Udāna
Vorwort
Die Bedeutung des Wortes Udāna hält etwa die Mitte zwischen dem, was wir
"Einfälle", "Aperçus" und "Aphorismen" nennen, also Sinnsprüche, die bei
besonderen Gelegenheiten, Ereignissen, Erlebnissen oder Beobachtungen
überraschend entstanden sind; meist, aber keineswegs immer, metrische.
Buddhaghosa, der berühmte Schriftgelehrte, der im 5. Jahrhundert nach Chr., also
rund tausend Jahre nach Buddha, lebte, erklärte Udana als "Verse, die Frohsinn
und Erkenntnis ausdrücken". Diese Erklärung trifft jedoch nicht zu, worauf schon
Seidenstücker in der Einleitung seines Werks "Udāna, das Buch der feierlichen
Worte des Erhabenen" (1920) hingewiesen hat, denn die Udānas sind nicht sämtlich
metrische Texte und bei den meisten ist von besonderem Frohsinn nichts zu
merken. Udānas sind aber auch nicht immer besonders feierlich, wovon sich der
Leser leicht überzeugen kann. Darum halte ich auch Seidenstückers Verdeutschung
"feierliche Worte" nicht für treffend, sondern ziehe "Aphorismen" vor.
Udānas finden sich zerstreut an vielen Stellen der älteren und ältesten Teile
des Pali-Kanons, so in Mahāvagga I.1, 2, 3, 20; V.13; VI.28; X.3, 4; Cullavagga
VII.1, 3; IX.1; Dīgha-Nikāya 14.3; 16.1, 3, 4; Anguttara-Nikāya VIII.70;
Samyutta-Nikāya III.1; XXI.6; XLI, 5; LI, 10; Sutta-Nipāta 661. Manche finden
sich im Dhammapada: 42, 131, 132, 185, 306; in Theragāthā: 180, 191, 447; in
Itivuttaka: 43, 48.
Alle diese sind später gesammelt und mit den Prosa-Erzählungen, wo solche
vorhanden waren, zu einem Buch, dem Udāna, zusammengestellt worden. Der Sammler
hat noch andere, ihm bekannte, Udānas, die sich in den älteren Schriften nicht
finden, hinzugefügt, einige mit der dazu überlieferten Prosa-Erzählung. Die
übrigen, zu denen es anscheinend keine Erzählung gab, hat er aus eigener
Phantasie mit einleitenden Erzählungen versehen. So ist ein Buch von 80 Udānas
mit Prosa-Erzählungen zustande gekommen, in 8 Gruppen zu je 10 geordnet. Die
Entstehungszeit des Udana als Sammlung setzt Seidenstücker auf 440 bis 245 vor
Chr. an.
Von den Erzählungen zu den Udānas, die nicht den älteren Schriften des Kanons
entnommen sind, sondern nur im Udāna vorliegen, sind als für die Lehre wichtig
hervorzuheben: I, 10, Belehrung des Dārucīriya; VI, 4, Gleichnis von den
Blindgeborenen, die einen Elefanten betasten (übersetzt in meinem Buch "Worte
des Erwachten"); und VIII, 8, Gespräch Buddhas mit Visakha, die um ihren Enkel
trauert (Übersetzung ebenda). Die übrigen sind höchstens von
kulturgeschichtlichem Interesse.
Das Wesentliche und Wertvolle des Udāna sind hiernach die Aphorismen Buddhas,
von denen das Buch den Namen hat. Ich habe mich darauf beschränkt, die
eigentlichen Udānas neu zu übersetzen, und zwar, soweit sie metrisch sind,
metrisch. Im übrigen verweise ich die Leser auf Seidenstückers "Udāna" (Augsburg
1920), eine philologisch sehr zuverlässige Übersetzung, bei der nur die
metrischen Udānas durch allzu prosaische Wiedergabe etwas gelitten haben.
Kurt Schmidt 1954
Bei der nun folgenden Übersetzung des Udāna handelt es sich um einen Auszug
aus dem Buch von Kurt Schmidt, "Sprüche und Lieder" - Buddhistische
Handbibliothek / 4, Verlag Christiani Konstanz, 1954.
Copyright und neu aufgelegt bei dem buddhistischem
Verlag Beyerlein-Steinschulte, ISBN
3-931095-17-7. DM 28
Zwei weitere Übersetzungen von Karl
Seidenstücker und
Fritz
Schäfer sind als WinWord Dokument erhältlich. Beide Übersetzungen
sind von Herrn Michael Funkdigitalisiert und dem
www.palikanon.com
zur Verfügung gestellt worden.
I. Das Erwachen
Die Sprüche Udāna I.1 bis 3 sprach Buddha bald nach dem Erwachen, der Bodhi,
- daher die Überschrift dieses Abschnitts - im Anschluß an die Entdeckung des
Paticcasamuppāda, der Bedingtheit alles Entstehens, und zwar Ud. I.1 zur
positiven, Ud. I.2 zur negativen und Ud. I.3 zu beiden Seiten der Reihe der
Ursachen und Wirkungen.
(In diesen Versen ist "Brahmane" gleichbedeutend mit "Heiliger" .)
