein' kommt da zustande. Durch den Ge­schmack und die Säfte entsteht Be­wußtsein: gerade 'Schmeckbewußtsein' kommt da zustande. Durch das Getast und die Tastungen entsteht Bewußt­sein: gerade 'Tastbewußtsein' kommt da zustande. Durch das Gedenken und die Dinge entsteht Bewußtsein: gerade 'Denkbewußtsein' kommt da zustande. Gleichwie etwa Feuer, ihr Mönche, aus was für einem Grund es brennt, gerade durch diesen und nur durch diesen zustande kommt: durch Holz wird es genährt und gerade 'Holzfeuer' kommt da zustande, durch Reisig wird es genährt und gerade 'Reisigfeuer' kommt da zustande, durch Heu wird es genährt und gerade 'Heufeuer' kommt da zustande, durch Dün­ger wird es genährt und ge­ra­de 'Dungfeuer' kommt da zustande, durch Spreu wird es genährt und gerade 'Spreu­feuer' kommt da zustande, durch Kehricht wird es genährt und gerade 'Keh­richtfeuer' kommt da zustande: ebenso nun auch, ihr Mönche, kommt Bewußt­sein, aus was für einem Grund es ent­steht, gerade durch diesen und nur durch diesen zustande. Durch das Ge­sicht und die Formen entsteht Bewußtsein: gerade 'Sehbewußtsein' kommt da zustande. Durch das Gehör und die Töne entsteht Be­wußtsein: gerade 'Hörbewußtsein' kommt da zustande. Durch den Geruch und die Düfte ent­steht Bewußtsein: gerade 'Riechbewußtsein' kommt da zustande. Durch den Geschmack und die Säfte entsteht Bewußtsein: gerade 'Schmeckbewußt­sein' kommt da zustande. Durch das Getast und die Tastungen entsteht Be­wußtsein: gerade 'Tastbewußtsein' kommt da zustande. Durch das Ge­denken und die Dinge entsteht Bewußtsein: gerade 'Denkbewußtsein' kommt da zustande.

            "'Entstanden ist dieses': begreift ihr das, Mönche?"

            "Ja, o Herr!"

            "'Durch solche Nahrung gebildet': begreift ihr das, Mönche?"

            "Ja, o Herr!"

            "'Durch die Auflösung solcher Nahrung ist, was entstanden, dem Gesetze der Auflösung verfallen': begreift ihr das, Mönche?"

            "Freilich, o Herr!"

            "'Vielleicht ist dieses nicht entstanden': wer also schwankt, ihr Mön­che, beginnt zu zweifeln."

            "Gewiß, o Herr!"

            "'Vielleicht nicht durch solche Nahrung gebildet': wer also schwankt, ihr Mönche, beginnt zu zweifeln."

            "Gewiß, o Herr!"

            `Vielleicht ist durch die Auflösung solcher Nahrung, was entstanden, dem Gesetze der Auflösung doch nicht verfallen': wer also schwankt, ihr Mönche, beginnt zu zweifeln."

            "Gewiß, o Herr!"

            "'Entstanden ist dieses': wenn man das, ihr Mönche, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit begreift, schwindet dann jeder Zweifel?"

            "Freilich, o Herr!"

            "'Durch solche Nahrung gebildet': wenn man das, ihr Mönche, der Wahr­heit gemäß, mit vollkommener Weisheit begreift, schwindet dann jeder Zweifel?"

            "Freilich, o Herr!"

            "'Durch die Auflösung solcher Nahrung ist, was entstanden, dem Gesetze der Auflösung verfallen': wenn man das, ihr Mönche, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit begreift, schwindet dann jeder Zweifel?"

            "Freilich, o Herr!"

            "`Entstanden ist dieses': hegt ihr hierüber, ihr Mönche, den leisesten Zweifel?"

            "Nein, o Herr!"

            "`Durch solche Nahrung gebildet': hegt ihr hierüber, ihr Mönche, den leisesten Zweifel?"

            "Nein, o Herr!"

            "'Durch die Auflösung solcher Nahrung ist, was entstanden, dem Gesetze der Auflösung verfallen': hegt ihr hierüber, ihr Mönche, den leisesten Zwei­fel?"

            "Nein, o Herr!"

            "'Entstanden ist dieses': habt ihr das, ihr Mönche, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit klar erkannt?"

            "Ja, o Herr!"

            "'Durch solche Nahrung gebildet': habt ihr das, ihr Mönche, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit klar erkannt?"

            "Ja, o Herr!"

            "`Durch die Auflösung solcher Nahrung ist, was entstanden, dem Gesetze der Auflösung verfallen': habt ihr das, ihr Mönche, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit klar erkannt?"

            "Ja, o Herr!"

            "Wenn ihr euch nun, ihr Mönche, an diese Erkenntnis, die also geläuter­te, also geklärte, anklammern, an ihr ergetzen, sie liebgewinnen und als eigen schätzen wolltet: würdet ihr da wohl, ihr Mönche, die verkündete Lehre wie ein Floß betrachten, zum Entrinnen tauglich, nicht zum Festhalten?"

            "Gewiß nicht, o Herr!"

            "Wenn ihr euch aber, ihr Mönche, an diese Erkenntnis, die also geläuter­te, also geklärte, nicht anklammern, nicht an ihr ergetzen, sie nicht lieb­gewin­nen, nicht als eigen schätzen wolltet: würdet ihr da wohl, ihr Mönche, die verkündete Lehre wie ein Floß betrachten, zum Entrinnen tauglich, nicht zum Festhalten?"

