Majjhima Nikāya, Mittlere Sammlung

Erstes Halbhundert - Mūlapannāsam

III. BUCH: (GLEICHNISSE - Opamadhammavaggo

29. Gleichnis vom Kernholz I - Mahāsāropama Sutta

 

So habe ich es gehört:

   Bald nachdem Devadatta[1] aus dem Bhikkhu-Orden ausgeschieden war, weilte der Erhabene auf dem Geierberge bei Rājagaha. Dort sprach er mit Bezug auf Devadatta zu den Bhikkhus:

   Ein ehrbarer Mann ist vertrauensvoll aus dem Hause in die Heimatlosigkeit gezogen, weil er sich sagt: <Geburt, Altern und Sterben, Kummer, Jammer, Schmerz, Gram und Verzweiflung bedrücken mich, die Übel lasten auf mir. Ich will suchen, wie ich der ganzen Masse von Übeln ein Ende machen kann.> Er ist nun Bhikkhu geworden, er wird gut versorgt und gelangt zu Ansehen und Ehre. Das macht ihn froh und zufrieden. Er ist stolz darauf und schaut geringschätzig auf andere Bhikkhus herab, die kaum bekannt sind und wenige Verehrer haben. Durch seine gute Versorgung, sein Ansehen und seine Ehre wird er berauscht und nachlässig, und weil er nachlässig wird, verfällt er dem Übel.

Das ist so, als wenn jemand, der Kernholz sucht, auf einen starken Baum steigt, ein Zweiglein abschneidet und nun denkt, er habe Kernholz. Ein anderer, der ihn sieht, sagt sich, daß jener weder das Kernholz noch das Grünholz, weder die Rinde noch die Äste noch die Zweige kennt und nun glaubt, er habe mit dem Zweiglein Kernholz gewonnen; was jener aus Kernholz machen wolle, das werde er nicht machen können. Ebenso sagt man von einem Bhikkhu, der durch seine gute Versorgung, sein Ansehen und seine Ehre berauscht und nachlässig geworden und dadurch dem Übel verfallen ist, er habe nur ein Zweiglein des Reinheitswandels abgeschnitten und es dabei bewenden lassen.

Ein anderer wird Bhikkhu, wird gut versorgt und gelangt zu Ansehen und Ehre. Darauf ist er aber nicht stolz, schaut nicht geringschätzig auf andere herab, er wird dadurch nicht berauscht und nicht nachlässig, sondern hält sich in strenger sittlicher Zucht. Darüber ist er froh und zufrieden, ist stolz darauf und schaut auf andere, weniger streng lebende Bhikkhus geringschätzig herab. Dadurch wird er berauscht und nachlässig, und weil er nachlässig wird, verfällt er dem Übel.

Das ist so, als wenn jemand, der Kernholz sucht, auf einen starken Baum steigt, einen Ast abschneidet und nun denkt, er habe Kernholz. Ein anderer, der ihn sieht, sagt sich, daß jener aus dem Ast nicht das machen kann, was er aus Kernholz machen will. Ebenso sagt man von einem Bhikkhu, der durch seine sittliche Zucht berauscht und nachlässig geworden und dadurch dem Übel verfallen ist, er habe nur einen Ast des Reinheitswandels abgeschnitten und es dabei bewenden lassen.

Ein anderer wird Bhikkhu, wird gut versorgt und gelangt zu Ansehen und Ehre, aber dadurch wird er nicht stolz und nachlässig, sondern hält sich in sittlicher Zucht. Auch darauf wird er nicht stolz, sondern strebt nach Geistessammlung und erreicht sie. Darauf ist er nun stolz, wird berauscht und nachlässig und verfällt dadurch dem Übel.

Das ist so, als wenn jemand, der Kernholz sucht, auf einen starken Baum steigt, ein Stück Rinde abschneidet und nun denkt, er habe Kernholz. Ein anderer, der ihn sieht, sagt sich, daß jener aus der Rinde nicht das machen kann, was er aus Kernholz machen will. Ebenso sagt man von einem Bhikkhu, der durch seine Geistessammlung berauscht und nachlässig wird und dadurch dem Übel verfällt, er habe nur die Rinde des Reinheitswandels abgeschnitten und es dabei bewenden lassen.

Ein anderer wird Bhikkhu, wird gut versorgt, gelangt zu Ansehen und Ehre, hält sich in strenger sittlicher Zucht und erreicht die Geistessammlung, ohne darauf stolz zu sein. Dann strebt er eifrig nach erkennendem Schauen und erreicht es. Das macht ihn froh und zufrieden, er wird stolz darauf und schaut auf andere geringschätzig herab, wird berauscht und nachlässig und verfällt dem Übel.

Das ist so, als wenn jemand, der Kernholz sucht, auf einen starken Baum steigt, ein Stück Grünholz abschneidet und nun denkt, er habe Kernholz. Ein anderer, der ihn sieht, sagt sich, daß jener aus dem Grünholz nicht das machen kann, was er aus Kernholz machen will. Ebenso sagt man von einem Bhikkhu, der durch die Erreichung des erkennenden Schauens berauscht und nachlässig geworden und dadurch dem Übel verfallen ist, er habe nur das Grünholz des Reinheitswandels abgeschnitten und es dabei bewenden lassen.

Ein anderer wird Bhikkhu, wird gut versorgt, gelangt zu Ansehen und Ehre, hält sich in strenger sittlicher Zucht, erreicht Geistessammlung und erkennendes Schauen, ohne darauf stolz zu sein und auf andere geringschätzig herabzuschauen. Dann strebt er eifrig nach zeitweiliger Befreiung und erreicht sie. Es ist aber möglich daß er diese zeitweilige Befreiung wieder verliert.

Das ist so, als wenn jemand, der Kernholz sucht, auf einen starken Baum steigt, ein Stück Kernholz abschneidet und nun weiß, daß er wirklich Kernholz hat. Ein anderer, der ihn sieht, sagt sich, daß jener wirklich Kernholz genommen hat und daß er daraus machen kann was er aus Kernholz machen will. Ebenso erreicht ein Bhikkhu, der zum erkennenden Schauen gelangt ist, ohne darauf stolz zu sein, die zeitlose Befreiung. Dann ist es unmöglich, daß er die zeitlose Befreiung wieder verliert.

So ist das Ergebnis des Reinheitswandels nicht Versorgung, Ansehen und Ehre, nicht strenge sittliche Zucht, nicht Geistessammlung, nicht erkennendes Schauen; sondern die unerschütterliche Geistesbefreiung ist der Zweck, der Kern und das Ziel des Reinheitswandels.

So sprach der Erhabene. Mit Freude und Dank nahmen die Bhikkhus seine Rede an.



[1]Devadatta, ein Vetter Gotamas, versuchte zuerst, die Leitung des Ordens an sich zu reißen und dann den Orden zu spalten. Als ihm beides mißlang schied er aus.


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