1.1
- Wenn sich dem Heiligen der Dinge Bild
- In der Versenkung, wie sie sind, enthüllt,
- Dann schaut er, während alle Zweifel schwinden,
- Wie Ursache und Wirkung sich verbinden.
1.2
- Wenn sich dem Heiligen der Dinge Bild
- In der Versenkung, wie sie sind, enthüllt,
- Dann kennt er keinen Zweifel, denn er findet,
- Wie mit der Ursache die Wirkung schwindet.
1.3
- Wenn sich dem Heiligen der Dinge Bild
- In der Versenkung, wie sie sind, enthüllt,
- Dann wirft er nieder Māras (*) Heergewimmel
- Und strahlt, der Sonne gleich am hellen Himmel.
(*) siehe Dhp.7! Māras Heer sind
die Leidenschaften.
1.4
- Hat der Brahmane Bosheit aufgegeben,
- Hat Stolz und Schuld er selbstbeherrscht verbannt
- Und führt er, hoch gelehrt, das Reinheitsleben,
- Dann sei mit Recht er Heiliger genannt;
- Nichts kann alsdann sich über ihn erheben.
1.5
- Wer von den bösen Trieben frei sich machte,
- Im Wandel stets besonnen sich verhält,
- Die Fesseln abgestreift hat und erwachte,
- Der, wahrlich, heißt Brahmane in der Welt.
1.6
- Wer Gönner flieht und von Verwandten scheidet,
- Wer sich zurückhält, innerlich geklärt,
- Die Weltverstrickung löst und Fehler meidet,
- Dem sei Brahmanenadel gern gewährt.
1.7 Ajakalāpaka
- Erfüllte der Brahmane seine Pflichten,
- So kann er jegliches Gespenst vernichten.
1.8 Sangāmaji
- Nach künft'gen Freuden hat er kein Verlangen,
- Noch sorgt er sich um das, was schon vergangen (*);
- Wer so im Kampfe siegte, frei von Banden,
- Dem sei Brahmanenadel zugestanden.
(*) Die beiden ersten Zeilen können auch so übersetzt werden:
- Es macht ihm keine Freude, daß sie kam,
- Auch trauert er nicht, da sie Abschied nahm.
Diese zweite Übersetzung entspricht der Erzählung, die, wahrscheinlich
später, diesem Udāna beigegeben wurde; sie handelt von einem Bhikkhu namens
Sangāmaji, d.i., "Sieger im Kampf", der ungerührt blieb, als ihn seine einstige
Ehefrau mit seinem kleinen Sohn besuchte. Vermutlich wurde diese Erzählung
erfunden, als man den Sinn des Udāna nicht mehr verstand. Die Parallelstelle im
Sanskritwerk Udānavarga scheint zu beweisen, daß der ursprüngliche Sinn der war,
der die erste Übersetzung wiedergibt.
1.9 Die Jatila Asketen
- Das Wasser reinigt keinen Seelenschaden,
- Wie viele glauben, die hier eifrig baden.
- Wer Recht und Wahrheit hochhält, der allein
- Gilt als Brahmane, der ist wirklich rein.
(Dieses Udāna bezieht sich auf die Taufzeremonie einer Brahmanensekte, die,
wie später Johannes der Täufer, die Sünden durch Untertauchen und Baden im Fluss
abwaschen wollte).
1.10 Bāhiya
. . . Der Erhabene sprach zu Dārucīriya: "So mußt du dich üben: Wenn etwas
gesehen wird, soll es nur Gesehenes sein, wenn etwas gehört wird, soll es nur
Gehörtes sein, wenn etwas gedacht wird, soll es nur Gedachtes sein, wenn etwas
erkannt wird, soll es nur Erkanntes sein. So mußt du dich üben: Wenn das, was du
siehst, (für dich) nur Gesehenes sein soll; wenn das, was du hörst, (für dich)
nur Gehörtes sein soll; wenn das, was du denkst, (für dich) nur Gedachtes sein
soll; wenn das, was du erkennst, (für dich) nur Erkanntes sein soll, dann bist
du nicht dabei (beteiligt); wenn du nicht dabei (beteiligt) bist, dann bist du
weder in dieser Welt noch in jener Welt noch zwischen beiden. Dies ist das Ende
des Leidens." - Da wurde dem Dārucīriya durch diese kurze Darlegung des
Erhabenen, indem er infolge dessen nicht mehr an den weltlichen Einströmungen
haftete, der Geist befreit. Nachdem der Erhabene den D. durch diese kurze
Darlegung belehrt hatte, ging er fort. Bald darauf warf eine Kuh, die ein junges
Kalb hatte, den D. nieder und tötete ihn. Als darauf der Erhabene nach Sāvatthi
um Almosenspeise gegangen war und, nachdem er gegessen hatte, mit vielen
Bhikkhus aus der Stadt zurückkehrte, sah er den D. tot daliegen und sprach zu
den Bhikkhus: "Legt die Leiche Dārucīriyas auf eine Bahre, tragt sie fort,
verbrennt sie und errichtet ihm ein Grabmal (Thupa); er war euer Mitbruder, der
da gestorben ist." (Er war aber gestorben, bevor er formell in den Orden
aufgenommen werden konnte.) Die Bhikkhus befolgten die Weisung des Erhabenen,
gingen darauf zu ihm und fragten, welches das zukünftige Schicksal Dārucīriyas
sein werde. "Weise war Dārucīriya", erwiderte der Erhabene, "er hat die Lehre
verstanden und befolgt und hat es mir nicht schwer gemacht, ihm die Lehre zu
erklären. Vollkommen erloschen ist Dārucīriya." Bei dieser Gelegenheit sprach er
diesen Spruch:
10
- Wo die vier Elemente nicht bestehen,
- Dort glänzt kein Stern, die Sonne strahlt dort nicht,
- Dort scheint kein Mond und auch kein andres Licht,
- Und doch ist keine Finsternis zu sehen.