            "Gewiß, o Herr!"

 

"Vier Arten der Nahrung, ihr Mönche, sind für die Wesen vorhanden, den ent­standenen zur Erhaltung, den entstehenden zur Entwickelung; welche vier? Körperbildende Nahrung, grob oder fein, zweitens Berührung, drittens geistiges Innewerden, viertens Bewußtsein. Und wo, ihr Mönche, wurzeln diese vier Arten der Nahrung, woraus entspringen sie, woraus entstehn sie, woraus erwachsen sie? Diese vier Arten der Nahrung wurzeln im Durst, ent­springen aus dem Durst, entstehn aus dem Durst, erwachsen aus dem Durst. Und wo, ihr Mönche, wurzelt dieser Durst, woraus entspringt er, woraus entsteht er, woraus erwächst er? Der Durst wurzelt im Gefühl, entspringt aus dem Gefühl, entsteht aus dem Ge­fühl, erwächst aus dem Gefühl. Und wo, ihr Mönche, wurzelt dieses Gefühl, wo­raus entspringt es, woraus entsteht es, woraus erwächst es? Das Gefühl wurzelt in der Berührung, entspringt aus der Berührung, entsteht aus der Berührung, er­wächst aus der Berührung. Und wo, ihr Mönche, wurzelt diese Berührung, wo­raus ent­springt sie, woraus entsteht sie, woraus erwächst sie? Die Berührung wur­zelt im sechsfachen Reich[1], entspringt aus dem sechsfachen Reich, entsteht aus dem sechsfachen Reich, erwächst aus dem sechsfachen Reich. Und wo, ihr Mönche, wurzelt dieses sechsfache Reich, woraus entspringt es, woraus entsteht es, woraus erwächst es? Das sechsfache Reich wurzelt in Bild und Begriff, ent­springt aus Bild und Begriff, entsteht aus Bild und Begriff, er­wächst aus Bild und Begriff. Und wo, ihr Mönche, wurzelt dies Bild und Be­griff, woraus ent­springt es, woraus entsteht es, woraus erwächst es? Bild und Begriff wurzelt im Bewußtsein, entspringt aus dem Bewußtsein, entsteht aus dem Bewußtsein, erwächst aus dem Bewußtsein. Und wo, ihr Mönche, wur­zelt dieses Bewußtsein, woraus entspringt es, woraus entsteht es, woraus er­wächst es? Das Bewußtsein wurzelt in den Unterscheidungen, entspringt aus den Unterschei­dungen, entsteht aus den Unterscheidungen, erwächst aus den Unterscheidungen. Und wo, ihr Mön­che, wurzeln diese Unterschei­dungen, woraus entspringen sie, woraus entstehn sie, woraus erwachsen sie? Die Unterscheidungen wurzeln im Unwissen, ent­springen aus dem Unwissen, entstehn aus dem Unwissen, erwachsen aus dem Un­wissen. So sind denn, ihr Mönche, durch Unwissen bedingt Unter­scheidungen, ist durch Unterschei­dungen bedingt Bewußtsein, durch Bewußtsein bedingt Bild und Begriff, durch Bild und Begriff bedingt sechsfaches Reich, durch sechsfaches Reich bedingt Berührung, durch Berührung bedingt Gefühl, durch Gefühl bedingt Durst, durch Durst bedingt Anhangen, durch Anhangen be­dingt Werden, durch Werden bedingt Geburt, durch Geburt bedingt gehn Alter und Tod, Schmerz und Jammer, Leiden, Trübsal, Verzweiflung hervor: also kommt die­ses gesamten Leidensstückes Entwicklung zustande.

 

            "`Durch Geburt bedingt ist Alter und Tod', das ist da wohl gesagt wor­den; sind wir nun, ihr Mönche, durch Geburt dem Alter und Tod verfallen, oder wie verhält es sich hiermit?"

            "Durch Geburt, o Herr, bedingt ist Alter und Tod: so verhält es sich mit uns. Durch Geburt bedingt ist Alter und Tod."

            "`Durch Werden bedingt ist Geburt', das ist da wohl gesagt worden; sind wir nun, ihr Mönche, durch Werden der Geburt verfallen, oder wie verhält es sich hiermit?"

            "Durch Werden, o Herr, bedingt ist Geburt: so verhält es sich mit uns. Durch Werden bedingt ist Geburt."

            "'Durch Anhangen bedingt ist Werden', das ist da wohl gesagt worden; sind wir nun, ihr Mönche, durch Anhangen dem Werden verfallen, oder wie ver­hält es sich hiermit?"

            "Durch Anhangen, o Herr, bedingt ist Werden: so verhält es sich mit uns. Durch Anhangen bedingt ist Werden."

            "`Durch Durst bedingt ist Anhangen', das ist da wohl gesagt worden; sind wir nun, ihr Mönche, durch Durst dem Anhangen verfallen, oder wie verhält es sich hiermit?"

            "Durch Durst, o Herr, bedingt ist Anhangen: so verhält es sich mit uns. Durch Durst bedingt ist Anhangen."

            "`Durch Gefühl bedingt ist Durst', das ist da wohl gesagt worden; sind wir nun, ihr Mönche, durch Gefühl dem Durst verfallen, oder wie verhält es sich hiermit?"

