Majjhima Nikaya, Mittlere Sammlung

ERSTES HALBHUNDERT (Mūlapaṇṇāsam)

Vierter Teil (Vaggo Catuttho) - Erstes Buch der Paare (mahāyamakavaggo)

36. (IV,6) Mahāsaccaka Sutta (Saccako II)

 

DAS HAB' ICH GEHÖRT. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Vesali, im Gro­ßen Walde, in der Halle der Einsiedelei. Eines Morgens nun, als der Erhabene wohl­gerüstet, mit Mantel und Schale versehn, eben im Begriffe war nach der Stadt um Almosenspeise zu gehn, kam Saccako der junge Niganther auf einem Spazier­gange lustwandelnd, in den Großen Wald, zur Halle der Ein­siedelei heran. Der ehrwürdige Ānando aber sah den Niganthaputto Saccako von ferne herankommen und nachdem er ihn gesehn sprach er zum Erha­benen also:

 

            "Da kommt, o Herr, jener Saccako der junge Niganther heran, ein geübter Dialektiker, ein trefflicher Redner, der bei vielen hoch angesehn ist. Dieser Mann nun, o Herr, sucht Schwächen des Erwachten, Schwächen der Lehre, Schwä­chen des Ordens. Gut wär' es, o Herr, wenn sich der Erhabene einen Augenblick niedersetzte, von Mitleid bewogen!"

 

            Es setzte sich der Erhabene auf den dargebotenen Sitz.

 

            Da nun kam Saccako Niganthaputto dorthin wo der Erhabene weilte, wech­selte höflichen Gruß und freundliche, denkwürdige Worte mit dem Erhabe­nen und setzte sich zur Seite nieder. Hierauf nun sprach Saccako der junge Niganther zum Erhabenen also:

 

            "Es gibt, o Gotamo, einige Asketen und Priester, die den Körper in der Gewalt haben, aber nicht das Gemüt. Sie empfinden ja, o Gotamo, körper­liches Wehgefühl. Zuweilen, o Gotamo, von körperlichem Wehgefühl ge­troffen, wird da einer vom Schlage gerührt, oder das Herz zerspringt, oder heißes Blut quillt aus dem Munde, oder er fällt dem Wahnsinn anheim, der Geistesverwirrung. Bei einem solchen, o Gotamo, ist also das Gemüt dem Körper unterworfen, richtet sich nach dem Willen des Körpers. Und was ist der Grund hierfür? Die Ohnmacht des Gemütes. Anderseits wieder, o Go­tamo, gibt es einige Asketen und Priester, die das Gemüt in der Gewalt haben, aber nicht den Körper. Sie empfinden ja, o Gotamo, geistiges Weh­gefühl. Zuweilen, o Gotamo, von geistigem Wehgefühl ge­troffen, wird da einer vom Schlage gerührt, oder das Herz zerspringt, oder heißes Blut quillt aus dem Munde, oder er fällt dem Wahnsinn anheim, der Gei­stesverwirrung. Bei einem solchen, o Gotamo, ist also der Körper dem Gemüte unterworfen, richtet sich nach dem Willen des Gemütes. Und was ist der Grund hierfür? Die Ohnmacht des Körpers. Da kann ich mich nun, o Gotamo, des Ge­dan­kens nicht erwehren: offenbar haben die Jünger des verehrten Gotamo das Gemüt in der Gewalt, aber nicht den Körper."

 

            "Was hast du denn, Aggivessano, Gewalthaben über den Körper nennen hören?"

 

            "Da ist zum Beispiel Nando Vaccho, Kiso Sankicco, Makkhali Gosalo: das sind Unbekleidete, o Gotamo, Ungebundene, Handverköster, keine An­kömmlinge, keine Abwärtlinge, die gestatten keine Darreichung, keine Ver­günstigung, keine Einladung, spähen beim Empfangen des Almosens nicht nach dem Topfe, nicht nach der Schüssel, nicht über die Schwelle, nicht über das Gitter, nicht in den Kessel hinein, nehmen nicht von zu zweit Speisenden an, nicht von einer Schwan­geren, nicht von einer Säugenden, nicht von einer, die vom Manne kommt, nicht von Beschmutzten, nicht wo ein Hund dabei steht, nicht wo Fliegen hin und her schwärmen, essen keinen Fisch, kein Fleisch, trinken keinen Wein, kein gebranntes Wasser, keinen gegorenen Haferschleim. Sie gehn zu einem Hause und begnügen sich mit einer Hand­voll Almosenspeise; gehn zu zwei Häusern und be­gnü­gen sich mit zwei Handvoll Almosenspeise; gehn zu sieben Häusern und begnü­gen sich mit sieben Handvoll Almosenspeise. Sie fristen ihr Leben durch die Mildtätigkeit von nur einer Spenderin, von nur zwei Spenderinnen, von nur sieben Spen­derinnen. Sie nehmen nur jeden ersten Tag Nahrung ein, nur jeden zweiten Tag, nur jeden siebenten Tag. Solcherart wechselnd beobachten sie streng diese bis auf einen halben Monat ausgedehnte Fastenübung."

 

            "Wie nun, Aggivessano: fristen sie ihr Leben einzig auf diese Weise?"

 

            "Das wohl nicht, o Gotamo! Sondern späterhin, o Gotamo, verzehren sie reichlich feste Speise,genießen reichlich flüssige Speise, schmecken vorzüg­liche Gerichte, schlürfen vorzügliche Getränke. Dadurch gewinnen sie natür­lich wieder Körperkraft, gehn in die Breite, werden wohlbeleibt, wie be­kannt."

 

            "Was sie also, Aggivessano, vorher verworfen haben übertreiben sie nach­her, und so entsteht dieses Schwellen und Schwinden des Leibes. Und was hast du, Aggivessano, Gewalthaben über das Gemüt nennen hören?"

 

            Auf diese Frage des Erhabenen wußte Saccako Niganthaputto keinen Be­scheid.

 

 

            Da sprach nun der Erhabene zu Saccako Niganthaputto also:

            "Was du da früher, Aggivessano, als Gewalthaben über den Körper be­zeichnet hast, das gilt im Orden des Heiligen nicht als echtes Gewalthaben über den Körper. Das Gewalthaben über den Körper kennst du wahrlich nicht, Aggivessano; wie solltest du erst das Gewalthaben über das Gemüt kennen! Doch merke, Aggivessano: wenn man den Körper nicht in der Ge­walt hat, so hat man auch das Gemüt nicht in der Gewalt; hat man aber den Körper in der Gewalt, so hat man auch das Gemüt in der Gewalt. Das höre und achte wohl auf meine Rede.

