Vinaya-Piṭaka III

BHIKKHU-VIBHAṄGA

Die Einteilung der Vorschriften für die buddhistischen Mönche

Die Sammlung der Ordensregeln

1. Buch: Ausschluss

Verañjā

1. Bei einer Gelegenheit, da weilte der Buddha, der Erhabene mit einer großen Gemeinschaft von fünfhundert Mönchen[1] bei Verañjā[2] an [Yakkha] Naḷerus [Schrein] am Fuß des Pucimanda[-Baumes][3]. Einem Brahmanen aus Verañjā kam zu Ohren: „Freilich, ihr Leute[4], der Asket Gotama, der Sakyasohn, der von der Sakyafamilie in die Hauslosigkeit hinauszog, weilt [gerade] bei Verañjā am [Schrein des Yakkha] Naḷeru am Fuß des Pucimanda[-Baumes] mit einer großen Mönchsgemeinschaft von fünfhundert Mönchen. Hinsichtlich des Herrn Gotama hat sich nun dieser edle Ruhmesruf erhoben: ‘Dies ist der Erhabene, Heilige, vollkommen Erwachte. Der in Wissen und Wandel Vollkommene, der Wohlge­gangene, der Kenner der Welt, der unübertreffliche Meister der Menschen, der Lehrer der Götter und Menschen, der Buddha, der Erhabene. Er verkündet in dieser Welt mit ihren Gottheiten, mit Māras, mit Brahmas, mit Asketen und Brahmanen, mit Geschöpfen, wie Göttern und Menschen die [höchste] Erkenntnis nachdem er sie selber verwirklicht hat. Er zeigt die Lehre auf, die anfangs edel ist, mittig edel ist, die schlussendlich edel ist, ihrem Wesen nach und mit [all ihren] Kennzeichen[5], die einen vollständig vollendeten, gänzlich reinen Brahmawandel sichtbar macht. Gut wird es sein, eine solche Gestalt, einen derartigen Heiligen zu sehen.’“

2. Da nun ging jener Brahmane aus Verañjā zum Erhabenen und bei ihm ange­kommen, wechselte er mit dem Erhabenen freundliche Worte. Nachdem sie nun [genug] freundliche Worte gemacht und Erinnerungen ausgetauscht hatten, setzte er sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend sprach der Brahmane aus Verañjā zum Erhabenen: „Ich habe das gehört, mein lieber Gotama: ‘Der Asket Gotama, der begrüßt weder ehrfürchtig die Brahmanen, die alt sind, die ehrwürdig sind, die gebrechlich sind, die ihren Lebensweg gegangen sind, die in fortgeschrittenem Alter sind, noch erhebt er sich [ehrfürchtig] vor ihnen von seinem Sitz und bietet ihnen diesen an.’ Ist das, Herr Gotama, tatsächlich so? Dass Sie, Herr Gotama, die Brahmanen, die alt sind, die ehrwürdig sind, die gebrechlich sind, die ihren Lebensweg gegangen sind, die in fortgeschrittenem Alter sind, weder ehrfürchtig begrüßen, noch sich [ehrfürchtig] vor ihnen von Ihrem Sitz erheben und ihnen diesen anbieten? Damit, Herr Gotama, sind Sie nicht erfolgreich[6].“

„Da ist keiner zu sehen, Brahmane, in dieser Welt mit ihren Göttern, Māras, Brahmas, Asketen und Brahmanen, unter den Geschöpfen mit Gottheiten und Menschen, den ich ehrfürchtig grüßen sollte, vor dem ich mich [ehrfürchtig] von meinem Sitz erheben und dem ich diesen anbieten sollte. Einem solchen, Brahmane, den der Vollendete ehrfürchtig grüßen würde, vor dem er sich [ehr­fürchtig] erheben und dem er seinen Sitz anbieten würde, dem würde das Haupt zerspringen.“

3. „Seid Ihr [etwa] geschmacklos[7], Herr Gotama?“ – „Allerdings, Brahmane, könnte man auf eine Art und Weise zu Recht von mir sagen: ‘Geschmacklos ist der Asket Gotama.’ Denn, Brahmane, Geschmack an Formen, Geschmack an Geräuschen, Geschmack an Gerüchen, Geschmack an Geschmäcken und Ge­schmack an Tastbarem, die hat der Vollendete vernichtet, sind mit der Wurzel gerodet, wie eine Palme dem Boden entrissen, [derart] zerstört, sodass sie nicht mehr [neu] entstehen. Auf diese Weise nun, Brahmane, könnte man zu Recht von mir sagen: ‘Geschmacklos ist der Asket Gotama.’ Doch sicherlich ist das nicht das, was du gemeint hast.“

4. „Seid Ihr [etwa] vermiesend[8], Herr Gotama?“ – „Allerdings, Brahmane, könnte man auf eine Art und Weise zu Recht von mir sagen: ‘Vermiesend ist der Asket Gotama.’ Denn, Brahmane, Genuss an Formen, Genuss an Geräuschen, Genuss an Gerüchen, Genuss an Geschmäcken und Genuss an Tastbarem, die hat der Voll­endete vernichtet, sind mit der Wurzel gerodet, wie eine Palme dem Boden ent­rissen, [derart] zerstört, dass sie nicht mehr [neu] entstehen. Auf diese Weise nun, Brahmane, könnte man zu Recht von mir sagen: ‘Vermiesend ist der Asket Gotama.’ Doch sicherlich ist das nicht das, was du gemeint hast.“

5. „Seid Ihr [etwa] ein Anhänger der Nichttatlehre, Herr Gotama?“ – „Allerdings, Brahmane, könnte man auf eine Art und Weise zu Recht von mir sagen: ‘Ein Anhänger der Nichttatlehre ist der Asket Gotama.’ Denn ich, Brahmane, ich lehre das Nichttun von schlechtem körperlichen Wandel, schlechtem sprachlichen Wan­del und schlechtem geistigen Wandel. Ich lehre das Nichttun der vielfältigen Arten von üblen, unheilsamen Dingen. Auf diese Weise nun, Brahmane, könnte man zu Recht von mir sagen: ‘Ein Anhänger der Nichttatlehre ist der Asket Gotama.’ Doch sicherlich ist das nicht das, was du gemeint hast.“

6. „Seid Ihr [etwa] ein Anhänger der Vernichtungslehre, Herr Gotama?“ – „Aller­dings, Brahmane, könnte man auf eine Art und Weise zu Recht von mir sagen: ‘Ein Anhänger der Vernichtungslehre ist der Asket Gotama.’ Denn ich, Brahmane, ich lehre die Vernichtung der Gier, des Hasses und der Verblendung. Ich lehre die Vernichtung der vielfältigen Arten von üblen, unheilsamen Dingen. Auf diese Weise nun, Brahmane, könnte man zu Recht von mir sagen: ‘Ein Anhänger der Vernichtungslehre ist der Asket Gotama.’ Doch sicherlich ist das nicht das, was du gemeint hast.“

