Majjhima Nikāya, Mittlere Sammlung

Erstes Halbhundert - Mūlapannāsam

IV. BUCH: GROSSE PAARE - Mahāyamakavaggo

36. Saccaka II - Mahāsaccaka Sutta

 

So habe ich es gehört: 

Einst weilte der Erhabene in der Turmhalle im Großen Wald bei Vesālí. Eines Morgens wollte er gerade in die Stadt gehen, um Speise zu sammeln, da kam der Nigantha-Mönch Sāccaka auf einem Spaziergang zum Turmhaus. Der ehrwürdige Ānanda sah ihn kommen und sprach zum Erhabenen: «Da kommt der Nigantha-Mönch Sāccaka, der als Disputierkünstler und Gelehrter von den Leuten verehrt wird. Dieser Mann verunglimpft gern den Buddha, die Lehre und die Jüngergemeinde. Bitte, Erhabener, setzt Euch noch einen Augenblick!» Der Erhabene setzte sich. Da trat Sāccaka heran, begrüßte ihn höflich, setzte sich zu ihm und sprach:

«Herr Gotama! Manche Samanas und Brahmanen schulen ihren Körper, aber nicht ihren Geist. Dadurch stellen sich bei ihnen körperliche Schmerzen ein; dann bekommen sie Krämpfe, Herzleiden, Blutsturz und werden ohnmächtig. In solchen Fällen folgt der Geist dem Körper, richtet sich nach dem Körper, und zwar deshalb, weil der Geist nicht geschult worden ist. Andere schulen ihren Geist, aber nicht ihren Körper. Dadurch stellen sich bei ihnen Kopfschmerzen ein; dann bekommen sie Krämpfe, Herzleiden, Blutsturz und werden ohnmächtig. In solchen Fällen folgt der Körper dem Geist, richtet sich nach dem Geist, und zwar deshalb, weil der Körper nicht geschult worden ist. Nun denke ich, gewiß schulen die Jünger des Herrn Gotama ihren Geist, aber nicht ihren Körper.»

Der Erhabene: «Aggivéssana, was verstehst du unter Schulung des Körpers?»

Sāccaka: «Nanda Vaccha, Kisa Sankicca und Mākkhali Gosala gehen nackt, tragen ein sehr leichtes Gewand, lecken sich nach dem Essen die Hände ab, lassen sich nicht zum Essen oder zum Übernachten auffordern, nehmen nichts, was man ihnen bringt, was man besonders für sie zubereitet hat, nehmen keine Einladung an, nehmen nichts direkt aus dem Kochtopf oder aus der Pfanne, nichts, was auf eine Türschwelle niedergelegt ist, nichts, was zwischen Stöcken oder Dreschflegeln steht, nichts, wenn zwei zusammen speisen (und nur einer Speise anbietet), nichts von einer Schwangeren, nichts von einer stillenden Mutter, nichts von einer Frau, die Geschlechtsverkehr hat, nichts von Speisen, die in einer Notzeit gesammelt worden sind, nichts, wo ein Hund in der Nähe ist oder wo Fliegen schwärmen, weder Fisch noch Fleisch, sie trinken keine berauschenden Getränke, sie nehmen jedesmal nur in einem Haus Speise an oder immer nur einen Bissen, oder aus zwei Häusern oder zwei Bissen bis zu sieben Häusern und sieben Bissen, sie leben von einer einzigen Gabe oder von zwei oder von sieben Gaben, sie essen jeden Tag einmal oder nur jeden zweiten Tag oder jeden siebenten Tag usf. bis zu jedem vierzehnten Tag»[1].

Der Erhabene: «Leben sie dauernd so?»

Sāccaka: «Nein, von Zeit zu Zeit essen sie ganz vorzügliche Speisen und trinken ganz vorzügliche Getränke. Dadurch kräftigen sie ihren Körper wieder, gedeihen und mästen sich richtig.»

