Majjhima Nikāya 43

Die längere Reihe von Fragen und Antworten - Mahāvedalla Sutta

 

1. So habe ich gehört. Einmal hielt sich der Erhabene bei Sāvatthī im Jeta Hain, dem Park des Anāthapiṇḍika auf.

Dann, als es Abend war, erhob sich der ehrwürdige Mahā Koṭṭhita [1] aus der Meditation, ging zum ehrwürdigen Sāriputta und tauschte Grußformeln mit ihm aus. Nach diesen höflichen und freundlichen Worten, setzte er sich seitlich nieder und sagte zum ehrwürdigen Sāriputta:

 

(Weisheit)

2. "'Ein Nicht-Weiser, ein Nicht-Weiser', so sagt man, Freund. Worauf bezieht es sich, wenn man von 'einem Nicht-Weisen' spricht?"

"'Einer, der nicht versteht, einer, der nicht versteht', Freund, deshalb spricht man von 'einem Nicht-Weisen'. Was versteht er nicht? Er versteht nicht: 'Dies ist Dukkha'; er versteht nicht: 'Dies ist der Ursprung von Dukkha'; er versteht nicht: 'Dies ist das Aufhören von Dukkha'; er versteht nicht: 'Dies ist der Weg, der zum Aufhören von Dukkha führt'. 'Einer, der nicht versteht, einer, der nicht versteht', Freund, deshalb spricht man von 'einem Nicht-Weisen'."

Mit den Worten "Gut, Freund", war der ehrwürdige Mahā Koṭṭhita entzückt und erfreut über die Worte des ehrwürdigen Sāriputta. Dann stellte er ihm eine weitere Frage:

3. "'Ein Weiser, ein Weiser', so sagt man, Freund. Worauf bezieht es sich, wenn man von 'einem Weisen' spricht?"

"'Einer, der versteht, einer, der versteht', Freund, deshalb spricht man von 'einem Weisen'. Was versteht er? Er versteht: 'Dies ist Dukkha'; er versteht: 'Dies ist der Ursprung von Dukkha'; er versteht: 'Dies ist das Aufhören von Dukkha'; er versteht: 'Dies ist der Weg, der zum Aufhören von Dukkha führt'. 'Einer, der versteht, einer, der versteht', Freund, deshalb spricht man von 'einem Weisen'."

 

(Bewußtsein)

4. "'Bewußtsein, Bewußtsein', so sagt man, Freund. Worauf bezieht es sich, wenn man von 'Bewußtsein' spricht?"

"'Es erfährt, es erfährt', Freund, deshalb [2] spricht man von 'Bewußtsein'. Was erfährt es? Es erfährt: 'Angenehm'; es erfährt: 'Schmerzhaft'; es erfährt: 'Weder-schmerzhaft-noch-angenehm'. 'Es erfährt, es erfährt', Freund, deshalb spricht man von 'Bewußtsein'."

5. "Weisheit und Bewußtsein, Freund - sind diese Geisteszustände miteinander verbunden oder getrennt? Und ist es möglich, einen dieser Zustände vom anderen zu trennen, um den Unterschied zwischen ihnen beschreiben zu können?"

"Weisheit und Bewußtsein, Freund - diese Geisteszustände sind miteinander verbunden, nicht getrennt, und es ist unmöglich, einen dieser Zustände vom anderen zu trennen, um den Unterschied zwischen ihnen beschreiben zu können. Denn, was man versteht, das erfährt man, und was man erfährt, das versteht man. Deshalb sind diese Geisteszustände miteinander verbunden, nicht getrennt, und es ist unmöglich, einen dieser Zustände vom anderen zu trennen, um den Unterschied zwischen ihnen beschreiben zu können."

6. "Was ist der Unterschied, Freund, zwischen Weisheit und Bewußtsein, diesen Zuständen, die mit einander verbunden, nicht getrennt sind?"

"Der Unterschied, Freund, zwischen Weisheit und Bewußtsein, diesen Zuständen, die miteinander verbunden, nicht getrennt sind, ist dieser: Weisheit gilt es zu entfalten, Bewußtsein gilt es vollständig zu durchschauen."

 

(Gefühl)

7. "'Gefühl, Gefühl', so sagt man, Freund. Worauf bezieht es sich, wenn man von 'Gefühl' spricht?"

