Majjhima Nikaya, Mittlere Sammlung

ZEHNTER TEIL ‑ NEUNTE REDE

99. (X,9) Subha Sutta (Subho)

  

DAS HAB' ICH GEHÖRT. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Sie­gerwalde, im Garten Anāthapindikos.

 

      Um diese Zeit nun hielt sich Subho, ein junger Brahmane, der Sohn Todeyyos, zu Sāvatthī auf, in der Wohnung eines gewissen Hausvaters, irgend­eines Geschäftes halber.

 

      Wie sich nun Subho der junge Brahmane, der Sohn Todeyyos, bei jenem Hausvater dort befand sprach er also zu ihm:

      "Ich habe, Hausvater, reden hören, viel besucht werde Sāvatthī von Hei­ligen: was für einen Asketen oder Priester sollen wir da heute aufsuchen?"

      "Es weilt da, o Herr, der Erhabene zu Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapindikos: Ihn, o Herr, den Erhabenen sollst du aufsuchen."

 

      Da begab sich denn Subho der junge Brahmane, der Sohn Todeyyos, auf den Rat jenes Hausvaters zum Erhabenen hin. Dort angelangt wechselte er höflichen Gruß und freundliche, denkwürdige Worte mit dem Erhabenen und setzte sich seit­wärts nieder. Seitwärts sitzend sprach nun Subho der junge Brahmane, der Sohn Todeyyos, zum Erhabenen also:

 

      "Die Priester, o Gotamo, reden also: 'Wer im Hause bleibt kann Echtes erwirken, heilsames Recht; wer vom Hause fortzieht kann es nicht.' Was hält nun Herr Gotamo davon?"

 

      "Mancherlei sag' ich, Brahmane, darüber aus, nicht sag' ich darüber einer­lei aus. Ob einer, Brahmane, im Hause bleibt, oder ob einer vom Hause fort­zieht: lebt er falsch, so lob' ich es nicht. Denn wer im Hause bleibt, Brah­mane, und wer vom Hause fortzieht: lebt er falsch, so kann er um seines fal­schen Lebens willen nicht Echtes erwirken, heilsames Recht. Ob einer, Brah­mane, im Hause bleibt, oder ob einer vom Hause fortzieht: lebt er recht, so lob' ich es. Denn wer im Hause bleibt, Brahmane, und wer vom Hause fort­zieht: lebt er recht, so kann er um seines rechten Lebens willen Echtes er­wirken, heilsames Recht."

 

      "Die Priester, o Gotamo, reden also: 'Die viel gewichtige, viel ge­schäftige, viel sorghafte, viel mühsame Tätigkeit des Hauslebens trägt viel ein; die wenig gewichtige, wenig geschäftige, wenig sorghafte, wenig mühsame Tätig­keit des Pilgerlebens trägt wenig ein.' Was hält nun Herr Gotamo davon?"

 

      "Auch darüber sag' ich, Brahmane, mancherlei aus, nicht sag' ich darüber einerlei aus. Es gibt, Brahmane, eine Tätigkeit, die viel gewichtig, viel ge­schäftig, viel sorghaft, viel mühsam mißlingend wenig einträgt. Es gibt, Brah­mane, eine Tätigkeit, die viel gewichtig, viel geschäftig, viel sorghaft, viel mühsam gelingend viel einträgt. Es gibt, Brahmane, eine Tätigkeit, die wenig gewichtig, wenig geschäftig, wenig sorghaft, wenig mühsam mißlingend wenig ein­trägt. Es gibt, Brahmane, eine Tätigkeit, die wenig gewichtig, we­nig ge­schäftig, wenig sorghaft, wenig mühsam gelingend viel einträgt. Was ist das aber, Brahmane, für eine Tätigkeit, die viel gewichtig, viel geschäftig, viel sorghaft, viel mühsam mißlingend wenig einträgt? Der Ackerbau ist, Brahmane, eine Tätigkeit, die viel gewichtig, viel geschäftig, viel sorghaft, viel müh­sam mißlingend wenig einträgt. Und was ist es, Brahmane, für eine Tätig­keit, die viel gewichtig, viel geschäftig, viel sorghaft, viel mühsam ge­lingend viel einträgt? Wiederum ist der Ackerbau, Brahmane, eine Tätigkeit, die viel ge­wich­tig, viel geschäftig, viel sorghaft, viel mühsam gelingend viel einträgt. Was ist das aber, Brahmane, für eine Tätigkeit, die wenig gewich­tig, wenig geschäftig, wenig sorghaft, wenig mühsam mißlingend wenig ein­trägt? Der Handel ist, Brahmane, eine Tätigkeit, die wenig gewichtig wenig geschäftig, wenig sorghaft, wenig mühsam mißlingend wenig einträgt. Und was ist es, Brahmane, für eine Tätigkeit, die wenig gewichtig, wenig geschäftig, wenig sorghaft, wenig mühsam gelingend viel einträgt? Wiederum ist der Handel, Brahmane, eine Tätigkeit, die wenig gewichtig, wenig geschäftig, wenig sorg­haft, wenig mühsam gelingend viel einträgt.