-
- Hat dort der Heilige sich selbst gefunden,
- Als echter Weiser, der darüber schweigt,
- Dann hat er beide Welten überwunden
- Und ist erhaben über Glück und Leid (*).
(*) Die Erzählung zu diesem Udāna ist hier, zwar verkürzt, aber in den für
die Lehre wichtigen Sätzen wortgetreu, wiedergegeben worden, weil sie für das
Verständnis der Buddhalehre besonders wichtig ist. Die klare, anschauliche
Erkenntnis, daß alle Dinge nur in unserem Bewußtsein existieren, genügt selbst
für einen Menschen, der, wie Dārucīriya, sonst nichts von der Buddhalehre gehört
hat, zur vollkommenen (inneren) Loslösung von der Welt, d.h. zum Nirvana. -
In dem Versspruch steht für "beide Welten" rūpa arūpa, d.h. die Welt
der anschaulichen, konkreten Dinge und die Welt der unanschaulichen, abstrakten
Ideen (wie Raumunendlichkeit usw.). Ob jedoch damit auf die beiden Arten der
Versenkungen hingewiesen wird, ist zweifelhaft; denn die Bezeichnungen
Rūpajjhāna und Arūpajjhāna kommen im Kanon nicht vor und erscheinen
erst in der späteren Kommentarliteratur.
Jedenfalls steht aber unvergleichlich höher als jene Welten das Nirvana, das
im ersten Teil der Strophe als unvorstellbar, d.h. als transzendent,
charakterisiert wird. (Vgl. Ud. VIII, 1-4!) Darum kann
der Weise darüber nichts aussagen, er muß schweigen.
II. Mucalinda
2.1 Mucalinda
- Glückselig, wer durch Buddhas Wort belehrt,
- Befriedigt weilt in Abgeschiedenheit!
- Glückselig, wer stets liebevoll verkehrt
- Mit aller Welt, frei von Gehässigkeit!
-
- Glückselig, wem kein weltliches Begehren
- Und keine Sinnenlust den Frieden stört!
- Das höchste Glück jedoch wird dem gehören,
- Bei dem der Ich-Wahn ganz hat aufgehört.
(Dieses Udāna soll Buddha kurz nach der Bodhi, dem Erwachen, gesprochen
haben, als ihn der Schlangenkönig Mucalinda gegen Regen und Wind geschützt
hatte; daher der Titel dieser Gruppe.)
2.2 Die Könige
- Magst du auch Sinnenglück und Glück des Himmels finden,
- Viel größer ist das Glück, den Drang zu überwinden.
2.3 Der Stock
- Wer andre Wesen quält, die auch nach Wohlsein streben,
- So wie er selbst, der hat kein Glück im nächsten Leben.
- Wer andre Wesen schont, die auch nach Wohlsein streben,
- So wie er selbst, der findet Glück im nächsten Leben.
( = Dhp.131-132.)
2.4 Verehrt
- Wird Freud' und Leid in Dorf und Wald dir angetan,
- Gib weder anderen noch dir die Schuld daran!
- Eindrücke treffen dich, weil hier noch Karma waltet;
- Kein Eindruck trifft mehr den, der Karma (*) ausgeschaltet.
(*) Für Karma steht im Text upadhi;
die upadhi sind: khandha (Daseinsfaktoren), kamma (Karma,
Wirken, das Folgen nach sich zieht), kilesa (Unreinheiten, weltliche
Schwächen) und kāma (Sinnenlust). Hier ist offenbar Karma gemeint, das
bei dem Heiligen, Erlösten, nicht mehr vorhanden ist. Ihn berühren freudige und
leidige Eindrücke nicht mehr.
2.5 Der Laie
- Wie glücklich ist, wer dem Besitz entsagt
- Und viel studiert, dem Buddhawort ergeben!
- Doch die Besitzenden sind viel geplagt;
- Sie müssen leiblich miteinander leben.
2.6 Die Schwangere
- Wie glücklich ist, wer dem Besitz entsagt;
- Besitzlos hat er Wissensmacht gefunden.
- Doch die Besitzenden sind viel geplagt
- Und durch ihr Denken Mensch an Mensch gebunden.
2.7 Der Einzige Sohn
- Die sich durch liebliche Gestalt verführen ließen,
- Ob sie nun vornehm sind, ob nur gemeine Leute,
- Sie müssen dafür einst mit Leid und Qualen büßen
- Und werden noch zuletzt des Todesfürsten Beute.
2.8 Suppavāsa
- Wer leichtsinnig dahinlebt, täuscht sich meist;
- Erfreulich scheint ihm, was mit Ärger endet,
- Und angenehm, was sich als fad erweist;
- Für Glück hält er, was sich zum Leiden wendet.