"Es fühlt, es fühlt', Freund, deshalb spricht man von 'Gefühl'. Was fühlt es? Es fühlt Angenehmes, es fühlt Schmerz und es fühlt Weder-Schmerzhaftes-noch-Angenehmes. 'Es fühlt, es fühlt', Freund, deshalb spricht man von 'Gefühl'."

 

(Wahrnehmung)

8. "'Wahrnehmung, Wahrnehmung', so sagt man, Freund. Worauf bezieht es sich, wenn man von 'Wahrnehmung' spricht?"

"'Es nimmt wahr, es nimmt wahr', Freund, deshalb spricht man von 'Wahrnehmung'. Was nimmt es wahr? Es nimmt blau wahr, es nimmt gelb wahr, es nimmt rot wahr und es nimmt weiß wahr. 'Es nimmt wahr, es nimmt wahr', Freund, deshalb spricht man von 'Wahrnehmung'."

9. "Gefühl, Wahrnehmung und Bewußtsein, Freund - sind diese Geisteszustände miteinander verbunden oder getrennt? Und ist es möglich, einen dieser Zustände vom anderen zu trennen, um den Unterschied zwischen ihnen beschreiben zu können?"

"Gefühl, Wahrnehmung und Bewußtsein, Freund - diese Geisteszustände sind miteinander verbunden, nicht getrennt, und es ist unmöglich, einen dieser Zustände von den anderen zu trennen, um den Unterschied zwischen ihnen beschreiben zu können. Denn, was man fühlt, das nimmt man wahr, und was man wahrnimmt, das erfährt man. Deshalb sind diese Geisteszustände miteinander verbunden, nicht getrennt, und es ist unmöglich, einen dieser Zustände von den anderen zu trennen, um den Unterschied zwischen ihnen beschreiben zu können [3]."

 

(Allein durch den Geist erkennbar)

10. "Freund, was kann mit geläutertem Geist-Bewußtsein, das von den fünf Sinnesfähigkeiten entbunden ist, erschlossen werden?"

"Freund, mit geläutertem Geist-Bewußtsein, das von den fünf Sinnesfähigkeiten entbunden ist, kann das Gebiet der Raumunendlichkeit so erschlossen werden: 'Raum ist unendlich'; das Gebiet der Bewußtseinsunendlichkeit kann so erschlossen werden: 'Bewußtsein ist unendlich'; das Nichtsheit-Gebiet kann so erschlossen werden: 'Da ist nichts [4]'."

11. "Freund, womit versteht man einen erschließbaren Zustand?"

"Freund, man versteht einen erschließbaren Zustand mit dem Auge der Weisheit."

12. "Freund, was ist der Zweck der Weisheit?"

"Der Zweck der Weisheit, Freund, ist unmittelbares Erkennen mit höherer Geisteskraft, ihr Zweck ist vollständiges Durchschauen [5], ihr Zweck ist das Überwinden."

 

(Richtige Ansicht)

13. "Freund, wieviele Bedingungen gibt es für das Erscheinen von Richtiger Ansicht?"

"Freund, es gibt zwei Bedingungen für das Erscheinen von Richtiger Ansicht: die Äußerung eines anderen und weises Erwägen. Dies sind die zwei Bedingungen für das Erscheinen von Richtiger Ansicht."

14. "Freund, von wievielen Faktoren wird Richtige Ansicht unterstützt, wenn sie die Herzensbefreiung als Frucht, die Herzensbefreiung als Frucht und Nutzen hat, wenn sie die Befreiung durch Weisheit als Frucht, die Befreiung durch Weisheit als Frucht und Nutzen hat?"

"Freund, Richtige Ansicht wird von fünf Faktoren unterstützt, wenn sie die Herzensbefreiung als Frucht, die Herzensbefreiung als Frucht und Nutzen hat, wenn sie die Befreiung durch Weisheit [6] als Frucht, die Befreiung durch Weisheit als Frucht und Nutzen hat. Freund, Richtige Ansicht wird hier von Sittlichkeit, Lernen, Erörterung, Ruhe und Einsicht unterstützt. Richtige Ansicht, die von diesen fünf Faktoren unterstützt wird, hat die Herzensbefreiung als Frucht, die Herzensbefreiung als Frucht und Nutzen, hat die Befreiung durch Weisheit als Frucht, die Befreiung durch Weisheit als Frucht und Nutzen."

 

(Werden)

15. "Freund, wieviele Arten von Werden gibt es?"

