1. So habe ich es gehört. Einmal hielt sich der Erhabene bei Kosambī in Ghositas Park auf.
2. Bei dieser Gelegenheit waren die Bhikkhus bei Kosambī in Streit und Zank verfallen und waren in Streitgespräche vertieft, bei denen sie sich gegenseitig mit Worten, die Dolchen glichen, verletzten. Weder konnten sie einander überzeugen, noch konnten sie überzeugt werden; weder konnten sie einander überreden, noch konnten sie überredet werden.
3. Da ging ein bestimmter Bhikkhu zum Erhabenen, und nachdem er ihm gehuldigt hatte, setzte er sich seitlich nieder und informierte ihn von den Vorgängen.
4. Da richtete sich der Erhabene so an einen bestimmten Bhikkhu: "Komm, Bhikkhu, sage jenen Bhikkhus in meinem Namen, daß der Lehrer nach ihnen ruft." - "Ja, ehrwürdiger Herr", erwiderte er, und er ging zu jenen Bhikkhus und sagte ihnen: "Der Lehrer ruft nach den Ehrwürdigen."
"Ja, Freund", erwiderten sie und sie gingen zum Erhabenen, und nachdem sie ihm gehuldigt hatten, setzten sie sich seitlich nieder. Dann fragte sie der Erhabene: "Ihr Bhikkhus, ist es wahr, daß ihr in Streit und Zank verfallen und in Streitgespräche vertieft seid, bei denen ihr euch gegenseitig mit Worten, die Dolchen gleichen, verletzt; daß ihr weder einander überzeugen könnt, noch überzeugt werden könnt; daß ihr weder einander überreden könnt, noch überredet werden könnt?"
"Ja, ehrwürdiger Herr."
5. "Ihr Bhikkhus, was meint ihr? Wenn ihr in Streit und Zank verfallt und euch in Streitgespräche vertieft, bei denen ihr euch gegenseitig mit Worten, die Dolchen gleichen, verletzt, haltet ihr dann bei jenem Anlaß gegenüber euren Gefährten im heiligen Leben Handlungen der Liebenden Güte mit Körper, Sprache und Geist ein, in der Öffentlichkeit und im Privaten?"
"Nein, ehrwürdiger Herr."
"Also, ihr Bhikkhus, wenn ihr in Streit und Zank verfallt und euch in Streitgespräche vertieft, bei denen ihr euch gegenseitig mit Worten, die Dolchen gleichen, verletzt, dann haltet ihr bei jenem Anlaß gegenüber euren Gefährten im heiligen Leben nicht Handlungen der Liebenden Güte mit Körper, Sprache und Geist ein, in der Öffentlichkeit und im Privaten. Ihr fehlgeleiteten Männer, was wißt ihr schon, was seht ihr schon, daß ihr in Streit und Zank verfallt und euch in Streitgespräche vertieft, bei denen ihr euch gegenseitig mit Worten, die Dolchen gleichen, verletzt? Daß ihr weder einander überzeugen, noch überzeugt werden könnt; daß ihr weder einander überreden, noch überredet werden könnt? Ihr fehlgeleiteten Männer, es wird euch lange zum Schaden und zum Leid gereichen."
6. Dann richtete sich der Erhabene folgendermaßen an die Bhikkhus: "Ihr Bhikkhus, es gibt diese sechs bemerkenswerten Eigenschaften, die Liebe und Respekt erzeugen und zur Hilfsbereitschaft, zum Nicht-Streiten, zur Eintracht und Einigkeit beitragen. Was sind diese sechs?"
"Da hält ein Bhikkhu körperliche Handlungen der Liebenden Güte gegenüber seinen Gefährten im heiligen Leben ein, sowohl in der Öffentlichkeit als auch im Privaten. Dies ist eine bemerkenswerte Eigenschaft, die Liebe und Respekt erzeugt und zur Hilfsbereitschaft, zum Nicht-Streiten, zur Eintracht und Einigkeit beiträgt."
