1 Zur Bezeichnung von Satipatthāna als einziger Weg" siehe Kommentar zur Lehrrede von den Grundlagen der Achtsamkeit (Verlag Christiani, Konstanz), S. 11 (zit. Komm.)
2 Pali: patisaranam; wtl. Zuflucht, Rückhalt, Hort.
3 Kommentar: nämlich die mit den vier edlen Pfaden des Stromeintritts usw. verbundene Achtsamkeit (magga-sati)." Über den Stromeintritt, die erste Heiligkeitsstufe, siehe NYANATILOKA, Buddhistisches Wörterbuch. Verlag Christiani, Konstanz (zit. Wtb).
4 Kommentar: nämlich die durch Erreichung der vier edlen Früchte des Stromeintritts usw. gewonnene Befreiung (phalavimutti).«
5 Als Übungsergebene (oder lt. Nyanatiloka Schulungstüchtige«; sekha) werden diejenigen Jünger bezeichnet, die durch entsprechenden Erfolg in den drei Übungen oder Schulungen (sikkhā), d. i. in Sittlichkeit, Sammlung und Weisheit, die vier edlen Pfade (des Stromeintritts usw.) und die edlen Früchte der drei ersten dieser Pfade erreicht haben. Wer die vierte edle Frucht, die der Heiligkeit, erreicht hat, gilt als Übungslediger (asekha; siehe Text 9).
6 Zur Durchschauung als vergänglich und ursächlich entstanden, als dem Leiden unterworfen und ein Ich weder darstellend noch einem solchen zugehörig.
7 Wörtlich: durch wiederholte Pflege (āsevanāya), durch Entfaltung (oder Meditation; bbavanāya), durch häufige Übung (bahulikammena).
8 Kommentar: „Es hat da ein Mönch, nach Aufgeben der Sinnenlust und der anderen vier Hemmungen (s. Wtb), tags und nachts sein Haupt-Meditationsobjekt gepflegt und die Heiligkeit erreicht. Ihn sieht ein anderer und denkt: Liebenswert, wahrlich, ist dieser Mönch, der ein so vollkommenes Leben führt!" In solchen Gedanken erfüllt er sein Herz mit freudigem Vertrauen (zum Buddha und seiner Lehre) und (ein entsprechendes Leben führend) gelangt er nach dem Tode in himmlische Welt. In solcher Weise schützt man durch Selbstschutz den Anderen."
9 Kommentar: „Da hat ein Mönch durch die drei (ersten der vier) erhabenen Weilungen (brabma-vihāra; d. i. Güte, Mitleid und Mitfreude) die drei ersten Vertiefungen erzeugt. Diese zum Ausgangspunkt nehmend, betrachtet er gründlich (den mit der Vertiefung verknüpften körperlichen und geistigen) Prozeß, läßt den Klarblick (vipassanā) in sich erstarken und erreicht die Heiligkeit. In solcher Weise (d. i. durch die Meditation der Güte usw.) den anderen schützend, schützt man sich selbst."
10 Dieser Textabschnitt enthält in lapidarer Kürze das Fundament buddhistischer Ethik. Diese beruht, ebenso wie die Erleuchtung (bodhi) des Buddha selber, auf den beiden untrennbaren Grundelementen des Mitleids (karunā) und der Weisheit (paññā). In beiden Maximen unseres Textes erscheinen Selbstschutz (Individualismus) und Nächstenschutz (Altruismus) in unlösbarer Wechselbeziehung, und jede dieser Maximen ist das Gebot des Mitleids sowohl wie der Weisheit. Jedoch Weisheit wie Mitleid fordern Selbstschutz als den unerläßlichen Einsatzpunkt, und so bestätigt der Buddha den Standpunkt der Akrobatengehilfin in der von ihm erzählten Geschichte. Dies ist, wenn recht verstanden, kein Gegensatz zu der in den beiden Maximen ausgedrückten Harmonisierung.