            "Durch Gefühl, o Herr, bedingt ist Durst: so verhält es sich mit uns. Durch Gefühl bedingt ist Durst."

            "`Durch Berührung bedingt ist Gefühl', das ist da wohl gesagt worden; sind wir nun, ihr Mönche, durch Berührung dem Gefühl verfallen, oder wie ver­hält es sich hiermit?"

            "Durch Berührung, o Herr, bedingt ist Gefühl: so verhält es sich mit uns. Durch Berührung bedingt ist Gefühl."

            "`Durch sechsfaches Reich bedingt ist Berührung', das ist da wohl gesagt worden; sind wir nun, ihr Mönche, durch sechsfaches Reich der Berührung ver­fallen, oder wie verhält es sich hiermit?"

            "Durch sechsfaches Reich, o Herr, bedingt ist Berührung: so verhält es sich mit uns. Durch sechsfaches Reich bedingt ist Berührung."

            "`Durch Bild und Begriff bedingt ist sechsfaches Reich', das ist da wohl gesagt worden; sind wir nun, ihr Mönche, durch Bild und Begriff dem sechs­fachen Reich verfallen, oder wie verhält es sich hiermit?"

            "Durch Bild und Begriff, o Herr, bedingt ist sechsfaches Reich: so ver­hält es sich mit uns. Durch Bild und Begriff bedingt ist sechsfaches Reich."

            "'Durch Bewußtsein bedingt ist Bild und Begriff', das ist da wohl gesagt worden; sind wir nun, ihr Mönche, durch Bewußtsein dem Bild und Begriff ver­fallen, oder wie verhält es sich hiermit?"

            "Durch Bewußtsein, o Herr, bedingt ist Bild und Begriff: so verhält es sich mit uns. Durch Bewußtsein bedingt ist Bild und Begriff."

            "'Durch Unterscheidungen bedingt ist Bewußtsein', das ist da wohl ge­sagt worden; sind wir nun, ihr Mönche, durch Unterscheidungen dem Be­wußtsein ver­fallen; oder wie verhält es sich hiermit?"

            "Durch Unterscheidungen, o Herr, bedingt ist Bewußtsein: so verhält es sich mit uns. Durch Unterscheidungen bedingt ist Bewußtsein."

            "`Durch Unwissen bedingt sind Unterscheidungen', das ist da wohl gesagt worden; sind wir nun, ihr Mönche, durch Unwissen den Unterscheidungen ver­fallen, oder wie verhält es sich hiermit?"

            "Durch Unwissen, o Herr, bedingt sind Unterscheidungen: so verhält es sich mit uns. Durch Unwissen bedingt sind Unterscheidungen."

            "Wohl, ihr Mönche. Und somit, ihr Mönche, sprecht ihr es aus, und spre­che ich es aus: Wenn Jenes ist, wird Dieses, durch die Entstehung von Jenem entsteht Dieses, und zwar sind durch Unwissen bedingt Unterscheidungen, ist durch Unterscheidungen bedingt Bewußtsein, durch Bewußtsein bedingt Bild und Begriff, durch Bild und Begriff bedingt sechsfaches Reich, durch sechsfaches Reich bedingt Berührung, durch Berührung bedingt Gefühl, durch Gefühl bedingt Durst, durch Durst bedingt Anhangen, durch Anhan­gen bedingt Werden, durch Werden bedingt Geburt, durch Geburt bedingt gehn Alter und Tod, Schmerz und Jammer, Leiden, Trübsal, Verzweiflung hervor: also kommt dieses gesamten Leidensstückes Entwicklung zustande. Ist aber eben Unwissen ohne Reiz, ohne Überrest aufgelöst, werden Unter­scheidungen aufgelöst, durch Auflösung der Unterscheidungen wird Bewußt­sein aufgelöst, durch Auflösung des Bewußtseins wird Bild und Begriff auf­gelöst, durch Auflösung von Bild und Begriff wird sechsfaches Reich auf­gelöst, durch Auflösung des sechsfachen Reichs wird Berührung aufgelöst, durch Auflösung der Berührung wird Gefühl aufgelöst, durch Auflösung des Gefühls wird Durst aufgelöst, durch Auflösung des Durstes wird Anhangen aufgelöst, durch Auflösung des Anhangens wird Werden aufgelöst, durch Auflösung des Werdens wird Geburt aufgelöst, durch Auflösung der Geburt wird Alter und Tod aufgelöst, Schmerz und Jammer, Leiden, Trübsal, Ver­zweif­lung gehn zugrunde: also kommt dieses gesamten Leidensstückes Auf­lösung zu­stande.

            "`Durch Auflösung der Geburt wird Alter und Tod aufgelöst', das ist da wohl gesagt worden; erreichen wir nun, ihr Mönche, durch Auflösung der Geburt die Auflösung von Alter und Tod, oder wie verhält es sich hiermit?"

            "Durch Auflösung der Geburt, o Herr, wird Alter und Tod aufgelöst: so verhält es sich mit uns. Durch Auflösung der Geburt wird Alter und Tod auf­gelöst."

            "`Durch Auflösung des Werdens wird Geburt aufgelöst', das ist da wohl gesagt worden; erreichen wir nun, ihr Mönche, durch Auflösung des Wer­dens die Auflösung der Geburt, oder wie verhält es sich hiermit?"

            "Durch Auflösung des Werdens, o Herr, wird Geburt aufgelöst: so verhält es sich mit uns. Durch Auflösung des Werdens wird Geburt aufgelöst."