"Es gibt diese drei Arten von Werden, Freund: Werden der Sinnessphäre, Werden der (feinstofflichen) Form und formloses Werden."

16. "Freund, wie kommt die Erneuerung des Werdens in der Zukunft zustande?"

"Freund, die Erneuerung des Werdens in der Zukunft kommt dadurch zustande, daß die Wesen, die durch Unwissenheit gehemmt und durch Begehren gefesselt sind, sich an diesem und jenem ergötzen [7]."

17. "Freund, wie kommt die Erneuerung des Werdens in der Zukunft nicht zustande?"

"Freund, mit dem Verschwinden der Unwissenheit, mit dem Erscheinen von wahrem Wissen, und mit dem Aufhören des Begehrens kommt die Erneuerung des Werdens in der Zukunft nicht zustande."

 

(Die erste Vertiefung)

18. "Freund, was ist die erste Vertiefung?"

"Freund, da tritt ein Bhikkhu ganz abgeschieden von Sinnesvergnügen, abgeschieden von unheilsamen Geisteszuständen, in die erste Vertiefung ein, die von anfänglicher und anhaltender Hinwendung des Geistes begleitet ist, und verweilt darin, mit Verzückung und Glückseligkeit, die aus der Abgeschiedenheit entstanden sind. Dies nennt man die erste Vertiefung."

19. "Freund, wieviele Faktoren hat die erste Vertiefung?"

"Freund, die erste Vertiefung hat fünf Faktoren. Wenn da ein Bhikkhu in die erste Vertiefung eingetreten ist, treten anfängliche Hinwendung des Geistes, anhaltende Hinwendung des Geistes, Verzückung, Glückseligkeit und Einspitzigkeit des Geistes auf. Auf diese Weise hat die erste Vertiefung fünf Faktoren."

20. "Freund, wieviele Faktoren sind in der ersten Vertiefung überwunden, und wieviele Faktoren sind darin enthalten?"

"Freund, in der ersten Vertiefung sind fünf Faktoren überwunden und fünf Faktoren sind darin enthalten. Wenn da ein Bhikkhu in die erste Vertiefung eingetreten ist, ist Sinnesbegierde überwunden, Übelwollen ist überwunden, Trägheit und Mattheit ist überwunden, Rastlosigkeit und Gewissensunruhe ist überwunden und Zweifel ist überwunden; und es treten anfängliche Hinwendung des Geistes, anhaltende Hinwendung des Geistes, Verzückung, Glückseligkeit und Einspitzigkeit des Geistes auf. Auf diese Weise sind in der ersten Vertiefung fünf Faktoren überwunden und fünf Faktoren sind darin enthalten."

 

(Die fünf Sinne)

21. "Freund, diese fünf Sinnesfähigkeiten haben jeweils ein eigenes Feld, ein eigenes Gebiet, und sie erfahren nicht das Feld und Gebiet einer anderen, also die Sehfähigkeit, die Hörfähigkeit, die Geruchsfähigkeit, die Schmeckfähigkeit und die Berührungsfähigkeit. Diese fünf Sinnesfähigkeiten also, die jeweils ein eigenes Feld, ein eigenes Gebiet haben und nicht das Feld und Gebiet einer anderen erfahren, wo finden sie Hilfe, was erlebt ihre Felder und Gebiete?"

"Freund, diese fünf Sinnesfähigkeiten haben jeweils ein eigenes Feld, ein eigenes Gebiet, und sie erfahren nicht das Feld und Gebiet einer anderen, also die Sehfähigkeit, die Hörfähigkeit, die Geruchsfähigkeit, die Schmeckfähigkeit und die Berührungsfähigkeit. Diese fünf Sinnesfähigkeiten also, die jeweils ein eigenes Feld, ein eigenes Gebiet haben und nicht das Feld und Gebiet einer anderen erfahren, finden im Geist(sinn) Hilfe, und der Geist(sinn) erlebt ihre Felder und Gebiete."

22. "Freund, was diese fünf Sinnesfähigkeiten anbelangt - also die Sehfähigkeit, die Hörfähigkeit, die Geruchsfähigkeit, die Schmeckfähigkeit und die Berührungsfähigkeit - wovon stehen diese fünf Sinnesfähigkeiten in Abhängigkeit?"

"Freund, was diese fünf Sinnesfähigkeiten anbelangt - also die Sehfähigkeit, die Hörfähigkeit, die Geruchsfähigkeit, die Schmeckfähigkeit und die Berührungsfähigkeit - diese fünf Sinnesfähigkeiten stehen in Abhängigkeit von Lebenskraft."