Die Einführung von Satipatthāna in diesen Text und in diesen Zusammenhang illustriert die Feststellung des Buddha, daß Achtsamkeit überall von Nutzen« ist. Selbstschutz und Nächstenschutz, - beides erfordert Achtsamkeit. Diese Achtsamkeit nun erhält gründliche Schulung durch jenen Dreiklang der Satipatthāna-Übung, d. i. ihre Anwendung auf innen (eigen), außen (fremd) und die Verknüpfung beider. Ja man mag recht wohl unseren letzten Textabschnitt als einen Hinweis hierauf ansehen. „‚Mich selber - den Anderen werde ich schützen', so ist Satipatthāna zu üben", - dies ist die einzeln vorgenommene Übung nach innen, bezw. nach außen; die beiden folgenden Maximen entsprechen der Verbindung von Innen und Außen. (Siehe hierzu die Texte 33, 34 sowie Geistestraining, S. 54 f und Komm., S. 44.)
Rechte Achtsamkeit nach außen gewandt, auf den Körper und die körperlichen Handlungen des Anderen, auf seine Gefühls- und Gedankenwelt (in ihren Äußerungen), wird reiche Erfahrung geben für Selbst- und Nächstenschutz; es wird Rücksicht lehren, Vorsicht und Einsicht, Mitleid und Weisheit.
11 Das Original hat lediglich „Strömungen". Kommentar: „Es sind die Strömungen des Begehrens und andere Leidenschaften, die zu den Sinnenbereichen hinfließen, zu den Formen, Tönen, Düften, Geschmäcken, Berührungen und Geistobjekten.«
12 Die fünf niederen Daseinsfesseln (aus einer Gruppe von zehn) sind: Persönlichkeitsglaube, Zweifel, Hangen an Regeln und Riten, Sinnenverlangen und Haß. Mit deren gänzlicher Überwindung ist die dritte Stufe auf dem Wege zur Heiligkeit erreicht, die Nichtwiederkehr" (zu dieser Sinnenwelt; anāgāmitā). Siehe Wtb. unter Samyojana.
16 Wtl.: gerade (d. i. richtige) Ansicht (ditthi ca ujukā). Hiermit ist vorzugsweise das Überzeugtsein von der Karma-Lehre gemeint.
17 Der betreffende Palibegriff ist muta (,das Empfundene«) und bezieht sich hier auf Geruchs-, Geschmacks- und Tastobjekte. Die hier gebrauchte vierfache Einteilung des Sinnengebietes ist eine altertümliche. Sie war offenbar populär und wurde daher vom Buddha manchmal neben der genaueren sechsfachen benutzt, und zwar besonders häufig im Sutta-Nipāta.
18 In dieser Übung soll das Denken bei der Beobachtung des reinen Objekts und des Wahrnehmungsvorganges innehalten, ohne jegliche gedankliche Zutat durch Abneigung, Zuneigung oder andere Bewertungen und Interpretierungen. Absicht und Wert dieser Übung sind vielfältig: Zügelung leidenschaftlicher Reaktionen, Vermeidung vorschneller Entscheidungen und Urteile; Einsicht in die einzelnen Phasen des scheinbar einheitlichen Wahrnehmungsvorgangs, den man sich gewöhnt hat, mit seiner Bewertung gleichzusetzen; unmittelbare Einsicht in den vergänglichen, ursächlich bedingten und unpersönlichen Ablauf der Wirklichkeit. Siehe Text 53, 54 mit Anm. und Geistestraining, S. 30.
19 "soll . . . hinwenden" (panidahitabbam). Hiermit werden die beiden Kennworte dieses Textes erklärt (panidhāya bhāvanā, apanidhāya bhāvanā), die hier als Titel der Sutte verwandt wurden und im Verlauf des Textes ausdrücklich genannt und erläutert werden. Für die beiden Begriffe wurde eine freie, doch wie aus dem folgenden ersichtlich sein wird, sinngetreue Übersetzung mit unterbrochene" bzw. ununterbrochene Meditation" gewählt.
Kommentar: Wenn derart Erregung des Körpers durch Leidenschaften (kilesa) oder geistige Schlaffheit oder Zerstreutheit aufgetreten sind, so soll man sich nicht durch diese Geistesbefleckungen beeinflussen lassen. Man soll dann vielmehr das Denken an das Meditationsobjekt (zeitweise gleichsam) ablegen (thapetabbam; als Erklärung für das Textwort panidahitabbam), und zwar bei irgend einem erhebenden, freudiges Vertrauen einflößenden Gegenstand wie der Betrachtung über den Buddha usw."