 

      "Gleichwie nun, Brahmane, der Ackerbau eine Tätigkeit ist, die viel ge­wichtig, viel geschäftig, viel sorghaft, viel mühsam mißlingend wenig ein­trägt: ebenso auch, Brahmane, ist das Hausleben eine Tätigkeit, die viel ge­wichtig, viel geschäftig, viel sorghaft, viel mühsam mißlingend wenig ein­trägt. Gleichwie nun, Brahmane, wiederum der Ackerbau eine Tätigkeit ist, die viel gewichtig, viel geschäftig, viel sorghaft, viel mühsam gelingend viel einträgt: ebenso auch, Brahmane, ist das Hausleben eine Tätigkeit, die viel gewichtig, viel geschäftig, viel sorghaft, viel mühsam gelingend viel ein­trägt. Gleichwie nun, Brahmane, der Handel eine Tätigkeit ist, die wenig ge­wichtig, wenig geschäftig, wenig sorghaft, wenig mühsam mißlingend wenig einträgt: ebenso auch, Brahmane, ist das Pilgerleben eine Tätigkeit, die wenig gewichtig, wenig geschäftig, wenig sorghaft, wenig mühsam mißlingend we­nig einträgt. Gleichwie nun, Brahmane, wiederum der Handel eine Tätigkeit ist, die wenig gewichtig, wenig geschäftig, wenig sorghaft, wenig mühsam gelingend viel einträgt: ebenso auch, Brahmane, ist das Pilgerleben eine Tätigkeit, die wenig gewichtig, wenig geschäftig, wenig sorghaft, wenig müh­sam gelingend viel einträgt."

 

      "Die Priester, o Gotamo, geben fünf Bedingungen an, um Gutes zu tun, Heilsames zu erwerben."

 

      "Was da, Brahmane, die Priester als fünf Bedingungen angeben, um Gutes zu tun, Heilsames zu erwerben: wenn es dir nicht schwer fällt, magst du wohl diese fünf Bedingungen der Versammlung hier mitteilen."

 

      "Es fällt mir, o Gotamo, nicht schwer, wo so Ehrwürdige versammelt sind, oder ihnen ähnliche."

      "Wohlan denn, Brahmane, so rede."

      "Wahrhaftigkeit, o Gotamo, geben die Priester als erste Bedingung an, um Gutes zu tun, Heilsames zu erwerben. Buße, o Gotamo, geben die Priester als zweite Bedingung an, um Gutes zu tun, Heilsames zu erwerben. Keuschen Wandel, o Gotamo, geben die Priester als dritte Bedingung an, um Gutes zu tun, Heil­sames zu erwerben. Andacht, o Gotamo, geben die Priester als vierte Bedingung an, um Gutes zu tun, Heilsames zu erwerben. Entsagung, o Gotamo, geben die Priester als fünfte Bedingung an, um Gutes zu tun, Heilsames zu erwerben. Die Priester, o Gotamo, geben diese fünf Bedingungen an, um Gutes zu tun, Heil­sames zu erwerben. Was hält nun Herr Gotamo davon?"

