Majjhima Nikāya, Mittlere Sammlung

Erstes Halbhundert - Mūlapannāsam

III. BUCH: (GLEICHNISSE - Opamadhammavaggo

26. Edles Streben - Ariyapariyesana Sutta

 

So habe ich es gehört:

   Einst weilte der Erhabene in Anāthapindikas Bhikkhuheim im Jetahain bei Sāvatthi. Früh stand er auf, nahm Schale und Obergewand und begab sich in die Stadt, um Speise zu sammeln. Da gingen viele Bhikkhus zum ehrwürdigen Ānanda und sagten: «Schon lange haben wir vom Erhabenen keine Lehrrede mehr gehört, wir möchten gern wieder eine hören.» Ānanda erwiderte: «Geht zur Einsiedelei des Brahmanen Rāmmaka, vielleicht werdet ihr dort vom Erhabenen eine Lehrrede hören.» Damit waren die Bhikkhus einverstanden.

Als der Erhabene in der Stadt Speise gesammelt und gespeist hatte, sprach er zu Ānanda: «Wir wollen zur Terrasse der Mutter Migaras im Ostpark gehen und dort den Tag über bleiben.» Ānanda stimmte zu, und beide gingen dorthin. Gegen Abend, nachdem der Erhabene seine Meditation beendet hatte, ging er mit Ānanda zum Baden an das Osttor. Nach dem Bade, während der Erhabene sich abtrocknete, schlug ihm Ānanda vor, zur Einsiedelei des Brahmanen Rāmmaka zu gehen. Schweigend stimmte der Erhabene zu und ging hin. Dort saßen die Bhikkhus beisammen und redeten über die Lehre. An der Tür blieb der Erhabene stehen und wartete das Ende des Gesprächs ab, dann räusperte er sich und klopfte an. Die Bhikkhus öffneten die Tür, der Erhabene trat ein, setzte sich auf den ihm angebotenen Platz und fragte die Bhikkhus, worüber sie gesprochen hätten. Sie erwiderten: «Des Erhabenen wegen haben wir unser Gespräch, das sich auf die Lehre bezog, abgebrochen. Jetzt ist ja der Erhabene hier!» - «Recht so, meine Bhikkhus!», sagte der Erhabene, «euch, die ihr vertrauensvoll in den Orden eingetreten seid, steht es wohl an, daß ihr euch zu einem Gespräch über die Lehre zusammensetzt. Wenn ihr zusammenkommt, ziemt euch zweierlei: ein Gespräch über die Lehre oder edles Schweigen.» Dann fuhr er fort:

Zwei Arten des Strebens gibt es, edles Streben und unedles Streben. Unedles Streben ist es, wenn man, obwohl man selbst dem Gesetz von Geburt, Altern, Krankheit und Sterben, von Sorgen und Fehlern unterliegt, nach dem strebt, was auch dem Gesetz von Geburt, Altern, Krankheit und Sterben, von Sorgen und Fehlern unterliegt, und das sind Weib und Kind, Knechte und Mägde, Ziegen und Schafe, Hühner und Schweine, Elefanten und Rinder, Gold und Silber. Das sind weltliche Dinge, durch die man angelockt, betäubt und festgehalten wird, so daß man nach dem strebt, was dem Gesetz von Geburt, Altern, Krankheit und Sterben, von Sorgen und Fehlern unterliegt. Das ist unedles Streben.