20 Kommentar: D. h. er richtet den Geist wieder auf das ursprüngliche Meditationsobjekt."
21 Kommentar: Er erwägt und überlegt nicht mehr eine Erwägung und Überlegung geistiger Befleckung."
22 Unterbrochene Meditation« (panidhāya bhāvanā). Kommentar: thapetvā bhāvanā, d. h. mit (zeitweisem) Niederlegen oder Abstellen des Hauptobjekts, d. h. also zeitweiliger Unterbrechung der Hauptübung. Siehe Komm., S. 58. Der Kommentar gibt das folgende Gleichnis: Es hat da ein Mann ein großes Bündel Zuckerrohr aufgeladen, um es zur Preßmaschine zu bringen. Wenn er unterwegs müde wird, setzt er das Bündel auf den Boden ab (thapetvā), kaut ein Stück Zuckerrohr, lädt die Last wieder auf und setzt seinen Weg fort. Ähnlich ist es mit dem, der ein Meditationsobjekt gelernt hat, um die Heiligkeit zu erreichen. Wenn ihm bei der Übung körperliche Erregung usw. auftaucht, so legt er das Übungsobjekt (zeitweilig) nieder. Nachdem er dann den Geist, z. B. durch Erinnerung an die Eigenschaften des Buddha angeregt und wieder willfährig gemacht hat, setzt er die ursprüngliche Meditation fort. - Wie dann jener Mann des Gleichnisses, nachdem er das Zuckerrohr zur Mühle gebracht und gepreßt hat, den Zuckerrührsaft trinkt, ebenso ist es mit jenem Mönch, der, nachdem er seine Meditationsübung zur Reife gebracht und die Heiligkeit erreicht hat, das Glück der Zielerreichung genießt."
Diese Unterweisung des Buddha gibt einen für die Meditationspraxis sehr hilfreichen Rat: sich den Störungen der Meditation - inneren oder äußeren - weder auszuliefern, noch mit ihnen zu kämpfen. Man möge vielmehr den Geist auf ein bereit gehaltenes erhebendes, d. h. gleichzeitig anregendes wie beruhigendes Objekt richten, und wenn so die Kraft der inneren Störung gebrochen oder die äußere geschwunden ist, wieder zum ursprünglichen Meditationsobjekt zurückkehren. Mit der gleichen Absicht empfehlen die burmesischen Satipatthāna-Lehrer, eine innere oder äußere Störung ruhig und objektiv zu betrachten, sie dadurch am Anwachsen zu hindern und dann wieder die Hauptübung aufzunehmen.
23 Ununterbrochene Meditation« (apanidhāya bhāvanā). Kommentar: ohne (den Meditationsgegenstand) abgelegt zu haben (athapetvā)."
24 Ununterbrochen durch Außenliegendes( (bahiddhā apanidhāya). Kommentar: (ununterbrochen) durch irgend ein außerhalb des Haupt-Meditationsgegenstandes liegendes Objekt." Der Kommentar nimmt das obige Gleichnis hier wieder auf. Es ist hier wie mit einem Mann, der eine empfangene Last Zucker zu seinem Dorfe bringt, ohne sie unterwegs abzusetzen (athapetvā). Nur die in sein Gewand gesteckten Zuckerstücke verzehrend, setzt er seinen Weg fort, bis er in sein Dorf kommt. Ebenso verhindert der übende Mönch das Aufsteigen von innerer Erregung und anderer geistiger Befleckungen und geht mit der Übung seines Meditationsobjektes weiter. Wie jener Mann, mit seiner Zuckerlast im Dorf angekommen, sie mit seinen Verwandten verzehrt, ebenso genießt jener Mönch das Glück der Zielerreichung, nachdem er seine Meditation zur Reife gebracht und die Heiligkeit gewonnen hat. - Diese Lehrrede behandelt die Anfangsstufe des Klarblicks (pubba-bhāga-vipassanā)."
