Majjhima Nikāya, Mittlere Sammlung

Erstes Halbhundert - Mūlapannāsam

III. BUCH: (GLEICHNISSE - Opamadhammavaggo

25. Wildfütterung - Nivāpa Sutta

 

So habe ich es gehört:

   Einst weilte der Erhabene in Anāthapindikas Bhikkhuheim im Jetahain bei Sāvatthi. Dort sprach er zu den Bhikkhus:

Ein Wildfütterer streut dem Wild Futter hin, aber nicht in der Absicht, dem Wild zu langem Leben und schönem Aussehen zu verhelfen, sondern um das Wild anzulocken, damit es durch den Genuß des Futters nachlässig und unvorsichtig wird und leicht zu fangen ist.

Da kam ein erstes Rudel, angelockt von dem ausgestreuten Futter, fraß es unbedacht, wurde dadurch nachlässig und unvorsichtig und konnte deshalb dem Machtbereich des Wildfütterers nicht entgehen.

Ein zweites Rudel merkte, wie es dem ersten ergangen war, und wollte es nicht ebenso machen. Es hielt sich deshalb von dem ausgestreuten Futter ganz fern und zog sich in die Wildnis zurück. Im letzten Sommermonat aber, als Gras und Wasser vertrockneten, wurden die Tiere äußerst mager und verloren ihre Widerstandskraft. Geschwächt liefen sie doch zu dem ausgestreuten Futter und fraßen es unbedacht, wurden dadurch nachlässig und unvorsichtig und konnten dem Machtbereich des Wildfütterers nicht entgehen.

Ein drittes Rudel merkte, wie es den beiden ersten ergangen war, und wählte deshalb einen Standort in der Nähe des ausgestreuten Futters, fraß das Futter aber bedachtsam und wurde nicht nachlässig und nicht unvorsichtig und ließ sich von dem Wildfütterer nicht fangen. Da dachten der Wildfütterer und seine Gesellen: Dieses dritte Rudel ist schlau und verschmitzt, es ist wie verhext; die Tiere fressen das Futter, und wir wissen nicht, woher sie kommen und wohin sie gehen. Wir wollen jetzt rings um das ausgestreute Futter in weitem Umkreis einen Holzzaun machen; dann können wir sehen, woher die Tiere kommen und wohin sie gehen. So machten sie es und sahen nun, wo die Tiere ihren Standort hatten. So konnte auch das dritte Rudel dem Machtbereich des Wildfütterers nicht entgehen.

Ein viertes Rudel merkte, wie es den anderen ergangen war, es wollte es nicht so machen wie die anderen und wählte seinen Standort dort, wohin der Wildfütterer und seine Gesellen keinen Zugang hatten. Die Tiere ließen sich von dem ausgestreuten Futter nicht anlocken, fraßen es nicht unbedacht, wurden nicht nachlässig und nicht unvorsichtig und ließen sich nicht fangen. Da dachten der Wildfütterer und seine Gesellen: Dieses vierte Rudel ist schlau und verschmitzt, es ist wie verhext. Wieder machten sie rings um das ausgestreute Futter in weitem Umkreis einen Holzzaun. Trotzdem fanden sie nicht den Standort der Tiere. Da dachten sie: Wenn wir nun dieses vierte Rudel verscheuchen, dann wird es die anderen Tiere verscheuchen, und diese werden wieder andere verscheuchen, und schließlich werden alle Tiere das ausgestreute Futter meiden. Kümmern wir uns also lieber nicht mehr um dieses vierte Rudel! Und tatsächlich kümmerten sich der Wildfütterer und seine Gesellen nicht mehr um das vierte Rudel. So konnte dieses dem Machtbereich des Wildfütterers entgehen.

Das ist ein Gleichnis, meine Bhikkhus, das ich euch gegeben habe, und dies ist der Sinn davon: Das Futter sind die fünf Arten von Sinnenfreuden, der Wildfütterer ist Māra, der Böse, die Gesellen sind Māras Gefolgschaft, die Wildrudel sind die Samanas und Brahmanen. Die erste Gruppe von Samanas und Brahmanen genoß das von Māra ausgestreute Futter, die weltlichen Verlockungen, unbedacht, dadurch wurden sie nachlässig und unvorsichtig und gerieten in die Gewalt Māras und seines Futters, der weltlichen Verlockungen, und konnten dem Machtbereich Māras nicht entgehen. Dem ersten Rudel vergleiche ich diese erste Gruppe.