Edles Streben ist es, wenn man, obwohl man selbst dem Gesetz von Geburt, Altern, Krankheit und Sterben, von Sorgen und Fehlern unterliegt, das Nachteilige darin erkennt und nach dem strebt, was nicht diesem Gesetz unterliegt, nämlich nach dem höchsten Frieden, nach dem Nirwana. Das ist edles Streben. Auch ich strebte vor dem völligen Erwachen, als ich noch ein unerwachter Bodhisattva war, nach dem, was dem Gesetz von Geburt, Altern, Krankheit und Sterben, von Sorgen und Fehlern unterliegt. Dann dachte ich: Warum strebe ich denn nach dem, was diesem Gesetz unterliegt? Sollte ich nicht lieber, da ich doch das Nachteilige darin erkannt habe, nach dem streben, was nicht diesem Gesetz unterliegt, nach dem höchsten Frieden, nach dem Nirwana? Und nach einiger Zeit, als ich noch jung und dunkelhaarig war, in der ersten Jugendkraft, ließ ich mir gegen den Willen meiner weinenden Eltern Haar und Bart scheren, zog ein gelbes Gewand an und ging aus dem Hause in die Heimatlosigkeit. Das Heil suchend, nach der höchsten Stätte echten Friedens strebend, wanderte ich zu Alara Kalama und bat ihn um Aufnahme in seine Schule. Alara Kalama forderte mich auf, bei ihm zu bleiben, und sprach: <Meine Lehre ist so, daß ein verständiger Mann sie bald begreift und versteht und sein eigener Lehrer sein kann.> In der Tat lernte ich die Lehre sehr schnell, soweit ich sie mit Lippenbewegung und mit Worten hersagen konnte. Wie die anderen Schüler verstand ich die Weisheitslehre und die Lehre der Alten, aber ich dachte, Alara Kalama verkünde seine Lehre nicht ganz so, wie er sie selbst verstanden und sich klar gemacht habe, sicherlich kenne er sie genauer. Ich ging deshalb zu ihm und fragte ihn, wieweit er seine Lehre mitteilen wolle. Darauf erklärte er mir das Gebiet des Nichts[1]. Nun dachte ich: Nicht nur Alara Kalama hat Vertrauen, Tatkraft, Achtsamkeit, Geistessammlung und Weisheit, sondern auch ich habe Vertrauen, Tatkraft, Achtsamkeit, Geistessammlung und Weisheit. Ich möchte mich bemühen, Alara Kalamas Lehre ganz zu verstehen und sie mir klar zu machen. Sehr bald verstand ich seine Lehre und machte sie mir klar. Dann ging ich wieder zu Alara Kalama und fragte ihn, ob das seine ganze Lehre sei. Er bestätigte es, und ich erklärte ihm darauf, daß ich sie nun ganz verstanden hätte. Er erwiderte: <Es ist mir eine hohe Ehre, daß ich in dir, Ehrwürdiger, einen so guten Mitbruder habe. Du verstehst jetzt die Lehre ebenso gut wie ich, du bist mir gleich, ich lade dich ein, mit mir zusammen die Schule zu leiten.> So hat mein Lehrer Alara Kalama mich, seinen Schüler, für seinesgleichen erklärt und mir eine hohe Ehre erwiesen. Ich dachte aber: Diese Lehre führt nicht zum Aufgeben und Schwinden der Leidenschaften, nicht zum Aufhören und Ruhigwerden, nicht zu höherem Wissen, nicht zum Erwachen, nicht zum Nirwana, sondern nur zum Gebiet des Nichts, und unbefriedigt von dieser Lehre gab ich sie auf und zog fort.

Weiter forschend begab ich mich nun zu Uddaka, Ramas Sohn, und bat ihn um Aufnahme in seine Schule. Er forderte mich auf, bei ihm zu bleiben, und pries Ramas (seines Vaters) Lehre ebenso, wie Alara Kalama die seinige gepriesen hatte. Auch Ramas Lehre erlernte ich zunächst dem Wortlaut nach, dann ließ ich mich von Uddaka tiefer einweihen und gelangte zum Verständnis des Grenzgebiets von Wahrnehmung und Nichtwahrnehmung[2]. Als ich ihm sagte, daß ich nun Ramas Lehre ganz verstanden hätte, erwiderte er: <Es ist mir eine hohe Ehre, daß ich in dir, Ehrwürdiger, einen so guten Mitbruder gefunden habe. Du verstehst jetzt die Lehre ebenso gut wie Rama, du bist Rama gleich, ich lade dich ein, die Schule zu leiten.> So hat mein Mitbruder Uddaka Ramaputta mich für seinen Lehrer erklärt und mir hohe Ehren erwiesen. Ich dachte aber: Diese Lehre führt nicht zum Aufgeben und Schwinden der Leidenschaften, nicht zum Aufhören und Ruhigwerden, nicht zu höherem Wissen, nicht zum Erwachen, nicht zum Nirwana, sondern nur zum Grenzgebiet von Wahrnehmung und Nichtwahrnehmung, und unbefriedigt von dieser Lehre gab ich sie auf und ging fort.

