So habe ich es gehört:
Einst weilte der Erhabene am Eichhörnchenfutterplatz im Bambushain bei Rājagaha. Dorthin kamen viele Bhikkhus, die in ihrer Heimat die Regenzeit zugebracht hatten, zum Erhabenen, begrüßten ihn und setzten sich zu ihm, und der Erhabene fragte sie: «Welcher von euren Mitbrüdern, die in ihrer Heimat die Regenzeit zugebracht haben, hat es so weit gebracht, daß er, selbst bedürfnislos, mit allem zufrieden, zurückgezogen lebend, ohne geselligen Verkehr, tatkräftig, sittenrein, geistig gesammelt, weise, frei geworden und seiner Befreiung bewußt, mit seinen Mitbrüdern redet über Bedürfnislosigkeit, Zufriedenheit, Zurückgezogenheit, Verzicht auf Geselligkeit, Tatkraft, Sittlichkeit, Geistessammlung, Weisheit, Befreiung und Wissen um die Befreiung und der in solcher Weise seine Mitbrüder ermahnt, belehrt, anregt und erhebt?» Sie antworteten: «Der ehrwürdige Punna, der Sohn der Mantani, hat es wirklich so weit gebracht.» Das hörte der ehrwürdige Sāriputta, der in der Nähe des Erhabenen saß, und dachte: Es ist eine hohe Auszeichnung für den ehrwürdigen Punna, daß seine kundigen Mitbrüder ihm in Gegenwart des Meisters so hohes Lob spenden, und der Meister freut sich darüber. Ich würde gern irgendwo und irgendwann mit Punna zusammenkommen und mich mit ihm unterhalten.
Nachdem der Erhabene sich bei Rājagaha so lange aufgehalten hatte, wie es ihm gefiel, wanderte er nach Sāvatthi und begab sich in Anāthapindikas Bhikkhuheim im Jetahain. Das hörte Punna, der Sohn der Mantani, rollte sein Lager zusammen, nahm Schale und Obergewand und ging zum Erhabenen. Der Erhabene hielt ihm eine belehrende und anregende Ansprache. Darauf ging Punna in den Blindenwald, um den Tag über dort zu bleiben. Dies sagte ein Bhikkhu dem ehrwürdigen Sāriputta. Darauf nahm Sāriputta eilig seine Sitzmatte auf und folgte dem ehrwürdigen Punna, indem er dessen Kopf immer im Auge behielt. Punna ging in den Blindenwald und setzte sich unter einen Baum. Auch Sāriputta setzte sich unter einen Baum; auch er wollte den Tag dort zubringen. Nachdem Sāriputta gegen Abend seine Meditation beendet hatte, ging er zu Punna, begrüßte ihn, setzte sich zu ihm und sagte:
«Lieber Bruder, führt man beim Erhabenen ein Leben der Weltentsagung?» - «Ja, lieber Bruder!» - «Tut man es wegen der Sittenreinheit?» - «Nein!» - «Oder wegen der Reinheit des Denkens?» - «Nein!» - «Oder wegen reiner Einsicht?» - «Nein!» - «Oder zur reinen Überwindung des Zweifels?» - «Nein!» - «Oder um rein zu erkennen, welcher Weg der rechte ist?» - «Nein!» - «Oder um den rechten Pfad rein zu erleben?» - «Nein!» - «Oder um zum reinen Erkennen und Schauen zu kommen?» - «Nein!» - «Lieber Bruder, du hast auf alle meine Fragen mit Nein geantwortet; nun sage, weshalb führt man denn beim Erhabenen ein Leben der Weltentsagung?» - «Um ohne anzuhaften zum völligen Erlöschen zu kommen.» - «Ist vielleicht Sittenreinheit völliges Erlöschen ohne Anhaften?» - «Nein!» - «Oder Reinheit des Denkens?» - «Nein!» - «Oder reine Einsicht?» - «Nein!» - «Oder reine Überwindung des Zweifels?» - «Nein!» - «Oder reines Erkennen des rechten Weges?» - «Nein!» - «Oder reines Erleben des rechten Pfades?» - «Nein!» - «Oder reines Erkennen und Schauen?» - «Nein!» - «Gibt es denn ein von Anhaften freies völliges Erlöschen ohne diese Errungenschaften?» - «Nein!» - «Lieber Bruder, wieder hast du alle meine Fragen verneint. Was ist denn nun der Sinn deiner Antworten?» - «Hätte der Erhabene gelehrt, daß Sittenreinheit dasselbe sei wie völliges Erlöschen, dann hätte er damit gesagt, daß Anhaften und von Anhaften freies völliges Erlöschen dasselbe sei. Hätte er Reinheit des Denkens oder reine Einsicht oder reine Zweifelsfreiheit oder reines Erkennen des Weges oder reines Erleben des Pfades oder reines Erkennen und Schauen für gleichbedeutend mit völligem Erlöschen erklärt, dann hätte er damit gesagt, daß Anhaften und von Anhaften freies völliges Erlöschen dasselbe sei. Wenn es aber ohne diese Errungenschaften ein von Anhaften freies völliges Erlöschen gäbe, dann könnte ein Weltling das völlige Erlöschen erreichen, denn ein Weltling besitzt diese Errungenschaften nicht. Ich will dir ein Gleichnis sage. Durch ein Gleichnis wird ja manchem verständigen Menschen der Sinn einer Rede klar.