"Wiederum hält ein Bhikkhu sprachliche Handlungen der Liebenden Güte gegenüber seinen Gefährten im heiligen Leben ein, sowohl in der Öffentlichkeit als auch im Privaten. Dies ist eine bemerkenswerte Eigenschaft, die Liebe und Respekt erzeugt und zur Hilfsbereitschaft, zum Nicht-Streiten, zur Eintracht und Einigkeit beiträgt."
"Wiederum hält ein Bhikkhu geistige Handlungen der Liebenden Güte gegenüber seinen Gefährten im heiligen Leben ein, sowohl in der Öffentlichkeit als auch im Privaten. Dies ist eine bemerkenswerte Eigenschaft, die Liebe und Respekt erzeugt und zur Hilfsbereitschaft, zum Nicht-Streiten, zur Eintracht und Einigkeit beiträgt."
"Wiederum benutzt ein Bhikkhu Dinge gemeinsam mit seinen sittsamen Gefährten im heiligen Leben; ohne etwas zurückzuhalten teilt er mit ihnen jeglichen Zugewinn, der mit dem Dhamma in Einklang steht und der in Einklang mit dem Dhamma erlangt wurde, sogar einschließlich des Inhalts seiner Schale. Dies ist eine bemerkenswerte Eigenschaft, die Liebe und Respekt erzeugt und zur Hilfsbereitschaft, zum Nicht-Streiten, zur Eintracht und Einigkeit beiträgt."
"Wiederum hält sich ein Bhikkhu in der Öffentlichkeit und im Privaten auf, indem er gemeinsam mit seinen Gefährten im heiligen Leben jene Sittlichkeit besitzt, die ungebrochen, nicht zerrissen, nicht gefleckt, nicht gesprenkelt, befreiend, von den Weisen empfohlen, nicht mißverstanden und der Konzentration zuträglich ist. Auch dies ist eine bemerkenswerte Eigenschaft, die Liebe und Respekt erzeugt und zur Hilfsbereitschaft, zum Nicht-Streiten, zur Eintracht und Einigkeit beiträgt."
"Wiederum hält sich ein Bhikkhu in der Öffentlichkeit und im Privaten auf, indem er gemeinsam mit seinen Gefährten im heiligen Leben jene Ansicht besitzt, die edel und zur Befreiung führend ist, und denjenigen, der in Übereinstimmung mit ihr praktiziert, zur völligen Vernichtung des Leidens führt. Auch dies ist eine bemerkenswerte Eigenschaft, die Liebe und Respekt erzeugt und zur Hilfsbereitschaft, zum Nicht-Streiten, zur Eintracht und Einigkeit beiträgt."
"Dies sind die sechs bemerkenswerten Eigenschaften, die Liebe und Respekt erzeugen und zur Hilfsbereitschaft, zum Nicht-Streiten, zur Eintracht und Einigkeit beitragen."
7. "Von diesen sechs bemerkenswerten Eigenschaften ist die höchste, die umfassendste, die endgültigste diese Ansicht [1], die edel und zur Befreiung führend ist, und denjenigen, der in Übereinstimmung mit ihr praktiziert, zur völligen Vernichtung des Leidens führt. So wie der höchste, der umfassendste und engültigste Teil eines Gebäudes mit einer Dachspitze die Dachspitze selbst ist, so ist auch von diesen bemerkenswerten Eigenschaften die höchste, die umfassendste, die endgültigste diese Ansicht, die edel und zur Befreiung führend ist, und denjenigen, der in Übereinstimmung mit ihr praktiziert, zur völligen Vernichtung des Leidens führt."
8. "Und wie führt diese Ansicht, die edel und zur Befreiung führend ist, denjenigen, der in Übereinstimmung mit ihr praktiziert, zur völligen Vernichtung des Leidens?"