 

            "Ja, Herr!" erwiderte da aufmerksam Saccako Niganthaputto dem Erha­benen. Der Erhabene sprach also:

 

            "Wie also, Aggivessano, hat man keine Gewalt über den Körper, keine Ge­walt über das Gemüt? Da entsteht, Aggivessano, einem unerfahrenen ge­wöhnlichen Menschen ein Wohlgefühl. Vom Wohlgefühl getroffen wird er wohlbegierig, fällt der Wohlbegier anheim. Dieses Wohlgefühl vergeht ihm. Durch das Vergehn des Wohlgefühls entsteht Wehgefühl. Vom Wehgefühl getroffen wird er traurig, ge­brochen, er jammert, schlägt sich stöhnend die Brust, fällt der Verzweiflung anheim. Jenes ihm entstandene Wohlgefühl nun, Aggivessano, fesselt das Gemüt infolge der Ohnmacht des Körpers, das ent­standene Wehgefühl aber fesselt das Gemüt infolge der Ohnmacht des Gemütes. Wenn das Gemüt solcherart doppelseitig gefesselt wird, Aggives­sano, vom entstandenen Wohlgefühle durch die Ohnmacht des Körpers, vom entstandenen Wehgefühle durch die Ohnmacht des Gemütes, hat man solcher­art, Aggivessano, keine Gewalt über den Körper, keine Gewalt über das Ge­müt. Wie aber, Aggivessano, hat man Gewalt über den Körper, Gewalt über das Gemüt? Da entsteht, Aggivessano, einem erfahrenen heiligen Jünger ein Wohl­gefühl. Vom Wohlgefühl getroffen wird er nicht wohlbegierig, fällt nicht der Wohlbegier anheim. Dieses Wohlgefühl vergeht ihm. Durch das Vergehn des Wohlgefühls entsteht Wehgefühl. Vom Wehgefühle getroffen wird er nicht trau­rig, nicht gebrochen, er jammert nicht, schlägt sich nicht stöhnend die Brust, fällt nicht der Verzweiflung anheim. Jenes ihm entstan­dene Wohlgefühl nun, Aggivessano, kann das Gemüt infolge der Gewalt über den Körper nicht fesseln, und das entstandene Wehgefühl kann das Gemüt infolge der Gewalt über das Gemüt nicht fesseln. Wenn das Gemüt solcher­art von keiner Seite gefesselt werden kann, Aggivessano, durch die Gewalt über den Körper nicht vom entstan­denen Wohlgefühle, durch die Gewalt über das Gemüt nicht vom entstandenen Weh­gefüh­le, hat man solcherart, Aggivessano, Gewalt über den Körper, Gewalt über das Gemüt."

 

            "So darf ich dem verehrten Gotamo zutrauen: der verehrte Gotamo hat Gewalt über den Körper und hat Gewalt über das Gemüt?"

 

            "Gewiß hast du mir, Aggivessano, diese Frage nur deshalb gestellt, um mich weiter zu locken: aber ich will dir Antwort geben. Seitdem ich, Aggi­vessano, Haar und Bart geschoren, das fahle Gewand angelegt habe, vom Hause fort in die Hauslosigkeit gezogen bin, kann wahrlich kein mir ent­standenes Wohlgefühl, kein mir entstandenes Wehgefühl mein Gemüt fes­seln."

 

            "Dann kennt wohl der verehrte Gotamo kein solches Wohlgefühl, welches Gegenwart genug besäße das Gemüt zu fesseln? Dann kennt wohl der ver­ehrte Gotamo kein solches Wehgefühl, welches Gegenwart genug besäße das Gemüt zu fesseln?"

 

            "Wie denn nicht, Aggivessano ! ‑ Da ist mir, Aggivessano, noch vor der vollen Erwachung, dem unvollkommen Erwachten, Erwachung erst Er­ringenden, dieser Gedanke gekommen: 'Ein Gefängnis ist die Häuslichkeit, ein Schmutz­winkel; der freie Himmelsraum die Pilgerschaft. Nicht wohl geht es, wenn man im Hause bleibt, das völlig geläuterte, völlig geklärte Asketen­tum Punkt für Punkt zu erfüllen. Wie, wenn ich nun, mit geschorenem Haar und Barte, mit fahlem Gewande bekleidet, aus dem Hause in die Hauslosig­keit hinauszöge?'

 

            "Und ich zog, Aggivessano, nach einiger Zeit, noch in frischer Blüte, glän­zend dunkelhaarig, im Genusse glücklicher Jugend, im ersten Mannesalter, gegen den Wunsch meiner weinenden und klagenden Eltern, mit geschore­nem Haar und Barte, mit fahlem Gewande bekleidet, vom Hause fort in die Hauslosigkeit hinaus.

 

            "Also Pilger geworden, das wahre Gut suchend, nach dem unvergleichli­chen höchsten Friedenspfade forschend, begab ich mich zu Alaro Kalamo und sprach zu ihm: 'Ich möchte, Bruder Kalamo, in dieser Lehre und Ordnung das Asketenleben führen.' Hierauf, Aggivessano, erwiderte mir Alaro Kalamo: 'Bleibt, Ehrwür­di­ger! Solcherart ist diese Lehre, daß ein verständiger Mann, sogar binnen kur­zem, sich die eigene Meisterschaft begreiflich und offenbar machen, und ihren Besitz erlangen kann.' Und ich begriff, Aggives­sano, binnen kurzem, sehr bald diese Lehre. Ich lernte nun soviel, Aggives­sano, als Lippen und Laute mitzu­teilen vermögen, das Wort des Wissens und das Wort der älteren Jünger, und ich und die anderen wußten: 'Wir kennen und verstehn es.' Da kam mir, Aggivessano, der Gedanke: 'Alaro Kalamo verkündet nicht die ganze Lehre nach seinem Glauben `Mir selbst begreiflich und offenbar gemacht verweil' ich in ihrem Besitze', sicher kennt Alaro Kalamo diese Lehre genau.' Ich ging nun, Aggivessano, zu Alaro Kalamo hin und sprach also: 'Inwiefern, Bruder Kalamo, erklärst du, daß wir diese Lehre begriffen, uns offenbar gemacht und ihren Besitz erlangt haben?' Hierauf, Aggivessano, stellte Alaro Kalamo das Reich des Nichtdaseins dar. Da kam mir, Aggivessano, der Gedanke: 'Nicht einmal Alaro Kalamo hat Zu­versicht, ich aber habe Zuversicht; nicht einmal Alaro Kalamo hat Stand­haftig­keit, ich aber habe Standhaftigkeit; nicht einmal Alaro Kalamo hat Einsicht, ich aber habe Einsicht; nicht einmal Alaro Kalamo hat Selbstvertiefung, ich aber habe Selbstvertiefung; nicht einmal Alaro Kalamo hat Weisheit, ich aber habe Weisheit. Wie, wenn ich nun diese Lehre, von welcher Alaro Kalamo sagt 'Mir selbst begreiflich und offenbar gemacht ver­weil' ich in ihrem Besitze', mir anzueignen suchte, damit sie mir völlig klar würde?' Und binnen kur­zem, sehr bald, Aggivessano, hatte ich diese Lehre be­griffen, mir offenbar ge­macht und ihren Besitz erlangt. Ich ging nun, Aggi­vessano, wieder zu Alaro Kalamo hin und sprach also: 'Ist diese Lehre, Bruder Kalamo, insofern von uns be­grif­fen, offenbar gemacht und erlangt worden?' ‑'Insofern, o Bruder, ist diese Lehre begriffen, offenbar gemacht und erlangt worden.' ‑ 'Ich habe nun, Bruder Kalamo, diese Lehre insofern begriffen, mir offenbar gemacht und erlangt.' ‑ 'Beglückt sind wir, o Bruder, hoch begün­stigt, die wir einen solchen Ehr­wür­digen als echten Asketen erblicken! So wie ich die Lehre ver­künde, so hast du sie erlangt; so wie du sie erlangt hast, so verkünde ich die Lehre. So wie ich die Lehre kenne, so kennst du die Lehre; so wie du die Lehre kennst, so kenne ich die Lehre. So wie ich bin, so bist du; so wie du bist, so bin ich. Komm' denn, Bruder: selbander wollen wir diese Jüngerschar len­ken.' So, Aggivessano, erklärte Alaro Kalamo, mein Lehrer, mich, seinen Schüler, als ihm selbst eben­bürtig, und ehrte mich mit hoher Ehre. Da kam mir, Aggivessano, der Gedanke: 'Nicht diese Lehre führt zur Ab­kehr, zur Wendung, zur Auflösung, zur Aufhe­bung, zur Durchschauung, zur Erwa­chung, zur Erlöschung, sondern nur zur Ein­kehr in das Reich des Nicht­daseins.' Und ich fand diese Lehre ungenügend, Aggi­vessano, und unbefrie­digt von ihr zog ich fort.