Der Erhabene: «Das, was sie vorher aufgegeben haben, sammeln sie also nachher wieder an. Das ist ja ein abwechselndes Anschwellen und Abmagern des Körpers. Und was verstehst du unter Schulung des Geistes?»

Das konnte Sāccaka nicht erklären. Da sprach der Erhabene zu ihm:

«Was du vorher über Schulung des Körpers sagtest, das gilt im Orden der Edlen nicht als richtige Schulung des Körpers. Die Schulung des Körpers kennst du nicht, wie solltest du dann die Schulung des Geistes kennen! Wie Körper und Geist falsch geschult werden und wie sie richtig geschult werden, das höre und merke es dir gut, ich will es dir sagen.»

Sāccaka erklärte sich einverstanden, und der Erhabene sprach:

«Falsch geschult werden Körper und Geist so: Wenn ein unbelehrter gewöhnlicher Mensch ein Lustgefühl hat, dann verlangt er nach weiterer Lust, und wenn sein Lustgefühl vergeht, ist ihm das schmerzlich, er wird bekümmert, fühlt sich elend und jammert, schlägt sich an die Brust und wird trübsinnig. Durch das Lustgefühl verliert er die Gewalt über den Geist, weil der Körper nicht geschult ist, durch das Unlustgefühl verliert er die Gewalt über den Geist, weil der Geist nicht geschult ist. So geht es, wenn weder der Körper noch der Geist richtig geschult ist.

Richtig geschult werden Körper und Geist so: Wenn ein wohlunterrichteter Edeljünger ein Lustgefühl hat, läßt er kein Verlangen nach weiterer Lust aufkommen, und wenn sein Lustgefühl vergeht, ist ihm das zwar schmerzlich, aber er wird dadurch nicht bekümmert, er fühlt sich nicht elend und jammert nicht, schlägt sich nicht an die Brust und wird nicht trübsinnig. Durch das Lustgefühl verliert er nicht die Gewalt über seinen Geist, weil der Körper geschult ist, und durch das Unlustgefühl verliert er nicht die Gewalt über den Geist, weil der Geist geschult ist. So geht es, wenn Körper und Geist richtig geschult sind.»

Sāccaka: «Nun glaube ich, daß Herr Gotama Körper und Geist geschult hat.»

Der Erhabene: «Aggivéssana, gewiß hast du das gesagt, um mich herauszufordern, aber ich will dir doch noch etwas sagen. Seitdem ich mir Haar und Bart geschoren, ein gelbes Gewand angelegt habe und aus dem Hause in die Heimatlosigkeit gegangen bin, ist es nicht mehr vorgekommen, daß ein Lustgefühl oder ein Unlustgefühl meinen Geist beherrschte.»

Sāccaka: «Dann hat wohl Herr Gotama keine solchen Lust- oder Unlustgefühle, die den Geist beherrschen können?».

Der Erhabene: «Warum denn nicht, Aggivéssana? Vor meinem Erwachen, als ich noch ein Bodhisattva war, kam mir der Gedanke: Das Leben in der Häuslichkeit ist voll Bedrängnis und Unreinheit, unter freiem Himmel lebt der Samana. Wer in der Häuslichkeit lebt, kann nicht leicht den höchsten, ganz reinen, vollkommenen Wandel der Heiligkeit führen. Soll ich mir nicht Haar und Bart scheren, gelbe Gewänder anlegen und aus der Häuslichkeit in die Heimatlosigkeit ziehen? Nach einiger Zeit zog ich, jung, kräftig, dunkelhaarig, in glücklicher Jugend, in der ersten Mannesblüte, gegen den Willen meiner weinenden und klagenden Eltern, mit geschorenem Haar und Bart, mit gelbem Gewand bekleidet, aus dem Hause in die Heimatlosigkeit . . .  (weiter wie im 26. Sutta bis) . . . für einen ehrbaren Mann, der die Erlösung sucht. Da fielen mir drei Gleichnisse ein, die man noch nicht gehört hatte: Zu einem nassen, ins Wasser geworfenen Stück Holz kommt ein Mann mit einem Reibholz und will Feuer anzünden und Licht machen. Meinst du, Aggivéssana, daß er damit Feuer machen könnte?»