"Da erwägt ein Bhikkhu, der in einen Wald, zum Fuße eines Baumes, in eine leere Hütte gegangen ist: 'Gibt es irgendeine Besessenheit, die in mir noch nicht überwunden wurde, die meinen Geist in Besitz nehmen könnte, so daß ich die Dinge nicht der Wirklichkeit entsprechend wissen und sehen kann?' Wenn ein Bhikkhu von Sinnesbegierde besessen ist, dann ist sein Geist besessen. Wenn er von Übelwollen besessen ist, dann ist sein Geist besessen. Wenn er von Trägheit und Mattheit besessen ist, dann ist sein Geist besessen. Wenn er von Rastlosigkeit und Gewissensunruhe besessen ist, dann ist sein Geist besessen. Wenn er von Zweifel besessen ist, dann ist sein Geist besessen. Wenn ein Bhikkhu in Spekulationen über diese Welt versunken ist, dann ist sein Geist besessen. Wenn ein Bhikkhu in Spekulationen über die andere Welt versunken ist, dann ist sein Geist besessen. Wenn ein Bhikkhu in Streit und Zank verfällt und sich in Streitgespräche vertieft, bei denen er andere mit Worten, die Dolchen gleichen, verletzt, dann ist sein Geist besessen."
"Er versteht: 'Es gibt keine Besessenheit [2], die in mir noch nicht überwunden wurde, die meinen Geist in Besitz nehmen könnte, so daß ich die Dinge nicht der Wirklichkeit entsprechend wissen und sehen kann. Mein Geistiges ist dem Erwachen zu den Wahrheiten wohl geneigt.' Dies ist das erste Wissen, das von ihm erlangt wird, das edel, überweltlich ist und nicht von Weltlingen geteilt wird."
9. "Wiederum erwägt ein edler Schüler: 'Wenn ich dieser Ansicht nachstrebe, sie entfalte und übe, erlange ich dann für mich selbst innere Ruhe, erlange ich für mich selbst Gelassenheit?'"
"Er versteht: 'Wenn ich dieser Ansicht nachstrebe, sie entwickle und entfalte, dann erlange ich für mich selbst innere Ruhe, dann erlange ich für mich selbst Gelassenheit.' Dies ist das zweite Wissen, das von ihm erlangt wird, das edel, überweltlich ist und nicht von Weltlingen geteilt wird."
10. "Wiederum erwägt ein edler Schüler: 'Gibt es irgendeinen anderen Mönch oder Brahmanen außerhalb (der Lehre des Buddha), der eine Ansicht besitzt, wie ich sie besitze?'"
"Er versteht: 'Es gibt keinen anderen Mönch oder Brahmanen außerhalb (der Lehre des Buddha), der eine Ansicht besitzt, wie ich sie besitze.' Dies ist das dritte Wissen, das von ihm erlangt wird, das edel, überweltlich ist und nicht von Weltlingen geteilt wird."
11. "Wiederum erwägt ein edler Schüler: 'Besitze ich den Charakter einer Person, die richtige Ansicht besitzt?' Was ist der Charakter einer Person, die richtige Ansicht besitzt? Dies ist der Charakter einer Person, die richtige Ansicht besitzt: obwohl er möglicherweise einen Regelverstoß von der Art begehen mag, für die eine Maßnahme der Rehabilitation festgelegt wurde, bekennt, enthüllt er diesen und deckt ihn unverzüglich auf, gegenüber dem Lehrer oder gegenüber weisen Gefährten im heiligen Leben, und nachdem er das getan hat, übt er sich in Zurückhaltung für die Zukunft. Gerade so wie ein junges, zartes Kleinkind, das unbeholfen daliegt, sofort zurückzuckt, wenn es mit der Hand oder dem Fuß glühende Kohle berührt, ebenso ist dies der Charakter einer Person, die richtige Ansicht besitzt: obwohl er möglicherweise einen Regelverstoß von der Art begehen mag, für die eine Maßnahme der Rehabilitation festgelegt wurde, bekennt, enthüllt er diesen und deckt ihn unverzüglich auf, gegenüber dem Lehrer oder gegenüber weisen Gefährten im heiligen Leben, und nachdem er das getan hat, übt er sich in Zurückhaltung für die Zukunft."
"Er versteht: 'Ich besitze den Charakter einer Person, die richtige Ansicht besitzt.' Dies ist das vierte Wissen, das von ihm erlangt wird, das edel, überweltlich ist und nicht von Weltlingen geteilt wird."
