Vorbemerkung: Sutta 119 ist eine Erwiderung auf Sutta 118, verfaßt von einer Gruppe von Bhikkhus, die eine ältere und bessere Überlieferung kannte. An die Stelle der <vierfachen> Achtsamkeitsübung setzte sie, der alten Lehre gemäß, allein die Körperbetrachtung, auch hielt sie an den von Buddha gelehrten vier Stufen der Versenkung fest, ohne die aus dem Yoga stammenden abstrakten Versenkungen zu erwähnen. Andererseits aber gebrauchte sie auch Ausdrücke des späten Pali und rühmte die Zauberkräfte, wodurch sich die späte Entstehung des Suttas offenbart.
So habe ich es gehört:
Als der Erhabene in Anāthapindikas Bhikkhuheim im Jetahain bei Sāvatthi weilte, saßen viele Bhikkhus an einem Nachmittag in der Versammlungshalle beisammen und sprachen darüber, daß der Erhabene die Betrachtung des Körpers warm empfohlen und gepriesen hatte. Während ihres Gesprächs erschien der Erhabene und fragte sie, worüber sie geredet hätten. Sie sagten es ihm, und der Erhabene erklärte ihnen die Körperbetrachtung (mit denselben Worten wie im 10. Sutta. Dabei fügte er nach jedem Absatz hinzu:)
Wer dies unermüdlich und eifrig übt, dem schwinden die weltlichen Wünsche und Sorgen, sein Geist beruhigt sich, richtet sich auf einen einzigen Gegenstand und sammelt sich. So übt man Körperbetrachtung.
(Darauf folgt eine Darstellung der vier Versenkungsstufen mit erklärenden Zusätzen, wörtlich übereinstimmend mit Dighanikāya II, 75ff:)
Der Bhikkhu löst sich ab von dem Verlangen nach Sinnengenüssen und unheilsamen Regungen und erreicht die mit Nachdenken und Überlegen verbundene, aus der Ablösung entstandene, von Freude und Wohlbehagen erfüllte erste Stufe der Versenkung und bleibt darin. Er füllt und durchtränkt seinen Körper mit Freude und Wohlbehagen, die aus der Ablösung entstanden sind, so daß kein Teil seines Körpers von der Freude und dem Wohlbehagen undurchtränkt bleibt. Wie ein Bademeister in einer Messingschale Waschpulver mit Wasser anfeuchtet und knetet, bis der zum Baden bereitete Teig mit Feuchtigkeit ganz durchtränkt ist, ohne zu tropfen, so durchtränkt der Bhikkhu seinen ganzen Körper mit Freude und Wohlbehagen. Wer dies unermüdlich und eifrig übt, dem schwinden weltliche Wünsche und Sorgen, sei Geist beruhigt sich, richtet sich auf einen einzigen Gegenstand und sammelt sich. So übt man Körperbetrachtung.
Dann bringt der Bhikkhu das Nachdenken und Überlegen zur Ruhe, in seinem Innern wird es still, sein Geist ist auf einen einzigen Gegenstand gerichtet, und so erreicht er die aus der Geistessammlung entstandene, von Nachdenken und Überlegen freie, von Freude und Wohlbehagen erfüllte zweite Stufe der Versenkung und bleibt darin. Er füllt und durchtränkt seinen Körper mit Freude und Wohlbehagen, die aus der Geistessammlung entstanden sind, so daß kein Teil seines Körpers von der Freude und dem Wohlbehagen undurchtränkt bleibt. Wie ein Teich, der von einer einzigen Quelle in seinem Innern gespeist wird, der von außen keinen Zufluß erhält und in den es auch nicht regnet, von dem in ihm entspringenden kühlen Wasserstrom ganz gefüllt und durchtränkt wird, so durchtränkt der Bhikkhu seinen ganzen Körper mit Freude und Wohlbehagen[1].
Wenn dann die freudige Erregung abgeklungen ist, bleibt der Bhikkhu gleichmütig, andächtig und wissensklar und empfindet körperlich ein Wohlbehagen, von dem die Edlen sagen: Bei Gleichmut und Andacht fühlt man sich beglückt. So erreicht er die dritte Stufe der Versenkung und bleibt darin. Er füllt und durchtränkt seinen Körper mit einem Wohlbehagen, das von freudiger Erregung frei ist, so daß kein Teil seines Körpers von solchem Wohlbehagen undurchtränkt bleibt. Wie in einem Lotusteich mancher Lotus mit allen seinen Teilen unter Wasser bleibt und von der Wurzel bis zur Spitze vom kühlen Wasser umspült wird, so durchtränkt er seinen ganzen Körper mit solchem Wohlbehagen.
