Majjhima Nikaya, Mittlere Sammlung

ERSTES HALBHUNDERT (Mūlapaṇṇāsam)

Vierter Teil (Vaggo Catuttho) - Erstes Buch der Paare (mahāyamakavaggo)

35. (IV,5) Cūlasaccaka Sutta (Saccako I)

 

DAS HAB' ICH GEHÖRT. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Vesali, im Großen Walde, in der Halle der Einsiedelei. Zur selben Zeit nun lebte der junge Niganther Saccako in Vesali, ein geübter Dialektiker, ein trefflicher Redner, hoch angesehn bei vielen. Der kündigte nun in ganz Vesali an: "Den Asketen oder Priester möchte ich kennen, sei er auch ein Meister mit zahlreichen Jün­gern und Anhängern, und hielt' er sich gleich für den Heiligen, vollkommen Erwachten, der im Redekampfe mit mir nicht wankte, bebte, erzitterte, dem nicht der Angstschweiß aus den Achselhöhlen rieselte! Ja, wenn ich eine leb­lose Säule mit meiner Rede anginge, würde selbst diese, von der Rede ge­trof­fen, wanken, beben, erzittern ‑ geschweige ein Menschlein!"

 

            Da nun begab sich der ehrwürdige Assaji, zeitig gerüstet, mit Mantel und Schale versehn, auf den Almosengang nach Vesali. Saccako aber, der junge Ni­gan­ther, spazierte gerade in den Straßen Vesalis auf und ab, hin und her, und sah den ehrwürdigen Assaji von ferne herankommen. Als er den ehrwür­digen Assaji gesehn ging er auf ihn zu, wechselte höflichen Gruß und freund­liche, denkwürdige Worte mit ihm und trat an seine Seite. Hierauf nun sprach Saccako der junge Niganther zum ehrwürdigen Assaji also:

 

            "Wie unterweist denn, verehrter Assaji, der Asket Gotamo seine Jünger, und welcherart ist die Belehrung, die bei den Jüngern des Asketen Gotamo am meisten gilt?"

 

            "So, Aggivessano, unterweist der Erhabene seine Jünger, und solcherart ist die Belehrung, die bei den Jüngern des Erhabenen am meisten gilt: 'Der Körper, ihr Mönche, ist vergänglich, das Gefühl ist vergänglich, die Wahr­nehmung ist vergänglich, die Unterscheidungen sind vergänglich, das Be­wußtsein ist vergänglich. Der Körper, ihr Mönche, ist wesenlos, das Gefühl ist wesen­los, die Wahrnehmung ist wesenlos, die Unterscheidungen sind we­senlos, das Bewußtsein ist wesenlos. Alle Unterscheidungen sind vergäng­lich, alle Dinge sind wesenlos.' So, Aggivessano, unterweist der Erhabene seine Jünger, und solcherart ist die Belehrung, die bei den Jüngern des Erha­benen am meisten gilt."

 

            "Schlechtes, wahrlich, haben wir gehört, Assaji, die wir solche Rede des Asketen Gotamo gehört haben! O daß wir doch gelegentlich einmal mit je­nem verehrten Gotamo zusammenträfen, daß doch irgendeine Unterredung stattfände, damit wir diese verderbliche Ansicht erledigten!"

 

            Zu jener Zeit nun waren die licchavischen Fürsten mit ihrem Gefolge, fünf­hundert Mann stark, im städtischen Herrenhause zusammengekommen, irgend­eine Angelegenheit zu beratschlagen. Da nun begab sich Saccako der junge Ni­gan­ther dorthin wo die Licchavier weilten, und sprach hierauf also zu ihnen:

 

