Majjhima Nikaya, Mittlere Sammlung

ERSTES HALBHUNDERT (Mūlapaṇṇāsam)

Fünfter Teil (Vaggo Pañcamo) - Zweites Buch der Paare (cūlayamakavaggo)

48. (V,8) Kosambiya Sutta (Vor Kosambi)

 

DAS HAB' ICH GEHÖRT. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Kosambi, in der Gartenstiftung. Zu jener Zeit nun war unter den Mönchen von Kosambi Zank und Streit ausgebrochen, sie haderten miteinander und scharfe Wort­gefechte fanden statt. Sie konnten sich nicht versöhnen und wiesen eine Ver­söhnung ab, sie konnten sich nicht verständigen und blieben der Verständi­gung unzugänglich.

 

            Da begab sich nun einer der Mönche zum Erhabenen, begrüßte den Erha­benen ehrerbietig und setzte sich zur Seite nieder. Zur Seite sitzend sprach jener Mönch zum Erhabenen also:

 

            "Es ist da, o Herr, unter den Kosambiyer Mönchen Zank und Streit aus­gebrochen, sie hadern miteinander und scharfe Wortgefechte finden statt. Sie können sich nicht versöhnen und weisen eine Versöhnung ab, sie können sich nicht verständigen und bleiben der Verständigung unzugänglich."

 

            Da gab nun der Erhabene einem Mönche den Auftrag:

 

            "Geh', lieber Mönch, und sag' in meinem Namen jenen Mönchen: Der Meister läßt euch Ehrwürdige rufen."

 

            "Gut, o Herr!" erwiderte der Mönch dem Erhabenen und begab sich zu jenen Mönchen. Dort angelangt sprach er also zu ihnen:

 

            "Der Meister läßt euch Ehrwürdige rufen."

 

            "Wohl, Bruder, wir kommen!" sagten jene Mönche und begaben sich dorthin wo der Erhabene weilte, begrüßten den Erhabenen ehrerbietig und setzten sich zur Seite nieder. Zu den dort Sitzenden sprach nun der Erhabene also:

 

            "Ist es wahr, wie man sagt, daß unter euch Mönchen Zank und Streit aus­gebrochen sei, daß ihr miteinander hadert und scharfe Wortgefechte führt? Daß ihr euch nicht versöhnen könnt und eine Versöhnung zurückweist, daß ihr euch nicht verständigen könnt und der Verständigung unzugänglich bleibt?"

 

            "Allerdings, o Herr!"

 

            "Was meint ihr nun, Mönche: zu einer Zeit wo ihr untereinander in Zank, Streit und Hader liegt und euch mit scharfer Rede angreift, dient ihr wohl zu einer solchen Zeit eueren Ordensbrüdern mit liebevoller Tat, so offen als ver­borgen, mit liebevollem Wort, so offen als verborgen, mit liebevollem Her­zen, so offen als verborgen?"

 

            "Freilich nicht, o Herr!"

 

            "So ist es klar, Mönche, daß ihr zu einer solchen Zeit eueren Ordensbrü­dern weder mit liebevoller Tat dienet, so offen als verborgen, noch mit liebe­vollem Worte, so offen als verborgen, noch mit liebevollem Herzen, so offen als verborgen. Was wollt ihr also, Betörte, was bezweckt ihr, was beabsich­tigt ihr mit euerem Zanken, Streiten und Hadern, mit eurer scharfen Rede, mit eurer Unversöhnlichkeit und Unverständigkeit? Das wird euch Betörten lange zum Un­heil, zum Leiden gereichen."

 

            Und der Erhabene wandte sich nun an die Mönche:

 

            "Sechs Dinge gibt es, ihr Mönche, nicht zu vergessende, hoch und hehr ge­haltene, die zum allgemeinen Verträgnis, zum Frieden, zur Eintracht führen: und welche sind das? Da dient, ihr Mönche, ein Mönch seinen Ordensbrü­dern mit liebevoller Tat, so offen als verborgen. Das ist eines der nicht zu ver­gessen­den, hoch und hehr gehaltenen Dinge, das zum allgemeinen Verträg­nis, zum Frie­den, zur Eintracht führt. Weiter sodann, ihr Mönche: der Mönch dient seinen Ordensbrüdern mit liebevollem Worte, so offen als verborgen. Auch das ist ei­nes der nicht zu vergessenden, hoch und hehr gehaltenen Dinge, das zum all­gemeinen Verträgnis, zum Frieden, zur Eintracht führt. Weiter sodann, ihr Mön­che: der Mönch dient seinen Ordensbrüdern mit lie­bevollem Herzen, so offen als verborgen. Auch das ist eines der nicht zu ver­gessenden, hoch und hehr gehal­tenen Dinge, das zum allgemeinen Verträg­nis, zum Frieden, zur Eintracht führt. Weiter sodann, ihr Mönche: wenn der Mönch Gaben empfängt, Ordenspenden, so teilt er sie nicht nach Belieben, sondern bis auf die Brocken in seiner Almo­senschale nach dem Maße der be­währten Brüder des Ordens. Auch das ist eines der nicht zu vergessenden, hoch und hehr gehaltenen Dinge, das zum allgemeinen Verträgnis, zum Frie­den, zur Eintracht führt. Weiter sodann, ihr Mönche: der Mönch bewahrt die Ordenspflichten, ungebrochen, unverletzt, ungemustert, un­gesprenkelt, aus freiem Entschlusse, als von Verständigen gepriesen, nicht angetastet, zur Ver­tiefung tauglich, er übt diese Pflichten gleich seinen Ordensbrüdern, so offen als verborgen. Auch das ist eines der nicht zu ver­gessenden, hoch und hehr gehaltenen Dinge, das zum allgemeinen Verträgnis, zum Frieden, zur Ein­tracht führt. Weiter sodann, ihr Mönche: der Mönch hat jene Ansicht, die heilige, ausreichende, die dem Grübler zur völligen Leidens­ver­siegung aus­reicht, jene Ansicht hat er mit seinen Ordensbrüdern gemeinsam bewahrt, so offen als verborgen. Auch das ist eines der nicht zu vergessenden, hoch und hehr gehaltenen Dinge, das zum allgemeinen Verträgnis, zum Frieden, zur Eintracht führt.