 

            "Ich begab mich nun, Aggivessano, das wahre Gut suchend, nach dem un­ver­gleichlichen höchsten Friedenspfade forschend, zu Uddako, dem Sohne des Ramo, und sprach zu ihm: 'Ich möchte, Bruder Ramo, in dieser Lehre und Ordnung das Asketenleben führen.' Hierauf, Aggivessano, erwiderte mir Uddako Rama­putto: 'Bleibt, Ehrwürdiger! Solcherart ist diese Lehre, daß ein verständiger Mann, sogar binnen kurzem, sich die eigene Meisterschaft begreiflich und offen­bar machen und ihren Besitz erlangen kann.' Und ich begriff, Aggivessano, binnen kurzem, sehr bald diese Lehre. Ich lernte nun soviel, Aggivessano, als Lippen und Laute mitzuteilen vermögen, das Wort des Wissens und das Wort der älteren Jünger, und ich und die anderen wußten: 'Wir kennen und verstehn es.' Da kam mir, Aggivessano, der Gedanke: Ramo hat nicht die ganze Lehre nach seinem Glau­ben `Mir selbst begreif­lich und offenbar gemacht verweil' ich in ihrem Be­sitze' verkündet, sicher hat Ramo diese Lehre genau gekannt.' Ich ging nun, Aggivessano, zu Uddako, dem Sohne Ramos, hin und sprach also: 'Inwiefern, Bru­der, hat Ramo diese Lehre als von uns begriffen, offenbar gemacht und er­langt erklärt?' Hierauf, Aggivessano, stellte Uddako, der Sohn Ramos, die Grenz­scheide möglicher Wahrnehmung dar. Da kam mir, Aggivessano, der Gedanke: 'Nicht einmal Ramo hatte Zuversicht, ich aber habe Zuversicht; nicht ein­mal Ramo hatte Standhaftigkeit, ich aber habe Standhaftigkeit; nicht ein­mal Ramo hatte Einsicht, ich aber habe Einsicht; nicht einmal Ramo hatte Selbstvertie­fung, ich aber habe Selbstvertiefung; nicht einmal Ramo hatte Weisheit, ich aber habe Weisheit. Wie, wenn ich nun diese Lehre, von wel­cher Ramo sagte `Mir selbst begreiflich und offenbar gemacht verweil' ich in ihrem Besitze', mir anzueignen suchte, damit sie mir völlig klar würde?' Und binnen kurzem, sehr bald, Aggivessano, hatte ich diese Lehre begriffen, mir offenbar gemacht und ihren Besitz erlangt. Ich ging nun, Aggivessano, wieder zu Uddako, dem Sohne Ramos, und sprach also: 'Ist diese Lehre, Bru­der, der Darlegung Ramos gemäß insofern von uns begriffen, offenbar ge­macht und erlangt worden?' ‑ 'Insofern, Bruder, hat Ramo diese Lehre als begriffen, offenbar gemacht und erlangt dar­gestellt.' ‑ 'Ich habe nun, Bru­der, diese Lehre insofern begriffen, mir offen­bar gemacht und erlangt.' ‑ 'Be­glückt sind wir, o Bruder, hoch begün­stigt, die wir einen solchen Ehrwür­digen als echten Asketen erblicken! So wie Ramo die Lehre verkündet hat,so hast du die Lehre erlangt; so wie du sie erlangt hast, so hat Ramo die Lehre verkündet. So wie Ramo die Lehre gekannt hat, so kennst du die Lehre; so wie du die Lehre kennst, so hat Ramo die Lehre gekannt. So wie Ramo war, so bist du; so wie du bist, so war Ramo. Komm' denn, o Bruder: sei du das Haupt dieser Jüngerschar.' So, Aggivessano, belehnte Uddako Rama­putto, mein Ordensbruder, mich mit der Meisterschaft und ehrte mich mit hoher Ehre. Da kam mir, Aggivessano, der Gedanke: 'Nicht diese Lehre führt zur Ab­kehr, zur Wendung, zur Auflösung, zur Aufhebung, zur Durchschauung, zur Er­wachung, zur Erlöschung, sondern nur zur Einkehr in das Reich der Grenze mö­glicher Wahrnehmung.' Und ich fand diese Lehre ungenügend, Aggivessano, und unbefriedigt von ihr zog ich fort.