Sāccaka: «Nein, Herr Gotama, wenn er sich auch noch so sehr bemühte; denn das Holz ist ja naß und außerdem ins Wasser geworfen.»

Der Erhabene: «Ebenso ist es mit jenen Samanas und Brahmanen, die nicht Abstand gewonnen haben von ihrem Körper und den Sinnenfreuden, die den Trieb, die Neigung, die Betörung, den Durst, das fieberhafte Verlangen nach Sinnenfreuden im Innern nicht ganz überwunden haben: Wenn sie stechende, brennende Schmerzen haben, dann sind sie unfähig zum Wissen, zu klarer Einsicht und zum höchsten Erwachen, und auch wenn sie keine Schmerzen haben, sind sie unfähig dazu. Das ist das erste Gleichnis.

Und dies ist das zweite: Ein nasses Stück Holz ist fern vom Wasser auf trockenes Land geworfen. Da kommt ein Mann mit einem Reibholz und will Feuer anzünden und Licht machen. Meinst du, daß er mit dem nassen, aufs trockene Land geworfenen Holz Feuer machen kann?»

Sāccaka: «Nein, Herr Gotama, wenn er sich auch noch so sehr bemühte; denn das Holz ist ja noch naß, obwohl es aufs trockene Land geworfen worden war.»

Der Erhabene: «Ebenso ist es mit jenen Samanas und Brahmanen, die zwar Abstand gewonnen haben von ihrem Körper und den Sinnenfreuden, die aber den Trieb, die Neigung, die Betörung, den Durst, das fieberhafte Verlangen nach Sinnenfreuden im Innern nicht ganz überwunden haben: Wenn sie stechende, brennende Schmerzen haben, dann sind sie unfähig zum Wissen, zu klarer Einsicht und zum höchsten Erwachen, und auch wenn sie keine Schmerzen haben, sind sie unfähig dazu. Das ist das zweite Gleichnis.

Und dies ist das dritte: Ein trockenes Stück Holz ist fern vom Wasser auf trockenes Land geworfen. Da kommt ein Mann mit einem Reibholz und will Feuer anzünden und Licht machen. Meinst du, daß er mit dem trockenen Holz und mit seinem Reibholz Feuer machen kann?»

Sāccaka: «Ja, Herr Gotama; denn das Holz ist ja trocken und aufs trockene Land geworfen worden.»

Der Erhabene: «Ebenso ist es mit jenen Samanas und Brahmanen, die Abstand gewonnen haben von ihrem Körper und den Sinnenfreuden und auch den Trieb, die Neigung, die Betörung, den Durst, das fieberhafte Verlangen nach Sinnenfreuden im Innern ganz überwunden haben: Wenn sie stechende, brennende Schmerzen haben, dann sind sie fähig zum Wissen, zu klarer Einsicht und zum höchsten Erwachen, und auch wenn sie keine Schmerzen haben, sind sie fähig dazu. Das ist das dritte Gleichnis.