"Freund, wovon steht Lebenskraft in Abhängigkeit?"

"Lebenskraft steht in Abhängikeit von Hitze."

"Freund, wovon steht Hitze in Abhängigkeit?"

"Hitze steht in Abhängigkeit von Lebenskraft."

"Gerade eben, Freund, haben wir verstanden, daß der ehrwürdige Sāriputta sagte: 'Lebenskraft steht in Abhängigkeit von Hitze'; und jetzt verstehen wir, daß er sagt: 'Hitze steht in Abhängigkeit von Lebenskraft'. Wie sollte die Bedeutung dieser Aussagen aufgefaßt werden?"

"In diesem Fall, Freund, werde ich dir ein Gleichnis geben, denn einige weise Menschen hier verstehen die Bedeutung einer Aussage mit Hilfe eines Gleichnisses. So wie bei einer brennenden Öllampe, ihr Schein in Abhängigkeit von ihrer Flamme verstanden wird, und ihre Flamme in Abhängigkeit von ihrem Schein verstanden wird; genauso steht Lebenskraft in Abhängigkeit von Hitze, und Hitze steht in Abhängigkeit von Lebenskraft [8]."

 

(Gestaltungen des Lebens)

23. "Freund, sind Gestaltungen des Lebens [9] zu fühlende Dinge oder sind Gestaltungen des Lebens eine Sache, und zu fühlende Dinge eine andere?"

"Gestaltungen des Lebens, Freund, sind nicht zu fühlende Dinge. Wenn Gestaltungen des Lebens zu fühlende Dinge wären, dann würde man einen Bhikkhu, der in das Erlöschen von Wahrnehmung und Gefühl eintritt, nicht mehr daraus auftauchen sehen. Weil Gestaltungen des Lebens eine Sache, und zu fühlende Dinge eine andere Sache sind, kann man einen Bhikkhu, der in das Erlöschen von Wahrnehmung und Gefühl eintritt, wieder daraus auftauchen sehen."

24. "Freund, wievieler Zustände muß dieser Körper beraubt sein, damit er aufgegeben, zurückgelassen, liegengelassen wird, willenlos wie ein Stück Holz [10]?"

"Freund, wenn dieser Körper dreier Zustände beraubt ist - Lebenskraft, Hitze und Bewußtsein - dann wird er aufgegeben, zurückgelassen, liegengelassen, willenlos wie ein Stück Holz."

25. "Freund, was ist der Unterschied zwischen einem, der tot ist, dessen Zeit abgelaufen ist, und einem Bhikkhu, der in das Erlöschen von Wahrnehmung und Gefühl eingetreten ist?"

"Freund, im Falle von einem, der tot ist, dessen Zeit abgelaufen ist, haben die körperlichen Gestaltungen aufgehört und sind zur Ruhe gekommen, haben die sprachlichen Gestaltungen aufgehört und sind zur Ruhe gekommen, haben die geistigen Gestaltungen aufgehört und sind zur Ruhe gekommen, seine Lebenskraft ist erschöpft, seine Hitze hat sich verflüchtigt, und seine Sinnesfähigkeiten sind vollständig zerfallen. Im Falle von einem Bhikkhu, der in das Erlöschen von Wahrnehmung und Gefühl eingetreten ist, haben die körperlichen Gestaltungen aufgehört und sind zur Ruhe gekommen, haben die sprachlichen Gestaltungen aufgehört und sind zur Ruhe gekommen, haben die geistigen Gestaltungen [11] aufgehört und sind zur Ruhe gekommen, aber seine Lebenskraft ist nicht erschöpft, seine Hitze hat sich nicht verflüchtigt, und seine Sinnesfähigkeiten sind gereinigt. Dies ist der Unterschied zwischen einem, der tot ist, dessen Zeit abgelaufen ist, und einem Bhikkhu, der in das Erlöschen von Wahrnehmung und Gefühl eingetreten ist."

 

(Herzensbefreiung)

26. "Freund, wieviele Bedingungen gibt es für das Erlangen der weder-schmerzhaften-noch-angenehmen Herzensbefreiung?"