 

            "Ich wanderte nun, Aggivessano, das wahre Gut suchend, nach dem un­ver­gleichlichen höchsten Friedenspfade forschend, im Magadha‑Lande von Ort zu Ort und kam in die Nähe der Burg Uruvela. Dort sah ich einen ent­zückenden Fleck Erde: einen heiteren Waldesgrund, einen hell strömenden Fluß, zum Baden ge­eignet, erfreulich, und rings umher Wiesen und Felder. Da kam mir, Aggives­sano, der Gedanke: 'Entzückend, wahrlich, ist dieser Fleck Erde! Heiter ist der Waldesgrund, der Fluß strömt hell dahin, zum Baden geeignet, erfreulich, und rings umher liegen Wiesen und Felder. Das genügt wohl einem Askese be­geh­renden edlen Sohne zur Askese.' Und ich setzte mich nun, Aggivessano, dort nieder: 'Das genügt zur Askese.'

 

            "Da leuchteten mir, Aggivessano, drei Gleichnisse auf, naturgemäße, nie zuvor gehörte.

 

            "Gleichwie, Aggivessano, wenn ein feuchtes, leimiges Holzscheit ins Was­ser geworfen würde; da träte ein Mann hinzu, mit einem Reibholz versehn: 'Ich will Feuer erwecken, Licht hervorbringen.' Was meinst du nun, Aggi­vessano: könnte wohl dieser Mann, mit dem Reibholz das feuchte, leimige, ins Wasser ge­worfene Holzscheit reibend, Feuer erwecken, Licht hervor­bringen?"

            "Gewiß nicht, o Gotamo!"

            "Und warum nicht?"

            "Jenes Holzscheit, o Gotamo, ist ja feucht, leimig und überdies noch ins Wasser geworfen! Alle Plage und Mühe des Mannes wäre vergeblich."

            "Ebenso nun auch, Aggivessano, steht es mit jenen Asketen oder Prie­stern, die des Körpers nicht, nicht der Wünsche entwöhnt sind, die was bei ihren Wünschen Wunscheswille, Wunschesleim, Wunschestaumel, Wunsches­durst, Wunschesfieber ist, die das nicht innerlich ausgetrieben, ausgeglüht haben: wenn da jene lieben Asketen und Priester herantretende schmerz­liche, bren­nen­de, stechende Gefühle erfahren, so sind sie unfähig zum Wissen, zur Klar­sicht, zur unvergleichlichen Erwachung; und auch wenn jene lieben Asketen und Prie­ster keine herantretenden schmerzlichen, brennenden, ste­chenden Gefühle er­fahren, so sind sie auch dann unfähig zum Wissen, zur Klar­sicht, zur unver­gleichlichen Erwachung. Dieses Gleichnis nun, Aggivessano, war das erste mir aufleuchtende, das naturgemäße, nie zuvor gehörte.

 

            "Und hierauf, Aggivessano, leuchtete mir nun ein zweites Gleichnis auf, ein naturgemäßes, nie zuvor gehörtes. Gleichwie, Aggivessano, wenn ein feuch­tes, leimiges Holzscheit fern vom Wasser ans Land geworfen würde; da träte ein Mann hinzu, mit einem Reibholz versehn: 'Ich will Feuer erwecken, Licht her­vor­bringen.' Was meinst du nun, Aggivessano: könnte wohl dieser Mann, mit dem Reibholz das feuchte, leimige, fern vom Wasser ans Land geworfene Holzscheit reibend, Feuer erwecken, Licht hervorbringen?"

 

            "Gewiß nicht, o Gotamo!"

            "Und warum nicht?"

            "Jenes Holzscheit, o Gotamo, ist ja feucht, leimig, und wenn es auch außer­halb des Wassers am Lande liegt, alle Plage und Mühe des Mannes wäre ver­geblich."

            "Ebenso nun auch, Aggivessano, steht es mit jenen Asketen oder Prie­stern, die des Körpers, die auch der Wünsche entwöhnt sind, die aber was bei ihren Wünschen Wunscheswille, Wunschesleim, Wunschestaumel, Wunschesdurst, Wunschesfieber ist, die das nicht innerlich ausgetrieben, ausgeglüht haben:

wenn da jene lieben Asketen und Priester herantretende schmerzliche, brennen­de, stechende Gefühle erfahren, so sind sie unfähig zum Wissen, zur Klar­sicht, zur unvergleichlichen Erwachung; und auch wenn jene lieben Asketen und Prie­ster keine herantretenden schmerzlichen, brennenden, stechenden Gefühle er­fahren, so sind sie auch dann unfähig zum Wissen, zur Klarsicht, zur unver­gleichlichen Erwachung. Dieses Gleichnis nun, Aggivessano, war das zweite mir aufleuchtende, das naturgemäße, nie zuvor gehörte.

 

            "Und hierauf, Aggivessano, leuchtete mir nun ein drittes Gleichnis auf, ein naturgemäßes, nie zuvor gehörtes. Gleichwie, Aggivessano, wenn ein trocke­nes, ausgedörrtes Holzscheit fern vom Wasser ans Land geworfen würde; da träte ein Mann hinzu, mit einem Reibholz versehn: 'Ich will Feuer erwec­ken, Licht hervorbringen.' Was meinst du nun, Aggivessano: könnte wohl dieser Mann, mit dem Reibholz das trockene, ausgedörrte, fern vom Wasser ans Land geworfene Holzscheit reibend, Feuer erwecken, Licht hervorbringen?"

            "Freilich, o Gotamo!"

            "Und warum das?"

            "Jenes Holzscheit, o Gotamo, ist ja trocken und ausgedörrt und liegt fern vom Wasser am Lande."

            "Ebenso nun auch, Aggivessano, steht es mit jenen Asketen oder Prie­stern, die des Körpers, die auch der Wünsche entwöhnt sind, die was bei ihren Wünschen Wunscheswille, Wunschesleim, Wunschestaumel, Wun­schesdurst, Wunsches­fieber ist, die das innerlich ausgetrieben, ausgeglüht haben: wenn da jene lieben Asketen und Priester herantretende schmerz­liche, brennende, stechende Gefühle erfahren, so sind sie fähig zum Wissen, zur Klarsicht, zur unver­gleich­lichen Erwachung; und auch wenn jene lieben Aske­ten und Priester keine herantretenden schmerzlichen, brennenden, stechenden Gefühle erfahren, so sind sie auch dann fähig zum Wissen, zur Klarsicht, zur unvergleichlichen Er­wa­chung. Dieses Gleichnis nun, Aggivessano, war das dritte mir aufleuchtende, das naturgemäße, nie zuvor gehörte.

 

            "Diese drei Gleichnisse, Aggivessano, leuchteten mir auf, naturgemäße, nie zuvor gehörte.