Eine zweite Gruppe von Samanas und Brahmanen merkte, wie es der ersten ergangen war, und entschloß sich, die weltlichen Verlockungen ganz zu meiden und sich in die Wildnis zurückzuziehen. Sie lebten nur von den Früchten des Waldes. Im letzten Sommermonat aber, als die Waldfrüchte wegen Wassermangels verdorrten, wurden sie äußerst mager, verloren ihre Widerstandskraft und büßten dadurch auch die Freiheit des Denkens ein, so daß sie zu dem von Māra ausgestreuten Futter, zu den weltlichen Verlockungen, zurückkehrten. Nun genossen auch sie dieses Futter, die weltlichen Verlockungen, unbedacht, wurden nachlässig und unvorsichtig und konnten dem Bereich Māras nicht entgehen. Dem zweiten Rudel vergleiche ich diese zweite Gruppe.

Eine dritte Gruppe von Samanas und Brahmanen merkte, wie es den ersten beiden ergangen war, und beschloß deshalb, einen Standort in der Nähe des von Māra ausgestreuten Futters, der weltlichen Verlockungen, zu wählen. Sie genossen diese bedachtsam, wurden nicht nachlässig und nicht unvorsichtig und gerieten nicht in die Gewalt Māras; sie beschäftigten sich aber mit solchen Theorien wie: Die Welt ist zeitlich und räumlich unbegrenzt oder begrenzt; Seele und Leib sind ein und dasselbe oder zwei verschiedene Dinge; ein Vollendeter lebt nach dem Tode weiter oder er lebt nicht weiter oder beides: er lebt weiter und lebt auch nicht weiter, oder keines von beiden: weder lebt er weiter noch lebt er nicht weiter. So konnte auch diese dritte Gruppe dem Machtbereich Māras nicht entgehen. Dem dritten Rudel vergleiche ich diese dritte Gruppe.

Eine vierte Gruppe von Samanas und Brahmanen merkte, wie es den drei anderen Gruppen ergangen war, und beschloß, ihren Standort dort zu wählen, wohin Māra und seine Gefolgschaft keinen Zugang haben. Dort genossen sie das von Māra ausgestreute Futter, die weltlichen Verlockungen, bedachtsam, wurden nicht nachlässig und nicht unvorsichtig, und so gerieten sie nicht in die Gewalt Māras und seines Futters, der weltlichen Verlockungen, und so konnte die vierte Gruppe dem Machtbereich Māras entgehen. Mit dem vierten Rudel vergleiche ich diese vierte Gruppe.

Wie aber gibt es für Māra und seine Gefolgschaft keinen Zugang? Wenn ein Bhikkhu sich von dem Verlangen nach Sinnenfreuden und von unheilsamen Regungen ablöst und die mit Nachdenken und Überlegen verbundene, aus der Ablösung entstandene, von Freude und Wohlbehagen erfüllte erste Stufe der Versenkung erreicht und darin bleibt, dann heißt es: der Bhikkhu hat Māra geblendet, er ist für den Bösen unsichtbar geworden.

Dann bringt er das Nachdenken und Überlegen zur Ruhe, in seinem Innern wird es still, sein Geist ist auf einen einzigen Gegenstand gerichtet, und so erreicht er die aus der Geistessammlung entstandene, von Nachdenken und Überlegung freie, von Freude und Wohlbehagen erfüllte zweite Stufe der Versenkung und bleibt darin. So hat der Bhikkhu Māra geblendet und ist für den Bösen unsichtbar geworden.

Wenn dann die freudige Erregung abgeklungen ist, bleibt er gleichmütig, andächtig und wissensklar und empfindet körperlich ein Wohlbehagen, von dem die Edlen sagen: Bei Gleichmut und Andacht fühlt man sich beglückt. So erreicht er die dritte Stufe der Versenkung und bleibt darin. So hat der Bhikkhu Māra geblendet und ist für den Bösen unsichtbar geworden.

Dann geht er über Wohlbehagen und Mißbehagen hinweg, auch die Erinnerung an frühere frohe und trübe Stimmungen schwindet dahin, und er erreicht die über Wohlbehagen und Mißbehagen erhabene vierte Stufe der Versenkung, bei der Gleichmut und Andacht in höchster Reinheit bestehen, und bleibt darin. So hat der Bhikkhu Māra geblendet und ist für den Bösen unsichtbar geworden[1]. Überwunden hat er das Anhaften an der Welt.

So sprach der Erhabene. Die Bhikkhus nahmen seine Rede mit Freude und Dank an.



[1]Im Text folgen hier noch die abstrakten Versenkungen,.


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