"Freund, es gibt vier Bedingungen für das Erlangen der weder-schmerzhaften-noch-angenehmen Herzensbefreiung: mit dem Überwinden von Glück und Schmerz und dem schon früheren Verschwinden von Freude und Trübsinn, tritt da ein Bhikkhu in die vierte Vertiefung ein, die aufgrund von Gleichmut Weder-Schmerzhaftes-noch-Angenehmes und Reinheit der Achtsamkeit in sich hat, und verweilt darin. Dies sind die vier Bedingungen für das Erlangen der weder-schmerzvollen-noch-angenehmen Herzensbefreiung."

27. "Freund, wieviele Bedingungen gibt es für das Erlangen der merkmallosen Herzensbefreiung?"

"Freund, es gibt zwei Bedingungen für das Erlangen der merkmallosen Herzensbefreiung: Nichtbeachtung aller Merkmale und Beachtung des merkmallosen Elements. Dies sind die zwei Bedingungen für das Erlangen der merkmallosen Herzensbefreiung."

28. "Freund, wieviele Bedingungen gibt es für den Fortbestand der merkmallosen Herzensbefreiung?"

"Freund, es gibt drei Bedingungen für den Fortbestand der merkmallosen Herzensbefreiung: Nichtbeachtung aller Merkmale, Beachtung des merkmallosen Elements und die vorhergehende Festlegung (ihrer Dauer). Dies sind die drei Bedingungen für den Fortbestand der merkmallosen Herzensbefreiung."

29. "Freund, wieviele Bedingungen gibt es für das Heraustreten aus der merkmallosen Herzensbefreiung?"

"Freund, es gibt zwei Bedingungen für das Heraustreten aus der merkmallosen Herzensbefreiung: Beachtung aller Merkmale und Nichtbeachtung des merkmallosen Elements. Dies sind die zwei Bedingungen für das Heraustreten aus der merkmallosen Herzensbefreiung."

30. "Freund, die unermeßliche Herzensbefreiung, die Herzensbefreiung durch Nichtsheit, die Herzensbefreiung durch Leerheit und die merkmallose Herzensbefreiung [12]: sind dies verschiedene Zustände mit verschiedenen Kennzeichen, oder sind sie eins, nur mit verschiedenen Kennzeichen?"

"Freund, die unermeßliche Herzensbefreiung, die Herzensbefreiung durch Nichtsheit, die Herzensbefreiung durch Leerheit und die merkmallose Herzensbefreiung: auf eine Weise sind dies verschiedene Zustände mit verschiedenen Kennzeichen, und auf eine andere Weise sind sie eins, nur mit verschiedenen Kennzeichen."

31. "Auf welche Weise, Freund, sind dies verschiedene Zustände mit verschiedenen Kennzeichen? Da verweilt ein Bhikkhu, indem er eine Himmelsrichtung mit einem Herzen durchdringt, das erfüllt ist von Liebender Güte, ebenso die zweite, ebenso die dritte, ebenso die vierte Himmelsrichtung; auch nach oben, nach unten, in alle Richtungen und überall hin, und zu allen wie zu sich selbst, verweilt er, indem er die allumfassende Welt mit einem Herzen durchdringt, das von Liebender Güte erfüllt ist, unerschöpflich, erhaben, unermeßlich, ohne Feindseligkeit und ohne Übelwollen. Er verweilt, indem er eine Himmelsrichtung mit einem Herzen durchdringt, das erfüllt ist von Mitgefühl; ebenso die zweite, ebenso die dritte, ebenso die vierte Himmelsrichtung; auch nach oben, nach unten, in alle Richtungen und überall hin, und zu allen wie zu sich selbst, verweilt er, indem er die allumfassende Welt mit einem Herzen durchdringt, das von Mitgefühl erfüllt ist, unerschöpflich, erhaben, unermeßlich, ohne Feindseligkeit und ohne Übelwollen. Er verweilt, indem er eine Himmelsrichtung mit einem Herzen durchdringt, das erfüllt ist von Mitfreude; ebenso die zweite, ebenso die dritte, ebenso die vierte Himmelsrichtung; auch nach oben, nach unten, in alle Richtungen und überall hin, und zu allen wie zu sich selbst, verweilt er, indem er die allumfassende Welt mit einem Herzen durchdringt, das von Mitfreude erfüllt ist, unerschöpflich, erhaben, unermeßlich, ohne Feindseligkeit und ohne Übelwollen. Er verweilt, indem er eine Himmelsrichtung mit einem Herzen durchdringt, das erfüllt ist von Gleichmut; ebenso die zweite, ebenso die dritte, ebenso die vierte Himmelsrichtung; auch nach oben, nach unten, in alle Richtungen und überall hin, und zu allen wie zu sich selbst, verweilt er, indem er die allumfassende Welt mit einem Herzen durchdringt, das von Gleichmut erfüllt ist, unerschöpflich, erhaben, unermeßlich, ohne Feindseligkeit und ohne Übelwollen. Dies wird unermeßliche Herzensbefreiung genannt."