2.9 Visākhā
- Viel Leid erfährt, wer andern folgen muß.
- Wohl dem, der als sein eigner Herr kann schalten!
- In der Gemeinschaft gibt es meist Verdruß;
- Gebundenheit ist oft schwer auszuhalten.
2.10 Bhaddiya
- Wen keine Zorngedanken mehr bewegen,
- Wem Vorteil oder Nachteil einerlei,
- Der lebt beglückt, von Furcht und Sorgen frei,
- Und ist den Göttern weitaus überlegen.
III. Nanda
In Udāna III, 2 wird erzählt, wie Nanda - daher die Überschrift - aus dem
Orden austreten wollte, weil er sich in ein Mädchen verliebt hatte; wie Buddha
ihn zum Ausharren bewog, indem er ihm dafür 500 Nymphen in Indras Himmel
versprach; und wie dieses Versprechen dadurch hinfällig wurde, daß Nanda das
Nirvana erreichte. - Der Verfasser dieser Erzählung ist wahrscheinlich der
Kompilator oder der letzte Redaktor des Buchs "Udāna", der Jahrhunderte nach
Buddha lebte; denn nur so ist es zu erklären, daß er, stolz auf seine Dichtung,
nach ihrem Helden dieses ganze Kapitel benannte.
3.1 Frühere Tat
- Ein Bhikkhu, der nichts tut, was Folgen hat
- Für ihn, und tilgte alte Missetat,
- Für den die Dinge hier nichts mehr bedeuten (*),
- Wie sollte der noch jammern vor den Leuten?
(*) d.h., der alles als anattā,
nicht zu ihm gehörig, betrachtet.
3.2 Nanda
- Ein Bhikkhu, der dem Sumpf der Lust entronnen,
- Zertreten hat den Dorn der Sinnlichkeit
- Und sich von der Verblendung ganz befreit,
- Der bleibt im Glück und Unglück stets besonnen.
3.3 Yasoja
- Ein Mönch, der überwand den Dorn der Lustgedanken,
- Der weder zankt noch schlägt, durch nichts sich fesseln lässt,
- Steht unerschütterlich, wie ein Gebirge, fest;
- Für ihn gibt es bei Glück und Ungemach kein Schwanken.
3.4 Sāriputta
- Wie Felsgestein auf festem Untergrund nicht zittert,
- So wird ein wahnbefreiter Mönch durch nichts erschüttert.
(von Sāriputta = Theragāthā
1000)
3.5 Mahā Moggallāna
- Die Körper-Denkübung ist ihm geläufig,
- Er überwacht sich beim Gebrauch der Sinne,
- Gesammelt übt er die Versenkung häufig:
- So wird der Bhikkhu des Nirvana inne.
3.6 Pilindavaccha
- Wer Stolz und Täuschung aufgibt, Gier vernichtet,
- Besitz verschmäht, auf jeden Wunsch verzichtet
- Und nicht mehr zürnt, im Innern still geworden,
- Der ist der rechte Mann im Bhikkhu-Orden.
3.7 Kassapa
- Ein Mönch, der sich von Bettelspeise nährt,
- Sich selbst versorgt und Pflege nicht begehrt,
- In Frieden lebt, in steter Achtsamkeit,
- Ein solcher Mönch erregt der Götter Neid.
3.8 Bettelspeise
- Ein Mönch, der sich von Bettelspeise nährt,
- Sich selbst versorgt und Pflege nicht begehrt,
- Erregt, wenn er von Titeleitelkeit
- Und Ruhmsucht frei sich hält, der Götter Neid.
3.9 Handwerk
- Ein Mönch soll keinerlei Erwerbsgeschäft betreiben;
- Das Heil erstrebend, hat er allseits frei zu bleiben.
- Er lebe ohne Heim und Habe, wunschbefreit
- Und selbstbeherrscht in stiller Einsamkeit.
3.10 Die Welt
- Qualvolle Welt, von Eindrücken geplagt!
- Als "Ich" betrachtet sie, was krank sein kann.
- Es ist doch anders, als sie es sich denkt.
- Die Welt, in der sich alles ändern muss,
-
- Sie hangt und krankt am Dasein, hat es gern.
- Doch was man gern hat, das bringt Angst;
- Wenn man sich ängstigt, quält man sich.
- Vom Dasein loszukommen, hilft das Reinheitsleben.
-
- Asketen und Brahmanen, die behaupten,
- Man könne von dem Dasein sich befreien,
- Indem man es genieße, alle diese
- Sind nicht befreit vom Dasein, sage ich.
-
- Asketen und Brahmanen, die behaupten,
- Entrinnen könne man dem Dasein, wenn
- Man sich kasteie, alle diese sind
- Dem Dasein nicht entronnen, sage ich.
-
- Dies Leiden ist bedingt durch alle Anhaftung;
- Ist alles Haften aufgegeben, gibt's kein Leiden.
- Sieh diese weite Welt, die Wesen krank
- Durch Unverstand, und doch des Daseins froh;
- Sie sind durchaus nicht frei.
- Denn alles Dasein, überall, von jeder Art
- Ist unbeständig, leidvoll, muss sich stets verändern.