            "Mögen die erlauchten Licchavier zugegen sein, mögen die erlauchten Licchavier zugegen sein! Heute wird zwischen mir und dem Asketen Gotamo eine Disputation stattfinden. Wenn mir da der Asket Gotamo ebenso ent­gegentritt, wie einer seiner bekannten Jünger, der Mönch Assaji, mir ent­gegengetreten ist, so werde ich den Asketen Gotamo, gleichwie etwa ein starker Mann einen lang­haarigen Widder bei den Haaren ergreifen, heran­ziehn, herumziehn, rings herum­ziehn mag, mit der Rede heranziehn, her­umziehn, rings herumziehn; oder gleich­wie etwa der starke Knecht eines Branntweinbrenners das große Filtriergeflecht in einen tiefen Wasserpfuhl werfen, am einen Ende festhalten, heranziehn, her­um­ziehn, rings herumziehn mag, so werde auch ich den Asketen Gotamo mit der Rede heranziehn, herumziehn, rings herumziehn; oder gleichwie etwa ein rüsti­ger Branntwein­säuberer das Destilliersieb am Henkel packen, hinschwenken, her­schwenken, ausseihen mag, so werde auch ich den Asketen Gotamo mit der Rede hin­schwenken, herschwenken, ausseihen; oder gleichwie etwa ein sechzigjäh­riger Elefant in einen tiefen Lotusweiher steigt und ein sogenanntes Spritzbad zur Erholung vornimmt, so gedenke auch ich mit dem Asketen Gotamo eine Art Spritz­bad zur Erholung vorzunehmen. Mögen die erlauchten Lic­chavier zugegen sein, mögen die erlauchten Licchavier zugegen sein! Heute wird zwischen mir und dem Asketen Gotamo eine Disputation stattfinden."

 

            Da sagten einige der Licchavier: "Wie nun? Wird der Asket Gotamo das Wort Saccakos, des Niganthersohns, aufheben, oder wird Saccako, der Ni­gan­ther­sohn, das Wort des Asketen Gotamo aufheben?" Andere der Lic­chavier sagten: "Wie nun? Wird dieser Prahler Saccako, der Niganthersohn, das Wort des Er­ha­benen aufheben, oder wird der Erhabene das Wort Saccakos, des Niganther­sohns, aufheben?" Und Saccako Niganthaputto begab sich nun, von den fünf­hundert Liccha­viern begleitet, zum Großen Walde, zur Halle der Einsiedelei.

 

            Um diese Zeit nun erging sich eine Schar Mönche im Freien. Da trat Sac­cako der junge Niganther zu den Mönchen heran und sprach also zu ihnen:

 

            "Wo weilt denn, Liebe, der verehrte Gotamo jetzt? Wir möchten gern jenen verehrten Gotamo sehn!"

­            "Der Erhabene, Aggivessano, hat sich in den Großen Wald begeben und weilt bis gegen Abend unter einem Baume sitzend."

 

            Da nun wandte sich Saccako der junge Niganther mit der zahlreichen Schar der Licchavier in das Innere des Großen Waldes, suchte den Erhabenen auf, wechsel­te höflichen Gruß und freundliche, denkwürdige Worte mit dem Er­habenen und setzte sich zur Seite nieder. Von jenen Licchaviern aber ver­neigten sich einige ehrerbietig vor dem Erhabenen und setzten sich zur Seite nieder; andere wechselten höflichen Gruß und freundliche, denkwürdige Worte mit dem Erhabenen und setzten sich zur Seite nieder; einige wieder falteten die Hände zum Er­ha­benen und setzten sich zur Seite nieder; andere wieder gaben beim Erhabenen Namen und Stand zu erkennen und setzten sich zur Seite nieder; und andere setzten sich still zur Seite nieder. Hierauf nun sprach Saccako der junge Niganther zum Erhabenen also:

 

            "Darf ich den verehrten Gotamo über irgend etwas befragen, wenn mir der verehrte Gotamo der Frage Beantwortung gewähren will?"

            "Frag', Aggivessano, nach Belieben."