25 Beim Früheren und Späteren« (pacchā-pure). Kommentar. Dies ist zu verstehen mit Bezug 1) auf das Meditationsobjekt, 2) auf den Körper, 3) auf die (Reihenfolge in der) Darstellung. - 1. Mit Bezug auf das Meditationsobjekt bedeutet das „Frühere" das Sichversenken in das Meditationsobjekt; das „Spätere" bedeutet die dann gewonnene Heiligkeit. Wenn nämlich der Mönch sich ein Haupt-Meditationsobjekt gewählt hat und in seiner Übung der Erregung durch die Leidenschaften, der Erschlaffung und der Zerstreutheit keine Entstehungsmöglichkeit gibt, dann festigt er den Klarblick in solcher Weise, wie man mit einem Gespann wohlgezähmter Ochsen sicher dahinfährt oder wie man einen gut geschnitzten viereckigen Schlüssel in ein viereckiges Schlüsselloch hineinsteckt. So erreicht er dann, ohne sich aufzuhalten und ohne irgendwo steckenzubleiben, die Heiligkeit. - 2. Mit Bezug auf den Körper sind die vorderen Zehenglieder das Frühere', der Schädel das Spätere'. Nachdem der Mönch die Knochen der vorderen Zehenglieder als Betrachtungsgegenstand genommen hat, führt er die Übung allmählich bis zum Schädel weiter, indem er alle Gliedmaßen der Reihe nach hinsichtlich Farbe, Form, Körpergegend, Körperstelle und Abgrenzung erfaßt (siehe VisM, Seite 283 ff), so wie man einen Gerstenhaufen nach dem anderen mit einem Dreschflegel drischt. Währenddessen auch das Entstehen innerer Erregung und der anderen Befleckungen verhindernd, erreicht er, ohne sich aufzuhalten und ohne irgendwo steckenzubleiben, die Heiligkeit. - 3. Mit Bezug auf die (Reihenfolge in der) Darstellung: in der Darstellung der 32 Körperteile sind die Kopfhaare das Frühere', das Gehirn ist das Spätere'. Nachdem der Mönch die Kopfhaare als Betrachtungsgegenstand genommen hat, führt er die Übung allmählich bis zum Gehirn weiter, indem er die ganze, mit Kopfhaare' beginnende Reihe hinsichtlich Farbe usw. erfaßt. Währenddessen auch das Entstehen von innerer Erregung und der anderen Befleckungen verhindernd, erreicht er, ohne sich aufzuhalten und ohne irgendwo stecken zu bleiben, die Heiligkeit."
26 Ohne Stockung« (asankhittam). Das Gegenstück zu diesem Begriff findet sich im Satipatthāna-Sutta, in der Betrachtung des Geisteszustandes, wo vom verkrampften Geist" (sankhittam cittam) gesprochen wird. Es handelt sich dabei um einen Geisteszustand, der aus verschiedenen Gründen in Stockung, Stauung oder Stagnation geraten ist. Siehe Komm., S.110.
27 Die Körperbetrachtung wird in zahlreichen Texten des Kanons behandelt, von denen hier nur eine kleine Auswahl wiedergegeben wurde. Einzelne der Übungen werden ausführlich im Visuddhi-Magga (Der Weg zur Reinheit) beschrieben, und zwar: die Betrachtung der Körperteile in Teil VIII, Kap. 2; die Atmungs-Achtsamkeit in Teil VIII, Kap. 3; die Betrachtung der Elemente in Teil XI, Kap. 2. Vgl. die Übersetzung des Ehrw. Nyanatiloka-Mahathera (Verlag Christiani, Konstanz). - Es sei hier bemerkt, daß die Bezeichnung die auf den Körper gerichtete Achtsamkeit" (kāya-gatā-sati) in den Sutten auf alle sechs Übungsgruppen der Körperbetrachtung bezogen wird, wie in unserem Text 39; im Visuddhi-Magga jedoch lediglich auf die „Betrachtung des Widerlichen" d. h. der Körperteile.