-
- Wer dieses, wie es ist, in höchster Weisheit schaut,
- Der dürstet nicht mehr nach Genuß, nicht nach Kasteiung.
- Ist aller Drang, von jeder Art, vernichtet
- Und jede Spur vertilgt, dann ist Nirvana.
- Ein Mönch, der alles Haften aufgegeben,
- Der ist erloschen, wird nicht nochmals leben.
- Besiegt ist Māra und die
Schlacht gewonnen,
- Und allem Dasein ist der Mönch entronnen.
IV. Meghiya
Von dem Bhikkhu Meghiya handelt die Erzählung zu Udāna IV, 1. Dieser, sonst
nicht bekannte, Bhikkhu war, so wird hier erzählt, eine Zeit lang Upatthāka,
d.h. Gehilfe oder Versorger Buddhas (wie später Ananda). Er kündigte seinen
Dienst fristlos unter dem Vorwand, im Wald meditieren zu wollen. Das gelang ihm
aber nicht, und er kam reumütig zurück. Nun gab ihm Buddha eine Belehrung über
Hilfsmittel zum Fortschreiten auf dem Heilsweg. Die Erzählung scheint, wie die
zu III, 2, spätere Dichtung zu sein, vielleicht auch vom Kompilator der
Sammlung. Sie steht übrigens auch im Anguttara-Nikāya IX, 3, aber dort ohne
Udāna.
4.1 Meghiya
- Gedanken, fein und zart, geheime Geistesregung -
- Wer sie nicht kennt, stürmt unstet hin zu neuem Leben;
- Doch wer sie kennt, beherrscht sie fest, mit Überlegung.
- Ein Buddha hat dergleichen restlos aufgegeben.
4.2 Unbewacht
- Wer falscher Lehre folgt, den Körper nicht bewacht
- Und faul und schläfrig ist, kommt unter
Māras Macht.
- Drum hüte die Gedanken, rechten Willen pflege
- Und rechte Einsicht, Mönch, und sei nicht faul und träge;
- Erkenn' das Auf und Ab und meide falsche Wege!
4.3 Der Kuhirte
- Weit Schlimm'res, als ein Feind dem Feind je angetan,
- Tut dem das Denken an, der's nicht beherrschen kann
( = Dhp.42)
4.4 Die Mondnacht
- Wer unerschütterlich wie Felsgestein
- In seinem Denken feststeht ohne Wanken;
- Wen auch das Reizendste nicht mehr begeistert;
- Wem auch bei Ärger keine Zorngedanken
- Aufsteigen; wer das Denken so bemeistert,
- Wie könnte dem noch Leid beschieden sein!
4.5 Der Elefantenbulle
- Der große Weise und das große Tier,
- Der Elefant mit seiner Zähne Zier,
- Sie stimmen in der Meinung überein,
- Wie schön es ist, im Wald allein zu sein.
(*6) 4.6 Pindola
- In Wort und Tat nicht grob! Die Regeln streng beachten!
- Beim Essen Mäßigkeit! Stets nach Alleinsein trachten!
- Und höchste Geisteszucht: dies lehren die Erwachten.
( = Dhammapada 185)
4.7 Sāriputta (1)
- Ein Weiser, der sich, ohne zu ermüden,
- In Geistesschulung übt und Schweigen liebt,
- Besonnen und erfüllt von inn'rem Frieden,
- Weiß, daß für ihn es keinen Kummer gibt.
4.8 Sundarī
- Wie Elefanten in der Schlacht, befehden
- Die unbeherrschten Menschen sich mit Reden.
- Doch, muß ein Bhikkhu grobe Worte hören,
- So lasse er sich nicht im Gleichmut stören!
4.9 Upasena
- Wen hier im Leben nichts mehr quält.
- Braucht um den Tod sich nicht zu sorgen;
- Den Blick auf's Ziel fest eingestellt,
- Bleibt sorglos er, umringt von Sorgen
-
- Hat er den Lebensdrang getilgt
- Und Ruhe seinem Geist gegeben,
- Ist der Geburten Lauf versiegt,
- Dann muß er nicht noch einmal leben.
4.10 Sāriputta (2)
- Wer sein Gemüt zur Ruhe brachte,
- Den Daseinsdrang zunichte machte,
- Für den ist die Geburt vorbei,
- Von Māras Banden ist er frei.
V. Sona Thera
Vom Thera (älteren Bhikkhu) Sona handelt die Erzählung zu Udāna V.6, die dem
Mahā Vagga V.13, 1-10, entnommen ist. Sona bemühte sich mehrere Jahre lang
darum, in den Orden aufgenommen zu werden. Nachdem er es endlich erlangt hatte,
suchte er den Erhabenen auf und hatte eine Unterredung mit ihm, wobei Buddha das
Udāna V.6 sprach.
5.1 Der König
- In allen Gegenden, die es hier gibt,
- Fand ich, daß jeder sich am höchsten schätzt;
- Und so ist's überall. Drum, wer sich liebt,
- Bedenke, daß er andre nicht verletzt!
5.2 Kurzlebig
- Die Wesen, jetzt und künftig, gehn dahin
- Und müssen alle ihren Leib aufgeben.
- Wer dieses Elend sieht mit rechtem Sinn,
- Wird um so eifriger in Reinheit leben.