Dann dachte ich: Soll ich nicht die Zähne aneinander pressen, die Zunge an den Gaumen legen und das Denken unterdrücken? Und ich preßte die Zähne aneinander, legte die Zunge an den Gaumen und unterdrückte das Denken, ich drückte es nieder und quälte es nieder. Dabei floß mir Schweiß aus den Achselhöhlen, wie wenn ein starker Mann einen schwächeren am Kopf oder an den Schultern packt und ihn niederdrückt und niederquält. Aber ich blieb standhaft und unermüdlich, und dabei blieb meine gegenwärtig gehaltene Achtsamkeit unberührt, nur mein Körper wurde durch dieses schmerzhafte Ringen beeinträchtigt. Solche Schmerzen machten jedoch keinen bleibenden Eindruck auf mein Gemüt. Dann hemmte ich das Ein- und Ausatmen durch Mund und Nase; in den Ohren aber erhob sich ein ungeheures Sausen durch die hinaus strömende Luft, wie das Sausen der ausströmenden Luft bei dem Blasebalg eines Schmiedes. Dann hemmte ich das Ein- und Ausatmen durch Mund, Nase und Ohren; dabei aber stieß die Luft mit ungeheurer Wucht gegen meinen Schädel, wie wenn ein starker Mann mit einem Schwert den Schädel anbohrte, und ich empfand heftige Kopfschmerzen, so als wenn mir ein starker Mann mit einem Lederriemen den Kopf zusammenpreßte. Gewaltige Schmerzen wühlten in meinem Bauch, so als wenn ein Rinder­schlächter mir mit dem Schlachtmesser den Bauch aufschnitte, und der ganze Körper schien mir zu brennen, so als wenn mich zwei starke Männer in eine Grube mit glühenden Kohlen würfen. Alle diese Schmerzen machten jedoch keinen bleibenden Eindruck auf mein Gemüt.

Da sagten einige Geister, als sie mich sahen, ich sei gestorben; andere meinten, ich läge gerade im Sterben; wieder andere glaubten, ich sei jetzt ein Heiliger geworden, dies sei der Zustand eines Heiligen.

Nun erwog ich, ob ich mich nicht der Nahrung enthalten sollte. Doch Geister kamen zu mir und erboten sich, mir durch die Poren der Haut himmlische Nahrung einzuflößen und mich dadurch am Leben zu erhalten. Mir aber wäre das als ein Betrug erschienen, und ich wies die Geister ab. Ich beschränkte mich nun darauf, sehr wenig Nahrung zu mir zu nehmen. Dadurch magerte mein Körper außerordentlich ab, und meine Glieder wurden wie dürres Rohr; wie ein Kamelhuf wurde mein Gesäß, mein Rückgrat wie eine Kugelkette, meine Rippen wie Dachsparren eines alten Hauses. Wie Wassersterne tief unten in einem Brunnen, so erschienen meine Augensterne tief versunken in meinen Augenhöhlen. Wie ein aufgeschnittener Kürbis in heißer Sonne, so schrumpfte meine Kopfhaut zusammen. Wenn ich meinen Bauch anfühlen wollte, berührte ich mein Rückgrat, und wenn ich das Rückgrat anfühlen wollte, berührte ich die Bauchhaut. Wenn ich meine Notdurft verrichten wollte, fiel ich kopfüber. Wenn ich mit der Hand die Glieder rieb, fielen die wurzelfaulen Haare ab. Wenn mich Menschen sahen, sagten sie, ich sei dunkelblau oder gelb oder rotbraun; so verdorben war meine reine Hautfarbe durch die geringe Nahrungsaufnahme.

Da dachte ich: Dies ist das äußerste an qualvoller Selbstpeinigung, das jemals Samanas oder Brahmanen erreicht haben oder künftig erreichen werden oder jetzt erreichen, und doch gelange ich mit dieser Quälerei nicht zu dem Bereich der vollen, edlen Erkenntnis und Einsicht, die alles Menschliche übersteigt. Sollte es nicht doch einen anderen Weg zum Erwachen geben!

