Majjhima Nikāya, Mittlere Sammlung

Erstes Halbhundert - Mūlapannāsam

IV. BUCH: GROSSE PAARE - Mahāyamakavaggo

38. Vernichtung des Durstes II - Mahā-tanhā-sankhaya Sutta

 

So habe ich es gehört:

Einst weilte der Erhabene in Anāthapindikas Bhikkhuheim im Jetahain bei Sāvatthi. Damals hatte ein Bhikkhu namens Sati, der Sohn eines Fischers, folgende irrige Ansicht: er verstand die Lehre des Erhabenen so, daß dieses (gegenwärtige) Bewußtsein durch die Wiedergeburten hindurch wandere und sich nicht ändere. Als andere Bhikkhus das hörten, suchten sie Sati auf und fragten ihn, ob er wirklich diese Ansicht habe. Da er es bestätigte, versuchten sie, ihn davon abzubringen und sagten zu ihm: «Bruder Sati, rede nicht so, sage nichts Falsches über den Erhabenen! Es ist nicht gut, über den Erhabenen Falsches zu sagen. Der Erhabene würde nicht so reden. Mehrfach hat er erklärt, daß das Bewußtsein bedingt entsteht, daß kein Bewußtsein ohne Ursache entstehen kann.» Trotz dieser Ermahnung und Belehrung blieb Sati bei seiner irrigen Ansicht. Da die Bhikkhus ihn nicht davon abbringen konnten, gingen sie zum Erhabenen und berichteten ihm darüber. Der Erhabene ließ Sati rufen, fragte ihn, ob der Bericht der Bhikkhus zutreffe, und da er es bestätigte, fragte er Sati: «Welches Bewußtsein meinst du?» Sati erwiderte: «Herr, dasjenige, das hier und dort die Folgen seiner guten und bösen Taten erfährt.» - «Von wem hast du Wirrkopf denn gehört, daß ich solches gelehrt hätte? Habe ich nicht mehrfach erklärt, daß das Bewußtsein bedingt entsteht, daß kein Bewußtsein ohne Ursache entstehen kann? Infolge deines Mißverständnisses sagst du Falsches über uns. Damit gräbst du dir selbst das Grab und lädst schwere Schuld auf dich. Das wird dir für lange Zeit zum Unheil und Leiden gereichen.» Dann wandte sich der Erhabene an die Bhikkhus und sagte: «Meint ihr, daß dieser Bhikkhu Sati in unserm Orden etwa Brand gestiftet hat?» Sie erwiderten: «Wie wäre das möglich! Nein, Herr!» Nach diesen Worten saß der Bhikkhu Sati schweigend niedergeschlagen, mit herabhängenden Schultern und gesenktem Kopf, schamrot und ratlos da. Als der Erhabene das sah, sprach er zu Sati: «Es wird sich zeigen, daß du mit deiner irrigen Ansicht allein stehst. Ich will nun die Bhikkhus fragen.» Und zu den Bhikkhus sprach er: «Versteht ihr die Lehre auch so wie Sati?» - «Nein, Herr, denn der Erhabene hat ja mehrfach erklärt, daß das Bewußtsein bedingt entsteht, daß kein Bewußtsein ohne Ursache entstehen kann.» Der Erhabene: «Gut, meine Bhikkhus! Ihr habt meine Lehre richtig verstanden. Mehrfach habe ich erklärt, daß das Bewußtsein bedingt entsteht, daß kein Bewußtsein ohne Ursache entstehen kann.» Dann fuhr er fort:

«Je nach seinem Entstehungsgrunde wird das Bewußtsein benannt. Ist es durch das Gesicht und sichtbare Dinge bedingt entstanden, so heißt es Sehbewußtsein; ist es entstanden bedingt durch das Gehör und Töne, durch den Geruch und Düfte, durch den Geschmack und Säfte, durch das Tastgefühl und Tastungen, durch das Denken und Vorstellen, so heißt es je nachdem Hörbewußtsein, Riechbewußtsein, Schmeckbewußtsein, Tastbewußtsein und Denkbewußtsein. Das ist so wie man Feuer nach dem benennt, wodurch bedingt es entstanden ist: durch Holz Holzfeuer, durch Reisig Reisigfeuer, durch Stroh Strohfeuer, durch Dung Dungfeuer, durch Spreu Spreufeuer, durch Kehricht Kehrichtfeuer. Ebenso ist es mit dem Bewußtsein. (Buddha zeigt auf ein Tier oder eine Pflanze) Seht ihr, daß dies ein lebendes Wesen ist?» - «Ja, Herr!» - «Seht ihr, daß es durch Nahrung lebt?» - «Ja, Herr.» - «Seht ihr, daß es zugrunde geht, wenn die Nahrung aufhört?» - «Ja, Herr.» - «Wenn man nicht sicher ist, ob es ein lebendes Wesen ist, beginnt man dann zu zweifeln?» - «Ja, Herr.» - «Wenn man nicht sicher ist, daß es durch Nahrung lebt, beginnt man dann zu zweifeln?» - «Ja, Herr.» - «Wenn man nicht sicher ist, daß es zugrunde geht, wenn die Ernährung aufhört, beginnt man dann zu zweifeln?» - «Ja, Herr.» - «Wer sieht, nachdem er es richtig verstanden hat, daß dieses wirklich ein lebendes Wesen ist, schwindet dem der Zweifel?» - «Ja, Herr.» - «Wer sieht, nachdem er es richtig verstanden hat, daß dieses wirklich durch Nahrung lebt, schwindet dem der Zweifel?» - «Ja, Herr.» - «Wer sieht, nachdem er es richtig verstanden hat, daß dieses wirklich zugrunde geht, wenn die Ernährung aufhört, schwindet dem der Zweifel?» - «Ja, Herr.» - «Seid ihr sicher, daß dies ein lebendes Wesen ist?» - «Ja, Herr.» - «Seid ihr sicher, daß es durch Nahrung lebt?» - «Ja, Herr.» - «Seid ihr sicher, daß es zugrunde geht, wenn die Ernährung aufhört?» - «Ja, Herr.» - «Habt ihr es richtig verstanden und seid ihr überzeugt, daß dies wirklich ein lebendes Wesen ist?» - «Ja, Herr.» - «Habt ihr es richtig verstanden und seit ihr überzeugt, daß es wirklich durch Nahrung lebt?» - «Ja, Herr.» - «Habt ihr es richtig verstanden und seid ihr überzeugt, daß es wirklich zugrunde geht, wenn die Ernährung aufhört?» - «Ja, Herr.» - «Wenn ihr Bhikkhus euch nun an diese klare und reine Einsicht anklammert, wenn ihr stolz darauf seid, wenn ihr sie als euren Schatz, als euer Eigentum betrachtet, würdet ihr dann die verkündete Lehre wie ein Floß behandeln, das zum Hinüberkommen, aber nicht zum Aufbewahren da ist?» - «Nein, Herr.» - «Wenn ihr euch aber nicht an diese Einsicht anklammert, wenn ihr nicht stolz darauf seid, sie nicht als euren Schatz, als euer Eigentum betrachtet, behandelt ihr dann die verkündete Lehre wie ein Floß, das zum Hinüberkommen, aber nicht zum Aufbewahren da ist?» - «Ja, Herr»[1].

«Es gibt vier Arten der Ernährung, für die entstandenen Wesen zum Fortbestehen und für die erst entstehenden als Beihilfe, nämlich stoffliche grobe und feine Nahrung, zweitens Berührung, drittens Begriffsbildung, viertens Bewußtsein. Diese vier Arten der Ernährung sind vorhanden oder treten auf, wenn Durst oder Lebenstrieb da ist. Durst oder Lebenstrieb entsteht, wenn Empfindung da ist, Empfindung kann es nur dann geben, wenn Berührung da ist. Berührung setzt voraus daß sechsfache Sinnesempfänglichkeit da ist.