7. „Seid Ihr [etwa] ein Verabscheuer[9], Herr Gotama?“ – „Allerdings, Brahmane, könnte man auf eine Art und Weise zu Recht von mir sagen: ‘Ein Verabscheuer ist der Asket Gotama.’ Denn ich, Brahmane, ich verabscheue schlechten körper­lichen Wandel, schlechten sprachlichen Wandel und schlechten geistigen Wandel. Ich verabscheue die Ausübung der vielfältigen Arten von üblen, unheilsamen Dingen. Auf diese Weise nun, Brahmane, könnte man zu Recht von mir sagen: ‘Ein Verabscheuer ist der Asket Gotama.’ Doch sicherlich ist das nicht das, was du gemeint hast.“

8. „Seid Ihr [etwa] ein Nihilist[10], Herr Gotama?“ – „Allerdings, Brahmane, könnte man auf eine Art und Weise zu Recht von mir sagen: ‘Ein Beseitiger ist der Asket Gotama.’ Denn ich, Brahmane, zeige die Lehre von der Beseitigung[11] der Gier, des Hasses und der Verblendung. Die Lehre von der Beseitigung der vielfältigen Arten von üblen, unheilsamen Dingen zeige ich. Auf diese Weise nun, Brahmane, könnte man zu Recht von mir sagen: ‘Ein Beseitiger ist der Asket Gotama.’ Doch sicherlich ist das nicht das, was du gemeint hast.“

9. „Seid Ihr [etwa] ein Ausbrenner[12], Herr Gotama?“ – „Allerdings, Brahmane, könnte man auf eine Art und Weise zu Recht von mir sagen: ‘Ein Ausbrenner ist der Asket Gotama.’ Denn ich, Brahmane, ich verkünde eine Lehre des Ausbren­nens von schlechtem körperlichen Wandel, schlechtem sprachlichen Wandel und schlechtem geistigen Wandel. Wer aber, Brahmane, die üblen unheilsamen Dinge ausgebrannt hat, mit der Wurzel gerodet hat, wie eine Palme dem Boden entrissen, [sie also derart] zerstört hat, dass sie nicht mehr [neu] entstehen, einen solchen nenne ich einen Ausbrenner. Der Vollendete nun, Brahmane, der hat sie ausge­brannt, die üblen, unheilsamen Dinge, hat sie mit der Wurzel gerodet, wie eine Palme dem Boden entrissen, [derart] zerstört, dass sie nicht mehr [neu] entstehen. Auf diese Weise nun, Brahmane, könnte man zu Recht von mir sagen: ‘Ein Aus­brenner ist der Asket Gotama.’ Doch sicherlich ist das nicht das, was du gemeint hast.“

10. „Dann seid Ihr einer, der nicht zu [besserer] Wiedergeburt gelangen wird[13], Herr Gotama?“ – „Allerdings, Brahmane, könnte man auf eine Art und Weise zu Recht von mir sagen: ‘Einer, der nicht zu [besserer] Wiedergeburt gelangen wird, ist der Asket Gotama.’ Wer aber nun, Brahmane, die Voraussetzungen für das Geborenwerden, für künftiges Dasein aufgelöst hat, zerstört hat, mit der Wurzel gerodet hat, wie eine Palme dem Boden entrissen, [sie also derart] zerstört hat, dass sie nicht mehr [neu] entstehen kann, einen solchen nenne ich einen, der nicht zu Wiedergeburt gelangen wird. Der Vollendete nun, Brahmane, der hat die Voraussetzungen für das Geborenwerden, für künftiges Dasein aufgelöst, hat sie zerstört, hat sie mit der Wurzel gerodet, wie eine Palme dem Boden entrissen, [sie also derart] zerstört, dass sie nicht mehr [neu] entstehen kann. Auf diese Weise nun, Brahmane, könnte man zu Recht von mir sagen: ‘Einer, der nicht zu [besse­rer] Wiedergeburt gelangen wird, ist der Asket Gotama.’ Doch sicherlich ist das nicht das, was du gemeint hast.[14]

11. Das ist, Brahmane, gerade wie bei einer Henne mit zehn oder zwölf Eiern. Diese Eier hat sie nun auf rechte Weise gelegt, gut ausgebrütet und richtig zur Entwicklung gebracht. Welches aber nun von diesen Küken als erstes mit den Krallen oder dem Schnabel durch die Schale gebrochen ist, glücklich ausge­schlüpft ist, wird man von diesem ‘Es ist das Ältere.’ oder ‘Es ist das Jüngere.’ sagen?“ – „‘Es ist das Ältere.’, Herr Gotama, wird man sagen. Schließlich ist es ja das ältere von ihnen.“ – „Ebenso bin ich nun, Brahmane, von den Verblendeten, die von der Eierschale der Unwissenheit umgeben sind, als erster in der Welt durchgebrochen zur unübertroffenen vollkommenen Erkenntnis, zur höchsten Erwachung. Und darum, Brahmane, bin ich der Älteste, der Höchste in dieser Welt.

Mit entschlossenem Sinn nun aber, Brahmane, und mit unerschütterlicher Tatkraft war ich, mit wacher und unnachlässiger Achtsamkeit [versehen], mit gestilltem und unerregtem Körper, der Geist aufmerksam und einspitzig. So aber nun, Brahmane, erlangte ich, fernab von den Sinneslüsten, abgeschieden von den unheilsamen Dingen, die mit Hinlenken und Dabeihalten [des Geistes] verbundene erste Versenkungsstufe, wo aus Abgeschiedenheit entstandene Freude und Glück sind, und verweilte darin. Nach Stillung von Hinlenken und Dabeihalten [des Geistes] erlangte ich die zweite Versenkungsstufe, wo innerer Frieden ist, der aus dem geeinten Geist entstand, frei von Hinlenken und Dabeihalten [des Geistes], [nur] Konzentration, Freude und Glück, und verweilte darin. Und nachdem die Freude verblasste, da weilte ich gleichmütig, achtsam und klar bewusst in der dritten Versenkungsstufe, wo im Körper Glücksgefühl aufsteigt, von dem die Edlen sagen: ‘Der Gleichmütige, Achtsame verweilt im Glück.’, und verweilte darin. Und nachdem das Glücksgefühl schwand und Unzulängliches schwand, nach früherem Verschwinden von Frohsinn und Trübsinn, da erlangte ich die leid­los-freudlose vierte Versenkungsstufe, wo Gleichmut, Achtsamkeit und völlige Reinheit sind, und verweilte darin.