Das Heil suchend, nach der höchsten Stätte echten Friedens strebend, wanderte ich nun im Lande Māgadha von Ort zu Ort und kam nach der kleinen Garnisonsstadt Uruvela. Dort erblickte ich einen herrlichen Platz, einen lieblichen Hain, einen klar dahinströmenden Fluß, der gute Badegelegenheit bot und ganz entzückend war, und in der Nähe ein von Wiesen umgebenes Dorf. Der Ort gefiel mir und schien mir geeignet zum Nachdenken für einen ehrbaren Mann, der die Erlösung sucht. Dort ließ ich mich nieder, um die Erlösung zu suchen.

Obwohl ich selbst dem Gesetz von Geburt, Altern, Krankheit und Sterben, von Sorgen und Fehlern unterlag, erkannte ich das Nachteilige darin und strebte nach dem, was diesem Gesetz nicht unterliegt, nach dem höchsten Frieden, nach dem Nirwana und fand es. Da erkannte ich und sah ein, daß meine Befreiung unerschütterlich ist, daß dies mein letztes Leben ist und daß es für mich keine Wiedergeburt mehr gibt.

Da dachte ich: Gefunden habe ich dieses Tiefe, das schwer einzusehen, schwer zu verstehen ist, das Friedreiche, das Erhabene, das alles Denken übersteigt, das Geheimnisvolle, das allein der Weise fassen kann. In irdischem Treiben bewegt sich die Menschheit, an irdischem Treiben erfreut sie sich und findet sie ihre Lust. Ihr wird deshalb dies schwer verständlich sein, das Gesetz von Ursache und Wirkung, die Bedingtheit alles Entstehens, und auch dies wird ihr schwer verständlich sein, das Zurruhekommen aller Lebensvorgänge, das Ablassen von allem Irdischen, die Vernichtung des Durstes, das Aufhören des Verlangens, das Ende, das Nirwana. Wenn ich nun die Wahrheit verkündete und man mich nicht verstände, hätte ich nur Mühe und Verdruß davon. Und ohne weiteres kamen mir folgende Verse in den Sinn, die vorher niemand gehört hatte:

 

  Wozu der Welt verkündigen,

  Was ich erlangt mit schwerer Müh'?

  Denn wer von Gier und Haß erfüllt,

  Kann doch die Wahrheit nicht verstehen.

  Was schwierig, tief, geheimnisvoll,

  Gemeinem Sinn verborgen ist,

  Mag schauen nicht, wen Gier ergötzt

  Und Erdennebels Nacht umhüllt.

 

Und so neigte sich mein Geist dazu, in Ruhe zu verharren und die Wahrheit nicht zu verkündigen. Da erkannte Brahma Sahāmpati[3] meine Gedanken und sprach zu sich selbst: Zugrunde gehen, ach, wird die Welt, wenn sich der Geist des Vollendeten, des Heiligen, völlig Erwachten dazu neigt, in Ruhe zu verharren und die Lehre nicht zu verkündigen. Und er verschwand so schnell, wie ein starker Mann seinen gekrümmten Arm ausstreckt oder seinen ausgestreckten Arm krümmt, aus dem Brahmahimmel und erschien vor mir, entblößte seine eine Schulter, kniete nieder, erhob seine zusammengelegten Hände zu mir und sprach: <Erhabener, Pfadvollender, verkündige die Lehre! Es gibt Wesen, die nur wenig von irdischem Trachten erfüllt sind; wenn sie die Lehre nicht hören, gehen sie zugrunde; sie werden die Lehre verstehen. So sprach Brahma Sahāmpati und sagte dann noch:

 

  Im Lande Māgadha gab es zuvor

  Irrlehren nur, von Wirrköpfen erdachte.