 

      "Was glaubst du, Brahmane: gibt es unter den Priestern auch nur einen Priester, der da gesagt hat: 'Ich selber kann den Erfolg dieser fünf Bedingun­gen als erfahren und verwirklicht aufweisen'?"

 

      "Wohl nicht, o Gotamo!"

      "Was glaubst du, Brahmane: gibt es unter den Priestern auch nur einen Meister, oder Meister und Altmeister, bis zum siebenten Großmeisterahnen hinauf, der da gesagt hat: 'Ich selber kann den Erfolg dieser fünf Bedingungen als erfahren und verwirklicht aufweisen'?"

 

      "Wohl nicht, o Gotamo!"

      "Was glaubst du, Brahmane: die da vormals der Priester Seher waren, die Verfasser der Sprüche, Verkünder der Sprüche, deren uralte Spruchlieder, wie sie gesungen, ausgesprochen, gesammelt wurden, die Priester heute und hier ihnen nachsingen, ihnen nachsagen, das Gesagte weitersagen, das Gelehrte weiter­lehren, als da waren Atthako, Vamako, Vamadevo, Vessamitto, Yama­taggi, Angiraso, Bharadvajo, Vasettho, Kassapo, Bhagu: haben etwa diese gesagt: 'Wir selber können den Erfolg dieser fünf Bedingungen als erfahren und verwirklicht aufweisen'?"

 

      "Wohl nicht, o Gotamo!"

      "So gibt es denn, Brahmane, unter den Priestern auch nicht einen Prie­ster, der da gesagt hat: 'Ich selber kann den Erfolg dieser fünf Bedingungen als erfahren und verwirklicht aufweisen'; gibt es unter den Priestern auch nicht einen Meister, oder Meister und Altmeister, bis zum siebenten Groß­mei­ster­ahnen hinauf, der da gesagt hat: 'Ich selber kann den Erfolg dieser fünf Be­dingungen als erfahren und verwirklicht aufweisen'; und die da vormals der Priester Seher waren, die Verfasser der Sprüche, Verkünder der Sprüche, de­ren uralte Spruchlieder, wie sie gesungen, ausgesprochen, gesammelt wur­den, die Priester heute und hier ihnen nachsingen, ihnen nachsagen, das Ge­sagte weiter­sagen, das Gelehrte weiterlehren, als da waren Atthako, Vamako, Vamadevo, Vessamitto, Yamataggi, Angiraso, Bharadvajo, Vasettho, Kas­sapo, Bhagu: auch diese haben nicht gesagt: 'Wir selber können den Erfolg dieser fünf Bedin­gungen als erfahren und verwirklicht aufweisen.' Gleichwie etwa, Brahmane, eine Reihe Blinder, einer dem anderen angeschlossen, und kein vorderer sieht, und kein mittlerer sieht, und kein letzterer sieht: ebenso nun auch, Brahmane, als eine Reihe Blinder will mir das Reden der Priester erscheinen, wo kein vorderer sieht, und kein mittlerer sieht, und kein letz­terer sieht."

 

      So berichtet wurde Subho der junge Brahmane, der Sohn Todeyyos  - vom Erhabenen mit dem Gleichnisse von der Blindenreihe belehrt ‑ unwillig und unzufrieden; und den Erhabenen lästernd und den Erhabenen tadelnd und den Erhabenen warnend ‑ 'Ob wohl der Asket Gotamo vollbracht hat' ‑ sprach er also zum Erhabenen:

 

      "Pokkharasati, o Gotamo, der Priester, der Opamanner von Subhagava­nam, hat gesagt: 'Ebenso auch behaupten da gar manche Asketen und Priester ein überirdisches, reiches Heiltum der Wissensklarheit zu besitzen: denen gereicht diese Rede nur zum Spotte, zum bloßen Namen, erweist sich ganz eitel und nichtig. Denn wie sollte wohl ein Erdensohn ein überirdisches, rei­ches Heiltum der Wissensklarheit verstehn oder erkennen oder verwirkli­chen? Das ist unmöglich.'"