12. Mit dem auf diese Weise gesammelten Geist, der völlig rein war, geläutert, fleckenlos, frei von Trübungen, geschmeidig, gefügig, standfest und unerschüt­terlich, richtete ich den Geist auf die erinnernde Erkenntnis von früheren Exis­tenzen. So erinnerte ich mich an zahlreiche frühere Existenzen, nämlich an ein Leben, an zwei Leben, an drei Leben, an vier Leben, an fünf Leben, an zehn Leben, an zwanzig Leben, an dreißig Leben, an vierzig Leben, an fünfzig Leben, an hundert Leben, an tausend Leben, an hunderttausend Leben. Dann an zahlreiche Weltentstehungen, an zahlreiche Weltuntergänge und an zahlreiche Weltentste­hungen und Weltuntergänge: ‘Dort war ich, jenen Namen hatte ich, jener Familie [gehörte ich an], jenen Stand hatte ich, jene Nahrung hatte ich, solcherlei Ange­nehmes und Unangenehmes hatte ich erfahren, jenes Alter erreichte ich und von dort abgeschieden, kam ich da zu neuem Dasein, jenen Namen hatte ich, jener Familie [gehörte ich an], jenen Stand hatte ich, jene Nahrung hatte ich, solcherlei Angenehmes und Unangenehmes hatte ich erfahren, jenes Alter erreichte ich und von da abgeschieden, kam ich hier zu neuem Dasein.’ So erinnerte ich mich leibhaftig an zahlreiche frühere Existenzen mit ihren Merkmalen. Da hatte ich nun, Brahmane, in der ersten Nachtwache dieses erste Wissen erlangt. Die Unwissen­heit war vernichtet, Erkenntnis kam auf, die Dunkelheit war vernichtet, Licht kam auf, während ich da unablässig, eifrig und entschlossen verweilte. Da war ich nun, Brahmane, das erste Mal durchgebrochen, gleichwie ein Küken die Eierschale durchbricht.

13. Mit dem auf diese Weise gesammelten Geist, der völlig rein war, geläutert, fleckenlos, frei von Trübungen, geschmeidig, gefügig, standfest und unerschüt­terlich, richtete ich den Geist auf die Erkenntnis des Abscheidens und Wiederer­scheinens der Wesen. So sah ich mit dem himmlischen Auge, dem völlig reinen, dem übermenschlichen, wie die Wesen [im Geburtenkreislauf] absinken und wie­der aufsteigen, geringe und hohe, schöne und hässliche. Ich erkannte, wie die We­sen entsprechend ihrer Taten auf gute oder schlechte Wege gelangen: ‘Wahrlich, diese guten Wesen sind versehen mit schlechtem körperlichen Wandel, sind versehen mit schlechtem sprachlichen Wandel, sind versehen mit schlechtem geistigen Wandel, sie beleidigen die Edlen, haben üble Ansichten und entspre­chend ihrer üblen Ansichten handeln sie auch. Wenn deren Körper zerfällt, beim Tod, gelangen sie auf niedere Wege, in Abgründe, in Höllen. Jedoch diese anderen guten Wesen, die sind versehen mit gutem körperlichen Wandel, die sind versehen mit gutem sprachlichen Wandel, die sind versehen mit gutem gedanklichen Wan­del, die beleidigen die Edlen nicht, die haben rechte Ansichten und die handeln entsprechend ihrer rechten Ansichten. Wenn deren Körper zerfällt, wenn sie ster­ben, dann gelangen sie auf gute Wege, in den Himmel oder in Himmelswelten.’ So sah ich mit dem himmlischen Auge, dem völlig reinen, dem übermenschlichen, wie die Wesen [im Geburtenkreislauf] absinken und wieder aufsteigen, geringe und hohe, schöne und hässliche. Ich erkannte, wie die Wesen entsprechend ihrer Taten auf gute oder schlechte Wege gelangen. Da hatte ich nun, Brahmane, in der mittleren Nachtwache dieses zweite Wissen erlangt. Die Unwissenheit war vernichtet, Erkenntnis kam auf, die Dunkelheit war vernichtet, Licht kam auf, während ich da unablässig, eifrig und entschlossen verweilte. Da war ich nun, Brahmane, das zweite Mal durchgebrochen, gleichwie ein Küken die Eierschale durchbricht.

14. Mit dem auf diese Weise gesammelten Geist, der völlig rein war, geläutert, fleckenlos, frei von Trübungen, geschmeidig, gefügig, standfest und uner­schütterlich, richtete ich den Geist auf die Erkenntnis von der Vernichtung der Einflüsse. So erkannte ich der Wirklichkeit entsprechend: ‘Das ist die Unzuläng­lichkeit!’[15], ‘Das ist die Entstehung von Unzulänglichkeit!’ erkannte ich der Wirk­lichkeit entsprechend, ‘Das ist die Aufhebung der Unzulänglichkeit!’ erkannte ich der Wirklichkeit entsprechend und ‘Das ist der Weg, der zur Aufhebung von Unzulänglichkeit führt!’ erkannte ich der Wirklichkeit entsprechend. ‘Das sind die Einflüsse!’, erkannte ich der Wirklichkeit entsprechend, ‘Das ist das Entstehen der Einflüsse!’, erkannte ich der Wirklichkeit entsprechend, ‘Das ist die Aufhebung der Einflüsse!’, erkannte ich der Wirklichkeit entsprechend und ‘Das ist der Weg, der zur Aufhebung der Einflüsse führt!’, erkannte ich der Wirklichkeit entspre­chend. Mit dieser Erkenntnis, bei diesem Erkennen wurde mein Geist vom Ein­fluss der Sinneslust befreit, da wurde mein Geist vom Einfluss des Daseins   

[-triebes] befreit, da wurde mein Geist vom Einfluss der Unwissenheit befreit. Als er so befreit war, kam mir die Erkenntnis von der Befreiung: ‘Beseitigt ist [Wieder-]Geburt, vollendet der Reinheitswandel, getan, was zu tun war, nichts mehr nach diesem hier!’ Da hatte ich nun, Brahmane, in der letzten Nachtwache dieses dritte Wissen erlangt. Die Unwissenheit war vernichtet, Erkenntnis kam auf, die Dunkelheit war vernichtet, Licht kam auf[16], während ich da unablässig, eifrig und entschlossen verweilte. Da war ich nun, Brahmane, das dritte Mal durchgebrochen, gleichwie ein Küken die Eierschale durchbricht.“[17]

15. Nachdem das gesagt wurde, sprach der Brahmane aus Verañjā zum Erhabenen: „Der Älteste ist der erhabene Gotama! Der Höchste ist der erhabene Gotama! Hervorragend, Herr Gotama! Wundervoll, Herr Gotama! Als würde der Herr Gotama etwas Umgedrehtes richtig hinstellen oder etwas Verdecktes aufdecken oder einem Verirrten den Weg zeigen oder in der Dunkelheit eine Öllampe hin­halten, damit, wer Augen hat, die Dinge sieht, genau so hat der Herr Gotama auf verschiedene Weise die Lehre verkündet. Ich nehme meine Zuflucht zum Erhabe­nen, zur Lehre als auch zur Mönchsgemeinschaft. Der Herr Gotama möge mich als Laienanhänger annehmen, der von heute an für das ganze Leben seine Zuflucht genommen hat. Möge der Herr Gotama [hier] in Verañjā seinen Regenzeitaufent­halt nehmen, zusammen mit der Mönchsgemeinde.“ Durch Schweigen nahm der Erhabene an. Als nun der Brahmane aus Verañjā die Zustimmung des Erhabenen erkannt und er sich von seinem Sitz erhoben hatte, verehrte er den Erhabenen, umschritt ihn rechtsherum und ging fort.