            "'Durch Auflösung des Anhangens wird Werden aufgelöst', das ist da wohl gesagt worden; erreichen wir nun, ihr Mönche, durch Auflösung des Anhan­gens die Auflösung des Werdens, oder wie verhält es sich hiermit?"

            "Durch Auflösung des Anhangens, o Herr, wird Werden aufgelöst: so ver­hält es sich mit uns. Durch Auflösung des Anhangens wird Werden auf­gelöst."

            "'Durch Auflösung des Durstes wird Anhangen aufgelöst', das ist da wohl gesagt worden; erreichen wir nun, ihr Mönche, durch Auflösung des Durstes die Auflösung des Anhangens, oder wie verhält es sich hiermit?"

            "Durch Auflösung des Durstes, o Herr, wird Anhangen aufgelöst: so ver­hält es sich mit uns. Durch Auflösung des Durstes wird Anhangen aufgelöst."

            "`Durch Auflösung des Gefühls wird Durst aufgelöst', das ist da wohl ge­sagt worden; erreichen wir nun, ihr Mönche, durch Auflösung des Gefühls die Auflösung des Durstes, oder wie verhält es sich hiermit?"

            "Durch Auflösung des Gefühls, o Herr, wird Durst aufgelöst: so verhält es sich mit uns. Durch Auflösung des Gefühls wird Durst aufgelöst."

            "'Durch Auflösung der Berührung wird Gefühl aufgelöst', das ist da wohl gesagt worden; erreichen wir nun, ihr Mönche, durch Auflösung der Berüh­rung die Auflösung des Gefühls, oder wie verhält es sich hiermit?"

            "Durch Auflösung der Berührung, o Herr, wird Gefühl aufgelöst: so ver­hält es sich mit uns. Durch Auflösung der Berührung wird Gefühl aufgelöst."

            "`Durch Auflösung des sechsfachen Reichs wird Berührung aufgelöst', das ist da wohl gesagt worden; erreichen wir nun, ihr Mönche, durch Auflösung des sechsfachen Reichs die Auflösung der Berührung, oder wie verhält es sich hiermit?"

            "Durch Auflösung des sechsfachen Reichs, o Herr, wird Berührung auf­gelöst: so verhält es sich mit uns. Durch Auflösung des sechsfachen Reichs wird Berührung aufgelöst."

            "`Durch Auflösung von Bild und Begriff wird sechsfaches Reich auf­ge­löst', das ist da wohl gesagt worden; erreichen wir nun, ihr Mönche, durch Auf­lösung von Bild und Begriff die Auflösung des sechsfachen Reichs, oder wie verhält es sich hiermit?"

            "Durch Auflösung von Bild und Begriff, o Herr, wird sechsfaches Reich aufgelöst: so verhält es sich mit uns. Durch Auflösung von Bild und Begriff wird sechsfaches Reich aufgelöst."

            "'Durch Auflösung des Bewußtseins wird Bild und Begriff aufgelöst', das ist da wohl gesagt worden; erreichen wir nun, ihr Mönche, durch Auflösung des Bewußtseins die Auflösung von Bild und Begriff, oder wie verhält es sich hiermit?"

            "Durch Auflösung des Bewußtseins, o Herr, wird Bild und Begriff auf­gelöst: so verhält es sich mit uns. Durch Auflösung des Bewußtseins wird Bild und Begriff aufgelöst."

            "`Durch Auflösung der Unterscheidungen wird Bewußtsein aufgelöst', das ist da wohl gesagt worden; erreichen wir nun, ihr Mönche, durch Auflösung der Unterscheidungen die Auflösung des Bewußtseins, oder wie verhält es sich hier­mit?"

            "Durch Auflösung der Unterscheidungen, o Herr, wird Bewußtsein auf­ge­löst: so verhält es sich mit uns. Durch Auflösung der Unterscheidungen wird Bewußtsein aufgelöst."

            "`Durch Auflösung des Unwissens werden Unterscheidungen aufgelöst', das ist da wohl gesagt worden; erreichen wir nun, ihr Mönche, durch Auf­lösung des Unwissens die Auflösung der Unterscheidungen, oder wie verhält es sich hier­mit?"

            "Durch Auflösung des Unwissens, o Herr, werden Unterscheidungen auf­ge­löst: so verhält es sich mit uns. Durch Auflösung des Unwissens werden Unter­scheidungen aufgelöst."

            "Wohl, ihr Mönche. Und somit, ihr Mönche, sprecht ihr es aus, und spre­che ich es aus: Wenn Jenes nicht ist, wird Dieses nicht, durch die Auflösung von Jenem wird Dieses aufgelöst, und zwar: durch Auflösung des Unwissens wer­den Unterscheidungen aufgelöst, durch Auflösung der Unter­scheidungen wird Be­wußtsein aufgelöst, durch Auflösung des Bewußtseins wird Bild und Begriff aufgelöst, durch Auflösung von Bild und Begriff wird sechsfaches Reich auf­gelöst, durch Auflösung des sechsfachen Reichs wird Berührung aufgelöst, durch Auflösung der Berührung wird Gefühl aufgelöst, durch Auflösung des Gefühls wird Durst aufgelöst, durch Auflösung des Durstes wird Anhangen aufgelöst, durch Auflösung des Anhangens wird Werden aufgelöst, durch Auflösung des Wer­dens wird Geburt aufgelöst, durch Auflösung der Geburt wird Alter und Tod aufgelöst, Schmerz und Jammer, Leiden, Trübsal, Ver­zweiflung gehn zugrunde: also kommt dieses gesamten Leidensstückes Auf­lösung zustande.