Ich erinnerte mich, daß ich einst, als mein Vater, der Sakyer, beschäftigt war, im kühlen Schatten eines Rosenapfelbaums saß und dort mich frei fühlte von Wünschen und Sorgen, frei von dem Verlangen nach Sinnengenüssen und von unheilsamen Regungen, und die mit Nachdenken und Forschen verbundene, von Freude und Wohlbehagen erfüllte erste Stufe der Versenkung erreichte, und ich dachte: Dies könnte der Weg zum Erwachen sein. Zuerst scheute ich mich vor diesem Glück, das abseits von dem Verlangen nach Sinnengenüssen und von unheilsamen Regungen liegt, aber ich überwand diese Scheu bald, und dann sagte ich mir: Dieses Glück ist nicht leicht zu erreichen für einen, dessen Körper allzu sehr abgemagert ist. Und ich nahm wieder ausreichend Speise zu mir, Reisbrei und saure Reissuppe.

Damals lebten fünf Bhikkhus bei mir, die dachten: Wenn der Samana Gotama zur Wahrheit gelangt, wird er sie uns mitteilen. Als ich aber ausreichend Speise zu mir nahm, wandten sie sich von mir ab und verließen mich, da sie glaubten, ich hätte das Ringen aufgegeben und mich einem Leben im Überfluß zugewandt.

Nachdem ich nun wieder zu Kräften gekommen war, machte ich mich frei von dem Verlangen nach Sinnengenüssen und von unheilsamen Regungen und gelangte zur ersten, dann zur zweiten, zur dritten und zur vierten Stufe der Versenkung[2], aber das Glücksgefühl, das ich dabei empfand, machte keinen bleibenden Eindruck auf mein Gemüt.

Als mein Geist auf solche Weise beruhigt war, gereinigt, geläutert, frei von Begierde, sanft, fügsam, fest und unerschütterlich, wandte ich ihn zu der Erinnerung und Erkenntnis meiner früheren Daseinsformen, und ich erinnerte mich nacheinander an Hunderttausende meiner früheren Daseinsformen bis in frühere Weltperioden zurück. Dieses erste Wissen erlangte ich in der ersten Nachtwache. Unwissenheit verschwand, Wissen ging auf, Finsternis verschwand, Licht ging auf, während ich so unermüdlich übte. Aber das Glücksgefühl das ich dabei empfand, machte keinen bleibenden Eindruck auf mein Gemüt.

Dann richtete ich meinen Geist auf das Vergehen und Wiederentstehen der Wesen. Ich sah mit himmlischem, klarem, übermenschlichem Blick, wie die Wesen vergehen und wieder entstehen, ich erkannte die niedrigen Wesen und die hohen, die schönen und die unschönen, die glücklichen und die elenden, wie es ihnen je nach ihren Taten ergeht: Die Wesen, die in Werken, Worten und Gedanken schlecht gelebt, die über die Edlen Böses geredet haben, die falsche Ansichten hatten und demgemäß handelten, diese sind nach dem Tode in Leid und Qual, in peinvollen Zustand, in die Hölle gekommen. Jene Wesen aber, die Gutes getan haben in Werken, Worten und Gedanken, die richtige Ansichten hatten und demgemäß handelten, sind nach dem Tode in glücklichen Zustand, in das Himmelreich gekommen. Dieses zweite Wissen erlangte ich in der zweiten Nachtwache. Unwissenheit verschwand, Wissen ging auf, Finsternis verschwand, Licht ging auf, während ich so unermüdlich übte. Aber das Glücksgefühl, das ich dabei empfand, machte keinen bleibenden Eindruck auf mein Gemüt.

Dann richtete ich meinen Geist auf die Erkenntnis von der Vernichtung der Anwandlungen[3], und ich erkannte, der Wahrheit gemäß, worin die Übel und die Anwandlungen bestehen, was ihr Ursprung ist, wie sie beendet werden können und welches der Weg zu ihrem Ende ist.

Während ich dies erkannte, wurde mein Geist frei von Anwandlungen des sinnlichen Begehrens, frei von Lebensgier und von Unwissenheit; ich wurde mir bewußt, daß ich erlöst bin, und ich erkannte, daß (für mich) der Lauf der Wiedergeburten beendet ist, daß ich das Ziel des Reinheitswandels erreicht und getan habe, was zu tun war, und daß ich zur Welt nicht mehr zurückkehren werde. Dieses dritte Wissen erlangte ich in der letzten Nachtwache Unwissenheit verschwand, Wissen ging auf, Finsternis verschwand, Licht ging auf, während ich so unermüdlich übte. Aber das Glücksgefühl, das ich dabei empfand, machte keinen bleibenden Eindruck auf mein Gemüt.