28 Pali: Kāya-gatā-sati-Sutta, wtl.: Die Lehrrede von der auf den Körper gerichteten Achtsamkeit.
29 Hierzu heißt es im Patisambhidā-Magga: Was ist Körpertätigkeit? Die langen Ein- und Ausatmungen, die kurzen Ein- und Ausatmungen, die von Empfindung des ganzen Atemkörpers begleiteten Ein- und Ausatmungen, - dies sind körperliche Vorgänge. Diese Dinge sind, als sich am Körper vollziehend, Körpertätigkeiten. Bei diesen Körpertätigkeiten übt er sich in ihrer Beruhigung, Stillung und Besänftigung. Wenn nun bei diesen Körpertätigkeiten ein Hin- und Herneigen, Zusammenziehen und Strecken, Bewegung, Erregung, Vibrieren und Erzittern des Körpers vorkommt, so übt er: Die Körpertätigkeit beruhigend, will ich ein- und ausatmen!
30 Der „Freund" ist der Ehrw. Sāriputta,
31 Hierzu heißt es im Patisambhidā-Magga: "Die Wahrnehmungen, Gefühle und anderen Bewußtseinsfaktoren (cetasika), welche auftreten bei den langen und kurzen Ein- und Ausatmungen, bei den vom Empfinden des ganzen Körpers und der Beruhigung der Körpertätigkeit begleiteten Ein- und Ausatmungen, bei den von Entzücken und Glück begleiteten Ein- und Ausatmungen -, diese sind, als sich im Geiste vollziehend, Geistestätigkeiten." - Diese und die folgende Vierergruppe von Übungen setzt die Erreichung der Vertiefungen (jhāna) voraus.
32 Im Kommentar zum Patisambhidā-Magga heißt es hierzu: ,Hierbei bezieht sich das Vergängliche betrachtend' auf schwachen Klarblick; die Entsüchtung betrachtend' auf kräftigeren, durch die Entsüchtung bei den Daseinsgebilden gestärkten Klarblick; die Entäußerung betrachtend' auf sehr scharfen, dem Pfade nahe gekommenen Klarblick. - Diese Vierergruppe bezieht sich lediglich auf den Klarblick, die drei vorhergehenden jedoch auf Klarblick und Geistesruhe.«
33 Das Erleuchtungsglied ‚Wirklichkeitsergründung' (dhammavicaya-sambojjbanga). Den Kommentaren zufolge bezeichnet dhamma hier nicht, wie meist übersetzt, die Lehre des Buddha, sondern die körperlichen und geistigen Vorgänge (rupa- und nāma-dhammā), die sich dem Erleuchtungsglied ‚Achtsamkeit' als Komponenten der Wirklichkeit darbieten und nun als vergänglich, leidvoll und unpersönlich „ergründet" werden.
34 Dies sind die fünf hauptsächlichen Hemmungen" (nivarana) der geistigen Sammlung.
35 Wtl.: oben, unten und inmitten, soweit das Gebiet der Erde reicht"; Kommentar: im gesamten Bereich.
36 Sorgsamer Betrachter" (samavekkhitā); Kommentar: in rechter Weise, ursächlich, methodisch betrachtend."
37 Die Texte 53 und 54 dienen hier zunächst als Illustrierung der in der Satipatthāna-Sutte gegebenen „Betrachtung des Geisteszustandes" als gierbehaftet oder gierlos usw. Darüber hinaus bilden sie aber auch eine treffliche Veranschaulichung und Erklärung der Übungsanweisung an Bahiya" (Text 31), die wir als Innehalten beim reinen Beobachten" bezeichneten: Das Gesehen soll lediglich ein Gesehenes sein usw.",
Der für die Erkenntnis sowohl wie für die Geistesschulung entscheidende Faktor ist hier die laut Text 53 zu vollziehende Sonderung der Wahrnehmung selber von der Einstellung zu ihr: Er ist des Sehobjekts gewahr und ist der Gier nach dem Sehobjekt gewahr." Dies wird als von solcher Wichtigkeit angesehen, daß, selbst wenn Gier nach Sinnen- oder Geistobjekten aufgetreten ist, aber ausdrücklich als solche festgestellt und von der Wahrnehmung unterschieden wird, dies als eine Weise bezeichnet wird, in der sich die klar sichtbare, zur eigenen Erfahrung einladende Lehre« manifestiert. Und im sinnverwandten Text 54 wird eben dies als der Weg bezeichnet, der ohne bloßen Glauben, und ohne theoretisches Denken usw., vielmehr durch eigene anschauliche Erkenntnis zum Heiligkeits-Ziele führt.