 

            "Da kam mir, Aggivessano, der Gedanke: 'Wie, wenn ich nun mit aufein­andergepreßten Zähnen und an den Gaumen gehefteter Zunge durch den Willen das Gemüt niederzwänge, niederdrückte, niederquälte?' Und ich zwang nun, Aggives­sano, mit aufeinandergepreßten Zähnen und an den Gau­men gehefteter Zunge durch den Willen das Gemüt nieder, drückte es nie­der, quälte es nieder. Und indem ich also, Aggivessano, mit aufeinander­gepreßten Zähnen und an den Gaumen ge­hefteter Zunge durch den Willen das Gemüt niederzwang, niederdrückte, nie­der­quälte, rieselte mir der Schweiß aus den Achselhöhlen. Gleichwie etwa, Aggi­vessano, wenn ein star­ker Mann einen schwächeren, beim Kopf oder bei der Schul­ter ergreifend, niederzwingt, niederdrückt, niederquält, ebenso rieselte mir da, Aggives­sano, indem ich also mit aufeinandergepreßten Zähnen und an den Gaumen gehefteter Zunge durch den Willen das Gemüt niederzwang, niederdrückte, niederquälte, der Schweiß aus den Achselhöhlen. Gestählt war zwar, Aggi­ves­sa­no, meine Kraft, unbeugsam, gewärtig die Einsicht, unverrückbar, aber regsam war da mein Körper, nicht ruhig geworden durch diese so schmerz­liche Askese, die mich antrieb. Und das solcherart mir entstandene Weh­gefühl, Aggivessano, konnte mein Gemüt nicht fesseln.

 

            "Da kam mir, Aggivessano, der Gedanke: 'Wie, wenn ich mich nun in atem­lose Selbstverlierung verlöre?' Und ich hielt nun, Aggivessano, die Ein-­ und Ausatmungen von Mund und Nase an. Und indem ich also, Aggives­sano, die Ein‑ und Ausatmungen von Mund und Nase anhielt, wurde mir das überlaute Geräusch der Blutströmungen im Ohre vernehmbar. Gleichwie et­wa, Aggivessano, der ge­blähte Blasebalg einer Schmiede überlautes Geräusch erzeugt, ebenso wurde mir da, Aggivessano, indem ich also die Ein‑ und Aus­atmungen von Mund und Nase anhielt, das überlaute Geräusch der Blut­strömungen im Ohre ver­nehmbar. Ge­stählt war zwar, Aggivessano, meine Kraft, unbeugsam, gewärtig die Einsicht, unverrückbar, aber regsam war da mein Körper, nicht ruhig geworden durch diese so schmerzliche Askese, die mich antrieb. Und das solcherart mir entstandene Wehgefühl, Aggivessano, konnte mein Gemüt nicht fesseln.

 

            "Da kam mir, Aggivessano, der Gedanke: 'Wie, wenn ich mich nun noch weiter in atemlose Selbstverlierung verlöre?' Und ich hielt nun, Aggivessano, die Ein‑ und Ausatmungen von Mund, Nase und Ohr an. Und indem ich also, Aggi­vessano, die Ein‑ und Ausatmungen von Mund, Nase und Ohr an­hielt, schlugen mir überheftige Strömungen auf die Schädeldecke auf. Gleich­wie etwa, Aggivessano, wenn ein starker Mann mit scharfer Dolchspitze die Schädeldecke zerhämmerte, ebenso schlugen mir da, Aggivessano, indem ich also die Ein‑ und Ausatmungen von Mund, Nase und Ohr anhielt, überhef­tige Strömungen auf die Schädeldecke auf. Gestählt war zwar, Aggivessano, meine Kraft, unbeugsam, gewärtig die Ein­sicht, unverrückbar, aber regsam war da mein Körper, nicht ruhig geworden durch diese so schmerzliche As­kese, die mich antrieb. Und das solcherart mir entstandene Wehgefühl, Aggi­vessano, konnte mein Gemüt nicht fesseln.

 

            "Da kam mir, Aggivessano, der Gedanke: 'Wie, wenn ich mich nun noch weiter in atemlose Selbstverlierung verlöre?' Und ich hielt nun, Aggivessano, die Ein‑ und Ausatmungen von Mund, Nase und Ohr an. Und indem ich also, Aggi­vessano, die Ein‑ und Ausatmungen von Mund, Nase und Ohr anhielt, hatte ich im Kopfe betäubende Kopfgefühle. Gleichwie etwa, Aggivessano, wenn ein starker Mann feste Riemenstränge auf dem Kopfe peit­schend tanzen ließe, ebenso hatte ich da, Aggivessano, indem ich also die Ein‑ und Ausatmungen von Mund, Nase und Ohr anhielt, im Kopfe betäu­bende Kopfgefühle. Gestählt war zwar, Aggi­ves­sa­no, meine Kraft, unbeug­sam, gewärtig die Einsicht, unverrückbar, aber regsam war da mein Körper, nicht ruhig geworden durch diese so schmerzliche Askese, die mich antrieb. Und das solcherart mir entstandene Wehgefühl, Aggivessano, konnte mein Gemüt nicht fesseln.

 

            "Da kam mir, Aggivessano, der Gedanke: 'Wie, wenn ich mich nun noch weiter in atemlose Selbstverlierung verlöre?' Und ich hielt nun, Aggives­sano, die Ein‑ und Ausatmungen von Mund, Nase und Ohr an. Und indem ich also, Aggi­vessano, die Ein‑ und Ausatmungen von Mund, Nase und Ohr anhielt, schnit­ten mir überheftige Strömungen durch den Bauch. Gleichwie etwa, Aggives­sano, wenn ein geschickter Schlächter oder Schlächtergeselle mit scharfem Schlachtmesser den Bauch durchschlitzte, ebenso schnitten mir da, Aggivessano, indem ich also die Ein‑ und Ausatmungen von Mund, Nase und Ohr anhielt, überheftige Strö­mun­gen durch den Bauch. Ge­stählt war zwar, Aggivessano, meine Kraft, unbeugsam, gewärtig die Ein­sicht, unverrückbar, aber regsam war da mein Körper, nicht ruhig gewor­den durch diese so schmerzliche Askese, die mich antrieb. Und das solcher­art mir entstandene Wehgefühl, Aggivessano, konnte mein Gemüt nicht fesseln.

            "Da kam mir, Aggivessano, der Gedanke; 'Wie, wenn ich mich nun noch weiter in atemlose Selbstverlierung verlöre?' Und ich hielt nun, Aggives­sano, die Ein‑ und Ausatmungen von Mund, Nase und Ohr an. Und indem ich also, Aggi­vessano, die Ein‑ und Ausatmungen von Mund, Nase und Ohr anhielt, hatte ich im Körper überheftig glühende Qual. Gleichwie etwa, Ag­givessano, wenn zwei starke Männer einen schwächeren Mann an beiden Armen ergriffen und in eine Grube voll glühender Kohlen hineinquälten, hineinrollten, ebenso hatte ich da, Aggivessa­no, indem ich also die Ein‑ und Ausatmungen von Mund, Nase und Ohr anhielt, im Körper überheftig glü­hende Qual. Gestählt war zwar, Aggivessano, meine Kraft, unbeugsam, ge­wärtig die Einsicht, unverrückbar, aber regsam war da mein Kör­per, nicht ruhig geworden durch diese so schmerzliche Askese, die mich an­trieb, Und das solcherart mir entstandene Wehgefühl, Aggivessano, konnte mein Ge­müt nicht fesseln.