Aggivéssana, wenn ich in Hunderten von Versammlungen die Lehre darlege, dann glaubt jeder einzelne, ich hätte sie nur ihm klarmachen wollen. So ist das aber nicht zu verstehen, sondern soweit es zum Verständnis für die Zuhörer notwendig ist, legt der Vollendete die Lehre dar, aber nach Beendigung des Vortrages wirke ich je nach ihrem Auffassungsvermögen erhebend und beruhigend auf die (einzelnen) Zuhörer ein. So halte ich es jederzeit, jederzeit.»

Sāccaka: «So ist es auch von Herrn Gotama als dem Heiligen, voll Erwachten zu erwarten. - Ist es richtig, Herr Gotama, daß Ihr am Tage schlaft?»

Der Erhabene: «Es ist richtig, daß ich mich in der heißen Jahreszeit nach dem Mahl auf das vierfach gefaltete Obergewand auf die rechte Seite lege und achtsam und wissensklar einschlafe.»

Sāccaka: «Manche Samanas und Brahmanen sagen aber, das mache stumpfsinnig.»

Der Erhabene: «Das hat mit <stumpfsinnig> und <scharfsinnig> nichts zu tun. Was stumpfsinnig und scharfsinnig ist, will ich dir erklären, höre zu und denke darüber nach! Stumpfsinnig nenne ich den, der die Anwandlungen nicht abwehrt, die den Geist trüben, Wiedergeburt schaffen, Leid bringen, die Übel reifen lassen und künftiges Geborenwerden, Altern und Sterben herbeiführen; denn wenn man die Anwandlungen nicht abwehrt, ist man stumpfsinnig. Wer aber die Anwandlungen abwehrt, den nenne ich scharfsinnig; denn wenn man die Anwandlungen abwehrt, ist man scharfsinnig. Ein Vollendeter hat die Anwandlungen entwurzelt, wie man eine Palme ausgräbt, so daß sie nicht wieder wachsen kann.»

Sāccaka: «Es ist erstaunlich: auch wenn man dem Herrn Gotama immer wieder Einwendungen und Einreden entgegenhält, so bleibt doch seine Hautfarbe hell und sein Gesichtsausdruck immer ruhig und freundlich, wie eben bei einem Heiligen, voll Erwachten. Wenn ich mit Purana Kāssapa oder mit Mākkhali Gosala oder mit Ajita Kesakambali oder mit Pakudha Kaccāyana oder mit Sānjaya Belatthaputta oder mit Nigantha Nathaputta disputierte, dann sprangen diese von einem auf das andere, bogen ab auf etwas außerhalb Liegendes und zeigten Zorn, Haß und Ärger. Bei dem Herrn Gotama aber bleibt trotz aller Einwendungen und Einreden des Gegners die Hautfarbe immer hell und der Gesichtsausdruck ruhig und freundlich, wie eben bei einem Heiligen, voll Erwachten. Jetzt aber will ich gehen, ich habe noch viel zu tun.»

Der Erhabene: «Wie es dir beliebt, Aggivéssana!»

Befriedigt von dem Gespräch mit dem Erhabenen stand Sāccaka auf und ging fort.

 



[1]Vergl. 12. Sutta.

[2]Im Text werden die vier Stufen der Versenkung mit den üblichen Formeln aufgezählt und jedesmal hinzugefügt: <Aber das Glücksgefühl das ich dabei empfand, machte keinen bleibenden Eindruck auf mein Gemüt.>

[3]Vgl. 2. Sutta mit den Anmerkungen.


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