Es ist die Satipatthāna-Methode, die, ohne sie so zu benennen, in diesen beiden Texten besonders klar in ihrer Eigenart erscheint. Diese Zugehörigkeit zum einzigen Wege" wird es verständlich machen, daß der hier dargestellten, so unscheinbaren Übung eine solche Bedeutung und Wirkungskraft zugeschrieben wird. Es sei noch bemerkt, daß die in Text 53 gegebene, altehrwürdige und gerade hier in ihrem Bedeutungsgehalt besonders klar erscheinende Kennzeichnung der Lehre seit altersher als Verehrungsformel für das „Kleinod der Lehre" benutzt wird und so hier ein besonderes Gewicht erhält.
38 Die vorstehenden fünf Betrachtungsweisen werden (erstmalig in der 28. Rede der Langen Sammlung) als die „heilige Magie" oder die Macht der Heiligen (ariya-iddhi) bezeichnet. In ihnen erweist sich die souveräne Macht des Willens über die Gefühlswelt und die Unabhängigkeit eines im höchsten Sinne freien Geistes (siehe Text 4) von Gefühlseinstellungen, welche durch subjektive Einstellung und Neigungen, durch Leidenschaften oder Gewohnheit diktiert sind. Es ist eine Art sublimer "Verwandlungskunst«, welche die Gefühlswertungen nach Wunsch vertauschen oder sich gänzlich in die Haltung des Gleichmuts zurückzuziehen vermag. Ein durch solche Schulung gegangener Gleichmut hat wahrlich die stärkste Feuerprobe bestanden. So sind denn auch diese fünf Betrachtungsweisen in ihrer völligen Meisterung das ureigene Bereich des Heiligen, des Arahat, und dies besagt auch ihr Name, die „Magie (oder Macht) der Heiligen«. Doch auch für einen willensstarken, in der Geistesschulung Fortgeschrittenen wird es von großem Werte sein, wenn er sich an dieser „heiligen Magie" versucht. Die Voraussetzung dafür ist freilich eine gründliche Satipatthāna-Übung, und daher wird diese auch in unserem Text vorangestellt. Es ist besonders die Gefühls-Betrachtung« und die in Text 53 gelehrte Sonderung von Wahrnehmung und der Einstellung zu ihr, die hier als Vorbereitung unerläßlich ist.
Im Visuddhi-Magga (Übersetzung, Seite 437) werden die einzelnen Betrachtungen wie folgt erklärt:
" . . während der mit dieser Macht ausgerüstete triebversiegte Mönch einen widerlichen, unerwünschten Gegenstand mit Güte durchstrahlt oder in seine Elemente zerlegt, verweilt er in der Vorstellung des Nichtwiderlichen. Insofern er aber einen nichtwiderlichen, erwünschten Gegenstand als etwas Unreines durchdringt oder ihn als vergänglich erwägt, verweilt er in der Vorstellung des Widerlichen. Ebenso, Widerliches wie Nichtwiderliches mit seiner Güte durchstrahlend oder in die Elemente zerlegend, verweilt er in der Vorstellung des Nichtwiderlichen. Nichtwiderliches wie Widerliches als unrein durchdringend oder als vergänglich erwägend, verweilt er in der Vorstellung des Widerlichen. Erblickt er mit dem Auge eine Form, so ist er weder frohgestimmt . . .'; den in diesen Worten (A.IV.195) beschriebenen sechsfachen Gleichmut erweckend, vermeidet er beides, Widerliches wie Nichtwiderliches, und verweilt gleichmütig, achtsam, klarbewußt.«
39 Dieser Text ist ein Suttenbeleg für die im Abhidhamma vorgezogene fünffache Einteilung der Vertiefungen, die in den Sutten meist als vier gegeben werden. In unserem Text bildet „ohne Gedankenfassen und Überlegen, mit Entzücken" die dritte Vertiefung; „ohne Entzücken, mit Freude" die vierte; „mit Gleichmut" die fünfte Vertiefung.
40 Kommentar: "Dies bezieht sich auf den Heiligen. Denn wer die Heiligkeit erreicht hat, weilt in allen Körperhaltungen in einem Zustand des Wohlbefindens."