 

      "Wie denn, Brahmane: kann der Priester Pokkharasati, der Opamanner von Subhagavanam, auch aller Asketen und Priester Herz im Herzen schauen und er­kennen?"

 

      "Freilich, o Gotamo, nicht einmal bei seiner Magd Punnika kann der Prie­ster Pokkharasati, der Opamanner von Subhagavanam, das Herz im Herzen schauen und erkennen: woher sollt' er denn gar aller Asketen und Priester Herz im Herzen schauen und erkennen?"

 

      "Gleichwie etwa, Brahmane, wenn da ein Blindgeborener wäre: der sähe keine schwarzen und keine weißen Gegenstände, keine blauen und keine gel­ben, keine roten und keine grünen, er sähe nicht was gleich und was ungleich ist, sähe keine Sterne und nicht Mond und nicht Sonne. Und er spräche also: 'Es gibt nichts Schwarzes und Weißes, es gibt keinen, der Schwarzes und Weißes sähe; es gibt nichts Blaues und Gelbes, es gibt keinen, der Blaues und Gelbes sähe; es gibt nichts Rotes und Grünes, es gibt keinen, der Rotes und Grünes sähe; es gibt nichts Gleiches und Ungleiches, es gibt keinen, der Gleiches und Ungleiches sähe; es gibt keine Sterne, es gibt keinen, der Sterne sähe; es gibt weder Mond noch Sonne, es gibt keinen, der Mond und Sonne sähe. Ich selber weiß nichts davon, ich selber seh' nichts davon: darum ist es nicht.' Würde der wohl, Brahmane, also redend recht aussagen?"

 

      "Gewiß nicht, o Gotamo! Es gibt Schwarzes und Weißes, und man sieht es; es gibt Blaues und Gelbes, und man sieht es; es gibt Rotes und Grünes, und man sieht es; es gibt Gleiches und Ungleiches, und man sieht es; es gibt Sterne und Mond und Sonne, und man sieht sie. 'Ich selber weiß nichts da­von, ich selber seh' nichts davon: darum ist es nicht': also redend, o Gotamo, würde jener Mann gewiß nicht recht aussagen."

 

      "Ebenso nun auch, Brahmane, ist der Priester Pokkharasati, der Opamanner aus Subhagavanam, blind und augenlos. Daß der etwa ein überirdisches, reiches Heiltum der Wissensklarheit verstehn oder erkennen oder verwirk­lichen würde, ist unmöglich. ‑ Was meinst du wohl, Brahmane: jene hoch­mögenden kosalischen Priester, als da sind Canki der Priester, Tarukkho der Priester, Pokkharasati der Priester, Janussoni der Priester, oder dein Vater Todeyyo: welche gelten bei denen als besser, die da mit Zusammenhang re­den können, oder ohne Zusam­men­hang?"

 

      "Mit Zusammenhang, o Gotamo!"

      "Welche gelten ihnen als besser, die da mit Bedacht reden können, oder ohne Bedacht?"

      "Mit Bedacht, o Gotamo!"

      "Welche gelten ihnen als besser, die da mit Begründung reden können, oder ohne Begründung?"

      "Mit Begründung, o Gotamo!"

      "Welche gelten ihnen als besser, die da sinnig reden können, oder unsin­nig?"

      "Sinnig, o Gotamo!"

      "Was meinst du wohl, Brahmane: ist es also, hat dann der Priester Pok­kha­­ra­sati, der Opamanner aus Subhagavanam, mit Zusammenhang geredet, oder ohne Zusammenhang?"

      "Ohne Zusammenhang, o Gotamo!"

      "Mit Bedacht geredet, oder ohne Bedacht?"

      "Ohne Bedacht, o Gotamo!"

      "Mit Begründung geredet, oder ohne Begründung?"

      "Ohne Begründung, o Gotamo!"

      "Sinnig geredet, oder unsinnig?"

      "Unsinnig, o Gotamo!"