            "Wie unterweist denn der verehrte Gotamo seine Jünger, und welcherart ist die Belehrung, die bei den Jüngern des verehrten Gotamo am meisten gilt?"

            "So, Aggivessano, unterweise ich die Jünger, und solcherart ist die Be­leh­rung, die bei meinen Jüngern am meisten gilt:

 

                        'Der Körper, ihr Mönche, ist vergänglich,
                        das Gefühl ist vergänglich,
                        die Wahrnehmung ist vergänglich,
                        die Unterscheidungen sind vergänglich,
                        das Bewußtsein ist vergänglich.
 
                        Der Körper, ihr Mönche, ist wesenlos,
                        das Gefühl ist wesenlos,
                        die Wahrneh­mung ist wesenlos,
                        die Unterscheidungen sind wesenlos,
                        das Bewußtsein ist wesenlos.
 
                        Alle Unterscheidungen sind vergänglich,
                        alle Dinge sind wesen­los.'

 

So, Aggivessano, unterweise ich die Jünger, und solcherart ist die Be­lehrung, die bei meinen Jüngern am meisten gilt."

 

            "Ein Gleichnis, o Gotamo, leuchtet mir auf!"

            "Es leuchte dir auf, Aggivessanon, sprach der Erhabene.

            "Gleichwie etwa, o Gotamo, alle die Samen und Pflanzen, die zum Ge­deihen, zur Reife und Entfaltung gelangen, durch die Erde bedingt sind, auf die Erde sich stützen und also zum Gedeihen, zur Reife und Entfaltung ge­langen; oder gleichwie etwa ferner, o Gotamo, alle die Kraft erfordernden Werke durch die Erde bedingt sind, auf die Erde sich stützen und also aus­geführt werden: ebenso nun auch, o Gotamo, lebt und webt der Mensch in der Körperlichkeit, auf den Körper sich stützend erzeugt er Gutes oder Bö­ses; lebt und webt der Mensch in der Fühlbarkeit, auf das Gefühl sich stüt­zend erzeugt er Gutes oder Böses; lebt und webt der Mensch in der Wahr­nehmbarkeit, auf die Wahrnehmung sich stützend erzeugt er Gutes oder Böses; lebt und webt der Mensch in der Unterscheidbarkeit, auf die Unter­scheidungen sich stützend er­zeugt er Gutes oder Böses; lebt und webt der Mensch in der Bewußtbarkeit, auf das Bewußtsein sich stützend erzeugt er Gutes oder Böses."

 

            "So ist wohl das, Aggivessano, deine Meinung: `Der Körper ist mein Selbst, das Gefühl ist mein Selbst, die Wahrnehmung ist mein Selbst, die Un­terscheidungen sind mein Selbst, das Bewußtsein ist mein Selbst'?"

 

            "Gewiß, o Gotamo! Ich sage: 'Der Körper ist mein Selbst, das Gefühl ist mein Selbst, die Wahrnehmung ist mein Selbst, die Unterscheidungen sind mein Selbst, das Bewußtsein ist mein Selbst', und diese große Menge sagt es auch!"

 

            "Was geht dich denn, Aggivessano, die große Menge an? Laß' es nur, Ag­givessano, bei deinem eigenen Worte bewenden."

 

            "Wohlan denn, o Gotamo, ich sage: 'Der Körper ist mein Selbst, das Ge­fühl ist mein Selbst, die Wahrnehmung ist mein Selbst, die Unterscheidungen sind mein Selbst, das Bewußtsein ist mein Selbst !'"

 

            "So will ich dir nun, Aggivessano, hierüber Fragen stellen: wie's dir gut­dünkt, magst du sie beantworten. Was meinst du wohl, Aggivessano: er­füllte sich einem gesalbten Kriegerkönige, wie zum Beispiel dem König Pase­nadi von Kosalo oder dem König Ajātasattu Vedehiputto von Magadha, der Wunsch, in seinem Reiche einen zum Tode Verurteilten hinrichten, oder einen in die Acht zu Erklärenden Ächten, oder einen Bannwürdigen bannen zu lassen?"