            "Werdet ihr nun, ihr Mönche, also erkennend, also verstehend, in die Ver­gangenheit zurückforschen: `Waren wir in den vergangenen Zeiten ‑ waren wir nicht in den vergangenen Zeiten ‑ was waren wir wohl in den vergan­genen Zeiten ‑ wie waren wir wohl in den vergangenen Zeiten ‑ was waren wir wohl während der vergangenen Zeiten gewesen ‑'?"

            "Gewiß nicht, o Herr!"

            "Werdet ihr nun, ihr Mönche, also erkennend, also verstehend, in die Zu­kunft hinein forschen: `Werden wir in den zukünftigen Zeiten sein ‑ werden wir in den zukünftigen Zeiten nicht sein ‑ was werden wir wohl in den zu­künftigen Zeiten sein ‑ wie werden wir wohl in den zukünftigen Zeiten sein - was werden wir wohl die zukünftigen Zeiten hindurch geworden sein ‑'?"

            "Gewiß nicht, o Herr!"

            "Werdet ihr nun, ihr Mönche, also erkennend, also verstehend, euch jetzt über die Gegenwart bald diese bald jene Frage stellen: `Bin ich ‑ bin ich nicht ‑ was bin ich ‑ wie bin ich ‑ woher ist wohl dieses mein Wesen gekommen, wohin wird es gehn -'?"

            "Werdet ihr nun, ihr Mönche, also erkennend, also verstehend, vielleicht sagen: `Dem Meister zollen wir Verehrung, aus Verehrung vor dem Meister reden wir also'?"

            "Gewiß nicht, o Herr!"

            "Werdet ihr nun, ihr Mönche, also erkennend, also verstehend, vielleicht sagen: `Ein Asket hat also zu uns gesprochen und Asketen, wir aber reden nicht also'?"

            "Gewiß nicht, o Herr!"

            "Möchtet ihr nun, ihr Mönche, also erkennend, also verstehend, viel­leicht einen anderen Meister erwählen?"

            "Gewiß nicht, o Herr!"

            "Oder wolltet ihr etwa, ihr Mönche, also erkennend, also verstehend, zu den Gelübden, Schwärmereien und Feierlichkeiten der gewöhnlichen Aske­ten und Priester als zum Heile zurückkehren?"

            "Gewiß nicht, o Herr!"

            "Wie nun, ihr Mönche: so sagt ihr einzig das, was ihr selbst durchdacht, selbst erkannt, selbst verstanden habt?"

            "Gewiß, o Herr!"

           "Wohl, ihr Mönche. Belehnt seid ihr, meine Mönche, mit dieser klar sicht­­baren Lehre, der zeitlosen, anregenden, einladenden, die Ver­ständigen von selbst verständlich wird. 'Klar sichtbar, ihr Mönche, ist diese Lehre, zeit­los, anregend, einladend, jedem Verständigen von selbst verständ­lich': wurde das gesagt, so war es darum gesagt.

 

 

"Wenn Drei sich vereinen, ihr Mönche, bildet sich eine Leibesfrucht. Da sind Vater und Mutter vereint, aber die Mutter hat nicht ihre Zeit, aber der Keim­ling ist nicht bereit, und so bildet sich keine Leibesfrucht. Da sind Vater und Mutter vereint und die Mutter hat ihre Zeit, aber der Keimling ist nicht bereit, und so bildet sich keine Leibesfrucht. Sind aber, ihr Mönche, Vater und Mutter vereint, und die Mutter hat ihre Zeit, und der Keimling ist be­reit, so bildet sich durch der Drei Vereinigung eine Leibesfrucht. Eine solche Frucht, ihr Mönche, hegt die Mutter neun bis zehn Monate im Leibe, mit großer Angst, eine schwere Last. Eine solche Frucht, ihr Mönche, gebiert die Mutter nach Verlauf von neun bis zehn Monaten, in großen Ängsten, die schwere Last. Und wann dieser Sprößling geboren ist, ernährt sie ihn mit ihrem eigenen Blute. Blut sagt man, ihr Mönche, im Orden des Heiligen für Muttermilch. Dieses Kind nun, ihr Mönche, entwickelt sich nach und nach, reift nach und nach heran und pflegt alle die Spiele und Übungen seiner Ge­nossen, als wie Verstecken und Fangen, Klettern und Springen, Schleudern, Wagenlenken, Bo­gen­schießen. Dieser Knabe nun, ihr Mönche, hat sich all­mählich entwickelt, ist allmählich reif geworden und lebt und webt im Ge­nusse der fünf Be­gehr­ungen: der durch das Gesicht ins Bewußtsein tretenden Formen, der er­sehnten, gelieb­ten, entzückenden, angenehmen, dem Begeh­ren entsprechenden, reizenden; der durch das Gehör ins Bewußtsein treten­den Töne, der ersehnten, geliebten, ent­zückenden, angenehmen, dem Be­gehren entsprechenden, reizenden; der durch den Geruch ins Bewußtsein tretenden Düfte, der ersehnten, geliebten, ent­zückenden, angenehmen, dem Begehren entsprechenden, reizenden; der durch den Geschmack ins Bewußt­sein tretenden Säfte, der ersehnten, geliebten, ent­zückenden, an­genehmen, dem Begehren entsprechenden, reizenden; der durch das Getast ins Bewußt­sein tretenden Tastungen, der ersehnten, geliebten, ent­zückenden, an­geneh­men, dem Begehren entsprechenden, reizenden.