[Sechsfache Sinnesempfänglichkeit gibt es nur, wenn ein lebendiger Organismus da ist. Ein lebendiger Organismus setzt voraus, daß Bewußtsein da ist. Bewußtsein kann nur dann entstehen, wenn unbewußte gestaltende Tätigkeiten da sind. Solche Tätigkeiten kommen nur zustande, wenn Unwissenheit da ist. So ist Unwissenheit die Voraussetzung für unbewußte gestaltende Tätigkeiten, solche Tätigkeiten sind die Voraussetzung für Bewußtsein, Bewußtsein ist die Voraussetzung für einen lebendigen Organismus, ein lebendiger Organismus ist die Voraussetzung für sechsfache Sinnesempfänglichkeit.[2]]

So ist sechsfache Sinnesempfänglichkeit die Voraussetzung für Berührung, Berührung die Voraussetzung für Empfindung, Empfindung die Voraussetzung für Durst oder Lebenstrieb, Durst oder Lebenstrieb die Voraussetzung für Ergreifen, Ergreifen die Voraussetzung für Leben, Leben die Voraussetzung für Geburt, Geburt die Voraussetzung für Altern und Sterben, für Kummer, Jammer, Schmerz, Gram und Verzweiflung. So kommt diese ganze Masse der Übel zustande.

Nun sagt, ihr Bhikkhus: Ist Geburt die Voraussetzung für Altern und Sterben?» - «Ja, Herr, zweifellos!» - «Ist Leben die Voraussetzung für Geburt?» - «Ja, Herr, zweifellos!» - «Ist Durst die Voraussetzung für Ergreifen?» - «Ja, Herr, zweifellos!» - «Ist Empfindung die Voraussetzung für Durst?» - «Ja, Herr, zweifellos!» - «Ist Berührung die Voraussetzung für Empfindung?» - «Ja, Herr, zweifellos!» - «Ist sechsfache Sinnesempfänglichkeit die Voraussetzung für Berührung?» - «Ja, Herr, zweifellos!»

[Ist ein lebendiger Organismus die Voraussetzung für sechsfache Sinnesempfänglichkeit?» - «Ja, Herr, zweifellos!» - «Ist Bewußtsein die Voraussetzung für einen lebendigen Organismus?» - «Ja, Herr, zweifellos!» - «Sind unbewußt gestaltende Tätigkeiten die Voraussetzung für Bewußtsein?» - «Ja, Herr, zweifellos!» - «Ist Unwissenheit die Voraussetzung für unbewußte gestaltende Tätigkeiten?» - «Ja, Herr, zweifellos!»]

«Gut, meine Bhikkhus! Somit sagt ihr, und ich sage es auch: Wenn dieses ist, ist jenes, wenn dieses entsteht, entsteht jenes, nämlich [wenn Unwissenheit da ist, sind unbewußte gestaltende Tätigkeiten da, wenn solche Tätigkeiten entstehen, entsteht Bewußtsein wenn Bewußtsein da ist, ist auch ein lebendiger Organismus da, wenn ein lebendiger Organismus da ist, ist sechsfache Sinnesempfänglichkeit da,]

wenn sechsfache Sinnesempfänglichkeit da ist, entsteht Berührung, wenn Berührung entsteht, entsteht Empfindung, wenn Empfindung da ist, entsteht Durst, wenn Durst da ist, entsteht Ergreifen, wenn Ergreifen da ist, entsteht Leben, wenn Leben da ist, gibt es Geburt, wenn

Geburt stattgefunden hat, entstehen Altern und Sterben, Kummer, Jammer, Schmerz, Gram und Verzweiflung. So kommt diese ganze Masse der Übel zustande.

Noch einmal fragte der Erhabene, wie vorher, die Bhikkhus, ob sie alle einzelnen Glieder der Kette als richtig erkennen, und sie antworten jedesmal: «Ja, Herr, zweifellos»[3]. Darauf sagte der Erhabene: «Gut, meine Bhikkhus! Somit sagt ihr, und ich sage es auch: Wenn dieses nicht ist, ist jenes nicht, wenn dieses aufhört, hört jenes auf, nämlich [wenn Unwissenheit aufhört, hören unbewußte gestaltende Tätigkeiten auf, wenn diese aufhören, hört Bewußtsein auf, wenn Bewußtsein nicht da ist, gibt es keinen lebendigen Organismus, wenn kein lebendiger Organismus da ist, gibt es keine Sinnesempfänglichkeit,]

wenn keine Sinnesempfänglichkeit da ist, gibt es keine Berührung, ohne Berührung keine Empfindung, ohne Empfindung keinen Durst, ohne Durst kein Ergreifen, ohne Ergreifen kein Leben, ohne Leben keine Geburt, ohne Geburt kein Altern und Sterben, keinen Kummer, Jammer, Schmerz, Gram und keine Verzweiflung. So kommt diese ganze Masse der Übel zum Ende.