Dieser Text gibt eine Übungsfolge, die als „Klarblick mit vorausgegangener Gemütsruhe" bezeichnet wird (A.IV.170). Gemütsruhe" (samatha) bezeichnet Meditationsübung mit dem Ziel der Vertiefungen; als Klarblick" (vipassanā) gilt hier die Satipatthāna-Übung.
41 In diesem Text handelt es sich um eine Übungsfolge, der ,Gemütsruhe mit vorangegangenem Klarblick«. Nach einer von den fünf Hemmungen freien Satipatthāna-Übung wird dann als nächste Stufe das Gewicht darauf gelegt, hierbei keine mit der Sinnenwelt verbundene Gedanken zu hegen. Darauf folgt dann sofort - was in den Texten ganz ungewöhnlich ist - der Eintritt in die zweite Vertiefung. Die Kommentare äußern sich nicht zu dieser Anomalie. Folgende Bemerkungen seien mit Vorbehalt als eine Erklärung angeboten.
Die Annäherung an den in den Vertiefungen erreichten Konzentrationsgrad der vollen Sammlung« (appanā; s.Wtb.) ist gegeben durch Erreichung der angrenzenden Sammlung" (upacāra-samādhi), welche für eine erfolgreiche Klarblickübung erforderlich ist; in ihr sind, ebenso wie in den Vertiefungen, die fünf Hemmungen aufgehoben. Ein direkter Übergang in die von Gedankenfassen und überlegen freie zweite Vertiefung ist dadurch erleichtert, daß in der Satipatthāna-Übung des „reinen Beobachtens" der körperlichen und geistigen Vorgänge ohnehin Gedankenfassen und überlegen stark reduziert sind, ähnlich wie in der ersten Vertiefung. Diese Abschwächung erleichtert es auch, der nächsten Anweisung zu folgen, nämlich das gedankliche Auffassen von Sinnenobjekten gänzlich einzustellen. Dies ist offenbar der Einsatzpunkt für den Eintritt in die volle Sammlung der Vertiefungen überhaupt (charakterisiert als „abgewandt von den Sinnendingen"), sowie in die von Gedankenfassen und überlegen freie zweite Vertiefung im besonderen.
Ein „Überspringen" von Vertiefungsstufen findet sich auch erwähnt im Vissuddhi-Magga (übers., Seite 428).
42 Die hier wiedergegebene Übersetzung des Ehrw. Nyanatiloka-Mahathera wurde an einigen Stellen verändert: teils wurde die Terminologie mit der hier gebrauchten in Übereinstimmung gebracht, teils wurden abweichende Lesarten der siamesischen Textausgabe vorgezogen.
43 Yoniso manasikāra - scharfe oder gründliche Aufmerksamkeit - ist gleichbedeutend mit samma-sati, rechter Achtsamkeit. Siehe auch den folgenden Text.
44 Nāgārjuna (ca. 2. Jh. n. Chr.) ist der Begründer der Mādhyamika-Schule und einer der bedeutendsten Denker des Mahāyāna. Unser Text ist entnommen aus dem „Freundesbrief" (Suhrd-lekhā), der der Überlieferung nach an einen König Udayana gerichtet war und ein kleines Kompendium der buddhistischen Lehre darstellt. Er ist nur in tibetischer Übersetzung erhalten.
45 Asvaghosa (ca. 1. Jh. n. Chr.), Verfasser der berühmtesten Versdichtung vom Leben des Buddha (Buddha-carita). Unser Text stammt aus einer anderen gleichfalls dem Buddha-Leben gewidmeten epischen Dichtung, dem Saundarānandakavya, dessen Mittelpunkt die Episode vom Vetter des Buddha, Nanda, und seiner Gattin Sundari bildet.
[46] Sāntideva (ca. 7. Jh. n. Chr.) war ein Anhänger von Nāgārjunas Mādhyamika-Philosophie. Er war ein Fürstensohn und für eine Zeitlang Minister seines Vaters. Er wurde Mönch und starb als Rektor der berühmten buddhistischen Universität Nalanda. Hauptwerke: 1. Bodhicaryāvatāra, Der Eintritt in den Lebensweg der Erleuchtung (s. Text 93). Deutsche Übersetzung von Richard Schmidt (Paderborn 1923, Ferd. Schöningh); 2. Siksā-samuccaya, „Die Summe geistiger Schulung", eine Anthologie klassischer Mahāyāna-Sutras mit verbindendem Text. Den Rahmen dafür bilden zusammenhängende ,Leitverse" (kārikā) Sāntidevas, die durch die ausgewählten Texte erläutert werden.