            "Erblickt er nun mit dem Gesichte eine Form so verfolgt er die angeneh­men Formen und verabscheut die unangenehmen, ohne Einsicht in das We­sen der Körperlichkeit verweilt er beschränkten Gemütes, und nicht gedenkt er, der Wahrheit gemäß, jener Gemüterlösung, Weisheiterlösung, wo seine bösen, schlech­ten Eigenschaften sich restlos auflösen. So fällt er der Befriedi­gung und Unbefriedigung anheim, und was für ein Gefühl er auch fühlt, ein freudiges oder leidiges oder weder freudig noch leidiges, dieses Gefühl hegt er und pflegt er und klammert sich daran. Während er das Gefühl hegt und pflegt und sich daran klammert erhebt sich in ihm Genügen: dieses Genüge­haben bei den Gefühlen, das ist Anhangen. Durch dieses Anhangen bedingt ist Werden, durch Werden bedingt Geburt, durch Geburt bedingt gehn Alter und Tod, Schmerz und Jammer, Leiden, Trübsal, Verzweiflung hervor, also kommt dieses gesamten Leidensstückes Entwicklung zustande.

            "Hört er nun mit dem Gehöre einen Ton,

            "Riecht er nun mit dem Geruche einen Duft,

            "Schmeckt er nun mit dem Geschmacke einen Saft,

            "Tastet er nun mit dem Getaste eine Tastung,

            "Erkennt er nun mit dem Gedenken ein Ding, so verfolgt er die angenehmen Dinge und verabscheut die unangenehmen, ohne Einsicht in das Wesen der Kör­per­lichkeit verweilt er beschränkten Gemütes, und nicht gedenkt er, der Wahrheit gemäß, jener Gemüterlösung, Weisheiterlösung, wo seine bösen, schlechten Ei­gen­schaften sich restlos auflösen. So fällt er der Befriedigung und Unbe­frie­digung anheim, und was für ein Gefühl er auch fühlt, ein freu­diges oder lei­dig­es oder weder freudig noch leidiges, dieses Gefühl hegt er und pflegt er und klammert sich daran. Während er das Gefühl hegt und pflegt und sich daran klammert erhebt sich in ihm Genügen: dieses Genüge­haben bei den Gefühlen, das ist Anhangen. Durch dieses Anhangen bedingt ist Werden, durch Werden bedingt Geburt, durch Geburt bedingt gehn Alter und Tod, Schmerz und Jammer, Leiden, Trübsal, Verzweiflung hervor: also kommt dieses gesamten Leidensstückes Entwicklung zustande.

 

"Da erscheint, ihr Mönche, der Vollendete in der Welt, der Heilige, voll­kommen Erwachte, der Wissens‑ und Wandelsbewährte, der Willkommene, der Welt Kenner, der unvergleichliche Leiter der Männerherde, der Meister der Götter und Men­schen, der Erwachte, der Erhabene. Er zeigt diese Welt mit ihren Göttern, ihren bösen und heiligen Geistern, mit ihrer Schar von Priestern und Büßern, Göttern und Menschen, nachdem er sie selbst ver­standen und durchdrungen hat. Er verkündet die Lehre, deren Anfang begü­tigt, deren Mitte begütigt, deren Ende begütigt, die sinn‑ und wortgetreue, er legt das vollkommen geläuterte, geklärte Asketentum dar.

            "Diese Lehre hört ein Hausvater, oder der Sohn eines Hausvaters, oder einer, der in anderem Stande neugeboren ward. Nachdem er diese Lehre ge­hört hat, faßt er Vertrauen zum Vollendeten. Von diesem Vertrauen erfüllt denkt und überlegt er also: 'Ein Gefängnis ist die Häuslichkeit, ein Schmutzwinkel; der freie Himmelsraum die Pilgerschaft. Nicht wohl geht es, wenn man im Hause bleibt, das völlig geläuterte, völlig geklärte Asketentum Punkt für Punkt zu erfüllen. Wie, wenn ich nun, mit geschorenem Haar und Barte, mit fahlem Ge­wande bekleidet, aus dem Hause in die Hauslosigkeit hinaus­zöge?' So gibt er denn später einen kleinen Besitz oder einen großen Besitz auf, hat einen kleinen Verwandtenkreis oder einen großen Verwandtenkreis verlassen, und ist mit geschorenem Haar und Barte, im fahlen Gewande von Hause fort in die Hauslosigkeit gezogen.