16. Zu jener Zeit war es in Verañjā schwierig, Almosen[-speise][18] zu erhalten, mühsam, etwas zu bekommen[19], es gab [Missernte(-n) durch] Mehltau[20], sodass Lose ausgegeben wurden[21]. Nicht leicht war es, beim Umherstreifen (freundlich) empfangen und versorgt zu werden[22]. Zu dieser Zeit nun, da kamen Pferdehändler aus dem Norden[23] mit fünfhundert[24] Pferden und nahmen den Regenzeitaufenthalt in Verañjā. In ihren Pferdestallungen[25] bereiteten sie [auch] für die Mönche Maß um Maß gedämpftes Getreide[26]. Nachdem die Mönche frühmorgens aufgestanden waren, nahmen sie Roben und Almosenschale und gingen nach Verañjā zum Almosengang. Da sie dort keine Almosen erhielten, gingen sie zu den Pferde­stallungen, und nachdem sie dort Maß für Maß Pulaka erhalten hatten, gingen sie in ihre Unterkunft[27], und nachdem sie es wieder und wieder in Mörsern zerstampft hatten, verzehrten sie das [Pulaka]. Nachdem der ehrwürdige Ānanda auf einem Stein ein Maß Pulaka gestampft hatte, brachte er das zum Erhabenen. Und der Erhabene verzehrte es.

Der Erhabene hörte nun das Geräusch der Mörser. Wissend fragen die Vollendeten, wissend fragen sie nicht, die rechte Zeit wissend fragen sie, die rechte Zeit wissend fragen sie nicht. Mit Bedacht fragen Vollendete, nicht ohne Bedacht, Unbedachtes tun Vollendete nicht. Aus zweierlei Gründen fragt der Erhabene, Erwachte die Mönche: Um die Lehre zu verkünden oder um den Zuhörern Übungsregeln zu erlassen. Da nun fragte der Erhabene den ehrwürdigen Ānanda: „Ānanda, was ist das für ein Mörsergeräusch?“ Daraufhin berichtete der ehrwür­dige Ānanda dem Erhabenen den Sachverhalt. „Gut, gut, Ānanda! Du, Ānanda, hast [damit] die guten Menschen überzeugt. Dadurch nachfolgende Leute werden Reis und Grütze mit Fleisch [vermengt] verschmähen.“[28]

17. Da nun ging der ehrwürdige Mahāmoggallāna zum Erhabenen. Nachdem er beim Erhabenen angekommen war und ihn verehrt hatte, setzte er sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend nun, sprach der ehrwürdige Mahāmoggallāna zum Erha­benen: „Zur Zeit, o Herr, ist es in Verañjā schwierig, Almosen[-speise] zu erhalten, mühsam, etwas zu bekommen, es gab [Missernte(-n) durch] Mehltau, sodass Lose ausgegeben werden. Nicht leicht ist es, beim Umherstreifen (freundlich) empfan­gen und versorgt zu werden. Von dieser großen Erde, o Herr, ist der Untergrund vollkommen (fruchtbar) – gehaltvoll gleichwie reinster Bienenhonig. Gut wäre es, o Herr, würde ich die Erde umwenden[29]. Die Mönche könnten dann den Pilz­teppich[30] genießen.“ – „Aber was willst du, Moggallāna, mit den Wesen tun, die von der Erde abhängig sind?“ – „Mit der einen [Hand], o Herr, erzeuge ich für die Lebewesen etwas ähnliches wie die große Erde. Jene Wesen, die von der Erde abhängig sind, die lasse ich dahin übergehen. Und mit der einen (anderen) Hand werde ich die Erde umwenden.“ – „Genug davon, Moggallāna, mögest du nicht daran Gefallen finden, die Erde umzuwenden. Mögen die Wesen nicht durchein­ander geraten.“ – „Na gut, o Herr, dann soll der ganze Mönchsorden nach Uttara­kuru zum Almosengang gehen.“ – „Genug davon, Moggallāna, mögest du nicht daran Gefallen finden, wenn der ganze Mönchsorden nach Uttarakuru zum Almosengang geht.“

18. Als nun der ehrwürdige Sāriputta in die Abgeschiedenheit gegangen war und einsam weilte, kam ihm im Geist die Überlegung auf: ‘Unter welchen Erwachten, Erhabenen hält wohl der Reinheitswandel nicht [lange] an? Und unter welchen Erwachten, Erhabenen hält der Reinheitswandel [lange] an?’ Als sich nun der ehr­würdige Sāriputta zur Abendzeit aus seiner Einsamkeit erhoben hatte, begab er sich zum Erhabenen. Nachdem er beim Erhabenen angekommen war und ihn ver­ehrt hatte, setzte er sich seitwärts hin. Seitwärts sitzend sprach nun der ehrwürdige Sāriputta zum Erhabenen. „Als ich, o Herr, in die Abgeschiedenheit gegangen war und einsam weilte, kam mir im Geist die Überlegung auf: ‘Unter welchen Erwach­ten, Erhabenen hält wohl der Reinheitswandel nicht [lange] an? Und unter welchen Erwachten, Erhabenen hält der Reinheitswandel [lange] an?’ Unter welchen Er­wachten, Erhabenen nun, o Herr, hält wohl der Reinheitswandel nicht [lange] an? Und unter welchen Erwachten, Erhabenen hält der Reinheitswandel [lange] an?“

„Als Vipassī[31] der Erhabene war, Sāriputta, und als Sikhī[32] der Erhabene war und als Vessabhū[33] der Erhabene war, da hielt der Reinheitswandel nicht [lange] an. Als [aber] Kakusandha[34] der Erhabene war, Sāriputta, und als Koṇā­gamana[35] der Erhabene war und als Kassapa[36] der Erhabene war, da hielt der Reinheitswandel [lange] an.“