Wenn ihr das nun so erkennt und einseht, meine Bhikkhus, möchtet ihr da noch in die Vergangenheit zurück forschen, ob ihr in vergangenen Zeiten wart oder nicht wart, was ihr in vergangenen Zeiten wart, wie ihr wart, was ihr wart, nachdem ihr vorher was gewesen wart?» - «Nein, Herr!» - «Oder möchtet ihr noch in die Zukunft hinein forschen, ob ihr künftig sein werdet oder nicht sein werdet, was ihr sein werdet, wie ihr sein werdet, was ihr sein werdet, nachdem ihr vorher was gewesen wart?» - «Nein, Herr!» - «Oder möchtet ihr noch für die Gegenwart über euch selbst fragen, ob ihr seid oder nicht seid, was ihr seid, wie ihr seid, woher dieses euer Wesen gekommen sei und wohin es einst gehen werde?» - «Nein, Herr!»

«Meine Bhikkhus! Möchtet ihr, wenn ihr das so erkennt und einseht, sagen: <Der Meister ist unser Guru, und weil er unser Guru ist, sagen wir so>?» - «Nein, Herr!» - «Oder möchtet ihr sagen: <Ein Samana hat es gesagt und auch andere Samanas; nicht wir sind es, die so reden>?» - «Nein, Herr!» - «Oder möchtet ihr euch einen anderen Lehrer wählen?» - «Nein, Herr!» - «Oder möchtet ihr zu den mancherlei religiösen Bräuchen und Feiern der gewöhnlichen Samanas und Brahmanen als zu etwas Wertvollem zurück kehren?» - «Nein, Herr!» - «Oder sagt ihr nur das, was ihr selbst erkannt, eingesehen und verstanden habt?» - «Ja, Herr!» - «Gut, meine Bhikkhus! Gespendet habe ich euch diese anschauliche Lehre, die nicht erst nach dem Tode wirksam wird, die zum Schauen einlädt, zum Ziele führt und die Weise in sich selbst finden. Anschaulich ist diese Lehre, sie wirkt nicht erst nach dem Tode, sie lädt zum Schauen ein, sie führt zum Ziele, und Weise können sie in sich selbst finden. Deshalb habe ich das gesagt.

[Wenn drei sich vereinen, kommt eine Empfängnis zustande. Vereinigen sich Mutter und Vater, aber die Mutter hat nicht ihre Zeit und der Engel[4] (das zur Wiedergeburt kommende Wesen) steht nicht bereit, so kommt keine Empfängnis zustande. Vereinigen sich Mutter und Vater, und die Mutter hat ihre Zeit, aber der Engel steht nicht bereit, so kommt keine Empfängnis zustande. Wenn aber Mutter und Vater sich vereinigen, die Mutter ihre Zeit hat und der Engel bereitsteht, so kommt durch das Zusammentreffen dieser drei eine Empfängnis zustande. Ihn[5] hegt die Mutter neun oder zehn Monate als Leibesfrucht im Mutterleib[6] mit großer Angst als schwere Last, und wenn er geboren ist, nährt sie ihn mit ihrem Blut, denn Blut nennt man im Orden der Edlen die Muttermilch. Dieser Knabe wächst nun heran und entwickelt seine Fähigkeiten, er spielt mit kindlichem Spielzeug, zum Beispiel mit einem kleinen Pflug, mit einem Töpfchen, mit einer kleinen Windmühle, mit einem Palmblätterspielzeug, mit einem Wägelchen oder mit einem Bogen zum Schießen. Wenn er dann weiter wächst und seine Fähigkeiten entwickelt, beteiligt er sich an den fünf Arten der Sinnenfreuden, er sieht sichtbare Dinge, hört Töne, riecht Düfte, schmeckt Säfte, fühlt Tastbares und findet alles erwünscht, lieblich, angenehm, begehrenswert, reizend. Wenn er etwas sieht, hört, riecht, schmeckt oder tastet, wird er von dem Angenehmen angezogen und von dem Unangenehmen abgestoßen. Er übt nicht die Körperbetrachtung, und sein Geist bleibt beschränkt, er weiß nichts von Geistesbefreiung durch Weisheit, weiß nicht, wie er schlechte, unheilsame Regungen überwinden kann. So erfährt er Lust und Unlust, und jedes Gefühl, sei es ein Lustgefühl oder ein Unlustgefühl oder ein gleichgültiges Gefühl, hegt und pflegt er. Dadurch fühlt er sich befriedigt. Was die Befriedigung über die Gefühle ist, das ist Ergreifen und Anhaften. Aus dem Ergreifen und Anhaften entsteht Leben; wo Leben ist, da ist Geburt; auf die Geburt folgen Altern und Sterben, Kummer und Jammer, Schmerz, Gram und Verzweiflung so kommt diese ganze Masse der Übel zustande.