 

            "Gewiß, o Gotamo, erfüllte sich dieser Wunsch einem gesalbten Krieger­könige, wie etwa dem König Pasenadi von Kosalo oder dem König von Ma­gadha Ajātasattu, dem Sohne der Videherin. Ja sogar diesen zahlreich ver­sammelten Fürsten hier, o Gotamo, wie zum Beispiel den Vajjinern, den Mal­lern, erfüllt sich der Wunsch, im eigenen Gebiete hinrichten, ächten und bannen zu lassen ‑ wie also erst einem gesalbten Kriegerkönige, als wie dem König Pasenadi von Kosalo oder dem König Ajātasattu Vedehiputto von Ma­gadha! Er mag sich er­füllen, o Gotamo, und es ist Recht so!"

 

            "Was meinst du nun, Aggivessano, der du also sprichst, `Der Körper ist mein Selbst', erfüllt sich dir bei diesem Körper der Wunsch: `So soll mein Kör­per sein, so soll mein Körper nicht sein'?"

 

            Auf diese Worte blieb Saccako Niganthaputto stumm. Und zum zweiten­mal sprach der Erhabene zu Saccako Niganthaputto also:

            "Was meinst du wohl, Aggivessano, der du also sprichst, `Der Körper ist mein Selbst', erfüllt sich dir bei diesem Körper der Wunsch: `So soll mein Kör­per sein, so soll mein Körper nicht sein'?"

 

            Und zum zweitenmal blieb Saccako Niganthaputto stumm. Da nun sprach der Erhabene zu Saccako Niganthaputto also: "Antworte jetzt, Aggivessano, jetzt geziemt es dir nicht zu schweigen. Wer da zum drittenmal, Aggivessano, nach Rechtens vom Vollendeten gefragt keine Antwort gibt, dessen Haupt zerspringt alsbald in sieben Teile."

 

            Zu jener Zeit nun stand ein blitzhändiger Geist mit blitzendem glühendem sprühendem flammendem Strahle oberhalb des Saccako Niganthaputto in der Luft: "Wenn dieser Saccako Niganthaputto, vom Erhabenen zum drittenmal nach Rechtens gefragt, keine Antwort geben will, so werde ich ihm alsbald das Haupt in sie­ben Teile zersprengen." Dieser blitzhändige Geist war aber nur dem Erhabenen sichtbar und dem Saccako Niganthaputto. Da suchte nun Saccako der junge Nigan­ther entsetzt, erschüttert, gesträubten Haares, beim Erhabenen Rettung, beim Erhabenen Schutz, beim Erhabenen Zuflucht und sprach zum Erhabenen also:

            "Möge mich der verehrte Gotamo befragen, ich werde antworten!"

            "Was meinst du wohl, Aggivessano, der du also sprichst, `Der Körper ist mein Selbst', erfüllt sich dir bei diesem Körper der Wunsch: `So soll mein Körper sein, so soll mein Körper nicht sein'?"

            "Das nicht, o Gotamo!"

            "Merk' es dir, Aggivessano, und wenn du es dir gemerkt hast, Aggives­sano, antworte; denn du verbindest nicht das Letzte mit dem Ersten, oder das Erste mit dem Letzten. Was meinst du wohl, Aggivessano, der du also sprichst, `Das Gefühl ist mein Selbst', erfüllt sich dir bei diesem Gefühle der Wunsch: `So soll mein Gefühl sein, so soll mein Gefühl nicht sein'?"

            "Das nicht, o Gotamo!"