 

            "Da sahn mich nun, Aggivessano, Gottheiten und sagten: 'Gestorben ist der Asket Gotamo.' Andere Gottheiten sagten: 'Nicht gestorben ist der As­ket Gotamo, aber er stirbt.' Und andere Gottheiten sagten: 'Nicht gestor­ben ist der Asket Gotamo und nicht stirbt er, heilig ist der Asket Gotamo, ein Zustand ist es nur des Heiligen, von solcher Art.'

 

            "Da kam mir, Aggivessano, der Gedanke: 'Wie, wenn ich mich nun gänzlich der Nahrung enthielte?' Da traten, Aggivessano, Gottheiten zu mir her­an und sprachen: Wolle nicht, Würdiger, dich gänzlich der Nahrung ent­halten! Wenn du dich, Würdiger, gänzlich der Nahrung enthalten willst, so werden wir dir himmlischen Tau durch die Poren einflößen: dadurch wirst du am Leben bleiben.' Da kam mir, Aggivessano, der Gedanke: 'Wenn ich nun auch gänzliches Fasten hielte, diese Gottheiten mir aber himmlischen Tau durch die Poren einflößten und ich also gefristet würde, so wär' es bloßer Schein.' Und ich wies, Aggi­vessano, die Gottheiten zurück und sagte: 'Schon gut!'

 

            "Da kam mir, Aggivessano, der Gedanke: 'Wie, wenn ich nun wenig, we­nig Nahrung zu mir nähme, eine hohle Hand voll und noch eine, als wie Boh­nenbrühe oder Erbsenbrühe oder Linsenbrühe?' Und ich nahm, Aggives­sano, wenig, wenig Nahrung zu mir, eine hohle Hand voll und noch eine, als wie Bohnenbrühe oder Erbsenbrühe oder Linsenbrühe. Und indem ich also, Aggivessano, wenig, wenig Nahrung zu mir nahm, eine hohle Hand voll und noch eine, als wie Bohnenbrühe oder Erbsenbrühe oder Linsenbrühe, wurde mein Körper außerordentlich mager. Wie dürres, welkes Rohr wurden da meine Arme und Beine durch diese äußerst geringe Nahrungaufnahme, wie ein Kamelhuf wurde da mein Gesäß durch diese äußerst geringe Nahrungsaufnahme, wie eine Kugelkette wurde da mein Rückgrat mit den hervor‑ und zurücktretenden Wirbeln durch diese äußerst geringe Nah­rung­aufnahme, wie sich die Dachsparren eines alten Hauses querkantig abheben, hoben sich da meine Rippen querkantig ab durch diese äußerst geringe Nahrung­auf­nahme, wie in einem tiefen Brunnen die unten liegenden Wasserspiegel ver­schwindend klein erscheinen, so erschienen da in meinen Augenhöhlen die tief­liegenden Augensterne verschwindend klein durch diese äußerst geringe Nahrung­aufnahme, wie ein Bitterkürbis, frisch angeschnitten, in heißer­ Sonne hohl und schrumpf wird, so wurde da meine Kopfhaut hohl und schrumpf durch diese äu­ßerst geringe Nahrungaufnahme. Und indem ich, Aggivessano, die Bauch­decke be­fühlen wollte traf ich auf das Rückgrat, und indem ich das Rückgrat befühlen wollte traf ich wieder auf die Bauchdecke. So nahe war mir, Aggi­vessano, die Bauchdecke ans Rückgrat gekommen durch diese äußerst geringe Nahrungaufnahme. Und ich wollte, Aggives­sano, Kot und Harn entleeren, da fiel ich vornüber hin durch diese äußerst geringe Nahrungaufnahme. Um nun diesen Körper da zu stär­ken, Aggives­sano, rieb ich mit der Hand die Glieder. Und indem ich also, Aggi­vessano, mit der Hand die Glieder rieb, fielen die wurzel­faulen Körper­haare aus durch diese äußerst geringe Nahrungaufnahme.

 

            "Da sahn mich nun, Aggivessano, Menschen und sagten: 'Blau ist der As­ket Gotamo!' Andere Menschen sagten: 'Nicht blau ist der Asket Gotamo, braun ist der Asket Gotamo!' Und andere Menschen sagten: 'Nicht blau ist der Asket Go­tamo und nicht braun ist der Asket Gotamo, gelbhäutig ist der Asket Gotamo!' So sehr war nun, Aggivessano, meine helle, reine Hautfarbe angegriffen worden durch diese äußerst geringe Nahrungaufnahme.

 

            "Da kam mir, Aggivessano, der Gedanke: 'Was für Asketen oder Priester auch je in der Vergangenheit herangetretene schmerzliche, brennende, bit­tere Gefühle erfahren haben: das ist das höchste, weiter geht es nicht. Was für Asketen oder Priester auch je in der Zukunft herantretende schmerzliche, bren­nende, bittere Gefühle erfahren werden: das ist das höchste, weiter geht es nicht. Was für Asketen oder Priester auch jetzt in der Gegenwart heran­tretende schmerzliche, brennende, bittere Gefühle erfahren: das ist das höch­ste, weiter geht es nicht. Und doch erreiche ich durch diese bittere Schmer­zensaskese kein überirdisches, reiches Heiltum der Wissensklarheit! Es gibt wohl einen anderen Weg zur Erwachung.'

 

            "Da kam mir, Aggivessano, der Gedanke: 'Ich erinnere mich, einst, wäh­rend der Feldarbeiten bei meinem Vater Sakko, im kühlen Schatten eines Rosen­apfelbaumes sitzend, den Wünschen erstorben, dem Unheil entronnen, in sinnend gedenkender ruhegeborener seliger Heiterkeit die Weihe der ersten Schauung errungen zu haben: das mag wohl der Weg sein zur Er­wachung.'

 

            "Da kam mir, Aggivessano, das einsichtgemäße Bewußtsein: 'Das ist der Weg zur Erwachung.'

 

            "Da kam mir, Aggivessano, der Gedanke: 'Wie, sollt' ich etwa jenes Glück fürchten, jenes Glück jenseit der Wünsche, jenseit des Schlechten?'

 

            "Da kam mir, Aggivessano, der Gedanke: 'Nein, ich fürchte jenes Glück nicht, jenes Glück jenseit der Wünsche, jenseit des Schlechten.'