12. "Wiederum erwägt ein edler Schüler: 'Besitze ich den Charakter einer Person, die richtige Ansicht besitzt?' Was ist der Charakter einer Person, die richtige Ansicht besitzt? Dies ist der Charakter einer Person, die richtige Ansicht besitzt: obwohl er in verschiedenen Angelegenheiten für seine Gefährten im heiligen Leben aktiv sein mag, nimmt er doch starke Rücksicht auf die Übung höherer Sittlichkeit, die Übung höherer Geistesschulung und die Übung höherer Weisheit. Gerade so wie wie eine Kuh mit einem neugeborenen Kalb beim Grasen das Kalb im Auge behält, ebenso ist der Charakter einer Person, die richtige Ansicht besitzt: obwohl er in verschiedenen Angelegenheiten für seine Gefährten im heiligen Leben aktiv sein mag, nimmt er doch starke Rücksicht auf die Übung höherer Sittlichkeit, die Übung höherer Geistesschulung und die Übung höherer Weisheit."
"Er versteht: 'Ich besitze den Charakter einer Person, die richtige Ansicht besitzt.' Dies ist das fünfte Wissen, das von ihm erlangt wird, das edel, überweltlich ist und nicht von Weltlingen geteilt wird."
13. "Wiederum erwägt ein edler Schüler: 'Besitze ich die Stärke einer Person, die richtige Ansicht besitzt?' Was ist die Stärke einer Person, die richtige Ansicht besitzt? Dies ist die Stärke einer Person, die richtige Ansicht besitzt: wenn das Dhamma und die Disziplin, die vom Tathāgata verkündet wurde, gelehrt wird, beachtet er sie, schenkt ihr Aufmerksamkeit, beschäftigt er sich damit mit ganzem Herzen, hört er das Dhamma als einer, der zuhorcht."
"Er versteht: 'Ich besitze die Stärke einer Person, die richtige Ansicht besitzt.' Dies ist das sechste Wissen, das von ihm erlangt wird, das edel, überweltlich ist und nicht von Weltlingen geteilt wird."
14. "Wiederum erwägt ein edler Schüler: 'Besitze ich die Stärke einer Person, die richtige Ansicht besitzt?' Was ist die Stärke einer Person, die richtige Ansicht besitzt? Dies ist die Stärke einer Person, die richtige Ansicht besitzt: wenn das Dhamma und die Disziplin, die vom Tathāgata verkündet wurde, gelehrt wird, erlangt er Inspiration in der Bedeutung, erlangt er Inspiration im Dhamma, erlangt er Freude, die mit dem Dhamma verbunden ist."
"Er versteht: 'Ich besitze die Stärke einer Person, die richtige Ansicht besitzt.' Dies ist das siebte Wissen, das von ihm erlangt wird, das edel, überweltlich ist und nicht von Weltlingen geteilt wird."
15. "Wenn ein edler Schüler auf solche Weise sieben Faktoren besitzt, hat er gut nach dem Charakter für die Verwirklichung der Frucht des Stromeintritts getrachtet. Wenn ein edler Schüler auf solche Weise sieben Faktoren besitzt, besitzt er die Frucht des Stromeintritts."
Das ist es, was der Erhabene sagte. Die Bhikkhus waren zufrieden und entzückt über die Worte des Erhabenen.
Anmerkungen:
Eine hervorragende Studie zu dieser Lehrrede und zum Thema Stromeintritt ist “Das Glück der Sicherheit in der Lehre des Buddha” von Hellmuth Hecker (Stammbach 2003).
[1] Die edle, befreiende Richtige Ansicht schließt Streit aus, und Regelverstöße können nur aus Unkenntnis oder Unachtsamkeit heraus erfolgen. Aber selbst entsprechend entwickelte weltliche Richtige Ansicht ist ein Gegenmittel gegen ein Fehlverhalten, wie es die kosambischen Bhikkhus gezeigt hatten.
[2] Dies ist nicht die Liste der drei Besessenheiten (gāha) mit Begehren, Ich-Dünkel und Ansicht. Diese drei sind erst beim Arahant völlig verschwunden. Aus dem Text wird klar, daß hier von einem Stromeingetretenen die Rede ist, bzw. von einem Stromeintretenden.