      "Fünf gibt es, Brahmane, der Hemmungen: welche fünf? Die Hemmung durch Wunscheswillen, die Hemmung durch Hassensgroll, die Hemmung durch matte Müde, die Hemmung durch stolzen Unmut, die Hemmung durch Schwanken. Das sind, Brah­mane, die fünf Hemmungen. In diese fünf Hemmungen, Brahmane, ist der Priester Pokkharasati, der Opamanner aus Subhagavanam, eingeschlossen, eingeschnürt, verzogen und verwickelt. Daß der etwa ein überirdisches, reiches Heiltum der Wissensklarheit verstehn oder erkennen oder verwirklichen würde, ist un­mög­lich. Fünf gibt es, Brahmane, der Begehrungen: welche fünf? Die durch das Gesicht ins Bewußtsein treten­den Formen, die ersehnten, geliebten, entzücken­den, angenehmen, dem Begehren entsprechenden, reizenden; die durch das Gehör ins Bewußtsein tretenden Töne, die ersehnten, geliebten, entzückenden, ange­neh­men, dem Begehren entsprechenden, reizenden; die durch den Geruch ins Bewußtsein tretenden Düfte, die ersehnten, geliebten, entzückenden, ange­nehmen, dem Begehren entsprechenden, reizenden; die durch den Geschmack ins Bewußt­sein tretenden Säfte, die ersehnten, geliebten, entzückenden, ange­nehmen, dem Begehren entsprechenden, reizenden; die durch das Getast ins Be­wußtsein tretenden Tastungen, die ersehnten, geliebten, entzückenden, ange­nehmen, dem Begehren entsprechenden, reizenden. Das sind, Brahmane, die fünf Begehrungen. Diesen fünf Begehrungen, Brahmane, hat sich der Priester Pok­kharasati, der Opamanner aus Subhagavanam, verlockt, geblendet, anheim­ge­fallen, ohne das Elend zu sehn, ohne an Entrinnung zu denken, hingegeben. Daß der etwa ein überirdisches, reiches Heiltum der Wissensklarheit verstehn oder erkennen oder verwirklichen würde, ist unmöglich. ‑ Was meinst du wohl, Brah­mane: wenn Feuer, durch Heu und Holz genährt, entfacht würde; oder wenn Feuer, durch regengetränktes Heu und Holz genährt, entfacht würde: welches von beiden hätte da Flamme und Glanz und Leuchtkraft?"

 

      "Wär' es möglich, o Gotamo, Feuer, durch regengetränktes Heu und Holz genährt, zu entfachen, so hätte auch dieses Feuer Flamme und Glanz und Leucht­kraft."

      "Unmöglich ist es, Brahmane, es kann nicht sein, daß Feuer, durch regen­getränktes Heu und Holz genährt, entfacht werde, es sei denn durch magi­sche Macht. Gleichwie nun, Brahmane, als ob man Feuer, durch regenge­tränktes Heu und Holz genährt, entfachte, erscheint mir, Brahmane, eine Hei­terkeit, durch die fünf Begehrungen genährt. Gleichwie nun, Brahmane, als ob man Feuer, durch Heu und Holz genährt, entfachte, erscheint mir, Brahmane, eine Heiterkeit, gar fern von Begierden, fern von unheilsamen Din­gen. Was ist das aber, Brahmane, für eine Heiterkeit, gar fern von Begierden, fern von unheilsamen Dingen? Da weilt, Brahmane, ein Mönch, eben fern von Begierden, fern von unheilsamen Dingen, in sinnend gedenkender ruhegebo­rener seliger Heiterkeit, in der Weihe der ersten Vertiefung. Das ist nun, Brah­mane, eine Heiterkeit gar fern von Begierden, fern von unheilsamen Dingen.

 

      "Weiter sodann, Brahmane: nach Vollendung des Sinnens und Gedenkens erwirkt der Mönch die innere Meeresstille, die Einheit des Geistes, die von sinnen, von gedenken freie, in der Vertiefung geborene selige Heiterkeit, die Weihe der zweiten Vertiefung. Das ist nun, Brahmane, eine Heiterkeit gar fern von Begierden, fern von unheilsamen Dingen.

 

      "Was da, Brahmane, die Priester als fünf Bedingungen angeben, um Gutes zu tun, Heilsames zu erwerben: welche davon erklären sie als die wirksamste, um Gutes zu tun, Heilsames zu erwerben?"