[47] Ohne ein (innewohnendes) handelndes oder leidendes Prinzip« (Skr. kāraka-vedaka-rahito). Diese auch im Pali gleichlautende Formulierung findet sich sehr häufig in den alten Kommentaren zum Pali-Kanon, dem Visuddhi-Magga usw. Hiermit sollen jene spekulativen Auffassungen zurückgewiesen werden, die dem hypothetischen Ich oder Selbst entweder einen aktiven Anteil an der Welt oder, wie beim bloß „zuschauenden" Selbst der Upanischaden, eine rein passive Natur zuschreiben.
[48] Vgl. hierzu den folgenden Text aus dem Pali-Kanon (Samy.36.5):
- ,Wer Freude sieht als Leid und Leidiges als Stachel,
- Und als vergänglich ansieht, was so friedlich ist,
- Das weder freudige noch leidige Gefühl,
- Solch' klargeäugter Mönch, Gefühl durchschaut er völlig.
- Ist es durchschaut, wird wahnfrei er in diesem Leben schon
- Und nach des Leibs Zerfall, fest in der Lehre stehend,
- Geht nicht mehr ein er in Benennbarkeit, als Wissensmeister."
[49] Vgl. die „Geist-Betrachtung" im Satipatthāna-Sutta: Da weiß der Mönch vom lustbehafteten - haßbehafteten - verblendeten Geist: Lustbehaftet usw. ist der Geist'."
[50] Vgl. das Motto zu diesem Buch.
[51] Skr: āgantukaih klesair upaklisyate; vgl. im Pali. āgantukehi upakilesehi samkilittham (Anguttara-Nik., Einer-Buch: " . . doch er ist von hinzukommenden Befleckungen verunreinigt).
[52] Der Begriff dharma wird hier, wie aus dem Zusammenhang ersichtlich, nicht als „Geistobjekte" aufgefaßt (wie wir ihn in den Pali-Texten wiedergaben), sondern in einem mehr allgemeinen Sinne als die Phänomene, Erscheinungen, unpersönlichen Elemente oder Daseinselemente.
[53] Skr: buddha-dharma; kann auch aufgefaßt werden als "Buddha-Eigenschaften".
[54] Skr: sabba-dharma-nihsaranam; die Übersetzung folgte der in der englischen Übersetzung unseres Textes erwähnten tibetanischen Wiedergabe dieses Kompositums, das mehrfache Deutung zuläßt.
[55] Skr: dharmā ev'otpadyamānā utpadyante, dharmā eva nirudhyamānā nirudhyante. Diese Formulierung ist offenbar als ein Anklang beabsichtigt an das bekannte Buddha-Wort im Pali-Kanon: „Leiden nur entsteht, wenn etwas entsteht; Leiden nur vergeht, wenn etwas vergeht" (dukkham eva uppajiamanam uppajiati, dukkham nirujjhamānam nirujjhati; Samy.12.15).
[56] Diese Synonymenreihe findet sich genau wie hier zuerst im Niddesa des Pali-Kanons und später häufig in den Pali-Kommentaren.
[57] Dies ist die übliche Dreiteilung der samskāra (Pali: sankhāra), wenn dieser Begriff, wie z. B. in der Reihe der Bedingten Entstehung, die Bedeutung „karmische Willensformationen" hat.
[58] Skr: sikjāni, wtl: Schulungen, nämlich die dreifache Schulung in Sittlichkeit, Sammlung und Weisheit.
[59] Skr: apramāda-kathā. Dies bezieht sich auf die letzten Worte des Buddha vor seinem Hinscheiden: Vergänglich, wahrlich, sind alle Gebilde! Strebet unermüdlich!" (Pali: appamādena sampādetha). Apramāda (Pali: appamāda), „Unermüdlichkeit" (wtl: Freisein von Nachlässigkeit) wird in der buddhistischen Literatur häufig als Synonym für „Achtsamkeit" angeführt.