So habe ich es gehört:
Einst weilte der Erhabene im Gosingawald mit vielen berühmten älteren Jüngern, den ehrwürdigen Sāriputta, Mahamoggallāna, Mahakāssapa, Anuruddha, Révata, Ānanda und anderen.
Nachdem sich der ehrwürdige Mahamoggallāna eines Abends aus seiner Meditation erhoben hatte, ging er zum ehrwürdigen Mahakāssapa und forderte ihn auf, mit ihm zum ehrwürdigen Sāriputta zu gehen, um ihn über die Lehre reden zu hören. Darauf gingen beide mit Anuruddha zu Sāriputta. Ānanda sah sie gehen, suchte den ehrwürdigen Révata auf und schlug ihm vor, sich den anderen anzuschließen. So gingen alle fünf zu Sāriputta.
Als Sāriputta die ehrwürdigen Ānanda und Révata kommen sah, sprach er zu Ānanda: «Tritt näher, ehrwürdiger Ānanda, sei uns willkommen, du ehrwürdiger Helfer und Begleiter des Erhabenen! Lieblich ist der Gosingawald, herrlich die Mondnacht. In voller Blüte stehen die Salbäume, man könnte meinen, himmlische Düfte erfüllten die Luft. Wie müßte wohl ein Bhikkhu sein, der dem Gosingawalde (besonderen) Glanz verleihen würde?»
Ānanda erwiderte: «Ein Bhikkhu, der dem Gosingawalde Glanz verleihen würde, muß viel gelernt und das Gelernte behalten und gesammelt haben, er muß die Lehren, die am Anfang, in der Mitte und am Ende gut sind und einen ganz reinen heiligen Wandel preisen, dem Sinne und dem Wortlaut nach studiert haben, im Gedächtnis behalten, wörtlich hersagen können, mit Verstand erklären und mit Einsicht durchdringen; er muß imstande sein, die Lehre vor Zuhörern jeder Art[1] darzulegen in einem Überblick, im Wortlaut und in den Einzelheiten[2], so daß sie zur Aufhebung weltlicher Neigungen führt.»
Nun fragte Sāriputta den ehrwürdigen Révata nach seiner Meinung. Révata sagte: «Ein Bhikkhu, der dem Gosingawalde Glanz verleihen würde, muß sich gern zur Meditation zurückziehen, die Gemütsruhe pflegen, die Versenkung nicht vernachlässigen, mit klarer Einsicht ausgestattet sein und gern einsame Orte aufsuchen[3].»
Anuruddha, den Sāriputta ebenso fragte, erwiderte: «Ein Bhikkhu, der dem Gosingawalde Glanz verleihen würde, kann mit himmlischem, klarem, übermenschlichem Auge tausend Welten überblicken, wie ein klar sehender Mann, der auf einen hohen Turm gestiegen ist, tausend Gehöfte im Umkreis überblicken könnte.»
Mahakāssapa, von Sāriputta gefragt, sagte: «Ein Bhikkhu, der dem Gosingawalde Glanz verleihen würde, muß Waldeinsiedler sein und das Waldeinsiedlerleben preisen, muß von Almosenspeise leben und Almosenspeise preisen, muß Lumpenkleidung tragen und Lumpenkleidung preisen, darf nur drei Gewandstücke besitzen und muß den Besitz von nur drei Gewandstücken preisen, muß wenig Wünsche haben und die Wunschlosigkeit preisen, muß mit allem zufrieden sein und die Genügsamkeit preisen, muß zurückgezogen leben und die Zurückgezogenheit preisen, muß gern allein sein und das Alleinsein preisen, muß standhaft sein und Standhaftigkeit preisen, muß sittenstreng sein und Sittenstrenge preisen, muß geistig gesammelt sein und Geistessammlung preisen, muß weise sein und Weisheit preisen, muß befreit sein und die Befreiung preisen, muß sich der Befreiung bewußt sein und das Wissen um die Befreiung preisen.»