 

      "Was da, o Gotamo, die Priester als fünf Bedingungen angeben, um Gutes zu tun, Heilsames zu erwerben: Entsagung erklären sie davon als am wirk­samsten, um Gutes zu tun, Heilsames zu erwerben."

 

      "Was meinst du wohl, Brahmane: es habe da irgendein Priester eine große Opferfeier vorbereitet, und es kämen zwei andere Priester heran: 'Wir wollen dem Opferfeste dieses Priesters beiwohnen.' Und der eine der beiden gedächte bei sich: 'Ach daß mir doch bei dem Mahle der beste Sitz, das beste Wasser, der beste Bissen zufiele, und nicht etwa einem anderen Priester!' Möglich, Brahmane, daß einem anderen Priester beim Mahle der beste Sitz, das beste Wasser, der beste Bissen zugeteilt werde, und nicht ihm. Und er würde erbit­tert und mißvergnügt: 'Ein anderer Priester hat beim Mahle den besten Sitz, das beste Wasser, den besten Bissen erhalten, nicht ich!' Was geben nun wohl, Brahmane, die Priester als Vergeltung dafür an?"

 

      "Nicht reichen ja, o Gotamo, die Priester also Almosen: 'Dadurch soll der Nächste erbittert und mißvergnügt werden', sondern sie reichen, o Gotamo, eben aus Mitleid Almosen."

 

      "Ist es also, Brahmane, so haben die Priester diesen sechsten Anlaß Gutes zu tun, nämlich aus Mitleid."

 

      "Also ist es, o Gotamo, daß die Priester diesen sechsten Anlaß haben Gutes zu tun, nämlich aus Mitleid."

 

      "Was da, Brahmane, die Priester als fünf Bedingungen angeben, um Gutes zu tun, Heilsames zu erwerben: wo hast du diese zumeist angetroffen, bei Hausleuten oder bei den Pilgern?"

 

      "Was da, o Gotamo, die Priester als fünf Bedingungen angeben, um Gutes zu tun, Heilsames zu erwerben: diese hab' ich zumeist bei den Pilgern ange­troffen, wenig bei Hausleuten. Wer im Hause lebt, o Gotamo, ist ja viel be­tätigt, viel beschäftigt, viel besorgt, viel bemüht, nicht jederzeit ganz und gar der Wahrhaftigkeit zugetan. Wer aber dem Hause fernsteht, o Gotamo, ist wenig betätigt, wenig beschäftigt, wenig besorgt, wenig bemüht, jeder­zeit ganz und gar der Wahrhaftigkeit zugetan. Wer im Hause lebt, o Gotamo, ist ja viel betätigt, viel beschäftigt, viel besorgt, viel bemüht, nicht jederzeit ganz und gar bußhaft, keusch, andächtig, entsagungsvoll. Wer aber dem Hause fern­steht, o Gotamo, ist wenig betätigt, wenig beschäftigt, wenig besorgt, wenig bemüht, jederzeit ganz und gar der Buße, der Keuschheit, der Andacht, der Entsagung zugetan. Was da, o Gotamo, die Priester als fünf Be­dingungen ange­ben, um Gutes zu tun, Heilsames zu erwerben: diese hab' ich zumeist bei den Pilgern angetroffen, wenig bei Hausleuten."

 

      "Was da, Brahmane, die Priester als fünf Bedingungen angeben, um Gutes zu tun, Heilsames zu erwerben: des Herzens Geräte heiße ich diese, wo das Herz ohne Grimm, ohne Groll darauf hinarbeitet. Da ist, Brahmane, ein Mönch wahr­haftig, und 'Ich bin wahrhaftig' weiß er und gewinnt Verständnis des Sinnes, Verständnis der Wahrheit, verständnisreife Wahrheitwonne; und was da heilsame Wonne ist, das heiß' ich des Herzens Gerät, wo das Herz ohne Grimm, ohne Groll darauf hinarbeitet. Da ist, Brahmane, ein Mönch bußhaft, keusch, andächtig, entsagungsvoll, und er weiß es und gewinnt Verständnis des Sinnes, Verständnis der Wahrheit, verständnisreife Wahrheitwonne; und was da heilsame Wonne ist, das heiß' ich des Herzens Gerät, wo das Herz ohne Grimm, ohne Groll darauf hinarbeitet. Was da, Brahmane, die Priester als fünf Bedingungen angeben, um Gutes zu tun, Heilsames zu erwerben: des Herzens Geräte heiße ich diese, wo das Herz ohne Grimm, ohne Groll dar­auf hinarbeitet."