19. „Was aber nun, o Herr, ist der Grund, was ist die Ursache dafür, dass der Reinheitswandel nicht [lange] anhielt, als Vipassī der Erhabene war, als Sikhī der Erhabene war und als Vessabhū der Erhabene war?“ – „Der Erhabene Vipassī, Sāriputta, der Erhabene Sikhī und der Erhabene Vessabhū machten kaum Anstren­gungen dahingehend, ihren Schülern ausführlich die Lehre darzulegen. Und [nur] wenige von denen hatten Lehrreden[37], mit Versen und Prosa Gemischtes[38], Erklärungen[39], Verse[40], Aussprüche[41], Gesagtes[42], Wiedergeburtsgeschichten[43], Wundererzählungen[44] und Katechetik[45]. Der Übungsweg war den Nachfolgern nicht bekannt gemacht. Das Pātimokkha war nicht festgelegt. Nach dem Ver­schwinden dieser erwachten Erhabenen, nach dem Verschwinden der Nachfolger, die unter jenen Erwachten [auch] erwacht waren, da brachten dann deren letzte Anhänger, die mit den verschiedensten Namen, die aus den verschiedensten Geschlechtern[46], die aus unterschiedlichen Ständen[47], die aus den verschiedensten Familien in die Hauslosigkeit hinausgezogen sind, die brachten jenen Reinheits­wandel schnell zum Verschwinden. Gleichwie, Sāriputta, als würde man verschie­dene Blüten, die nicht mit einem Faden verbunden sind, auf einem Brett hinstreuen und diese würden durch den Wind verstreut, beseitigt, verwüstet werden. Und was ist die Ursache? Weil sie nicht durch einen Faden zusammengehalten wurden. Und genau so nun, Sāriputta, brachten nach dem Verschwinden dieser erwachten Erha­benen, nach dem Verschwinden der Nachfolger, die unter jenen Erwachten [auch] erwacht waren, deren letzte Anhänger, die mit den verschiedensten Namen, die aus den verschiedensten Geschlechtern, die aus unterschiedlichen Ständen, die aus den verschiedensten Familien in die Hauslosigkeit hinausgezogen waren, jenen Reinheitswandel schnell zum Verschwinden.

In weit zurückliegender Zeit, Sāriputta, da war es Vessabhū der Erhabene, Heilige, vollkommen Erwachte, der in einem gewissen furchterregenden Wald­dickicht mit seinem Geist den Geist einer tausendköpfigen Mönchsgemeinschaft durchdrang, sie ermahnte und sie [so] unterrichtete: ‘Darauf richtet eure Gedan­ken!’[48] und ‘Darauf möget ihr sie nicht richten!’[49]; ‘Darauf richtet eure Aufmerk­samkeit!’[50] und ‘Darauf möget ihr eure Aufmerksamkeit nicht richten!’; ‘Dieses gebt auf!’[51] und ‘Dieses nehmt auf euch und verweilt dabei!’[52] Als nun, Sāriputta, jene tausend Mönche von Vessabhū, dem [damaligen] Erhabenen, Heiligen, voll­kommen Erwachten, auf diese Weise ermahnt und unterwiesen wurden, wurde deren Geist vom Anhaften und von Einflüssen befreit. Und weiter noch, Sāriputta, weil es in einem furchterregenden, schrecklichen Dickicht getan wurde – in einem Dickicht, wo sich einem, der nicht leidenschaftslos ist, vor Angst die Haare sträu­ben. Das also, Sāriputta, ist die Ursache, das ist der Grund, warum der Reinheits­wandel nicht für lange Zeit anhielt, als Vipassī der Erhabene war, als Sikhī der Erhabene war und als Vessabhū der Erhabene war.“

20. „Was aber, o Herr, ist die Ursache, was ist der Grund dafür, dass der Rein­heitswandel so lange anhielt, als Kakusandha der Erhabene war, als Koṇāgamana der Erhabene war und als Kassapa der Erhabene war?“ – „Sāriputta, der Erhabene Kakusandha, der Erhabene Koṇāgamana und der Erhabene Kassapa, die waren unermüdlich dabei, ihren Anhängern ausführlich die Lehre darzulegen. Viel haben jene gehört an Lehrreden, mit Versen und Prosa Gemischtes, Erklärungen, Verse, Aussprüche, Gesagtes, Wiedergeburtsgeschichten, Wundererzählungen und Kate­chetik. Der Übungsweg war den Nachfolgern bekannt gemacht. Das Pātimokkha war festgelegt. Nach dem Verschwinden dieser erwachten Erhabenen, nach dem Verschwinden der Nachfolger, die unter jenen Erwachten [auch] erwacht waren, da bewirkten dann deren letzte Anhänger, die mit den verschiedensten Namen, die aus den verschiedensten Geschlechtern, die aus unterschiedlichen Ständen, die aus den verschiedensten Familien in die Hauslosigkeit hinausgezogen sind, die be­wirkten also, dass jener Reinheitswandel lange anhielt. Gleichwie, Sāriputta, als würde man verschiedene Blüten, die mit einem Faden[53] verbunden sind, auf einem Brett hinstreuen und diese würden dann nicht durch den Wind verstreut, beseitigt, verwüstet werden. Und was ist die Ursache? Weil sie durch einen Faden zusam­mengehalten wurden. Und genau so nun, Sāriputta, bewirkten nach dem Ver­schwinden dieser erwachten Erhabenen, nach dem Verschwinden der Nachfolger, die unter jenen Erwachten [auch] erwacht waren, deren letzte Anhänger, die mit den verschiedensten Namen, die aus den verschiedensten Geschlechtern, die aus unterschiedlichen Ständen, die aus den verschiedensten Familien in die Hauslosig­keit hinausgezogen waren, die bewirkten also, dass jener Reinheitswandel lange anhielt. Das also, Sāriputta, ist die Ursache, das ist der Grund, warum der Rein­heitswandel für so lange Zeit anhielt, als Kakusandha der Erhabene war, als Koṇāgamana der Erhabene war und als Kassapa der Erhabene war.“