            "Merk' es dir, Aggivessano, und wenn du es dir gemerkt hast, Aggives­sano, antworte; denn du verbindest nicht das Letzte mit dem Ersten, oder das Erste mit dem Letzten. Was meinst du wohl, Aggivessano, der du also sprichst, 'Die Wahrnehmung ist mein Selbst', erfüllt sich dir bei dieser Wahrnehmung der Wunsch: 'So soll meine Wahrnehmung sein, so soll meine Wahrnehmung nicht sein'?"

            "Das nicht, o Gotamo!"

            "Merk' es dir, Aggivessano, und wenn du es dir gemerkt hast, Aggives­sano, antworte; denn du verbindest nicht das Letzte mit dem Ersten, oder das Erste mit dem Letzten. Was meinst du wohl, Aggivessano, der du also sprichst, `Die Unterscheidungen sind mein Selbst', erfüllt sich dir bei diesen Unter­scheidungen der Wunsch: `So sollen meine Unterscheidungen sein, so sollen meine Unterscheidungen nicht sein'?"

            "Das nicht, o Gotamo!"

            "Merk' es dir, Aggivessano, und wenn du es dir gemerkt hast, Aggives­sano, antworte; denn du verbindest nicht das Letzte mit dem Ersten, oder das Erste mit dem Letzten. Was meinst du wohl, Aggivessano, der du also sprichst, 'Das Bewußtsein ist mein Selbst', erfüllt sich dir bei diesem Bewußtsein der Wunsch: `So soll mein Bewußtsein sein, so soll mein Bewußtsein nicht sein'?"

            "Das nicht, o Gotamo!"

            "Merk' es dir, Aggivessano, und wenn du es dir gemerkt hast, Aggives­sano, antworte; denn du verbindest nicht das Letzte mit dem Ersten, oder das Erste mit dem Letzten. Was meinst du wohl, Aggivessano: ist der Körper unver­gänglich oder vergänglich?"

            "Vergänglich, o Gotamo!"

            "Was aber vergänglich, ist das weh' oder wohl?"

            "Weh', o Gotamo!"

            "Was aber vergänglich, wehe, wandelbar ist, kann man etwa davon be­haup­ten: `Das gehört mir, das bin ich, das ist mein Selbst'?"

            "Freilich nicht, o Gotamo!"

            "Was meinst du wohl, Aggivessano: sind Gefühl, Wahrnehmung, Unter­schei­dungen, Bewußtsein unvergänglich oder vergänglich?"

            "Vergänglich, o Gotamo!"

            "Was aber vergänglich, ist das weh' oder wohl?"

            "Weh', o Gotamo!"

            "Was aber vergänglich, wehe, wandelbar ist, kann man etwa davon be­haup­ten: `Das gehört mir, das bin ich, das ist mein Selbst'?"

            "Gewiß nicht, o Gotamo!"

            "Was meinst du nun, Aggivessano: wer da Wehem anhängt, Wehem nachfolgt, Wehem verbunden ist, Wehes also betrachtet: `Das gehört mir, das bin ich, das ist mein Selbst', kann etwa der das Wehe wirklich begreifen, kann der das Wehe ringsum von sich abhalten?"

            "Wie wär' es möglich, o Gotamo, das nicht, o Gotamo!"

            "Gleichwie etwa, Aggivessano, wenn ein Mann, der Kernholz begehrt, Kern­holz sucht, auf Kernholz ausgeht, mit einem scharfen Beile versehn in den Wald ginge; dort erblickte er eine Gruppe zahlreicher Bananenpalmen, gerade, jung, schön gewachsen; eine derselben fällte er an der Wurzel, schnitte die Krone ab und rollte hierauf den aus Blattscheiden gebildeten Stamm auf; indem er da diese Blattscheidenröhre auseinanderrollte fände er nicht einmal Grünholz, ge­schweige Kernholz: ebenso hast du dich nun, Aggivessano, in deinem Gespräche mit mir hohl, leer, nichtig erwiesen. Denn du hast ja, Ag­givessano, zu den Vesaliern also gesprochen: 'Den Asketen oder Priester möchte ich kennen, sei er auch ein Meister mit zahlreichen Jüngern und Anhängern, und hielt' er sich gleich für den Heiligen, vollkommen Erwachten, der im Redekampfe mit mir nicht wankte, bebte, erzitterte, dem nicht der Angstschweiß aus den Achselhöhlen rieselte! Ja, wenn ich eine leblose Säule mit meiner Rede anginge, würde selbst diese, von der Rede getroffen, wan­ken, beben, erzittern ‑ geschweige ein Menschlein!' Dir jedoch, Aggives­sano, haben sich Schweißtropfen von der Stirne gelöst, sind über den Mantel herab auf die Erde gefallen. Mein Körper aber, Aggivessano, ist gegenwärtig frei von Schweiß."