5.3 Suppabuddha der Lebrakranke
- Ein Sehender wird, wenn er Hindernissen
- Begegnet, sie geschickt zu meistern wissen.
- So soll in dieser Welt der Lebewesen
- Ein Wissender sich hüten vor dem Bösen.
5.4 Die Jungs
- Habt Angst ihr vor dem Leid, seid ihr des Leidens satt,
- So meidet off'ne und geheime Missetat!
- Denn wenn ihr Böses tut, jetzt und zu andrer Zeit,
- So könnt ihr nicht entflieh'n und kommt nicht los vom Leid.
5.5 Der Beichttag
- Es regnet nur, wo Wolken stehen,
- Nicht, wo der Himmel heiter.
- Drum: zieh'n die Wolken weiter,
- Dann ist kein Regen mehr zu sehen.
5.6 Sona
- Ist einer frei von allen ird'schen Band
- Hat er erkannt das Elend dieser Welt
- Und, rein und edel, Buddhas Wort verstanden,
- Dann gibt's nichts Böses, das ihm wohlgefällt.
5.7 Revata
- Wer sich versenkt, der zweifelt nicht daran,
- Daß, was er selbst und andre hier getan,
- Noch Folgen haben wird im nächsten Leben
- Und eifrig wird er stets nach Reinheit streben.
5.8 Ananda
- Das Gute tut ein Guter leicht, ein Schlechter schwer;
- Das Schlechte tut ein Schlechter leicht, ein Edler schwer.
5.9 Anstoss
- Gelehrte Worte wirken wirr bei Leuten,
- Die, ohne Geist, in Redekunst sich üben;
- Sie wissen nicht einmal, was sie bedeuten,
- Und reißen doch den Mund auf nach Belieben.
5.10 Cūla Panthaka
- Hat er im Sitzen, Liegen oder Stehen
- Gefestigt Leib und Geist, ist er bereit,
- Der Mönch, zu üben sich in Achtsamkeit,
- Dann könnte es allmählich wohl geschehen,
- Daß solcher Mönch erlangt Vollkommenheit.
- Dem Todesfürsten wird er dann entgehen.
VI. Die Blindgeborenen
Die Überschrift bezieht sich auf die Erzählung zu Udāna VI.4, das Gleichnis
von den Blindgeborenen, die einen Elefanten betasteten und nach ihren
mangelhaften Eindrücken beschreiben, ein jeder nach dem Teil, den er gerade
betastet hat, danach aber in Streit geraten.
6.1
- Verzichtet hat der Weise auf das Leben
- Von jeder Art und auf den Lebenstrieb;
- Gesammelt, freudig hat er's aufgegeben,
- Als ob er einen Panzerrock zerhieb.
[Dieses Udāna hat Buddha, nach dem Bericht des Mahāparinibbānasutta 3,
gesprochen, als er auf seiner letzten Wanderung bei dem Capala-Denkmal den
Entschluß gefaßt hatte, nach drei Monaten zu scheiden. Im Pali ist der letzte
Vers wahrscheinlich entstellt überliefert, denn in dem Sanskritwerk Divyavadana
hat der Vers, ganz ähnlich lautend, einen besseren Sinn. Hiernach wäre zu
übersetzen:
- Verzichtet hat der Weise auf das Leben
- Von jeder Art und auf den Lebenswillen;
- Gesammelt, freudig hat er's aufgegeben,
- Gleichwie das Hühnchen bricht des Eies Hüllen.
Ebenso lautet das Udāna auch im Fo-so-hsing-t'san-ching, der chinesischen
Übersetzung des Buddhacarita Asvagoshas.]
6.2
- Auf Vielgeschäftigkeit laß dich nicht ein,
- Bekleide nicht bei andern einen Posten
- Und lebe nicht auf andrer Leute Kosten!
- Die Lehre soll dir kein Gewerbe sein.
6.3
- Es war einst, dann war's nicht; es war nicht und war dann;
- Es war nicht, wird nicht sein; jetzt ist es abgetan.
(Dies soll Buddha gesprochen haben nach einer Betrachtung der Fehler, die er
abgelegt, und der guten Eigenschaften, die er in sich entfaltet hatte).
6.4
- Es plagen mit der Theorie sich einige Asketen
- Und streiten, weil vom Ganzen sie nur einen Teil erspähten.
6.5
- Es plagen mit der Theorie sich einige Asketen
- Und streiten, ohne daß sie nur den Sinn verstanden hätten.
(oder, nach dem Kommentar: "ohne daß sie das Heil gefunden hätten". Die
Bedeutung des seltenen Wortes ogadhā, das ich mit "Sinn" übersetzt habe,
ist zweifelhaft).
6.6
- Die Leute glauben an das "Ich" und "Du"
- Und sehen nicht den Stachel in den Wunden.
- Doch wer den Stachel sehend überwunden,
- Dem kommt kein "Ich-und-Du''-Gedanke zu.
- Der Stolz beherrscht die Menschen, fesselt sie,
- Der Stolz verstrickt sie, und die Theorie,
- Die falsche, macht, daß der Geburten Lauf
- Für die Betörten niemals höret auf.