Dann geht der Bhikkhu über Wohlbehagen und Mißbehagen hinweg, auch die Erinnerung an frühere frohe und trübe Stimmungen schwindet dahin, und er erreicht die über Wohlbehagen und Mißbehagen erhabene vierte Stufe der Versenkung, bei der Gleichmut und Andacht in höchster Reinheit bestehen, und bleibt darin. Er sitzt da, indem er seinen Körper mit ganz reinem und klarem Geist durchdringt, so daß kein Teil seines Körpers von dem reinen und klaren Geist undurchdrungen bleibt. Wie jemand vom Kopf bis zu den Füßen weiß gekleidet dasitzt, so daß kein Teil seines Körpers nicht weiß umhüllt ist, so durchdringt er seinen ganzen Körper mit reinem und klarem Geist.
Wer die Körperbetrachtung fleißig übt, für den sind alle heilsamen Dinge, die zum Wissen dienlich sind, darin mit einbegriffen, wie für jemanden, der im Geiste das große Meer durchdrungen hat, alle kleinen Flüsse, die sich in das Meer ergießen, darin mit einbegriffen sind. Wer aber die Körperbetrachtung nicht fleißig übt, bei dem kann Māra, der Versucher, eindringen und Fuß fassen, wie eine schwere Eisenkugel, die jemand in weichen Sumpfboden schleudert, dort eindringt, oder wie ein trockenes Stück Holz, das jemand mit einem Reibholz bearbeitet, Feuer fängt, oder wie man in einen leeren Krug Wasser eingießen kann. Wer jedoch die Körperbetrachtung fleißig übt, bei dem kann Māra, der Versucher nicht eindringen und nicht Fuß fassen, wie ein leichtes Garnknäuel, das jemand gegen einen aus hartem Holz gefertigten Türpfosten schleudert, dort nicht eindringt, oder wie nasses Holz, das jemand mit einem Reibholz bearbeitet, nicht Feuer fängt, oder wie man in einen bis zum Rande gefüllten Krug kein Wasser mehr eingießen kann.
Wer die Körperbetrachtung fleißig übt, der kann alles, was er zu wissen und klar zu erkennen wünscht, durch eigene Anschauung erfahren[2], auf welchem Gebiet es auch sei. Das ist so, wie wenn ein bis zum Rande gefüllter Wasserkrug auf einen Ständer gestellt worden wäre und ein starker Mann ihn umkippte; dann würde Wasser hinaus fließen; oder so, wie wenn ein in ebenem Lande gelegener viereckiger Lotusteich von einem Deich umgeben wäre und ein starker Mann den Deich durchstieße; dann würde Wasser hinaus fließen; oder so, wie wenn an einem Platz, von dem vier Hauptstraßen ausgehen, ein bespannter feiner Wagen stände und daneben ein Treibstock läge und den Wagen ein gewandter Rosselenker bestiege, die Zügel in die linke Hand und den Treibstock in die rechte nähme und führe, wohin er wollte, ebenso kann, wer die Körperbetrachtung fleißig übt, alles, was er zu wissen und klar zu erkennen wünscht, durch eigene Anschauung erfahren.
Hat man die Körperbetrachtung gründlich geübt und entfaltet, so hat man folgende Vorzüge zu erwarten: Überwunden sind Unzufriedenheit und Angst; man erträgt geduldig Kälte und Hitze, Hunger und Durst, Fliegen, Mücken und anderes Ungeziefer, Beleidigungen und körperliche Schmerzen; man gewinnt nach Belieben die vier Stufen der Versenkung und die verschiedenen Zauberkräfte[3]; ferner himmlisches Gehör, die Fähigkeit, Gedanken zu lesen, das dreifache Wissen[4] und nach Vernichtung der Anwandlungen die Befreiung des Geistes durch Weisheit.
[So sprach der Erhabene. Die Bhikkhus nahmen seine Erklärung mit Freude und Dank an.]
[1] Die Sätze <wer dies unermüdlich...> bis <Körperbetrachtung> werden jedesmal wiederholt.
[2] sakkhibavyatā, <Zustand eines Augenzeugen> ist späteres Pali.
[3] Auch dies ist ein Zeichen der späten Entstehung des Suttas; die Zauberkräfte werden ausführlich aufgezählt, wörtlich so wie im 73. Sutta.
[4] Im Text ausführlich mit denselben Worten wie im 36. Sutta.