            So bot der Erhabene in dieser Versammlung einen Anblick dar rein wie Gold.

            Auf diese Worte setzte sich Saccako der junge Niganther verstummt und verstört, gebeugten Rumpfes, gesenkten Hauptes, das Antlitz von brennen­der Röte übergossen, wortlos nieder.

            Als nun Dummukho, einer der Licchavier, sah, wie Saccako der junge Niganther verstummt und verstört, gebeugten Rumpfes, gesenkten Haup­tes, das Antlitz von brennender Röte übergossen, wortlos dasaß, sprach er zum Erhabenen also:

            "Ein Gleichnis, Erhabener, leuchtet mir auf!"

            "Es leuchte dir auf, Dummukho", sprach der Erhabene.

            "Gleichwie, o Herr, wenn da in der Nähe eines Dorfes oder einer Stadt ein Teich wäre, und darin befände sich eine Krabbe; aus diesem Dorfe oder dieser Stadt, o Herr, zöge nun eine Schar von Knaben oder Mädchen hinaus, zu jenem Teiche hin. Dort badeten sie, fänden die Krabbe und würfen sie aus dem Wasser heraus, an das Ufer. So oft nun, o Herr, die Krabbe eine Schere aus­streckte, so oft würfen die Knaben oder Mädchen mit Holz oder mit Kies und Steinen danach. Und so wäre, o Herr, diese Krabbe an allen Gliedern zer­troffen, zerbrochen, zerstört, außerstande wieder ins Wasser zu krabbeln wie früher: ebenso nun auch, o Herr, sind dem Saccako Niganthaputto alle seine Stacheln, Dornen und Zacken vom Erhabenen zertroffen, zerbrochen, zer­stört worden, und nunmehr, o Herr, ist Saccako Niganthaputto außerstande wiederum an den Erhabenen heranzutreten, zu einer freislichen Unterredung."

 

            Auf diese Worte sprach Saccako Nigantthaputto zum Licchavier Dum­mukho also:

            "Geh' du nur, Dummukho, geh' du nur, Dummukho! Nicht mit dir reden wir, wir reden hier mit dem verehrten Gotamo. ‑ Dahingestellt sei, o Go­tamo, jene Dialektik, wie sie zwischen mir und den anderen, gewöhnlichen Asketen und Priestern im Schwange ist: sie dünkt mich eitles Geschwätz! Inwiefern aber ist nun ein Jünger des verehrten Gotamo ordensgetreu, der Belehrung zugänglich, zweifelentronnen, ohne Schwanken und verweilt, in sich selber gewiß, auf keinen anderen gestützt im Orden des Meisters?"

 

            "Da betrachtet, Aggivessano, ein Jünger von mir:

 

            "Was es auch an Körper­lichem gibt, vergangenes, zukünftiges, gegen­wär­tiges, eigenes oder fremdes, grobes oder feines, gemeines oder edles, fernes oder nahes: alles Körperliche betrachtet er, der Wahrheit gemäß, mit voll­kommener Weisheit also: 'Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst.'