6.7
- Wer Denken und auch Sinnen eingestellt
- Und sich gesammelt hat, im Geist entzückt (*),
- Der ist von dieser Fessel frei und blickt
- Nicht mehr auf Dinge dieser Körperwelt
- Hat er die vier Verstrickungen (āsava)
zerstört,
- Dann hat Geborenwerden aufgehört.
(*) d.i. die 2. Stufe der Versenkung (jhāna).
6.8
- Zwei Übertreibungen sind zu vermeiden:
- Der eine quält sich mit der Selbstkasteiung,
- Doch was er damit schafft und schaffen will,
- Ist unrein wie sein ganzes Unterfangen.
- Die rituellen Handlungen und Keuschheit
- Sind ihm das Wesentliche seines Strebens.
- Der andre meint, daß im Genuß der Sinne
- Nichts Ungebührliches zu finden sei.
- Die beiden Übertreibungen vermehren
- Die Leichenstätten, und die Leichenstätten
- Vermehren wieder nur die Irrtümer.
- Wer diese beiden Übertreibungen
- Noch nicht erkannt hat, bleibt am Boden liegen,
- Er stürmt auch wohl noch über's Ziel hinaus.
- Nur wer sie kennt und wen sie nicht mehr binden,
- Kann aus dem Daseinslauf den Ausweg finden.
6.9
- Wie Motten flattern sie heran und finden
- Das Wahre nicht; erneute Fesseln binden
- Sie an das Licht, sie stürzen sich hinein,
- Getäuscht, genarrt von ihrer Sinne Schein.
6.10
- Glühwürmchen leuchten, wo die Sonne fehlt;
- Strahlt erst die Sonne, ist ihr Glanz vorbei.
- So leuchten andre nur, bis in der Welt
- Ein Buddha auftritt; vorher gibt's kein Licht
- Für Denker, und es gibt auch Jünger nicht.
- Die schlecht Belehrten sind von Leid nicht frei.
VII. Das Kleine Kapitel
Die Überschrift besagt, daß die Erzählungen in diesem Abschnitt durchweg kurz
sind.
7.1
- Bist du befreit nach allen Seiten hin,
- Befreit vor allem von dem Wahn "Ich bin",
- So konntest endlich du die Flut durchqueren
- Und brauchst nicht mehr zur Welt zurückzukehren.
7.2
- Das Rad ist zerbrochen, das Wünschen gestillt;
- Vertrocknet der Strom, kein Wasser mehr quillt.
- Zerbrochenes Rad kann nicht mehr sich drehen.
- So mußte das Leiden zu Ende gehen.
7.3
- Die Wesen sind in Sinnenlust befangen,
- Sie sind gefesselt und sie sehen nicht,
- Wie gut es ist, daß man die Fesseln bricht.
- Gefesselt werden sie es nie erlangen,
- Den Strom, den breiten, zu überschreiten.
7.4
- In Lüsten blind, gesperrt in Netzgehäuse,
- Vom Daseinsdrang vollständig eingeschnürt,
- Von liederlichen Freunden gar verführt,
- So zappeln sie, wie Fische in der Reuse.
- Sie laufen, wie das junge Kalb zur Kuh,
- Dem Altern und dem Sterben sorglos zu.
7.5
- Der Wagen hat nur eine Deichsel zwar,
- Doch fährt er ordentlich mit weißem Dach.
- Seht, wer da kommt! Nichts Schlechtes sagt ihm nach!
- Den Strom hat er durchquert, der Fesseln bar.
(Die Erzählung hierzu handelt von einem verwachsenen, unansehnlichen Bhikkhu,
der von anderen mißachtet wird, den aber Buddha als einen Heiligen erkennt).
7.6
- Wo keine Wurzel, Erde, Blatt zu sehen,
- Wie sollte dort ein Schlinggewächs entstehen?
- Den von den Fesseln ganz befreiten Weisen,
- Ihn, den die Götter und auch Brahma preisen,
- Den Heiligen, wer sollte den wohl schmähen?
7.7
- Wer nicht mehr bleibt in der Erscheinungswelt,
- Wer Zwang und Hindernisse abgestellt
- Und drangfrei wandelt, müssen diesen Weisen
- Nicht alle Welt und auch die Götter preisen?
7.8
- Wer immer wieder seine Andacht hier
- Dem Körper widmet und dabei sieht ein:
- "Er ist vergänglich, er gehört nicht mir
- Und wird auch künftig nicht mein Eigen sein",
- Der überwindet sicher mit der Zeit,
- Wenn er so fortfährt, die Begehrlichkeit.
7.9
- Wenn's nicht an Wasser fehlt, warum zum Brunnen gehen?
- Wenn Drang entwurzelt ist, wie könnt' ein Wunsch entstehen?
7.10
- Obwohl in Wahn verstrickt, scheint diese Welt
- In guter Ordnung, und, von Nacht umgeben,
- Scheint ewig ein betörter Mensch zu leben,
- Der doch nur schmachtet in des Daseins Banden.
- Für Wissende ist ringsum nichts vorhanden.
VIII. Pataligama
Udāna VIII, 6 ist ein Stück aus dem Mahāparinibbānasutta; es berichtet von
Gotamas Aufenthalt in Pataligama, dem heutigen Patna, wo er auf wunderbare Weise
die Ganga überschritten haben soll; daher die Überschrift.