Nun erscheint in der Welt ein Vollendeter, ein Heiliger, voll Erwachter, und verkündet die Lehre, die am Anfang, in der Mitte und am Ende gut ist, nach Sinn und Wortlaut und erklärt den vollständig reinen Wandel der Heiligkeit. Diese Lehre hört ein Hausherr oder dessen Sohn oder ein Mann aus einer anderen Familie, er faßt Vertrauen zum Vollendeten und überlegt, daß das Leben in der Häuslichkeit voll Bedrängnis und Unreinheit ist, der Gang in die Heimatlosigkeit aber wie freie Himmelsluft. In der Häuslichkeit könne man nicht leicht einen ganz reinen Lebenswandel durchführen. Nach einiger Zeit gibt er seinen kleinen oder großen Besitz auf, verläßt seinen kleinen oder großen Verwandtenkreis, läßt sich Haar und Bart scheren, legt ein gelbes Gewand an und geht aus dem Haus in die Heimatlosigkeit. Ist er nun Bhikkhu geworden, so verletzt er kein 1ebendes Wesen, nimmt nichts, was ihm nicht gegeben wird, lebt keusch, lügt nicht, verleumdet nicht, schimpft nicht, schwatzt nicht, beschädigt keine Pflanzungen, speist nur mittags, besucht keine Vergnügungsstätten, schmückt sich nicht mit Kränzen oder Wohlgerüchen, schläft nicht in üppigen Betten, nimmt kein Gold oder Silber an, nimmt kein rohes Getreide und kein rohes Fleisch an, berührt keine Frauen und Mädchen, hält sich keine Bedienung und kein Vieh, übernimmt keine Dienstleistungen, treibt keinen Handel usw.[7], und schließlich gelangt er bis zur vierten Stufe der Versenkung. Erblickt er etwas Sichtbares, hört er Töne, riecht er Düfte, schmeckt er Säfte, fühlt er Tastbares, so wird er von dem Angenehmen nicht angezogen und von dem Unangenehmen nicht abgestoßen, er übt die Körperbetrachtung und weitet seinen Geist ins Grenzenlose (mit Güte gegen alle Wesen), er versteht richtig, was Geistesbefreiung durch Weisheit ist und wie man schlechte, unheilsame Regungen überwindet, er wird nicht berührt von Lust und Unlust, Gefühle hegt und pflegt er nicht, alle Befriedigung daran hört auf. Infolgedessen hört das Ergreifen auf. Wo kein Ergreifen, da kein Leben, wo kein Leben, da keine Geburt, wo keine Geburt, da kein Altern und Sterben, kein Kummer, Jammer, Schmerz, Gram und keine Verzweiflung. So hört diese ganze Masse der Übel auf.]

Meine Bhikkhus! Dieses merkt euch unter dem Stichwort <Befreiung durch Vernichtung des Durstes>. Den Bhikkhu Sati aber, den Sohn eines Fischers, betrachtet als verstrickt in das große Netz des Durstes, in die große Fessel des Durstes.

So sprach der Erhabene. Die Bhikkhus nahmen seine Rede mit Freude und Dank an.

 



[1]Eine Warnung, Buddhas Lehren als Dogmen zu behandeln! Verstehen, einsehen, aber nicht wie Glaubens­sätze auswendig lernen!