 

            "Was es auch an Gefühl gibt, vergangenes, zukünftiges, gegenwärtiges, eigenes oder frem­des, grobes oder feines, gemeines oder edles, fernes oder nahes: alles Gefühl betrachtet er, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weis­heit also: 'Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst.'

 

            "Was es auch an Wahrnehmung gibt, vergangene, zukünftige, gegenwärtige, eigene oder fremde, grobe oder feine, gemeine oder edle, ferne oder nahe: alle Wahrneh­mung be­trach­tet er, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit also: 'Die gehört mir nicht, die bin ich nicht, die ist nicht mein Selbst.'

 

            "Was es auch an Unterscheidungen gibt, vergangene, zukünftige, gegen­wärtige, eigene oder fremde, grobe oder feine, gemeine oder edle, ferne oder nahe: alle Unter­scheidungen betrachtet er, der Wahrheit gemäß, mit vollkom­mener Weisheit also: 'Die gehören mir nicht, die bin ich nicht, die sind nicht mein Selbst.'

 

            "Was es auch an Bewußtsein gibt, vergangenes, zukünftiges, gegen­wär­tiges, eigenes oder fremdes, grobes oder feines, gemeines oder edles, fer­nes oder nahes: alles Bewußtsein betrachtet er, der Wahrheit gemäß, mit voll­kom­mener Weisheit also: 'Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst.'

 

Inso­fern, Aggivessano, ist ein Jünger von mir ordens­getreu, der Belehrung zu­gänglich, zweifelentronnen, ohne Schwanken und verweilt, in sich selber gewiß, auf keinen anderen gestützt im Orden des Meisters."

 

            "Und inwiefern, o Gotamo, ist ein Mönch Heiliger, Wahnversieger, En­di­ger, hat er das Werk gewirkt, die Last abgelegt, das Heil errungen, die Da­seinsfesseln vernichtet, ist er in vollkommener Weisheit erlöst?

 

            "Da hat, Aggivessano, ein Mönch:

 

            "Was es auch an Körperlichem gibt, ver­gangenes, zukünftiges, gegenwär­tiges, eigenes oder fremdes, grobes oder fei­nes, gemeines oder edles, fernes oder nahes: alles Körperliche hat er, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit also erkannt: 'Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst', und ist restlos erlöst.

 

            "Was es auch an Gefühl gibt, vergangenes, zukünftiges, gegenwärtiges, eigenes oder fremdes, grobes oder feines, gemeines oder edles, fernes oder nahes: alles Gefühl hat er, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit also er­kannt: 'Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst', und ist restlos erlöst.

 

            "Was es auch an Wahrnehmung gibt, vergangene, zu­künftige, ge­gen­wärtige, eigene oder fremde, grobe oder feine, gemeine oder edle, ferne oder nahe: alle Wahrnehmung hat er, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weis­heit also er­kannt: 'Die gehört mir nicht, die bin ich nicht, die ist nicht mein Selbst', und ist restlos erlöst.

 

            "Was es auch an Unter­scheidungen gibt, vergangene, zukünftige, gegenwär­tige, eigene oder frem­de, grobe oder feine, gemeine oder edle, ferne oder nahe: alle Unterscheidun­gen hat er, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weis­heit also erkannt: 'Die gehören mir nicht, die bin ich nicht, die sind nicht mein Selbst', und ist restlos erlöst.

 

            "Was es auch an Bewußtsein gibt, vergangenes, zukünftiges, gegenwär­tiges, eigenes oder frem­des, grobes oder feines, gemeines oder edles, fernes oder nahes: alles Be­wußtsein hat er, der Wahrheit gemäß, mit vollkom­mener Weisheit also erkannt: 'Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst', und ist restlos erlöst.