21. Da nun erhob sich der ehrwürdige Sāriputta von seinem Sitz, nachdem er seine Oberrobe auf der einen Schulter zurechtgelegt hatte, nachdem er den Erhabenen mit (ehrfürchtig) erhobenen Händen verehrt hatte, sprach er zum Erhabenen: „So ist es Zeit, Erhabener! Jetzt ist es Zeit, Wohlgegangener! Möge der Erhabene seinen Schülern den Übungsweg[54] erklären und das Pātimokkha verkünden[55], damit der Reinheitswandel anhalten und für lange Zeit fortbestehen mag.“ – „Warte ab, Sāriputta! Warte ab, Sāriputta! Der Vollendete wird die Zeit dafür wissen. Der Lehrer, Sāriputta, erlässt die Übungsregeln für seine Schüler oder erstellt das Pātimokkha, nicht bevor bestimmte Dinge, die eine Grundlage der Einflüsse sind, in der Gemeinschaft auftreten.[56] Aber wenn nun, Sāriputta, jene Dinge auftreten, die in der Gemeinschaft eine Grundlage der Einflüsse sind, dann erlässt der Lehrer für seine Schüler Übungsregeln und erstellt das Pātimokkha, [eben] um jene Dinge abzuwehren, die eine Grundlage der Einflüsse sind. Nicht aber, Sāriputta, werden jene Dinge offenbar, die eine Grundlage der Einflüsse in der Gemeinschaft sind, bis die Gemeinschaft größtes Ausmaß an Bekanntheit erlangt hat. Wenn aber nun, Sāriputta, die Gemeinschaft größtes Ausmaß an Bekanntheit erlangt hat, dann werden jene Dinge offenbar, die eine Grundlage der Einflüsse in der Gemeinschaft sind, und dann erlässt der Lehrer für seine Schüler Übungsregeln und erstellt das Pātimokkha, [eben] um jene Dinge abzuwehren, die eine Grundlage der Einflüsse sind. Nicht aber, Sāriputta, werden jene Dinge offen­bar, die eine Grundlage der Einflüsse in der Gemeinschaft sind, bis die Gemein­schaft nicht größten Umfang erlangt hat. Wenn aber nun, Sāriputta, die Gemein­schaft größten Umfang an Gewinn erlangt hat, dann werden jene Dinge offenbar, die eine Grundlage der Einflüsse in der Gemeinschaft sind, und dann erlässt der Lehrer für seine Schüler Übungsregeln und erstellt das Pātimokkha, [eben] um jene Dinge abzuwehren, die eine Grundlage der Einflüsse sind. Nicht aber, Sāri­putta, werden jene Dinge offenbar, die eine Grundlage der Einflüsse in der Ge­meinschaft sind, bis die Gemeinschaft nicht größten Gewinn erlangt hat. Wenn aber nun, Sāriputta, die Gemeinschaft größten Gewinn erlangt hat, dann werden jene Dinge offenbar, die eine Grundlage der Einflüsse in der Gemeinschaft sind, und dann erlässt der Lehrer für seine Schüler Übungsregeln und erstellt das Pāti­mokkha, [eben] um jene Dinge abzuwehren, die eine Grundlage der Einflüsse sind. Nicht aber, Sāriputta, werden jene Dinge offenbar, die eine Grundlage der Ein­flüsse in der Gemeinschaft sind, bis die Gemeinschaft nicht höchste Gelehrsamkeit erlangt hat. Wenn aber nun, Sāriputta, die Gemeinschaft höchste Gelehrsamkeit erlangt hat, dann werden jene Dinge offenbar, die eine Grundlage der Einflüsse in der Gemeinschaft sind, und dann erlässt der Lehrer für seine Schüler Übungs­regeln und erstellt das Pātimokkha, [eben] um jene Dinge abzuwehren, die eine Grundlage der Einflüsse sind. Ohne Geschwüre[57], Sāriputta, ist die Mönchs­gemeinschaft, die [üblen] Einflüsse beseitigt habend, rein, kostbar[58], fest gegrün­det[59]. Von diesen fünfhundert Mönchen, Sāriputta, ist auch der geringste Mönch [wenigstens] ein Stromeingetretener, gelangt nicht in Höllenwelt, ist gesichert und strebt zur vollkommenen Erwachung.“

22. Dann aber sprach der Erhabene zum ehrwürdigen Ānanda: „Nun denn, Ānan­da, Vollendete brechen [erst] zur Wanderung durch das Land auf, nachdem sie bei denen Bescheid gesagt haben, die sie eingeladen haben, die Regenzeit bei ihnen zu verbringen. Ānanda, lass uns dem Brahmanen von Verañjā Bescheid sagen.“ – „So sei es, o Herr.“ antwortete der ehrwürdige Ānanda dem Erhabenen. Nachdem sich nun der Erhabene angekleidet hatte, nahm er Robe und Almosenschale und der ehrwürdige Ānanda folgte ihm als Adjutant[60]. So gingen sie zum Anwesen des Brahmanen von Verañjā. Bei ihm angekommen, setzten sie sich auf die vorberei­teten Sitze. Da nun kam der Brahmane von Verañjā zum Erhabenen und bei ihm angelangt, verehrte er ihn und setzte sich seitwärts nieder. Dann sprach der Erha­bene zum seitwärts sitzenden Brahmanen aus Verañjā: „Von dir, Brahmane, einge­laden, verbrachten wir die Regenzeit hier. Wir wollen dir Bescheid sagen, dass wir [wieder] zur Wanderung durch das Land aufbrechen.“ – „Es ist wahr, Herr Gotama, dass ihr von mir eingeladen wurdet, [hier] die Regenzeit zu verbringen, aber dennoch sind die zu gebenden Dinge nicht gegeben worden. Wie sollte das auch möglich gewesen sein? Nicht dass wir nichts geben wollten. Viel beschäftig [bin ich] und im Haushalt gibt es viel zu tun. Mögen Sie, Herr Gotama, von mir die Einladung annehmen für das morgige Mahl mitsamt der Mönchsgemein­schaft.“ Durch Schweigen gab der Erhabene seine Einwilligung. Als daraufhin der Erhabene dem Brahmanen aus Verañjā die Lehre dargelegt hatte, jener diese auf­genommen hatte, davon motiviert und erfreut war, erhob er sich von seinem Sitz und ging fort.

23. Als die Nacht vorüber war, hat der Brahmane aus Verañjā vorzügliche feste Speisen vorbereiten lassen und ließ dem Erhabenen die Zeit ankündigen: „Es ist Zeit Ehrwürdiger, das Essen ist bereit.“ Nachdem sich der Erhabene am Vormittag angezogen hatte, nahm er Robe und Almosenschale und ging zum Anwesen des Brahmanen aus Verañjā. Dort angekommen setzte er sich auf den vorbereiteten Sitz und ebenso auch der Mönchsorden. Nachdem der Brahmane aus Verañjā eigenhändig den Mönchsorden mit dem Erwachten an der Spitze bedient und zufriedengestellt hatte, der Erhabene gegessen und die Hand von der Almosen­schale zurückgezogen hatte, bekleidete er ihn mit den drei Roben[61], und auch jeder einzelne Mönch bekam je ein Paar Gewänder[62]. Als daraufhin der Erhabene dem Brahmanen aus Verañjā die Lehre dargelegt hatte, jener sie aufgenommen hatte, davon motiviert und erfreut war, erhob er sich von seinem Sitz und ging fort.

Als nun der Erhabene so lange in Verañjā geweilt hatte, wie er es für ange­messen hielt, ging er via Soreyya, Saṅkassa, Kaṇṇakujja[63] nach Payāga[64]. In Payāga angekommen, überquerte er den Fluss Ganges und setzte seinen Weg fort nach Benares[65]. Als nun der Erhabene so lange in Benares geweilt hatte, wie er es für angemessen hielt, wanderte er weiter nach Vesāli. Nach und nach wandernd langte er in Vesāli an. Dort nun nahm der Erhabene seinen Aufenthalt in der Hochdachhalle[66] im großen Park zu Vesāli.

