Majjhima Nikāya, Mittlere Sammlung

Erstes Halbhundert - Mūlapannāsam

IV. BUCH: GROSSE PAARE - Mahāyamakavaggo

34. Der Rinderhirt II - Cūlagopālaka Sutta

 

So habe ich es gehört: 

Einst weilte der Erhabene am Ufer des Ganges bei Ukkacela im Lande der Vajjis. Dort sprach er zu den Bhikkhus:

Es war einmal im Māgadha-Lande ein dummer Rinderhirt. Der trieb seine Rinder im letzten Monat der Regenzeit, im Herbst, ohne das diesseitige und das jenseitige Ufer des Ganges untersucht zu haben, dort, wo keine Furt war, hinüber an das Ufer von Suvideha. Da wurden die Rinder mitten im Ganges von der Strömung erfaßt und zusammengedrängt und verunglückten, weil der dumme Hirt die Ufer nicht untersucht und keine Furt gefunden hatte. Ebenso ist es mit jenen Samanas und Brahmanen, die weder diese noch eine andere Welt kennen, die nicht wissen, was zum Reich Māras gehört[1] und was nicht dazu gehört, und nicht wissen was zum Reich des Todes gehört und was nicht dazu gehört. Wer glaubt, ihnen zuhören und vertrauen zu sollen, dem wird dies für lange Zeit zum Unheil und Leiden gereichen.

Und es war einmal im Magadha-Lande ein kluger Rinderhirt. Der untersuchte zuerst das diesseitige und das jenseitige Ufer des Ganges; dann trieb er seine Rinder durch eine Furt hinüber an das Ufer von Suvideha. Zuerst trieb er die älteren Stiere hinüber, die Väter und Führer der Herde. Diese durchquerten die Strömung des Ganges und kamen heil hinüber. Dann trieb er die jüngeren Stiere hinüber, auch sie kamen heil an; dann die Ochsen und Kühe auch sie kamen heil an; dann die zarten Kälber; auch sie kamen heil an; dann zuletzt ein neugeborenes Kälbchen, das der Mutter unter Gebrüll entrissen worden war; auch dieses kam heil hinüber, weil der kluge Hirt vorher beide Ufer untersucht und eine Furt gefunden hatte. Ebenso ist es mit jenen Samanas und Brahmanen, die diese und eine andere Welt kennen, die wissen, was zum Reiche Māras gehört und was nicht dazu gehört, die wissen, was zum Reich des Todes gehört und was nicht dazu gehört. Wer glaubt, ihnen zuhören und vertrauen zu sollen, dem wird dies für lange Zeit zum Heil und Glück gereichen.

Wie die älteren Stiere, die Väter und Führer der Herde, heil an das andere Ufer kamen, so sind jene Bhikkhus, die Heilige geworden sind, die die Anwandlungen[2] vernichtet, Vollkommenheit erreicht, getan haben, was zu tun war, die Last abgeworfen, das wahre Heil erreicht, die Daseinsfesseln zerbrochen haben und durch rechte Weisheit erlöst sind, quer über den Strom Māras heil hinüber gekommen. Wie die jüngeren Stiere, so werden jene Bhikkhus, welche die fünf an die niedere Welt bindenden Fesseln[3] gesprengt haben, um in höherer Welt wiederzuerscheinen, dort zum endgültigen Erlöschen zu gelangen und zu dieser Welt nicht mehr zurückkehren, quer über den Strom Māras heil hinüber kommen. Wie die Ochsen und Kühe, so werden jene Bhikkhus, welche die drei Fesseln gesprengt und Gier, Haß und Verblendung abgeschwächt haben, um nur noch einmal zu dieser Welt zurückzukehren und dann dem Leiden ein Ende zu machen, quer über den Strom Māras heil hinüber kommen. Wie die zarten Kälber, so werden jene Bhikkhus, welche die drei Fesseln gesprengt und in den Strom eingetreten sind, um, gesichert gegen ein Hinabgleiten, einst zum vollen Erwachen zu gelangen, quer über den Strom Māras heil hinüber kommen. Wie das neugeborene Kälbchen, so werden auch jene Bhikkhus, die vertrauensvoll der Lehre folgen, quer über den Strom Māras heil hinüber kommen.

Ich kenne diese Welt und die jenseitige Welt, ich weiß, was zum Reich Māras gehört und was nicht dazu gehört, ich weiß, was zum Reich des Todes gehört und was nicht dazu gehört. Wer glaubt, mir zuhören und mir vertrauen zu sollen, dem wird dies für lange Zeit zum Heil und Glück gereichen.

So sprach der Erhabene; dann fügte er noch hinzu:

 

  Wie diese Welt und jene Welt,

  hat uns der Weise gut erklärt.

  Er weiß, was Māra und dem Tod

  gehört und was ihm nicht gehört[4].

  Der voll Erwachte, der die Welt

  durchschaut, der Weise, öffnet weit

  Die Tore zum Nirwana hin,

  die Tore zur Unsterblichkeit.

  Der Strom des Bösen ist durchquert,

  er ist vernichtet und zerstört.

  Freut euch und habet frohen Mut!

  Zuteil wird euch das höchste Gut.

 



[1]Mara ist der Versucher, der Herrscher im Reich der Sinnengenüsse.

[2]Vgl. das 2. Sutta mit den Anmerkungen.

[3]Zu den drei Fesseln vgl. 22. Sutta, Anm. 4; dort ist auch noch die vierte und fünfte Fessel genannt (nach Sutta 64).

[4]Dem Mara gehört (nach Samyuttanikāya XXIII): Körperlichkeit, Empfindung, Wahrnehmung, unbewußte Tätigkeiten und Bewußtsein, kurz: die mit den Sinnen, einschließlich des Denksinns, wahrnehmbare Welt. Was Mara nicht gehört, sagt Buddha in Udana VIII, 3: «Es gibt ein Nichtgeborenes, Nichtgewordenes, Nichtgeschaffenes, Nichtaufgebautes. Wenn es das nicht gäbe, wäre ein Ausweg aus dem Geborenen, Gewordenen, Geschaffenen, Aufgebauten (d. h. aus dem Reich Maras) nicht zu erkennen.» - Dem Tode gehört alles, was entstanden ist. Buddhas letzte Worte (MPNS): «Vergehen muß, was geworden ist.» Was dem Tode nicht gehört, ist das <Unsterbliche>, amatam, das Buddha in der Bodhi gefunden hat. Er sprach (26. Sutta): «Öffnet euer Ohr! Das Unsterbliche ist gefunden.» An anderen Stellen nennt er es Nirvana.


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