  Nun öffne zur Unsterblichkeit das Tor!

  Laß hören, was dein klarer Geist vollbrachte!

 

  Als ständest du hoch oben auf dem Berge

  Und schautest nieder auf das Volk ringsum,

  So steig hinauf, Weitblickender und Weiser,

  Auf das aus Wahrheit hoch getürmte Schloß

  Und blicke auf die sorgenvollen Menschen,

  Die vom Verfall bedrohten, sorgenlos!

 

  Erhebe dich, du sieggekrönter Held,

  Und geh als kund'ger Führer durch die Welt!

  Du solltest, Herr, die Lehre jetzt verkünden.

  Verstehnde Hörer werden sich dann finden.

 

Als ich die Bitte Brahmas vernommen hatte, betrachtete ich, aus Mitleid mit den Wesen, mit dem Blick eines Erwachten die Welt, und ich sah Wesen, die nur wenig von irdischem Trachten erfüllt sind, und andere, die mächtig davon erfüllt sind, scharfsinnige und stumpfsinnige, schöne und unschöne, verständige und törichte und solche, die in Scheu vor Übeltat und vor der anderen Welt leben; gleichwie in einem Lotusteich einige Lotusblumen in der Tiefe des Wassers leben, andere bis zum Wasserspiegel dringen und wieder andere aus dem Wasser emporragen und vom Wasser unbenetzt dastehen. Und ich sprach zu Brahma Sahāmpati diesen Versspruch:

 

  Geöffnet sei das Tor der Ewigkeit,

  Wer Ohren hat, vertraue meinem Worte!

  Ich führte, um zu meiden Zank und Streit,

  Noch nicht die Menschen zu der Wahrheit Pforte.

 

Da verstand Brahma Sahāmpati, daß ich ihm seine Bitte gewährte und die Lehre verkündigen würde, und er verneigte sich vor mir, umschritt mich ehrerbietig und verschwand.

Ich aber überlegte nun, wem ich wohl die Lehre zuerst verkündigen sollte, und dachte zunächst an Alara Kalama und an Uddaka, Ramas Sohn, aber Geister berichteten mir, daß beide vor kurzem gestorben waren. Sodann gedachte ich der fünf Bhikkhus, die damals bei mir waren, als ich in hartem Ringen nach der Erkenntnis strebte, und ich sah mit himmlischem, klarem, übermenschlichem Blick, daß sich die fünf Bhikkhus im Gazellenhain am Isipātana bei Benares aufhielten. Nachdem ich, solange es mir beliebte, bei Uruvela geweilt hatte, wanderte ich von Ort zu Ort nach Benares.

Auf dem Wege vom Bodhibaum, dem Baum des Erwachens, nach Gaya erblickte mich ein nackter Asket namens Upaka und sprach zu mir: <In heiterer Ruhe erstrahlen deine Züge, lieber Bruder, rein und klar ist dein Antlitz. In wessen Namen bist du in die Heimatlosigkeit gezogen, wer ist dein Meister, zu wessen Lehre bekennst du dich?> Ich erwiderte ihm:

 

  Alles besiegte und alles verstand ich,

  Fesseln zerbrach ich, den Durst überwand ich,

  Allem entsagend lernt' Freiheit ich kennen.

  Selbst ward ich wissend. Wen sollte ich nennen?

  Niemand ist mein Lehrer, keiner kommt mir gleich,

  Weder hier auf Erden noch im Himmelreich.