 

Insofern, Aggivessano, ist ein Mönch Heiliger, Wahnversieger, Endiger, hat er das Werk gewirkt, die Last abgelegt, das Heil errungen, die Daseinsfesseln vernichtet, ist er in vollkom­mener Weisheit erlöst. Der also gemüterlöste Mönch, Aggivessano, hat drei Unvergleichlichkeiten erlangt: unvergleichliches Wissen, unvergleichliche Fährte, unvergleichliche Erlösung. Der also erlöste Mönch, Aggivessano, hält den Vollendeten wert, schätzt ihn hoch, achtet und ehrt ihn: `Erwacht ist der Erhabene, zur Erwachung zeigt er die Lehre, be­ruhigt ist der Erha­bene, zur Beruhigung zeigt er die Lehre, gestillt ist der Erhabene, zur Stil­lung zeigt er die Lehre, entronnen ist der Erhabene, zur Entrinnung zeigt er die Lehre, zur Erlöschung gekommen ist der Erhabene, zur Erlöschung kom­men zu lassen zeigt er die Lehre'."

 

            Nach diesen Worten sprach Saccako der junge Niganther zum Erhabenen also:

            "Ich war freilich verwegen, o Gotamo, ich war vermessen, der ich glaub­te, dem verehrten Gotamo könnte im Redekampf entgegengetreten werden! Man mag vielleicht, o Gotamo, einem wütenden Elefanten entgegentreten ohne Schaden zu nehmen, aber nicht also dem verehrten Gotamo. Man mag vielleicht, o Gotamo, einer fauchenden Giftschlange entgegentreten ohne Schaden zu nehmen, aber nicht also dem verehrten Gotamo. Man mag viel­leicht, o Gotamo, einem flam­menden Scheiterhaufen entgegentreten ohne Schaden zu nehmen, aber nicht also dem verehrten Gotamo. Ich war freilich verwegen, o Gotamo, ich war vermessen, der ich glaubte, dem verehrten Go­tamo könnte im Redekampf entgegengetreten werden ! ‑ Gewähre mir der verehrte Gotamo die Bitte, morgen mit den Mönchen bei mir zu speisen!"

            Schweigend gewährte der Erhabene die Bitte.

            Als nun Saccako Niganthaputto der Zustimmung des Erhabenen sicher war, wandte er sich an die Licchavier:

            "Hört mich, erlauchte Licchavier! Der Asket Gotamo ist für morgen mit den Mönchen zum Mahle geladen: verseht mich, bitte, mit dem, was euch hierzu gebührend erscheint."

 

            Da nun brachten jene Licchavier am nächsten Morgen zu Saccako Nigan­tha­putto ein Mahl von fünfhundert Schüsseln, fertig angerichtet. Saccako Nigan­tha­putto aber ließ ausgewählte feste und flüssige Speise in seiner Be­hausung auftragen und sandte einen Boten an den Erhabenen mit der Mel­dung: 'Es ist Zeit, o Gotamo, das Mahl ist bereit.' Und der Erhabene rüstete sich bei­zeiten, nahm Mantel und Almosenschale und begab sich zur Woh­nung des Saccako Nigan­tha­putto. Dort angekommen nahm der Erhabene mit den Mönchen auf den dargebotenen Sitzen Platz. Und Saccako Nigantha­putto bediente und versorgte eigenhändig den Erwachten und seine Jünger mit ausgewählter fester und flüssiger Speise.

            Nachdem nun der Erhabene gespeist und das Mahl beendet hatte, nahm Saccako Niganthaputto einen von den niederen Stühlen zur Hand und setzte sich zur Seite hin. Zur Seite sitzend sprach nun Saccako Niganthaputto zum Er­habenen also:

            "Was da, o Gotamo, an dieser Gabe Gutes und Gutgemeintes ist, das möge den Gebern zum Wohle gereichen!"

            "Was da, Aggivessano, dir zur Ehre geschehn, der Gier, dem Haß, der Irre untertan, das gilt den Gebern; was da, Aggivessano, mir zur Ehre geschehn, der Gier, dem Haß, der Irre nicht untertan, das gilt dir.


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