 

      Nach diesen Worten wandte sich Subho der junge Brahmane, der Sohn To­deyyos, also an den Erhabenen:

      "Reden hab' ich hören, o Gotamo: 'Der Asket Gotamo kennt den Weg, der zu Brahma führt.'"

 

      "Was meinst du wohl, Brahmane: ist Nalakaram das Dorf nahebei, liegt es unweit von hier?"

      "Freilich, Herr, ist Nalakaram das Dorf nahebei, es liegt unweit von hier."

      "Was meinst du wohl, Brahmane: es sei da ein Mann, in Nalakaram von Ge­burt auferwachsen, und man fragte ihn, wie weit es noch des Weges nach Na­lakaram sei: würde da etwa, Brahmane, dieser Mann, in Nalakaram von Ge­burt auferwachsen, um den Weg nach Nalakaram gefragt, irgend zögern oder zaudern?"

      "Gewiß nicht, o Gotamo!"

      "Und warum nicht?"

      "Der Mann ist ja, o Gotamo, in Nalakaram von Geburt auferwachsen: so kennt er denn alle die Wege nach Nalakaram genau."

 

      "Doch könnte, Brahmane, dieser Mann, in Nalakaram von Geburt aufer­wachsen, um den Weg nach Nalakaram gefragt, irgend zögern oder zaudern: nicht aber kann der Vollendete, um die Brahmawelt oder den Pfad, der zur Brahmawelt führt, gefragt, irgend zögern oder zaudern. Den Brahma kenn' ich, Brahmane, und die Brahmawelt und den Pfad, der zur Brahmawelt führt, und auf welche Weise man in brahmische Welt gelangt, auch das kenn' ich."

      "Reden hab' ich hören, o Gotamo: 'Der Asket Gotamo zeigt den Weg, der zu Brahma führt.' o daß mir doch Herr Gotamo den Weg zeigte, der zu Brahma führt!"

      "Wohlan denn, Brahmane, so höre und achte wohl auf meine Rede."

      "Ja, Herr!" erwiderte da aufmerksam Subho der junge Brahmane, der Sohn Todeyyos, dem Erhabenen. Der Erhabene sprach also:

 

      "Was ist das also, Brahmane, für ein Weg, der zu Brahma führt? Da strahlt, Brahmane, ein Mönch liebevollen Gemütes weilend nach einer Richtung, dann nach einer zweiten, dann nach der dritten, dann nach der vierten, eben­so nach oben und nach unten: überall in allem sich wiedererkennend durch­strahlt er die ganze Welt mit liebevollem Gemüte, mit weitem, tiefem, unbe­schränktem, von Grimm und Groll geklärtem. In also geübter liebevoller Gemüterlösung, Brahmane, kann beschränktes Werk nicht mehr übrig blei­ben, nicht mehr bestehn. Gleichwie etwa, Brahmane, ein kräftiger Trompeter gar mühelos nach den vier Seiten posaunen kann[1], ebenso nun auch, Brah­mane, kann in also geübter liebevoller Gemüterlösung beschränktes Werk nicht mehr übrig bleiben, nicht mehr bestehn. Das aber ist, Brahmane, der Weg, der zu Brahma führt.