32. "Und was, Freund, ist die Herzensbefreiung durch Nichtsheit? Mit dem völligen Überwinden des Gebiets der Bewußtseinsunendlichkeit, indem sich ein Bhikkhu vergegenwärtigt 'da ist nichts', tritt er in das Gebiet der Nichtsheit ein und verweilt darin. Dies wird Herzensbefreiung durch Nichtsheit genannt."

33. "Und was, Freund, ist die Herzensbefreiung durch Leerheit? Da erwägt ein Bhikkhu, der in den Wald oder zum Fuße eines Baumes oder in eine leere Hütte gegangen ist: 'Dies ist leer von einem Selbst oder von etwas, das einem Selbst gehört'. Dies wird Herzensbefreiung durch Leerheit genannt."

34. "Und was, Freund, ist die merkmallose Herzensbefreiung? Unter Nichtbeachtung aller Merkmale tritt da ein Bhikkhu in die merkmallose Konzentration des Herzen ein und verweilt darin. Dies wird merkmallose Herzensbefreiung genannt. Auf diese Weise, Freund, sind dies verschiedene Zustände mit verschiedenen Kennzeichen."

35. "Und auf welche Weise, Freund, sind diese Zustände eins, nur mit verschiedenen Kennzeichen? Gier legt Maßstäbe an, Haß legt Maßstäbe an, Verblendung legt Maßstäbe an. In einem Bhikkhu, dessen Triebe vernichtet sind, sind diese aufgegeben, an der Wurzel abgeschnitten, einem Palmenstumpf gleichgemacht, beseitigt, so daß sie künftigem Entstehen nicht mehr unterworfen sind. Von allen Arten der unermeßlichen Herzensbefreiung wird die unerschütterliche Herzensbefreiung als die beste hervorgehoben. Jene unerschütterliche Herzensbefreiung aber ist leer von Gier, leer von Haß, leer von Verblendung."

36. "Gier ist ein Etwas, Haß ist ein Etwas, Verblendung ist ein Etwas. In einem Bhikkhu, dessen Triebe vernichtet sind, sind diese aufgegeben, an der Wurzel abgeschnitten, einem Palmenstumpf gleichgemacht, beseitigt, so daß sie künftigem Entstehen nicht mehr unterworfen sind. Von allen Arten der Herzensbefreiung durch Nichtsheit wird die unerschütterliche Herzensbefreiung als die beste hervorgehoben. Jene unerschütterliche Herzensbefreiung aber ist leer von Gier, leer von Haß, leer von Verblendung."

37. "Gier schafft Merkmale, Haß schafft Merkmale, Verblendung schafft Merkmale [13]. In einem Bhikkhu, dessen Triebe vernichtet sind, sind diese aufgegeben, an der Wurzel abgeschnitten, einem Palmenstumpf gleichgemacht, beseitigt, so daß sie künftigem Entstehen nicht mehr unterworfen sind. Von allen Arten der merkmallosen Herzensbefreiung wird die unerschütterliche Herzensbefreiung als die beste hervorgehoben. Jene unerschütterliche Herzensbefreiung aber ist leer von Gier, leer von Haß, leer von Verblendung. Auf diese Weise sind diese Zustände eins, nur mit verschiedenen Kennzeichen."

 

Das ist es, was der ehrwürdige Sāriputta sagte. Der ehrwürdige Mahā Koṭṭhita war zufrieden und entzückt über die Worte des ehrwürdigen Sāriputta.


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Anmerkungen:

[1] Der ehrwürdige Mahā Koṭṭhita wurde als Erster unter jenen mit analytischem Verstand gepriesen.

[2] Die Schlußfolgerung leuchtet im Deutschen nicht ein, da das Substantiv "Bewußtsein" (viññāṇa) und das Verb "erfahren" (vijānāti) nicht auf gleiche Weise miteinander verwandt sind, wie das im Pāli der Fall ist. Eine Angleichung der Terminologie (viññāṇa = Erfahrung) würde nur Verwirrung stiften. Gleiches gilt auch für die anderen Antworten Sāriputtas.