Der Verañjā-Abschnitt zum Auswendiglernen ist beendet.


 Home Top  Index Next


[1] Die Zahl „Fünfhundert“ hat meist ikonografische Bedeutung, nämlich: glückver­heißend. Hier dürfte es einfach nur „groß“ (mahā) bzw. „viele“ (bahu) bedeu­ten.

[2] Eine Stadt nahe Madhurā, nicht genau lokalisierbar, möglicherweise westlich oder nördlich von Soreyya. [Sarkar]

[3] Naḷerupucimanda  Ein Hain bei Verañjā, in dem der wichtigste Baum der Puci­manda (Zederach-Baum Melia azadirachta) war, an dessen Fuß sich ein Schrein befand, der dem Yakkha Naḷeru geweiht war. [DPPN]

[4] bho  freundliche Anrede für Gleichgestellte und etwas Höhergestellte.

[5] sātthaṃ sabyañjanaṃ (sa-attha sa-vyañjana)  d.h. in Theorie und Praxis.

[6] na sampannamevā  „Das ist Ihnen nicht gelungen“, „ist nicht vollkommen“.

[7] arasarūpa  Nyp: „rücksichtslos“. Gemeint ist tatsächlich Geschmacklosigkeit in Bezug auf die Umgangsformen.

[8] ni-bhoga. Die Vorsilbe ni- bedeutet „niedrig, hinunter, weg, heraus“ und bhoga: 1. „Genuss“; 2. „Benutzung, Verwendung“; 3. „Besitz, Reichtum“. Nyp: „lieb­los“. Man könnte also durchaus übersetzen: „Seid Ihr etwa ein Miesmacher, Herr Gotama?“ ... – ... „... Genuss an Tastbarem, die hat der [sind dem] Voll­endete[-n] vermiest ...“

[9] jegucchī  von jeguccha  „abscheulich, widerwärtig, ekelhaft“. Einer, der alles als abstoßend empfindet, der in allem nur Ekelhaftigkeit sieht und sich an nichts erfreuen kann.

[10] venayiko. 1. Einer, der glaubt, dass mit dem Tod alles vernichtet sei, dass letzt­endlich alles der Vernichtung anheim fällt. Nach buddhistischer Auffassung war das die unheilsamste Art von Ansicht, da man mit dieser jedwede Art sittlichen Verhaltens als völlig nutzlos verneint. 2. Einer, der sich gut in der (buddhistischen) Ordensdisziplin (vinaya) auskennt.

[11] vinaya  1. „Entfernen, Beseitigung“; 2. „Erziehung, Zucht, Anstand“; 3. „Or­densdisziplin“. Laut Kommentar ist der Brahmane der Meinung, dass der Buddha „ungezogen“ sei, also einer, der Anstand lernen müsse, weil er sich den Älteren gegenüber nicht respektvoll benimmt. IBH verweist darauf, dass mit dem Anhänger der Nichttatlehre (ucchedavāda) der Nihilist bereits ge­meint sei.

[12] tapassī  ein (strenger) Asket, der vorwiegend mit Hitze (tapas) übt, der sich z.B. stundenlang der glühenden Sonne aussetzt und sich zusätzlich noch von Feuern umgibt. Diese Art Asketen haben den Glauben, altes Karma (Sünden) durch Hitze „ausbrennen“ zu können. Nyp: „Quäler“.

[13] a-pa-gabbha  Einer, der (aufgrund seines Kamma) unfähig ist, in einer höheren Welt, z.B. bei den Devas, wiedergeboren zu werden. Nyp: „Ausgestoßener“. Nicht zu verwechseln mit dem Nichtwiederkehrer (anāgāmin). Siehe buddhis­tische Kosmologie.

[14] Vergleiche hierzu den Dialog mit General Sīha in Mvg 291f.

[15] dukkha  wird oft ganz pauschal mit „Leiden“ übersetzt, was aber keineswegs den Kern der Sache trifft, nämlich dass eben alles bedingt Entstandene, also auch die größte Freude, vergänglich und somit letztendlich eben „unzuläng­lich“, „unvollkommen“ ist.

[16] tamo vihato, āloko uppanno  Daher auch der Begriff der „Erleuchtung“.

[17] Interessant, dass der Buddha dem Brahmanen sein Erwachen auf diese Weise schildert, statt wie in Mvg 1 durch das Durchdenken des bedingt-abhängigen Entstehens und Vergehens.

[18] dubbhikkhā  es gab eine Hungersnot bzw. Lebensmittelknappheit.

[19] dvīhitikā (du+īhati)  schwer, sich darum zu bemühen.

[20] setaṭṭhikā  wtl: „Knochenbleiche“. Man kann auch sagen, dass die Einwohner wegen der Hungersnot bleich wie Knochen waren.

[21] salākāvuttā  Es wurden Mahlzeiten/Speisungen arrangiert, deren Teilnehmer ausgelost wurden.

[22] na sukarā uñchena paggahena yāpetuṃ  IBH: „es war nicht einfach, sich durch Ährenlesen oder Vergünstigungen zu versorgen.“

[23] Uttarāpatha  „Oberland“. Das ist in etwa die Gegend des heutigen Pakistan.

[24] Die Zahl „Fünfhundert“ hat meist ikonografische Bedeutung, nämlich: glück­verheißend. Auch hier dürfte es einfach nur „groß“ (mahā) bzw. „viele“ (bahu) bedeuten.

[25] assamaṇḍalikā  Laut Kommentar waren sie wegen des Monsunbeginns nicht in der Lage, ihre Reise fortzusetzen und errichteten daher außerhalb der Stadt an einem Platz, der vom Regenwasser nicht überflutet werden konnte, ihre Unter­künfte und die Stallungen für die Pferde und umzäunten sie.

[26] patthapatthapulakaṃ  Laut Kommentar ist pattha  ein bestimmtes Hohlmaß „nāḷi“. Das entspricht ¼ āḷhaka (etwa 2 Liter). Laut Buddhaghosa ist pulaka  enthülstes und gedämpftes Getreide (Gerste und Reis) und für jeden Mönch wäre ein pattha  davon bereitgestellt worden, nachdem die Pferdehändler sich sagten: „Was, wenn wir von jedem Pferd ein Maß vom Morgenfutter nehmen und das den Mönchen geben würden? Dann würden sie nicht leiden müssen und die Pferde hätten auch noch genug.“ Es ist eine äußerst einfache, „billige“ Nahrung.

[27] ārāma  wtl: „Park“. Vermutlich eine Ansammlung von temporären (Gras-) Hütten in einem Park/Hain.