            "Er ist nun Pilger geworden und hat die Ordenspflichten der Mönche auf sich genommen. Lebendiges umzubringen hat er verworfen, Lebendiges um­zubringen liegt ihm fern: ohne Stock, ohne Schwert, fühlsam, voll Teil­nahme, hegt er zu allen lebenden Wesen Liebe und Mitleid. Nichtgegebenes zu nehmen hat er ver­worfen, vom Nehmen des Nichtgegebenen hält er sich fern: Gegebenes nimmt er, Gegebenes wartet er ab, nicht diebisch gesinnt, rein gewordenen Herzens. Die Unkeuschheit hat er verworfen, keusch lebt er: fern zieht er hin, entraten der Paarung, dem gemeinen Gesetze. Lüge hat er verworfen, von Lüge hält er sich fern: die Wahrheit spricht er, der Wahr­heit ist er ergeben, standhaft, ver­trauenswürdig, kein Heuchler und Schmeich­ler der Welt. Das Ausrichten hat er verworfen, vom Ausrichten hält er sich fern: was er hier gehört hat erzählt er dort nicht wieder, um jene zu entzweien, und was er dort gehört hat erzählt er hier nicht wieder, um diese zu entzweien: so einigt er Entzweite, festigt Verbundene, Eintracht macht ihn froh, Eintracht freut ihn, Eintracht beglückt ihn, Eintracht fördernde Worte spricht er. Barsche Worte hat er verworfen, von barschen Worten hält er sich fern: Worte, die frei von Schimpf sind, dem Ohre wohltuend, liebreich, zum Herzen dringend, höflich, viele erfreuend, viele erhebend, solche Worte spricht er. Plappern und Plaudern hat er verworfen, von Plappern und Plau­dern hält er sich fern: zur rechten Zeit spricht er, den Tatsachen gemäß, auf den Sinn bedacht, der Lehre und Ordnung getreu, seine Rede ist reich an In­halt, gelegentlich mit Gleichnissen geschmückt, klar und bestimmt, ihrem Gegenstande angemessen.

            "Sämereien und Pflanzungen anzulegen hat er verschmäht. Einmal des Tags nimmt er Nahrung zu sich, nachts ist er nüchtern, fern liegt es ihm zur Unzeit zu essen. Von Tanz, Gesang, Spiel, Schaustellungen hält er sich fern. Kränze, Wohlgerüche, Salben, Schmuck, Zierat, Putz weist er ab. Hohe, prächtige Lager­stätten verschmäht er. Gold und Silber nimmt er nicht an. Rohes Getreide nimmt er nicht an. Rohes Fleisch nimmt er nicht an. Frauen   und Mädchen nimmt er nicht an. Diener und Dienerinnen nimmt er nicht an. Ziegen und Schafe nimmt er nicht an. Hühner und Schweine nimmt er nicht an. Elefanten, Rinder und Ros­se nimmt er nicht an. Haus und Feld nimmt er nicht an. Botschaften, Sendun­gen, Aufträge übernimmt er nicht. Von Kauf und Verkauf hält er sich fern. Von fal­schem Maß und Gewicht hält er sich fern. Von den schiefen Wegen der Beste­chung, Täuschung, Nieder­tracht hält er sich fern. Von Raufereien, Schläger­eien, Händeln, vom Rauben, Plündern und Zwingen hält er sich fern.

            "Er ist zufrieden mit dem Gewande, das seinen Leib deckt, mit der Almo­senspeise, die sein Leben fristet, wohin er auch pilgert, nur mit dem Ge­wande und der Almosenschale versehn pilgert er. Gleichwie da etwa ein be­schwingter Vogel, wohin er auch fliegt, nur mit der Last seiner Federn fliegt, ebenso auch ist der Mönch mit dem Gewande zufrieden, das seinen Leib deckt, mit der Almosenspeise, die sein Leben fristet. Wohin er auch wandert, nur damit ver­sehn wandert er.

            "Durch die Erfüllung dieser heiligen Tugendsatzung empfindet er ein in­neres fleckenloses Glück.

            "Erblickt er nun mit dem Gesichte eine Form, so faßt er keine Neigung, faßt keine Absicht. Da Begierde und Mißmut, böse und schlechte Gedanken gar bald den überwältigen, der unbewachten Gesichtes verweilt, befleißigt er sich dieser Bewachung, er hütet das Gesicht, er wacht eifrig über das Gesicht.

            "Hört er nun mit dem Gehöre einen Ton,

            "Riecht er nun mit dem Geruche einen Duft,

            "Schmeckt er nun mit dem Geschmacke einen Saft,

            "Tastet er nun mit dem Getaste eine Tastung,

            "Erkennt er nun mit dem Gedenken ein Ding, so faßt er keine Neigung, faßt keine Absicht. Da Begierde und Mißmut, böse und schlechte Gedanken gar bald den überwältigen, der unbewachten Gedenkens verweilt, befleißigt er sich dieser Bewachung, er hütet das Gedenken, er wacht eifrig über das Gedenken.

            "Durch die Erfüllung dieser heiligen Sinnenzügelung empfindet er ein in­neres ungetrübtes Glück.

            "Klar bewußt kommt er und geht er, klar bewußt blickt er hin, blickt er weg, klar bewußt regt und bewegt er sich, klar bewußt trägt er des Ordens Gewand und Almosenschale, klar bewußt ißt und trinkt, kaut und schmeckt er, klar bewußt entleert er Kot und Harn, klar bewußt geht und steht und sitzt er, schläft er ein, wacht er auf, spricht er und schweigt er.