 

            "Da kam mir, Aggivessano, der Gedanke: 'Nicht leicht kann wohl jenes Glück erreicht werden mit so außerordentlich entkräftetem Körper; wie, wenn ich nun feste Nahrung zu mir nähme, gekochten Reisbrei?' Und ich nahm, Aggi­vessano, feste Nahrung zu mir, gekochten Reisbrei.

 

            "Zu jener Zeit aber, Aggivessano, lebten fünf Mönche um mich herum: 'Wenn uns der Asket Gotamo die Wahrheit erkämpft haben wird, wird er sie uns mitteilen!' Als ich nun, Aggivessano, feste Nahrung zu mir nahm, ge­kochten Reisbrei, da wandten sich jene Mönche von mir ab und gingen fort: 'Üppig wird der Asket Gotamo, der Askese untreu, geneigt der Üppigkeit.'

 

            "Und ich nahm nun, Aggivessano, feste Nahrung zu mir, gewann Kraft und erwirkte, gar fern von Begierden, fern von unheilsamen Dingen, in sin­nend gedenkender ruhegeborener seliger Heiterkeit die Weihe der ersten Schauung. Und das solcherart mir entstandene Wohlgefühl, Aggivessano, konnte mein Gemüt nicht fesseln.

 

            "Nach Vollendung des Sinnens und Gedenkens, Aggivessano, erwirkte ich die innere Meeresstille, die Einheit des Gemütes, die von sinnen, von geden­ken freie, in der Einigung geborene selige Heiterkeit, die Weihe der zweiten Schauung. Und das solcherart mir entstandene Wohlgefühl, Aggivessano, konnte mein Gemüt nicht fesseln.

 

            "In heiterer Ruhe, Aggivessano, weilte ich gleichmütig, einsichtig, klar bewußt, ein Glück empfand ich im Körper, von dem die Heiligen sagen: 'Der gleich­mütig Einsichtige lebt beglückt'; so erwirkte ich die Weihe der drit­ten Schauung. Und das solcherart mir entstandene Wohlgefühl, Aggivessano, konnte mein Gemüt nicht fesseln.

 

            "Nach Verwerfung der Freuden und Leiden, Aggivessano, nach Vernich­tung des einstigen Frohsinns und Trübsinns erwirkte ich die Weihe der leid­losen, freudlosen, gleichmütig einsichtigen vollkommenen Reine, die vierte Schauung. Und das solcherart mir entstandene Wohlgefühl, Aggivessano, konnte mein Gemüt nicht fesseln.

 

            "Solchen Gemütes, innig, geläutert, gesäubert, gediegen, schlackenge­klärt, geschmeidig, biegsam, fest, unversehrbar, richtete ich das Gemüt auf die erinnernde Erkenntnis früherer Daseinsformen. Ich erinnerte mich an manche verschiedene frühere Daseinsform, als wie an ein Leben, dann an zwei Leben, dann an drei Leben, dann an vier Leben, dann an fünf Leben, dann an zehn Le­ben, dann an zwanzig Leben, dann an dreißig Leben, dann an vierzig Leben, dann an fünfzig Leben, dann an hundert Leben, dann an tausend Le­ben, dann an hun­dert­tausend Leben, dann an die Zeiten während mancher Weltenentstehungen, dann an die Zeiten während mancher Weltenvergehun­gen, dann an die Zeiten während mancher Weltenentstehungen‑Weltenver­gehungen. 'Dort war ich, jenen Namen hatte ich, jener Familie gehörte ich an, das war mein Stand, das mein Beruf, solches Wohl und Wehe habe ich er­fahren, so war mein Lebensende; dort verschieden trat ich anderswo wieder ins Dasein: da war ich nun, diesen Namen hatte ich, dieser Familie gehörte ich an, dies war mein Stand, dies mein Beruf, solches Wohl und Wehe habe ich erfahren, so war mein Lebensende; da verschieden trat ich hier wieder ins Dasein.' So erinnerte ich mich mancher ver­schiedenen früheren Da­seins­­form, mit je den eigentümlichen Merkmalen, mit je den eigenartigen Be­ziehungen. Dieses Wissen, Aggivessano, hatte ich nun in den ersten Stunden der Nacht als erstes errungen, das Nichtwissen zerteilt, das Wissen gewon­nen, das Dunkel zerteilt, das Licht gewonnen, wie ich da ern­sten Sinnes, eifrig, uner­müdlich verweilte. Und das solcherart mir entstandene Wohl­gefühl, Aggivessano, konnte mein Gemüt nicht fesseln.

 

            "Solchen Gemütes, innig, geläutert, gesäubert, gediegen, schlacken­ge­klärt, geschmeidig, biegsam, fest, unversehrbar, richtete ich das Gemüt auf die Er­kenntnis des Verschwindens‑Erscheinens der Wesen. Mit dem himmlischen Auge, dem geläuterten, über menschliche Grenzen hinausreichenden, sah ich die Wesen dahinschwinden und wiedererscheinen, gemeine und edle, schöne und un­schöne, glückliche und unglückliche, ich erkannte wie die Wesen je nach den Taten wiederkehren. 'Diese lieben Wesen sind freilich in Taten dem Schlechten zugetan, in Worten dem Schlechten zugetan, in Gedanken dem Schlech­ten zugetan, tadeln Heiliges, achten Verkehrtes, tun Verkehrtes; bei der Auf­lösung des Lei­bes, nach dem Tode, gelangen sie auf den Abweg, auf schlechte Fährte, zur Tiefe hinab, in untere Welt. Jene lieben Wesen sind aber in Taten dem Guten zugetan, in Worten dem Guten zugetan, in Ge­danken dem Guten zugetan, tadeln nicht Heiliges, achten Rechtes, tun Rech­tes; bei der Auflösung des Leibes, nach dem Tode, gelangen sie auf gute Fährte, in selige Welt.' So sah ich mit dem himmlischen Auge, dem geläu­terten, über menschliche Grenzen hinaus­reichen­den, die Wesen dahinschwin­den und wiedererscheinen, gemeine und edle, schöne und unschöne, glückliche und unglückliche, ich erkannte wie die Wesen je nach den Taten wie­derkehren. Dieses Wissen, Aggivessano, hatte ich nun in den mitt­leren Stun­den der Nacht als zweites errungen, das Nichtwissen zerteilt, das Wissen ge­wonnen, das Dunkel zerteilt, das Licht gewonnen, wie ich da ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilte. Und das solcherart mir entstandene Wohl­­gefühl, Aggivessano, konnte mein Gemüt nicht fesseln.