 

      "Weiter sodann, Brahmane: erbarmenden Gemütes, freudevollen Gemütes, unbewegten Gemütes weilend strahlt ein Mönch nach einer Richtung, dann nach einer zweiten, dann nach der dritten, dann nach der vierten, ebenso nach oben und nach unten: überall in allem sich wiedererkennend durch­strahlt er die ganze Welt mit erbarmendem Gemüte, mit freudevollem Ge­müte, mit unbewegtem Gemüte, mit weitem, tiefem, unbeschränktem, von Grimm und Groll geklärtem. In also geübter erbarmender, freudevoller, un­bewegter Gemüterlösung, Brahmane, kann beschränktes Werk nicht mehr übrig bleiben, nicht mehr bestehn. Gleichwie etwa, Brahmane, ein kräftiger Trompeter gar mühelos nach den vier Seiten po­sau­nen kann, ebenso nun auch, Brahmane, kann in also geübter erbarmender, freudevoller, unbewegter Gemüterlösung beschränktes Werk nicht mehr übrig bleiben, nicht mehr bestehn. Das aber ist, Brahmane, der Weg, der zu Brahma führt."

 

      Nach dieser Rede sprach Subho der junge Brahmane, der Sohn Todeyyos, zum Erhabenen also:

 

      "Vortrefflich, o Gotamo, vortrefflich, o Gotamo! Gleichwie etwa, o Go­tamo, als ob einer Umgestürztes aufstellte, oder Verdecktes enthüllte, oder Verirr­ten den Weg wiese, oder Licht in die Finsternis brächte: 'Wer Augen hat wird die Dinge sehn': ebenso auch ist von Herrn Gotamo die Lehre gar man­nigfach dargelegt worden. Und so nehm' ich bei Herrn Gotamo Zuflucht, bei der Lehre und bei der Jüngerschaft: als Anhänger möge mich Herr Gotamo betrachten, von heute an zeitlebens getreu. ‑ Wohlan denn, o Gotamo, jetzt wollen wir aufbrechen: manche Pflicht wartet unser, manche Obliegenheit."

 

      "Wie es dir nun, Brahmane, belieben mag."

      Und Subho der junge Brahmane, der Sohn Todeyyos, durch des Erhabenen Rede erfreut und befriedigt, stand auf von seinem Sitze, begrüßte den Erha­benen ehrerbietig, ging rechts herum und entfernte sich.

 

 

      Um diese Zeit aber fuhr Janussoni der Priester in einem weißen Zeltwagen aus Sāvatthī hinaus, am Nachmittage. Da sah Janussoni der Priester den jun­gen Brahmanen Subho, den Sohn Todeyyos, von ferne herankommen, und als er ihn gesehn sprach er also zu ihm:

      "Sieh' da, wo kommt denn der verehrte Bharadvajo her, in der Sonne des Nachmittags?"

      "Von dort, Lieber, vom Asketen Gotamo komme ich."

      "Was meint wohl Herr Bharadvajo: hat der Asket Gotamo große Geistes­kraft? Man hält ihn für weise."

      "Wer bin ich, Lieber, daß ich über die große Geisteskraft des Asketen Go­tamo urteilen sollte? Der müßte ihm wohl gleichen, der die große Geistes­kraft des Asketen Gotamo kennte!"

      "Gewaltig, fürwahr, preist Herr Bharadvajo das Lob des Asketen Go­tamo!"

 

      "Wer bin ich, Lieber, daß ich den Asketen Gotamo preisen sollte? Von Ge­priesenen gepriesen wird Herr Gotamo, der Höchste der Götter und Men­schen. Und was da, Lieber, die Priester als fünf Bedingungen angeben, um Gu­tes zu tun, Heilsames zu erwerben: nur des Herzens Geräte sind es, hat Herr Gotamo gesagt, wo das Herz ohne Grimm, ohne Groll darauf hinarbeitet."

 

      Also berichtet stieg Janussoni der Priester von seinem weißen Zeltwagen herab, entblößte eine Schulter, verneigte sich ehrerbietig nach der Richtung wo der Erhabene weilte, und ließ dann den Gruß ertönen:

 

            "Gesegnet ist König Pasenadi von Kosalo,

            Hochgesegnet ist König Pasenadi von Kosalo,

            In dessen Reiche der Vollendete weilt,

            Der Heilige, vollkommen Erwachte."


 
    [1]Deren Ton ohne Beschränkung überall hinreicht.

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