  Heilig und der höchste Meister, das bin ich,

  Einzig voll erwacht, im Frieden ewiglich.

  In Benares wird der Wahrheit Reich gegründet,

  Jubelnd blinder Welt Unsterblichkeit verkündet.

 

<So erkennst du dich als den Heiligen, so bist du der Allbesieger?>

 

  Sieger gleich mir ist,

  Wer aller Leidenschaft

  Ende erreicht hat.

  Ich hab' das Böse

  Ganz überwunden,

  So bin ich Sieger.

 

Hierauf sprach Upaka: <Mag sein, lieber Bruder!>, schüttelte den Kopf und schlug einen anderen Weg ein. Nun ging ich weiter nach dem Gazellenhain am Isipātana bei Benares, wo die fünf Bhikkhus weilten. Dort sahen mich diese von ferne her kommen, und da sie meinten, ich sei vom Ringen abgefallen und hätte mich einem Leben im Überfluß ergeben, beschlossen sie, mich nicht zu begrüßen, sich nicht von den Sitzen zu erheben, mir Mantel und Schale nicht abzunehmen; nur einen Sitz wollten sie mir anbieten. Je mehr ich mich aber näherte, desto weniger vermochten sie bei ihrem Entschlusse zu bleiben. Einige kamen mir entgegen und nahmen mir Mantel und Schale ab, einige bereiteten mir einen Sitz, einige machten mir ein Fußbad zurecht, und sie redeten mich mit <lieber Gotama> an. Ich aber sprach zu ihnen: <Redet den soeben Gekommenen[4] nicht mit <lieber Gotama> an! Heilig ist der soeben Gekommene, er ist vollkommen erwacht. Öffnet euer Ohr! Das Unsterbliche ist gefunden. Ich verkündige die Lehre, ich zeige die Wahrheit. Wie ich lehre, so tuet, und ihr werdet bald jenes höchste Ziel heiligen Strebens, um dessentwillen ehrbare Männer in die Heimatlosigkeit ziehen, noch in diesem Leben selbst erkennen, schauen und zu dauerndem Besitz gewinnen.>

Auf diese Worte erwiderten die fünf Bhikkhus: <Lieber Gotama, du hast selbst mit deiner Askese nicht übermenschliche Kraft errungen, geschweige denn die völlige Erkenntnis der edlen Wahrheit erreicht. Wie könntest du also jetzt, da du vom Ringen abgefallen bist und dich einem Leben im Überfluß ergibst, solche Kraft und Weisheit erringen!> - <Der soeben Gekommene>, erwiderte ich, <lebt nicht im Überfluß, er hat das Streben nicht aufgegeben. Heilig ist der soeben Gekommene, er ist vollkommen erwacht. Öffnet euer Ohr, das Unsterbliche ist gefunden. Ich verkündige die Lehre, ich zeige die Wahrheit. Wie ich lehre, so tuet, und ihr werdet bald jenes höchste Ziel heiligen Strebens, um dessentwillen ehrbare Männer in die Heimatlosigkeit ziehen, noch in diesem Leben selbst erkennen, schauen und zu dauerndem Besitz gewinnen.> Sie blieben aber bei ihrer Ablehnung. Noch zweimal wiederholte ich meine Rede und noch zweimal widersprachen sie. Dann sagte ich zu ihnen: <Habt ihr mich jemals zuvor so reden hören?> - <Nein, Herr!> erwiderten sie. Nun forderte ich sie noch einmal auf, die Lehre zu hören, und jetzt konnte ich mich ihnen verständlich machen. Zuerst sprach ich zu zweien, während die drei anderen fortgingen, um Speise zu sammeln. Was diese drei erhielten, das aßen wir sechs. Dann sprach ich zu diesen dreien, während die beiden anderen fortgingen, um Speise zu sammeln. Was die beiden erhielten, das aßen wir sechs[5]. Als nun die fünf Bhikkhus von mir unterwiesen worden waren, erkannten sie, obwohl sie selbst dem Gesetz von Geburt, Altern, Krankheit und Sterben, von Sorgen und Fehlern unterlagen, das Nachteilige darin und strebten nach dem, was nicht diesem Gesetz unterliegt, nach dem höchsten Frieden, nach dem Nirwana, und sie fanden es. Nun wußten auch sie, daß ihre Befreiung unerschütterlich ist, daß dies ihr letztes Leben ist und daß es für sie keine Wiedergeburt mehr gibt.