8.1
- Es gibt ein Reich, wo die vier Elemente,
- Aus denen sich die Welt aufbaut, nicht sind.
- Es ist nicht das der Raumunendlichkeit,
- Nicht das, wo Wahrnehmung unendlich ist,
- Nicht das des Nichts und nicht das Grenzgebiet,
- Wo Wahrnehmung nicht ist und doch nicht fehlt.
- Es ist nicht diese Welt und keine andre.
- Dort gibt es keine Sonne, keinen Mond.
- Das nenn' ich, Bhikkhus, Kommen nicht noch Gehen
- Noch Stehenbleiben, auch nicht Untergehen
- Und Neuerscheinen; es ist ohne Stütze,
- Auch ohne Wandlung, ohne Gegenstände,
- Und alles Leiden findet dort sein Ende.
8.2
- Schwer ist die Nicht-Ich-Lehre zu verstehen;
- Die Wahrheit wird ja niemals gern gesehen.
- Nur wer sie kennt, der wird vom Drang befreit
- Und er durchschaut der Dinge Nichtigkeit.
8.3
- Es gibt, ihr Bhikkhus, ein Nichtgeborenes, Nichtgewordenes,
- Nichtgeschaffenes, Nichtaufgebautes.
- Wenn es, Bhikkhus, dieses Nichtgeborene, Nichtgewordene,
- Nichtgeschaffene, Nichtaufgebaute nicht gäbe,
- Dann wäre ein Ausweg aus dem Geborenen, Gewordenen,
- Geschaffenen, Aufgebauten nicht zu erkennen.
- Da es aber, Bhikkhus, das Nichtgeborene, Nichtgewordene,
- Nichtgeschaffene, Nichtaufgebaute gibt,
- Darum ist ein Ausweg aus dem Geborenen, Gewordenen,
- Geschaffenen, Aufgebauten zu erkennen.
8.4
- Wer an etwas hangt, hat Unruhe;
- Wer an nichts hangt, hat keine Unruhe.
- Wo keine Unruhe ist, da ist Ruhe;
- Wo Ruhe ist, da ist keine sinnliche Lust;
- Wo keine sinnliche Lust ist, da ist kein Kommen und Gehen
- Wo kein Kommen und Gehen ist,
- Da ist kein Vergehen und Neuentstehen;
- Wo kein Vergehen und Neuentstehen ist,
- Da ist weder diese noch jene Welt,
- Noch was zwischen beiden liegt. Dies ist des Leidens Ende.
8.5
- Dem Geber wächst Verdienst allmählich;
- Wer sich beherrscht, hört auf zu hassen;
- Der Gute wird vom Bösen lassen;
- Wer Gier, Haß, Wahn besiegt, wird selig.
8.6
- Die Flut, die wogende, zu überschreiten,
- Erbaut man Dämme, Sümpfe einzukreisen,
- Wogegen andre sich ein Floß bereiten.
- Hinüber kommen ohne dies die Weisen,
(So soll Buddha gesprochen haben, nachdem er auf wunderbare Art die Ganga
überschritten hatte. Nach dem Sanskrit-Mahāparinirvanasutra hätte die Verse
jedoch nicht Buddha, sondern ein Bhikkhu gesprochen. Vgl. Ernst Waldschmidt,
"Die Überlieferung vom Lebensende des Buddha", Seite 62.)
8.7
- Ein Wissender, muß er mit einem andern
- Zusammen wohnen, umgehn oder wandern,
- Erkennt das Übel, weiß es zu umgehen,
- Wie junge Reiher nicht im Tiefen stehen.
8.8
- Sobald du etwas haben willst
- Für dich, für dich allein,
- So stellt sich auch im Augenblick
- Das Leid des Lebens ein.
8.9
- Sobald du nichts mehr haben willst
- Für dich in weiter Welt,
- So schwindet jedes Leid dahin,
- Das dich in Banden hält.
8.10
- Darum ist glücklich, ohne Leid,
- Wer nichts für sich verlangt.
- Es gibt in weiter Welt nichts mehr,
- Um das sein Herz noch bangt.
[Diese Verse schrieb mir Anton Hartmann nach einem Gespräch über dieses
Udāna. Sie sind zwar eine etwas freie Umschreibung, geben aber den Sinn gut
wieder. In Wirklichkeit heißt es folgendermaßen:
- Wer hundertfaches Liebes hat, hat hundertfaches Leid.
- Wer neunzigfaches Liebes hat, hat neunzigfaches Leid -
- (und so die ganze Zahlenreihe herab in aller Vollständigkeit, bis
geschlossen wird:)
- Wer ein Liebes hat, hat ein Leid. Wer kein Liebes hat, hat kein Leid. ]
11
- Zerbrochen ist der Leib, Wahrnehmung hingeschwunden,
- Auch die Empfindungen sind alle aufgezehrt,
- Die Lebenstätigkeit hat Ruh' gefunden,
- Und das Bewußtsein - es hat aufgehört.
12
- Wohin die Funken gingen, die, geschlagen
- Vom Eisenhammer, glühend sich verzehrten,
- Weiß niemand, und so kann auch niemand sagen,
- Wohin die Weisen gingen, die durchquerten
- Den Strom der Lust und kamen, ganz befreit,
- Zu unerschütterlicher Seligkeit.