Mahamoggallāna sagte: «Wenn ein Bhikkhu mit einem anderen ein hohes Gespräch über die Lehre führt[4], wenn sie einander Fragen stellen, einander die Fragen beantworten und nicht ausweichen, und wenn ihr Gespräch über die Lehre ersprießlich ist, dann würde ein solcher Bhikkhu dem Gosingawalde Glanz verleihen.»
Nun fragte Mahamoggallāna den ehrwürdigen Sāriputta nach seiner Meinung, und Sāriputta sagte: «Ein Bhikkhu, der dem Gosingawalde Glanz verleihen würde, muß seine Gedanken beherrschen und darf nicht von seinen Gedanken beherrscht werden. Am Morgen, am Mittag und am Abend muß er diejenige Meditationsstufe erreichen können, die er gerade erreichen will; wie ein König oder ein Erster Minister aus seiner Kleidertruhe, die mit verschiedenfarbigen Gewändern angefüllt ist, am Morgen, am Mittag und am Abend dasjenige Gewand wählen kann, das er gerade anziehen will.»
Als sie so geredet hatten, schlug Sāriputta den Ehrwürdigen vor, zum Erhabenen zu gehen und ihm über ihr Gespräch zu berichten. Sie waren damit einverstanden, und alle gingen zum Erhabenen, begrüßten ihn und setzten sich zu ihm, und Sāriputta berichtete ausführlich über das Gespräch[5] bis zu dem Ausspruch Mahāmoggallānas. Dann berichtete Mahamoggallāna, was Sāriputta gesagt hatte. Bei den Antworten jedes einzelnen sagte der Erhabene: «Sehr gut, die Antwort ist richtig», und fügte jeweils hinzu: «denn Ānanda hat viel gelernt und kann die Lehre gut vortragen, - Révata zieht sich gern zur Meditation zurück, - Anuruddha besitzt das himmlische, übermenschliche Auge, - Mahakāssapa ist ein strenger Waldeinsiedler, - Mahamoggallāna kann die Lehre gut darlegen, - Sāriputta beherrscht seine Gedanken und wird nicht von seinen Gedanken beherrscht, er kann zu jeder Tageszeit diejenige Meditationsstufe erreichen, die er erreichen will.»
Darauf fragte Sāriputta den Erhabenen: «Wer hat nun gut gesprochen?» Der Erhabene antwortete: «Ihr habt alle gut gesprochen. Nun höret von mir, wie ein Bhikkhu sein muß, der dem Gosingawalde Glanz verleihen würde! Ein solcher Bhikkhu setzt sich nach dem Mahle mit gekreuzten Beinen nieder, den Oberkörper gerade aufgerichtet, und übt Achtsamkeit (Satipatthāna) mit der Absicht, sich nicht eher von seinem Sitz zu erheben, bis sein Geist nicht mehr anhaftet und von den Anwandlungen[6] befreit ist. Ein solcher Bhikkhu würde dem Gosingawalde Glanz verleihen.»
So sprach der Erhabene. Die Ehrwürdigen nahmen seine Erklärung mit Freude und Dank an.
[1]Wörtlich: <in den vier Versammlungen>, d.h. in Versammlungen von Adeligen, Brahmanen, Bürgern und Samanas.
[2]Wörtlich: <nach Vers und Buchstaben und nicht im Zusammenhang>.
[3]sunnyāgāra bedeutet nicht <leere Klausen> sondern: was <leer von Häusern> ist.
[4]abhidhammakathā muß hier so zerlegt werden: abhi-dhammakathā = hohes (abhi) Gespräch über die Lehre, nicht abhidhamma-kathā = Gespräch über den Abhidhamma, denn diesen gab es damals noch nicht.
[5]Im Text alles wörtlich wiederholt.
[6]Vgl. das 2. Sutta mit den Anmerkungen.