 

            "Solchen Gemütes, innig, geläutert, gesäubert, gediegen, schlacken­ge­klärt, geschmeidig, biegsam, fest, unversehrbar, richtete ich das Gemüt auf die Er­kenntnis der Wahnversiegung. 'Das ist das Leiden' verstand ich der Wahr­heit gemäß. 'Das ist die Leidensentwicklung' verstand ich der Wahrheit ge­mäß. 'Das ist die Leidensauflösung' verstand ich der Wahrheit gemäß. 'Das ist der zur Leidensauflösung führende Pfad' verstand ich der Wahrheit ge­mäß. 'Das ist der Wahn' verstand ich der Wahrheit gemäß. 'Das ist die Wahnentwicklung' ver­stand ich der Wahrheit gemäß. 'Das ist die Wahnauf­lösung' verstand ich der Wahr­­heit gemäß. 'Das ist der zur Wahnauflösung führende Pfad' verstand ich der Wahrheit gemäß. Also erkennend, also sehend ward da mein Gemüt erlöst vom Wun­scheswahn, erlöst vom Daseinswahn, erlöst vom Nichtwissenswahn. 'Im Erlösten ist die Erlösung', diese Erkennt­nis ging auf. 'Versiegt ist die Geburt, voll­endet das Asketentum, gewirkt das Werk, nicht mehr ist diese Welt' verstand ich da. Dieses Wissen, Aggives­sano, hatte ich nun in den letzten Stunden der Nacht als drittes errungen, das Nichtwissen zerteilt, das Wissen gewonnen, das Dunkel zerteilt, das Licht gewonnen, wie ich da ernsten Sinnes, eifrig, uner­müdlich verweilte. Und das solcherart mir entstandene Wohlgefühl, Aggivessano, konnte mein Gemüt nicht fesseln.

 

            "Ich weiß wohl, Aggivessano: wenn ich da einer Schar von vielen hunder­ten die Lehre verkündet habe, so meint einer um den anderen von mir: 'Nur für mich hat der Asket Gotamo die Lehre verkündet!' Doch ist das nicht also zu ver­stehn, Aggivessano, weil ja der Vollendete den anderen die Lehre zur Auf­klärung verkündet. Aber wenn eine solche Darlegung zu Ende ist, Aggi­vessano, dann richte ich auch das einzelne Gemüt eines jeden Friedesuchenden auf, bring' es zur Ruhe, einige es, füge es zusammen. Und so halte ich es alle­zeit, allezeit."

 

            "Also geziemt es dem verehrten Gotamo, als dem Heiligen, vollkommen Er­wachten. ‑ Gibt der verehrte Gotamo wohl zu, bei Tage zu schlafen?"

 

            "Ich geb' es zu, Aggivessano, im letzten Monat des Sommers, nach dem Mahle, wenn man vom Almosengange zurückgekehrt ist, den Mantel vier­fach ge­faltet auszubreiten und auf der rechten Seite liegend gesammelten Sinnes ein­zuschlafen."

 

            "Das wird aber, o Gotamo, von manchen Asketen und Priestern als betö­rendes Sichgehnlassen bezeichnet!"

 

            "Nicht insofern, Aggivessano, ist man betört oder nicht betört. Aber, Aggivessano, wie man betört und wie man nicht betört ist, das höre und achte wohl auf meine Rede."

 

            "Ja, Herr!" erwiderte Saccako der junge Niganther, dem Erhabenen zu­stimmend. Der Erhabene sprach also:

 

            "Wer da, Aggivessano, den Wahn, den besudelnden, Wiederdasein säen­den, entsetzlichen, Leiden ausbrütenden, wiederum Leben, Altern und Ster­ben er­zeu­genden, nicht verleugnet hat, den nenne ich betört. Denn durch des Wahnes Nicht­verleugnung, Aggivessano, wird man betört. Wer da, Ag­givessano, den Wahn, den besudelnden, Wiederdasein säenden, entsetzlichen, Leiden ausbrütenden, wiederum Leben, Altern und Sterben erzeugenden, verleugnet hat, den nenne ich unbetört. Denn durch des Wahnes Verleug­nung, Aggivessano, wird man unbetört. Der Vollendete, Aggivessano, hat den Wahn, den besudelnden, Wiederdasein sä­enden, entsetzlichen, Leiden ausbrütenden, wiederum Leben, Altern und Sterben erzeugenden, verleug­net, an der Wurzel abgeschnitten, einem Palmstumpf gleich­gemacht, so daß er nicht mehr keimen, nicht mehr sich entwickeln kann. Gleich­wie etwa, Aggivessano, eine Palme, der man die Krone abgeschnitten hat, nicht wieder emporwachsen kann, ebenso auch, Aggivessano, hat der Vollendete den Wahn, den besudelnden, Wiederdasein säenden, entsetzlichen, Leiden aus­brüten­den, wiederum Leben, Altern und Sterben erzeugenden, verleugnet, an der Wurzel abgeschnitten, einem Palmstumpf gleichgemacht, so daß er nicht mehr keimen, nicht mehr sich entwickeln kann."

 

            Nach diesen Worten sprach Saccako der junge Niganther zum Erhabenen also:

 

            "Wunderbar, o Gotamo, außerordentlich ist es, o Gotamo, wie da, nach der sanft und sicher hinleitenden Behandlung gar mancher Frage, des ver­ehrten Go­tamo Hautfarbe so hell und das Antlitz so heiter geblieben ist, wie das dem Heiligen, vollkommen Erwachten eignet! Ich bekenne, o Gotamo, mich mit Purano Kassapo in ein Gespräch eingelassen zu haben: der aber kam im Gespräche mit mir von einem ins andere, schweifte vom Gegenstand ab und legte Zorn, Haß und Verdrossenheit an den Tag. Beim verehrten Go­tamo dagegen ist nach der sanft und sicher hinleitenden Behandlung gar mancher Frage die Hautfarbe so hell und das Antlitz so heiter geblieben, wie es dem Heiligen, vollkommen Erwachten eignet. Ich bekenne, o Gotamo, mich mit Makkhali Gosalo, Ajito Kesakambalo, Pakudho Kaccayano, Sanjayo Belatthaputto, Nigantho Nathaputto in Gespräche eingelassen zu ha­ben: die aber kamen im Gespräche mit mir von einem ins an­dere, schweiften vom Gegenstand ab und legten Zorn, Haß und Verdrossenheit an den Tag.

 

            Beim verehrten Gotamo dagegen ist nach der sanft und sicher hinleitenden Behandlung gar mancher Frage die Hautfarbe so hell und das Antlitz so heiter geblieben, wie es dem Heiligen, vollkommen Erwachten eignet. ‑ Wohlan denn, jetzt wollen wir gehn, o Gotamo, manche Pflicht und Obliegenheit war­tet auf uns."

            "Wie es dir nun, Aggivessano, belieben mag."

 

            Da nun erhob sich Saccako Niganthaputto, erfreut und befriedigt durch des Erhabenen Rede, von seinem Sitze und ging fort.


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