[2]Die in eckige Klammern eingeschlossenen Worte können erst in späterer Zeit hinzugefügt worden sein, denn zu Buddhas Zeit reichte die Kette der Abhängigkeitsverhältnisse, der paticcasamuppāda, nur bis zur Berührung der Sinnesempfänglichkeit. Dies ergibt sich aus Samyuttanikāya XII, 24 in Verbindung mit Ang. IV, 174. Buddha meinte mit dem Wort salāyatana etwas Unkörperliches, Psychisches, nämlich die Fähigkeit oder das Vermögen zu sehen, zu hören, zu riechen, zu schmecken, zu tasten und zu denken, und dieses Unkörperliche konnte nur von etwas berührt werden, was gleichfalls unkörperlich ist. Wenn man die Kette weiterführen wollte, konnte man in der alten Zeit nur fragen, was denn da berühre, oder was auf der anderen Seite, jenseits der Berührung sei. Diese Frage stellte in der Tat der Bhikkhu Mahakótthita, und Sariputta erklärte ihm, daß sie nicht beantwortet werden könne: Wenn man sage, dort, jenseits der Berührung, sei etwas, aber auch wenn man sage, dort sei nichts, dann mache man beide Male etwas, «das nicht Erscheinungswelt ist, zur Erscheinungswelt», d. h. man überschreite die Grenze möglicher Erkenntnis. Im Sinne der ursprünglichen Lehre konnte also die Kette der Abhängigkeiten nicht weiter verfolgt werden als bis zur Berührung des salāyatana. Erst in späterer Zeit faßten die Scholastiker der Theravadins - im Abhidhamma, Vibhanga II - salāyatanā als die körperlichen Sinnesorgane - Auge, Ohr usw. - auf, die einen körperlichen lebendigen Organismus voraussetzen, und von diesem aus kam man dann weiter Bewußtsein, unbewußten Tätigkeiten und Unwissenheit. Dadurch erst wurde die zu Buddhas Zeit vollkommen klar verständliche Kette der Abhängigkeiten dunkel und erforderte eine gezwungene, anfechtbare Erklärung. Näheres hierüber in <Buddha und seine Jünger>, S. 22-25. Daß salāyatanā im alten Buddhismus nicht die körperlichen Sinnesorgane, sondern die psychischen Sinnesfähigkeiten oder Sinnesvermögen bedeutet, beweist die Stelle Anguttara Nikāya III, 61, 7, wo es als cha phassāyatanā, <die sechs Bereiche der Berührung> erklärt wird. Wenn Empfindung zweifellos etwas Unkörperliches, nämlich ein psychischer Vorgang, durch Berührung bedingt, ist, so muß das, was berührt wird, auch etwas Psychisches sein. So fassen es auch die chinesischen buddhistischen Texte auf, die āyatanā mit ju = <hineingehen> wiedergeben, also nicht als körperliche Organe, sondern als Vorgang des Hineingehens.

[3]Im Text ausführlich wie oben.

[4]gandhabba, skr. gandharva, ist die Bezeichnung himmlischer Sänger, die ungefähr dem entsprechen, was in der persisch-jüdisch-christlichen Mythologie <Engel> genannt wird. Für das zur Wiedergeburt kommende Wesen wird das Wort nur hier und in der kurzen Parallelstelle Majjhimanikāya 93 gebraucht. Wahrscheinlich war es ursprünglich ein Wortspiel, denn gandhabba klingt ähnlich wie gantabba, und dieses bedeutet: <der, welcher kommen soll>, nämlich in den Mutterleib oder in menschliches Dasein. Oder - und dies ist das Wahrscheinlichste - jener Bhikkhu, der die Erklärung des Empfängnisvorgangs erdachte und zuerst vortrug, sagte gantabba, und erst später, bei wiederholtem Nachsprechen, wurde daraus durch unscharfe Aussprache gandhabba; aus dem, <der kommen soll>, wurde so ein Engel. Der mit den Worten <Wenn drei sich vereinigen> beginnende Abschnitt, einschließlich dessen, was an anderen Stellen mit denselben Worten gesagt worden ist, ist sicherlich ein Zusatz aus späterer Zeit, wie sich aus Anmerkung 6 ergibt.

[5]Nach dem Text kann sich das nur auf den <Engel> beziehen.

[6]kucchinā. Im alten Pali würde es kucchiyā lauten. Lokativ vom Stamm kucchi, während kucchinā erstens einen Stamm kucchin voraussetzt und zweitens Ablativ statt des Lokativs ist. Solche unscheinbaren Regelwidrigkeiten der Sprache, die nicht etwa auf einem Schreibfehler beruhen, sondern in allen Handschriften übereinstimmend überliefert sind, verraten mit Sicherheit die spätere Entstehungszeit des Textstückes.

[7]Im Text alles wörtlich wie im 27. Sutta.


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