[3] Oft wird das Dhamma als hierarchisch geordnet verstanden; Aufgliederungen werden zu mechanistisch gesehen. Der Buddha hat aber die verschiedenen Lehrkategorien als Wegweiser aus verschiedenen Blickwinkeln gegeben, keinesfalls sollte man sich an die Kategorisierungen anklammern. Ein weiteres gutes Beispiel ist M59.

[4] Das Gebiet von Weder-Wahrnehmung-noch-Nichtwahrnehmung ist hier ausgeklammert, da hier der Begriff Geistbewußtsein anscheinend nicht mehr voll anwendbar ist.

[5] Der Unterschied zwischen unmittelbarem Erkennen mit höherer Geisteskraft und vollständigem Durchschauen: ersteres haben alle Edlen ab Stromeintritt gemein, letzteres ist das völlige Durchdringen der Vier Edlen Wahrheiten, das zur Vernichtung der Triebe (=Arahantschaft) führt.

[6] Die Herzensbefreiung und die Befreiung durch Weisheit sind zwei Aspekte von Arahantschaft.

[7] Handlung (das Ergötzen) und Frucht (das Wiederwerden); hier handelt es sich aber um ein anderes Thema als bei der bedingten Entstehung. Deutlich zu unterscheiden an der Terminologie; hier "Erneuerung des Werdens" (punabbhavābhinibbatti), dort "Geburt" (jāti); hier temporal "in der Zukunft", dort nicht-temporal - akālika.

[8] Sie sind konditional von einander abhängig, sie stehen nicht in einer kausalen zeitlichen Abfolge. Weitere Beispiele gegenseitiger Abhängigkeit aus dem Kanon: Bewußtsein und Name&Form, Unwissenheit und Triebe.

[9] Das, was Leben determiniert, bedingt. Die einzige Art von Gestaltungen, die außerhalb des Erlebens liegen. Sie müssen und können nicht gefühlt (=erlebt) werden.

[10] Also tot: die Abwesenheit von Bewußtsein reicht nicht aus, um den Todeszustand zu beschreiben, Lebenskraft und Hitze müssen ebenfalls entweichen.

[11] Dies ist die Triade "Gestaltung von Körper, Sprache und Geist", nicht "Gestaltung durch Körper, Sprache und Geist". Der Unterschied ist im Pāli anhand der dritten Gestaltung feststellbar: hier cittasaṅkhāra, dort manosaṅkhāra. Gemeint ist also nicht, daß körperliche, sprachliche und geistige Handlung aufhört, sondern, daß Atmung, Denken, Wahrnehmung und Gefühl aufhören (vgl. M44).

[12] "Herzensbefreiung" bedeutet leidfreier Zustand; dieser kann vorübergehend durch Geistesschulung / Konzentration erreicht werden, oder endgültig durch die Vernichtung der Triebe. Die weder-schmerzhafte-noch-angenehme Herzensbefreiung ist die vierte Vertiefung, die unermeßliche Herzensbefreiung ist die Praxis der Brahmavihāras, die Herzensbefreiung durch Nichtsheit ist die dritte formlose Vertiefung, was jeweils aus dem Text hervorgeht. Die Herzensbefreiung durch Leerheit wird von MA als weltliche Einsicht identifiziert, und die merkmallose Herzensbefreiung als meditativer Zustand eines Erleuchteten. Dies erscheint fragwürdig, da im Text gerade bei der merkmallosen Herzensbefreiung verschiedene Arten (mit und ohne Triebvernichtung) unterschieden werden, bei der Herzensbefreiung durch Leerheit jedoch nicht. Die Herzensbefreiungen werden "unerschütterlich" genannt, wenn sie mit der Vernichtung der Triebe gekoppelt sind. Man muß sich vor Augen halten, daß sich hier zwei Erleuchtete mit höchstentwickelter Weisheit auf höchstem Niveau unterhalten. Es ist zum Verständnis des wesentlichen Punktes - der Signifikanz der Triebvernichtung - nicht notwendig, die nicht eindeutig klärbaren technischen Ausdrücke auf solche Weise zu interpretieren.

[13] Und zwar genau die Merkmale oder Kennzeichen (nimitta), von denen man sich bei der Übung der Sinneskontrolle zu lösen sucht (vgl. M27, Anmerkung 2).


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