Nehmen wir an, der König Pasénadi von Kosala, der in Sāvatthi residiert, hat irgendeine dringende Angelegenheit in Saketa zu erledigen. Dann läßt er zwischen Sāvatthi und Saketa sieben Reisewagen bereitstellen. Aus seinem Palast in Sāvatthi heraustretend besteigt er den ersten Wagen. Mit diesem erreicht er den zweiten und steigt aus dem ersten in den zweiten um, mit dem zweiten erreicht er den dritten und so weiter bis zum siebenten. Mit dem siebenten Wagen kommt er in seinem Palast in Saketa an. Dort fragen ihn seine Freunde und Verwandten, ob er mit diesem Wagen von Sāvatthi nach Saketa gefahren sei. Wie würde wohl König Pasénadi auf diese Frage richtig antworten?» - «Er würde antworten: Zwischen Sāvatthi und Saketa habe ich sieben Reisewagen bereitstellen lassen. Mit dem ersten bin ich bis zum zweiten gefahren, dann mit dem zweiten bis zum dritten und so weiter bis zum siebenten, und mit dem siebenten bin ich hier angekommen.» -
«Ebenso braucht man Sittenreinheit, um zur Reinheit des Denkens zu kommen, mit reinem Denken kommt man zu reiner Einsicht, mit reiner Einsicht überwindet man alle Zweifel, zweifelsfrei erkennt man den rechten Weg, vom rechten Weg aus erlebt man den rechten Pfad, vom Erlebnis des rechten Pfades gelangt man zum reinen Erkennen und Schauen, vom reinen Erkennen und Schauen aus gelangt man zu dem von Anhaften freien völligen Erlöschen. Um das von Anhaften freie völlige Erlöschen zu erreichen, führt man beim Erhabenen ein Leben der Weltentsagung.»
Nach diesem Gespräch fragte Sāriputta den ehrwürdigen Punna nach seinem Namen, und als Punna seinen Namen gesagt hatte, sprach er: «Es ist erstaunlich ein wie gelehrter Jünger und Kenner der rechten Meisterlehre du bist und wie außerordentlich klar du die tiefsinnigen Fragen behandelt hast! Es ist eine hohe Auszeichnung für die Mitbrüder, dich zu sehen und mit dir zu verkehren, auch wenn sie nur verschleiert dich sehen und mit dir verkehren dürften. Auch für mich ist es eine hohe Auszeichnung.» Darauf fragte Punna den ehrwürdigen Sāriputta nach seinem Namen, und als Sāriputta ihn genannt hatte, erwiderte Punna: «Als ich mit dem Jünger sprach, der, wie man sagt, dem Meister gleicht, wußte ich nicht, daß es der ehrwürdige Sāriputta war. Wenn ich es gewußt hätte, würde ich mich nicht in solcher Weise mit ihm unterredet haben. Es ist erstaunlich, ein wie gelehrter Jünger und Kenner der rechten Meisterlehre du bist und wie außerordentlich klar du die tiefsinnigen Fragen behandelt hast! Es ist eine hohe Auszeichnung für die Mitbrüder, dich zu sehen und mit dir zu verkehren, auch wenn sie nur verschleiert dich sehen und mit dir verkehren dürften. Auch für mich ist es eine hohe Auszeichnung.»
So verlief die Unterredung der beiden Großen.