Die fünf Arten von Sinnenfreuden bestehen darin, daß sichtbare Gestalten, Töne, Düfte, Säfte und Tastungen dem Auge, dem Ohr, der Nase, der Zunge und dem Leib als erwünscht, lieblich, angenehm, reizend, lusterregend, entzückend erscheinen. Diejenigen Samanas und Brahmanen, die durch die Sinnenfreuden angelockt, betäubt und festgehalten werden und sie genießen, ohne das Nachteilige darin zu sehen und ohne einen Ausweg zu finden, sind - das soll man wissen - dem Unglück und dem Verderben verfallen und vom Bösen gefangen, wie ein Reh des Waldes, das sich in einer Schlinge verfangen hat, dem Unglück und dem Verderben verfallen und vom Jäger gefangen ist und, wenn der Jäger kommt, nicht fortlaufen kann. Diejenigen Samanas und Brahmanen aber, die durch die Sinnenfreuden nicht angelockt, nicht betäubt, nicht festgehalten werden und sie genießen, indem sie sich des Nachteiligen dabei bewußt sind und den Ausweg kennen, diese sind - das soll man wissen - nicht dem Unglück und dem Verderben verfallen und nicht vom Bösen gefangen, wie ein Reh des Waldes, das sich ungebunden auf eine Schlinge legt, nicht dem Unglück und dem Verderben verfallen und nicht vom Jäger gefangen ist, sondern, wenn der Jäger kommt, fortlaufen kann.

Ein Reh des Waldes, das im Walde am Bergesabhang umherzieht, kann unbekümmert gehen und stehen, sich niederlassen und ein Lager bereiten, weil es für den Jäger unauffindbar ist. Ebenso wird von einem Bhikkhu, der Versenkung übt[6], gesagt, er habe Māra geblendet und sei für das Auge des Bösen unsichtbar geworden. Überwunden hat er das Anhaften an der Welt. Unbekümmert kann er gehen und stehen, sich niederlassen und sein Lager bereiten, weil er für den Bösen unzugänglich ist.

So sprach der Erhabene. Die Bhikkhus nahmen seine Rede mit Freude und Dank an.

 



[1]Das ist die dritte Stufe der Versenkung.

[2]Das ist die vierte Stufe der Versenkung.

[3]Brahma Sahāmpati ist wahrscheinlich der vedische Brahma Svayāmpati, <der Herr durch sich selbst> oder der <absolute Herr>, der von keiner höheren Macht abhängige Herr, der im Schatapatha-Brāhmana 6, 1, 1 genannt wird. Das vedische Wort wurde zu der Zeit, als der Pali-Kanon aufgeschrieben wurde, oder vielleicht schon zur Zeit Gotamas offenbar nicht mehr verstanden und durch Volksetymologie umgedeutet zu so-aham-pati, <ich bin der Herr>, weil man glaubte, daß Brahma so sprach (vgl. Dighanikāya XI, 81).

[4]tathāgata, vgl. meine Ausführungen in der <Einsicht> IX (1956), S. 172. Das Wort wurde später zu einer Bezeichnung Buddhas und wird dann mit <der Vollendete>, übersetzt.

[5]Hieraus ist zu ersehen, daß die Unterweisung der ersten fünf Jünger längere Zeit gedauert hat und daß der Bericht über die <Rede von Benares> nur die Stichworte enthält.

[6]Im Text werden hier wieder alle Stufen der Versenkung aufgeführt.


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