[28] Der Kommentar erklärt, dass sich die Mönche zwar im Kloster aufhalten und ihre Speisen leicht erhalten, aber nichts anderes als Zufriedenheit darüber emp­finden, statt es (diese Speise) nicht zu mögen. Der Sinn ist, dass die Mönche des Buddha diese Art Nahrung verzehren, aber die anderen Einwohner nicht, daher kann auch Neid oder Missgunst nicht aufkommen.

[29] parivattati  Er erfragt die Zustimmung des Buddha, um seine übernatürlichen Fähigkeiten anzuwenden.

[30] pappaṭakoja. Eine Art Trüffel? IBH: „nahrhafte Essenz der Wasserpflanzen“.

[31] Es gibt zwei Konzepte hinsichtlich der Vorzeit-Buddhas: a) mit sieben und b) mit 24. Vipassī ist demnach entweder der neunzehnte der vierundzwanzig oder der erste von sieben (Vorzeit-)Buddhas.

[32] Der zwanzigste der vierundzwanzig oder der zweite von sieben (Vorzeit-) Buddhas.

[33] Der einundzwanzigste der vierundzwanzig oder der dritte von sieben (Vorzeit-) Buddhas.

[34] Der zweiundzwanzigste der vierundzwanzig oder der vierte von sieben (Vor-zeit-)Buddhas.

[35] Der dreiundzwanzigste der vierundzwanzig oder der fünfte von sieben (Vor-zeit-)Buddhas.

[36] Der vierundzwanzigste der vierundzwanzig oder der sechste von sieben (Vor-zeit-)Buddhas.

[37] Hier folgt eine Art der Einteilung der Lehre des Buddha in neun Kategorien (aṅgā). Zu den Suttas zählen allgemein DN, MN, SN, AN und KN.

[38] geyya  Gemeint sind die Suttas, die auch Prosa mit Versen gemischt enthalten.

[39] veyyākaraṇa  Auch „Beantwortung, Grammatik“. Gemeint sind die Lehrreden, in denen etwas erläutert wird. Auch der Abhidhamma, der aber erst später hinzukam und hier nicht einmal unter dem Begriff „Tabellen“ (mātikā) wie z.B. in Mvg 163 erscheint, wird dazu gezählt.

[40] gāṭhā  Zu den Versen rechnet man (aus KN): Dhp, Vv, Pv, Sn, Th, Thī usw.

[41] udāna  Das ist Buch 3 aus KN.

[42] itivuttaka  Das ist Buch 4 aus KN.

[43] jātaka  Das sind Erzählungen von den früheren Existenzen des Buddha. Dazu ausführlicher bei Dutoit.

[44] abbhutadhamma  Das sind die Suttas, in denen Wundererzählungen enthalten sind.

[45] vedalla  Dazu rechnet man aus MN Sammādiṭṭhi-, Sakkapañha-, Saṅkhārābhā­janiya-, Mahāpuṇṇama-Sutta u.a.m.

[46] nānāgottā  Laut Kommentar sind hier diejenigen gemeint, die durch den Buddha und den Dhamma geschützt sind. IBH: „verschiedene Clans“.

[47] nānājaccā  Laut Kommentar sind hier die Kasten gemeint. IBH: „verschiedene soziale Schichten“.

[48] vitakketha  Laut Kommentar sind gemeint: Zurückgezogenheit, Gutmütigkeit und Gewaltlosigkeit.

[49] Das Gegenteil davon, also Sinnesfreuden, Bösartigkeit und Gewalt.

[50] manasikarotha  Gemeint sind hier die drei Daseinsmerkmale: Unbeständigkeit, Unzulänglichkeit und Seelenlosigkeit (anicca, dukkha, anatta).

[51] pajahatha  Gemeint ist alles Üble.

[52] upasampajja viharatha  Gemeint ist alles Heilsame (kusala).

[53] sutta  Bemerkenswert, dass die Lehrreden „Sutta“ genannt werden.

[54] sikkhāpada  Die Ordensregeln, die Vorschriften (d.h. den Vinaya).

[55] Ein Anachronismus? In Mvg 133 findet sich eine „Rahmenerzählung“, wie es zum Aufstellen des Pātimokkha kam. Ob das ursprünglich nur eine Art „Credo“ war, was sich dann im Laufe der Jahre zu einem Vergehenskatalog mit anfänglich 150 statt den heutigen 211 Vorschriften (→ AN III,85) bzw. „Beichtformular“ entwickelte, bedarf weiterer Untersuchungen.

[56] āsavaṭṭhānīyā dhammā  Damit dürften die „Umstände“ gemeint sein, die zum Niedergang der sogenannten „Guten Lehre“ (sudhamma) führen. Ganz beson­ders für die Ordinierten wären das die Nichtbefolgung der ethischen Grund­lagen (sīla resp. adhisīla), welche wiederum auf der Grundlage von „weiser Aufmerksamkeit“ (yoniso manasikara) beruht, die permanent zu pflegen ist. In Sd 13 (→ BhuV 432) erscheint als Beispiel eine kurze Beschreibung der allgemeinen Verhaltensweise, die sich für einen buddhistischen Ordinierten ziemt.

[57] nirabbudo  frei von Tumoren, gesund. Gemeint sind unmoralische Auswüchse, also Vergehen.

[58] sāre  IBH: „rein geworden“.

[59] patiṭṭhito  das bezieht sich auf die Vier Grunderfordernisse (Nahrung, Kleidung, Unterkunft und Medizin).

[60] pacchāsamaṇena  wtl: „als Nach(-folge)-Asket“, also derjenige, der (direkt) hinter dem Meister hergeht, ihm am nächsten ist, dessen persönlicher Aufwär­ter, Betreuer, enger Vertrauter, „Diener“ usw. Siehe auch Pāc 33 (BhuV 888).

[61] acchādesi  d.h. er offerierte ihm ein Dreierset Roben.

[62] dussayuga  Das kann auch bedeuten, dass er jedem Mönch entsprechend Ge­wandmaterial gab.

[63] Die Streckenangabe von Soreyya via Saṅkassa nach Kaṇṇakujja erscheint auch in Cvg 451. Diese Ortschaften lagen am Oberlauf der Gaṅgā.

[64] Payāga  Das heutige Allahabad liegt am Zusammenfluss von Yamunā und Gaṅgā.

[65] Bārāṇasī  wurde zu „Benares“ verballhornt, was sich allgemein eingebürgert hat. In Indien ist man bestrebt, den historischen Namen „Vārāṇasī“ wieder zu etablieren. „B“ und „V“ werden oft getauscht.

[66] kuṭagārasāla  Vesāli war berühmt für die Vielzahl mehrstöckiger Gebäude, daher auch „Hoch-“ statt „Spitzdachhalle“, wie a.a.O. IBH: „Gabled Hall“.


 Home Top  Index Next