 

            "Das aber, Mönche, sind die sechs Dinge, nicht zu vergessende, hoch und hehr gehaltene, die zum allgemeinen Verträgnis, zum Frieden, zur Eintracht führen. Und von diesen sechs Dingen, ihr Mönche, die nicht zu vergessen sind, ist eines das beste, eines der Inbegriff, eines alles zusammen: es ist jene Ansicht, die heilige, ausreichende, die dem Grübler zur völligen Leidensver­siegung ausreicht. Gleichwie etwa, Mönche, bei einem Turme eines das beste, eines der Inbegriff, eines alles zusammen ist, nämlich die Zinne: ebenso nun auch, ihr Mönche, ist bei diesen sechs Dingen, den nicht zu vergessenden, eines das beste, eines der Inbegriff, eines alles zusammen: jene Ansicht, die heilige, ausreichende, die dem Grübler zur völligen Leidensversiegung aus­reicht.

 

            "Wie reicht nun, ihr Mönche, jene Ansicht, die heilige, ausreichende, dem Grübler zur völligen Leidensversiegung aus? Da geht, ihr Mönche, der Mönch in den Wald, oder an einen Baum, oder in leere Klause, und erforscht sich also: 'Ist wohl in mir noch eine Umspinnung, die mein Herz derart um­sponnen hat, daß ich nicht klar und richtig denken und sehn kann?' Wenn ein Mönch, ihr Mönche, gierumsponnen ist, so ist sein Herz eben umspon­nen. Wenn ein Mönch, ihr Mönche, haßumsponnen ist, so ist sein Herz eben umsponnen. Wenn ein Mönch, ihr Mönche, trägheitumsponnen ist, so ist sein Herz eben umsponnen. Wenn ein Mönch, ihr Mönche, stolzumsponnen ist, so ist sein Herz eben umsponnen. Wenn ein Mönch, ihr Mönche, zwei­felumsponnen ist, so ist sein Herz eben umsponnen. Wenn ein Mönch, ihr Mönche, dieser Welt nachhängt, so ist sein Herz eben um­sponnen. Wenn ein Mönch, ihr Mönche, jener Welt nachhängt, so ist sein Herz eben umsponnen. Wenn ein Mönch, ihr Mönche, Zank und Streit liebt, hadert, sich in scharfe Reden einläßt, so ist sein Herz eben umsponnen. Er aber er­kennt: 'Es ist keine Umspinnung in mir, die mein Herz derart umsponnen hätte, daß ich nicht klar und richtig denken und sehn könnte. Wohl empfänglich ist mein Sinn, die Wahrheiten zu fassen.' Das ist die erste Wissenschaft, die er gewon­nen hat, eine heilige, überweltliche, mit gewöhnlichen Begriffen unver­ein­bare.

 

            "Weiter sodann, ihr Mönche: der heilige Jünger erforscht sich also: 'Weil ich nun jene Ansicht hege und pflege und ausbilde, gelang' ich da zur eigenen Ebbung, gelang' ich da zur eigenen Erlöschung?' Und er erkennt: 'Weil ich jene Ansicht hege und pflege und ausbilde gelang' ich zur eigenen Ebbung, gelang' ich zur eigenen Erlöschung.' Das ist die zweite Wissenschaft, die er gewonnen hat, eine heilige, überweltliche, mit gewöhnlichen Begriffen un­ver­einbare.

 

            "Weiter sodann, ihr Mönche: der heilige Jünger erforscht sich also: 'Jene Ansicht, die ich mir angeeignet habe, kann die wohl auch außerhalb dieser Regel von einem anderen Asketen oder Priester ganz ebenso gefunden wer­den?' Und er erkennt: 'Jene Ansicht, die ich mir angeeignet habe, die kann nicht außerhalb dieser Regel von einem anderen Asketen oder Priester ganz ebenso gefunden werden.' Das ist die dritte Wissenschaft, die er gewonnen hat, eine heilige, überweltliche, mit gewöhnlichen Begriffen unvereinbare.