            "Treu dieser heiligen Tugendsatzung, treu dieser heiligen Sinnenzüge­lung, treu dieser heiligen klaren Einsicht sucht er einen abgelegenen Ruhe­platz auf, einen Hain, den Fuß eines Baumes, eine Felsengrotte, eine Berges­gruft, einen Friedhof, die Waldesmitte, ein Streulager in der offenen Ebene. Nach dem Mahle, wenn er vom Almosengange zurückgekehrt ist, setzt er sich mit verschränkten Beinen nieder, den Körper gerade aufgerichtet, und pflegt der Einsicht. Er hat weltliche Begierde verworfen und verweilt be­gierdelosen Gemütes, von Begierde läutert er sein Herz. Gehässigkeit hat er verworfen, haßlosen Gemütes verweilt er, voll Liebe und Mitleid zu allen lebenden Wesen läutert er sein Herz von Gehässigkeit. Matte Müde hat er verworfen, von matter Müde ist er frei; das Licht liebend, einsichtig, klar be­wußt, läutert er sein Herz von matter Müde. Stolzen Unmut hat er verwor­fen, er ist frei von Stolz; innig beruhigten Gemütes läutert er sein Herz von stolzem Unmut. Das Schwanken hat er verworfen, der Ungewißheit ist er entronnen; er zweifelt nicht am Guten, vom Schwanken läutert er sein Herz.

            "Er hat nun diese fünf Hemmungen aufgehoben, hat die Schlacken des Ge­mütes kennengelernt, die lähmenden; gar fern von Begierden, fern von un­heilsamen Dingen lebt er in sinnend gedenkender ruhegeborener seliger Hei­terkeit, in der Weihe der ersten Schauung.

            "Weiter sodann, ihr Mönche: nach Vollendung des Sinnens und Gedenkens erwirkt der Mönch die innere Meeresstille, die Einheit des Gemütes, die von sinnen, von gedenken freie, in der Einigung geborene selige Heiterkeit, die Weihe der zweiten Schauung.

            "Weiter sodann, ihr Mönche: in heiterer Ruhe verweilt der Mönch gleich­mütig, einsichtig, klar bewußt, ein Glück empfindet er im Körper, von dem die Heiligen sagen: 'Der gleichmütig Einsichtige lebt beglückt'; so erwirkt er die Weihe der dritten Schauung.

            "Weiter sodann, ihr Mönche: nach Verwerfung der Freuden und Leiden, nach Vernichtung des einstigen Frohsinns und Trübsinns erwirkt der Mönch die Weihe der leidlosen, freudlosen, gleichmütig einsichtigen vollkommenen Reine, die vierte Schauung.

            "Erblickt er nun mit dem Gesichte eine Form, so verfolgt er nicht die angenehmen Formen und verabscheut nicht die unangenehmen, gewärtig des Wesens der Körperlichkeit verweilt er unbeschränkten Gemütes und ge­denkt, der Wahr­heit gemäß, jener Gemüterlösung, Weisheiterlösung, wo seine bösen, schlechten Eigenschaften sich restlos auflösen. So hat er sich von Befriedigung und Un­befriedigung losgelöst, und was für ein Gefühl er auch fühlt, ein freudiges oder leidiges oder weder freudig noch leidiges, dieses Ge­fühl hegt er nicht und pflegt er nicht und klammert sich nicht daran. Wäh­rend er das Gefühl nicht hegt und nicht pflegt und sich nicht daran klammert löst jenes Genügehaben bei den Gefühlen sich auf. Durch Auflösung jenes Genügens wird Anhangen aufgelöst, durch Auflösung des Anhangens wird Werden aufgelöst, durch Auflösung des Werdens wird Geburt aufgelöst, durch Auflösung der Geburt wird Alter und Tod aufgelöst, Schmerz und  Jammer, Leiden, Trübsal, Verzweiflung gehn zugrunde: also kommt dieses gesamten Leidensstückes Auflösung zustande.

            "Hört er nun mit dem Gehöre einen Ton,

            "Riecht er nun mit dem Geruche einen Duft,

            "Schmeckt er nun mit dem Geschmacke einen Saft,

            "Tastet er nun mit dem Getaste eine Tastung,

            "Erkennt er nun mit dem Gedenken ein Ding, so verfolgt er nicht die an­genehmen Dinge und verabscheut nicht die unangenehmen, gewärtig des Wesens der Körperlichkeit verweilt er unbeschränkten Gemütes und ge­denkt, der Wahrheit gemäß, jener Gemüterlösung, Weisheiterlösung, wo seine bösen, schlechten Ei­genschaften sich restlos auflösen. So hat er sich von Befriedigung und Unbe­friedigung losgelöst, und was für ein Gefühl er auch fühlt, ein freudiges oder leidiges oder weder freudig noch leidiges, dieses Ge­fühl hegt er nicht und pflegt er nicht und klammert sich nicht daran. Wäh­rend er das Gefühl nicht hegt und nicht pflegt und sich nicht daran klammert löst jenes Genügehaben bei den Gefühlen sich auf. Durch Auflösung jenes Genügens wird Anhangen aufgelöst, durch Auflösung des Anhangens wird Werden aufgelöst, durch Auflösung des Wer­dens wird Geburt aufgelöst, durch Auflösung der Geburt wird Alter und Tod aufgelöst, Schmerz und Jammer, Leiden, Trübsal, Verzweiflung gehn zugrunde: also kommt dieses gesamten Leidensstückes Auflösung zustande.

 

            "Dies, meine Mönche, bewahret, kurzgefaßt, unter dem Namen 'Erlösung durch Versiegung des Durstes'. Den Mönch Sati aber, den Fischersohn, be­trachtet als in des Durstes gewaltiges Netz, in des Durstes Koppel ver­strickt."

 

            Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen.



[1]sehen, hören, riechen, schmecken, tasten, denken.


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