 

            "Weiter sodann, ihr Mönche: der heilige Jünger erforscht sich also: 'Jene Art, die der Ansichtvertraute erworben hat, habe auch ich sie mir er­worben?' Was für eine Art aber ist es, ihr Mönche, die der Ansichtvertraute erworben hat? Die Art des Ansichtvertrauten, ihr Mönche, ist diese: hat er irgendwie eine Übertretung begangen, die gesühnt werden muß, so geht er als­bald zum Meister oder zu erfahrenen Ordensbrüdern, bekennt seine Schuld, deckt sie auf, legt sie dar, und hat er sie bekannt gemacht, aufgedeckt, dargelegt, so hütet er sich künftighin. Gleichwie etwa, ihr Mönche, ein zarter Knabe, ein unvernünftiger Säugling, mit der Hand oder mit dem Fuße von ungefähr auf glü­hende Kohlen stoßend rasch zurückfährt: ebenso nun auch, ihr Mönche, ist es die Art des Ansichtvertrauten, daß er eine irgendwie begangene Übertretung, die er sühnen muß, alsbald dem Meister oder erfahrenen Ordens­brüdern bekannt gibt, aufdeckt, darlegt und sich künftighin hütet. Und er erkennt: 'Jene Art, die der Ansichtvertraute erworben hat, die habe auch ich mir erworben.' Das ist die vierte Wissenschaft, die er gewonnen hat, eine heilige, überweltliche, mit gewöhnlichen Begriffen unvereinbare.

 

            "Weiter sodann, ihr Mönche: der heilige Jünger erforscht sich also: 'Jene Art, die der Ansichtvertraute erworben hat, habe auch ich sie mir erwor­ben?' Was für eine Art aber ist es, ihr Mönche, die der Ansichtvertraute er­worben hat? Die Art des Ansichtvertrauten, ihr Mönche, ist diese: haben die Ordens­brüder irgendwie da oder dort Obliegenheiten auf sich zu nehmen, so ist er mit Eifer dabei, und innig ist er bemüht hohe Tugend zu pflegen, hohen Sinn zu pflegen, hohe Weisheit zu pflegen. Gleichwie etwa, ihr Mönche, eine junge Mutterkuh die Hürde durchbricht und ihr Kälblein aufsucht: ebenso nun auch, ihr Mönche, ist es die Art des Ansichtvertrauten, daß er mit Eifer an allen Obliegenheiten der Ordensbrüder teilnimmt und innig bemüht ist hohe Tugend zu pflegen, hohen Sinn zu pflegen, hohe Weisheit zu pflegen. Und er erkennt: 'Jene Art, die der Ansichtvertraute erworben hat, die habe auch ich mir er­worben.' Das ist die fünfte Wissenschaft, die er gewonnen hat, eine heilige, überweltliche, mit gewöhnlichen Begriffen unvereinbare.

 

            "Weiter sodann, ihr Mönche: der heilige Jünger erforscht sich also: 'Jene Kraft, die der Ansichtvertraute erworben hat, habe auch ich sie mir erwor­ben?' Was für eine Kraft aber ist es, ihr Mönche, die der Ansicht­ver­traute erworben hat? Das ist die Kraft, ihr Mönche, des Ansichtvertrauten, daß er bei der Darlegung der Lehre und Ordnung des Vollendeten achtsam, auf­merk­sam, mit ganzem Gemüte hingegeben, offenen Ohres die Lehre hört. Und er er­kennt: 'Jene Kraft, die der Ansichtvertraute erworben hat, die habe auch ich mir erworben.' Das ist die sechste Wissenschaft, die er gewonnen hat, eine heilige, überweltliche, mit gewöhnlichen Begriffen unvereinbare.

 

            "Weiter sodann, ihr Mönche: der heilige Jünger erforscht sich also: 'Jene Kraft, die der Ansichtvertraute erworben hat, habe auch ich sie mir er­wor­ben?' Was für eine Kraft aber ist es, ihr Mönche, die der Ansicht­ver­traute er­worben hat? Das ist die Kraft, ihr Mönche, des Ansichtvertrauten, daß er bei der Darlegung der Lehre und Ordnung des Vollendeten zum Verständnis des Sin­nes, zum Verständnis der Lehre, zum verständnisvollen Genusse der Lehre ge­langt. Und er erkennt: 'Jene Kraft, die der Ansichtvertraute erworben hat, die habe auch ich mir erworben.' Das ist die siebente Wissenschaft, die er ge­won­nen hat, eine heilige, überweltliche, mit gewöhnlichen Begriffen unver­einbare.

 

            "Der also siebenfach gefeite heilige Jünger, ihr Mönche, hat seine Art ge­nugsam geprüft, um das Ziel seiner Hörerschaft zu erwirken. Der also sieben­fach gefeite heilige Jünger, ihr Mönche, hat das Ziel seiner Hörerschaft ge­funden."

 

            Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen.


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